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Geschichte des Libanon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Geschichte des Libanon in der Antike

(siehe Phönizien.)

Geschichte des Libanon unter der Herrschaft der Araber und der Kreuzfahrer 636 bis 1517

Die Gebiete des Libanon wurden nach der Schlacht am Yarmuk 636, in der muslimische Araber die Byzantiner besiegten, an das Kalifat angeschlossen und teilten bis ins 19. Jahrhundert das Schicksal Syriens. So wurde es nacheinander bis ins 11. Jahrhundert von den Kalifen der Umayyaden, Abbasiden und Fatimiden regiert. Unter den Fatimiden entstand in Kairo gegen 1017 die muslimische Sekte der Drusen unter al-Labbad, die den Fatimidenkalifen al-Hakim (9951021) als Inkarnation Gottes ansahen. Nach dem Ende al-Hakims wurden die Drusen in Ägypten und Syrien verfolgt, konnten sich aber im Libanongebirge behaupten. Unter der muslimischen Herrschaft konnten sich die christlichen und jüdischen Bevölkerungsteile Syriens weitgehend behaupten. Die aramäisch-syrischen Christen (im Gegensatz zu den damals griechisch sprechenden orthodoxen Christen) und die Juden übernahmen relativ schnell das ihren liturgischen Sprachen verwandte Arabisch als Umgangs- und Bildungssprache. Jahrhunderte später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren es im wesentlichen syrische Christen und Juden, die die kulturelle Erneuerung der arabischen Sprache ("al nahda") betreiben sollten.

Zwar vertrieben die Seldschuken nach 1071 die Fatimiden aus Syrien und dem Libanon, doch konnten sie keine stabile Herrschaft errichten, so dass die Kreuzfahrer nach dem 1. Kreuzzug nach der Eroberung von Tripolis (1109) die Grafschaft Tripolis errichten konnten. Erst unter den Mamelucken konnten die Kreuzfahrer um 1291 vertrieben werden. 1517 kam der Libanon mit Syrien nach dem Untergang des Mameluckenreichs unter die Herrschaft der Osmanen.

Osmanische Herrschaft I. (1517 - 1860, Emire des Libanon)

Unter den Osmanen errangen noch im 16. Jahrhundert die Emire der Drusen unter dem Man-Clan großen Einfluss und konnten den Libanon weitgehend unabhängig regieren (siehe auch: Emirat der Drusen). Gegen 1800 gewannen die Maroniten zunehmend an wirtschaftlichem Einfluss, da sie von ihren Handelskontakten stark profitieren konnten. Die wirtschaftliche Entwicklung der damals sogenannten "Levante" weckte aber auch das Interesse der europäischen Großmächte, vor allem von Frankreich und England. Während Frankreich traditionell die christlich-katholische Bevölkerung der Levante unterstützte (vor allen Dingen die Maroniten), interessierte sich England für die Minderheit der Drusen, die vor allem in den südlicheren Gebieten die Notabeln stellten. Nicht zuletzt auf Grund der Intrigen der Franzosen und der Briten, die um größeren Einfluss rangen, und auf Grund der relativen Besserstellung der Maroniten besonders in den letzten Jahren des Emirates kam es in den Zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu ersten Zusammenstößen mit konfessionellem Charakter. Durch die ägyptische Invasion unter Ibrahim Pascha, Sohn von Muhammad Ali Pascha, wurden diese Spannungen nur intensiviert, denn seine Reformen hatten einen weiteren Aufschwung gerade der maronitischen Bauern zur Folge. Vor allem durch die Unterstützung der Europäischen Mächte (bis auf Frankreich), war es dem Osmanischen Reich möglich, die Herrschaft über die syrischen Provinzen wieder zu erlangen. Aber nach dieser Rückeroberung kam es wieder zu konfessionellen Unruhen. Schon bald wurde die Stadt Deir al-Qamar von Drusen erobert. Der letzte Emir, Bashir III, wurde daraufhin von der Hohen Pforte abgesetzt und ins Exil gesandt.

Nach dem Ende des Emirates kam es zu einer administrativen Neugliederung des Libanongebirges. Es wurde aufgeteilt in zwei Distrikte unter der Oberherrschaft des Wali von Sidon. Der nördliche Distrikt bekam einen maronitischen und der südliche Teil einen drusischen Gouverneur. Im Zuge einer Reform dieses Systems im Jahr 1845 durch Shakib Efendi, wurden Räte gebildet, die den Gouverneuren unterstellt waren. Die Mitglieder dieser Räte repräsentierten die jeweiligen Religionsgemeinschaften des Libanongebirges. Diese Räte sind insofern bedeutend, als dass sie die konfessionelle Aufteilung der politischen Ämter, die bis heute fortbesteht, einläutete.

Dieses System brachte einen unruhigen Frieden mit sich. Besonders in der nördlichen Provinz, die von einem maronitischen Gouverneur verwaltet wurde, nahmen die Spannungen zwischen Bauern und Feudalherren drastisch zu. Im Jahr 1858 schließlich kam es zu einem Aufstand der Bauern in dem Distrikt Kisrawan. Die dortige Familie von Feudalherren, die Khazins, wurden mit ihren Verbündeten zusammen vertrieben. Damit war die letzte bedeutende Feudalfamilie vertrieben. Konsequenz dessen war, dass die maronitische Kirche an Einfluss über die Bauern gewann. Im Jahr 1860 kam es schließlich auch zu einem Bauernaufstand im südlichen Distrikt. Zunächst handelte es sich auch hier primär um einen Klassenkonflikt. Jedoch wandelte sich dies sehr schnell in einen konfessionellen Konflikt um. Dies wurde dadurch begünstigt, dass es sich bei den Feudalherren meist um Drusen und bei den Bauern in der Regel um Maroniten handelte. Vor allem unter dem Einfluss des maronitischen Bischof in Beirut, wurde die Unzufriendenheit der Bauern auf alle Drusen gerichtet. Den drusischen Notabeln gelang es im Gegenzug, ihre Glaubensgenossen (und auch andere Muslime, sowie einige griechisch-orthodoxe) gegen die Maroniten aufzubringen. Denn es war unverkennbar, dass diese mit französischer Unterstützung nach einem Emirat unter ihrer Herrschaft trachteten.

Die Auseinandersetzungen des Jahres 1860 sind bis heute Gegenstand vieler historischer Diskussionen, da sie zu ersten konfessionell begründeten Massakern führten. Mehrere tausend Christen wurden getötet, zehntausende mussten fliehen oder wurden obdachlos. Die Drusen waren in der Lage, die Maroniten grundlegend zu besiegen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sich mehrere Bauernführer des Nordens, unter ihnen Yussuf Karam, nicht in die Kämpfe einmischten. Es kam, vor allem in Deir al-Qamar, zu grausamen Exzessen und Massakern an der Zivilbevölkerung. In diesem Zusammenhang ist besonders die Rolle der Osmanischen Truppen umstritten. Nach nur vier Wochen wurde dann ein Friedensvertrag zwischen Drusen und Maroniten geschlossen, der unter anderem auch eine direktere Einflussnahme des Osmanischen Reiches auf die Provinz vorsah.

Der Libanon als selbstständige Provinz des Osmanischen Reiches (1860 - 1915)

Nach den Pogromen von 1860 wurde der Libanon selbständig unter einem osmanischen Gouverneur verwaltet. Der Gouverneur des Libanon musste dabei immer ein katholischer (mit Rom unierter) Christ sein, der nicht aus dem Libanon kam. Die Einsetzung bedurfte der Zustimmung der europäischen Mächte. Die Autonomie des Libanon wurde von einer internationalen Kommission überwacht. Dennoch wurde der Sturz des despotischen Sultans Abdul-Hamid II. im Jahre 1908 auch im Libanon begeistert gefeiert. In das neugeschaffene Parlament in Konstantinopel wurden auch aus dem Libanon Abgeordnete entsandt. Der letzte osmanische Zivilgouverneur, Johannes Kouyoumdjian Pascha, ein aus Konstantinopel stammender Armenier und ehemaliger osmanischer Vize-Außenminister, der allerdings katholisch war und eine maronitische Mutter hatte, trat 1913 sein Amt an, das er bis zur Abschaffung der Zivilverwaltung 1915 ausübte.

Wirtschaftlich und kulturell blühte der Libanon in dieser Zeit auf, Beirut mit seiner französisch geprägten Kultur wurde ein Schmuckstück des Osmanischen Reiches und begründete seinen Ruf als "Paris des Nahen Ostens". Dichter und Intellektuelle wie Khalil Gibran erlangten Weltruf. Die Spezialisierung der libanesischen Landwirtschaft auf Luxusprodukte wie Weinbau und Seidenraupenzucht sollte den Libanesen allerdings im Ersten Weltkrieg zum Verhängnis werden.

Der Libanon unter türkisch-deutscher Militärverwaltung im Ersten Weltkrieg (1915-1919), Die Libanesische Hungerkatastrophe von 1916

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die selbständige Verwaltung abgeschafft und der Libanon Ende 1915 unter türkische Militärverwaltung gestellt. Der osmanische Zivilgouverneur wurde nach Konstantinopel abberufen. Neben Kairo und Damaskus war Beirut eines der Zentren dieser Nationalbewegung, die während des Ersten Weltkrieges von den Türken blutig unterdrückt wurde. Unter anderem kam es 1916 zu einer Massenhinrichtung auf dem "Place des Canons" in Beirut, der seitdem "Place des Martyrs" heißt und heute noch an dieses Ereignis erinnert.

Durch die alliierte Seeblockade und Requirierungen von Lebensmitteln der im Libanon operierenden deutschen und türkischen Heeresverbände kam es zu Hungersnöten und Seuchen, in deren Folge circa 100.000 der damals im Libanon lebenden 450.000 Menschen, vor allem Christen, umkamen. Während die deutschen Stellen dem Schicksal der Libanesen weitgehend tatenlos zusahen (die orientalisch aussehenden, aber überwiegend französisch sprechenden und katholischen "Levantiner" waren der protestantisch-preußisch dominierten deutschen Elite suspekt) kam es vor allem in den USA zu gewaltigen Protestaktionen, die u.a. von libanesischen Emigranten wie Khalil Gibran organisiert wurden und sicherlich mit zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg beigetragen haben. Viele Libanesen wanderten in dieser Zeit aus, vor allem in die USA, Kanada, Lateinamerika, Australien und nach Südafrika. Heute gibt es weltweit allein circa sechs Millionen aus dem Libanon stammende Maroniten. Gleichzeitig kam es zur Einwanderung von mehreren hunderttausend Armeniern, die vor allem im Beiruter Stadtteil Bourj Hammoud leben.

Französische Mandatszeit (1919-1943)

Nach der Niederlage der Achsenmächte im Ersten Weltkrieg besetzten die Ententemächte 1918/19 auch den Libanon.

Nach dem Ersten Weltkrieg errang Frankreich 1920 das Mandat des Völkerbundes über den Libanon. Es proklamierte daraufhin den unabhängigen Staat Libanon in seinen heutigen Grenzen. Die christlichen Nationalisten im Libanon unterstützten dieses französische Mandat zunächst, während die arabischen Nationalisten ähnlich wie diejenigen in Syrien, dem Irak und Palästina eine unabhängige arabische Nation anstrebten. Die französische Mandatsverwaltung war zunächst unentschieden, welche Zukunft der Libanon nehmen sollte. Gerade der Hochkommissar Henry Gouraud liebäugelte mit einem föderalen Verbund der syrischen Staaten, zu dem auch der Libanon gehören sollte. Die Franzosen waren jedoch von dem Völkerbund im Rahmen des Mandates für Syrien und Libanon beauftragt worden, in einem bestimmten Zeitraum eine Verfassung zu proklamieren. Als die Zeit ablief, kam es im Jahr 1925 zu einem drusischen Aufstand im Hauran, der sich schnell auch auf die anderen syrischen Mandatsgebiete ausdehnte. Um im Libanon den Frieden gewährleisten zu können, waren die Franzosen auf die Unterstützung ihrer traditionellen maronitischen Verbündeten angewiesen. Deren einflussreichste Vertreter (vor allem die maronitische Kirche), setzte sich vehement für einen unabhängigen "Großen Libanon" ein. 1926 bekamen sie denn auch, was sie wollten. Die neue Verfassung des Libanon bestätigte die Grenzen endgültig. In den zwanziger Jahren war General Charles de Gaulle mehrere Jahre in Beirut stationiert, wo er unter anderem libanesische Offiziere ausbildete. Dies sollte später im Zweiten Weltkrieg zunächst dem Freien Frankreich nützen, das in den Libanesen Verbündete fand, und später auch wiederum der libanesischen Republik, die in Frankreich bis heute einen wichtigen Unterstützer auf internationalem Parkett hat.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Libanon zunächst ab 1940 vom Vichy-Regime kontrolliert. Die christlichen und muslimischen Notablen verhandelten daraufhin mit General de Gaulle, der ihnen die Unabhängigkeit im Falle einer Unterstützung des "Freien Frankreichs" zusicherte. Der Einmarsch alliierter Truppen von Palästina aus im Sommer 1941 (unter Beteiligung der jüdischen Palmach und australischer Einheiten) stieß im Libanon zunächst auf deutlichen Widerstand. Jedoch kam es dennoch recht schnell zu einem Waffenstillstand, da die Vichy-Truppen keinen Nachschub erhielten. De Gaulle, dessen Vaterland komplett unter deutscher Kontrolle war, und der dringend Truppen benötigte, stellte daraufhin Freiwilligenverbände (Troupes Spéciales du Levant) unter dem Kommando von General Fouad Chehab zusammen, die einen Kern der Armee des Freien Frankreichs bildete. Während zwei sehr kritischen Phasen entlasteten die von Chehab befehligten libanesischen Verbände die Alliierten: in Bir Hakeim in Tunesien banden sie mit ihren freifranzösischen Kameraden erfolgreich deutsche und italienische Truppenverbände, so dass Montgomery Rommels Afrikakorps in El Alamein stoppen konnte. Während der alliierten Invasion in der Normandie entlasteten sie alliierte Truppenverbände an der italienischen Monte Cassino-Front.

Entgegen ihrer Versprechungen entließen die Freien Franzosen die Libanesen nach dem Ende der Kriegshandlungen nicht in die Freiheit. Die Briten, die mit den Franzosen schon seit langem um die Vorherrschaft in der Region konkurrierten, errichteten demonstrativ Botschaften in Syrien und dem Libanon. Unter der Vermittlung des britischen Ministers im Libanon, General Spears, kam es schließlich zu einer Annäherung liberaler Christen und der sunnitischen Elite der Küstenstädte. Gemeinsam erkämpfte sich diese Fraktion im Jahr 1943 die Unabhängigkeit des Libanon, gegen erheblichen Widerstand der französischen Verwaltung.

Der Libanon unter den Präsidenten Bishara Al-Khoury (1943-1950) und Camille Chamoun (1950-1958)

1945 war der Libanon ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, der libanesische Diplomat Charles Malik (1933 Doktorand der Philosophie bei Heidegger, vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in die USA geflüchtet und mit Hannah Arendt befreundet) spielte eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der UN-Charta. Im folgenden kam es zu einem starken wirtschaftlichen Aufschwung, durch welchen der Libanon zum kommerziellen Zentrum des Nahen Ostens aufstieg. Allerdings blieben die internen Spannungen weiterhin erhalten, zumal durch den Zustrom palästinensischer Flüchtlinge der Anteil der Muslime gegenüber den anderen konfessionellen Gruppen stieg. Der Libanon galt aus israelischer Sicht zunächst als "neutral", 1945 nutzten zionistische Führer wie Ben Gurion und Moshe Sharett den Beiruter Flughafen und die damals zu Pan Am gehörende Fluggesellschaft "Middle East Airlines" für Reisen ins Ausland, nachdem ihnen die britischen Behörden die Ausreise aus Palästina über den Flughafen Lod verweigert hatten. Nach der Staatsgründung Israels partizipierte der Libanon jedoch mit einem kleinen Truppenkontingent am Ersten Arabisch-Israelischen Krieg.

Der Libanon unter den Präsidenten Fouad Chehab (1958-1964) und Charles Helou (1964-1970)

1958 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern einer prowestlichen und einer proarabischen Politik, die erst durch eine US-Intervention beendet werden konnten. Danach wurde Fouad Chehab zum Staatspräsidenten gewählt, der als ehemaliger Kommandeur der alliierten libanesischen Streitkräfte im zweiten Weltkrieg hervorragende Beziehungen zu seinen Kriegskameraden Eisenhower und de Gaulle hatte, sich aber im Gegensatz zu anderen arabischen Generälen in Staatsämtern als Diener der Republik sah. Er versuchte, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen, und speziell die immer mehr über libanesisches Territorium operierenden palästinensischen Freischärler unter Kontrolle zu bekommen. Allerdings verhinderten 1964 die Politiker Pierre Gemayel und Kamal Jumblatt gemeinsam eine Wiederwahl Chehabs, dem sie offiziell vorwarfen, ein Militärregime nach lateinamerikanischem Vorbild im Libanon aufbauen zu wollen, die aber in Wirklichkeit verhindern wollten, dass Chehab ihre eigenen damals schon existierenden bewaffneten Gruppen entwaffnen ließ. Ende 1968 kam es dann nach einer palästinensischen Guerilla-Operation zum folgenschweren israelischen Luftangriff auf den Zivilflughafen von Beirut, bei dem ein Großteil der Flotte der in den fünfziger Jahren von Pan American und Air France aufgebauten nationalen Fluggesellschaft Middle East Airlines zerstört wurde (die vor der israelischen Unabhängigkeit von zionistischen Führern Palästinas für Auslandsreisen genutzt wurde). Frankreichs Staatspräsident de Gaulle stoppte daraufhin die bis dahin sehr enge militärische Zusammenarbeit mit Israel, das aber seit 1965 die Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland immer stärker ausbaute, die heute anstelle Frankreichs zweitwichtigster Rüstungspartner Israels ist.

Der Libanon unter den Präsidenten Suleiman Frangieh (1970-1976), Elias Sarkis (1976-1982), Bashir und Amin Gemayel (1982 - 1988), René Moawad (1989); Bürgerkrieg

Nach dem Schwarzen September 1970 verlegte die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ihre Kommandostrukturen nach Beirut, setzte sich im Südlibanon ("Fatah-Land") fest und entwickelte sich mit ihren militärischen Institutionen immer stärker zu einem Staat im Staate. 1975 kam es dann zum offenen Ausbruch des Bürgerkriegs, der zu mehreren Interventionen von Syrien (1976 auf Anforderung des libanesisches Staatspräsidenten Frangieh) und Israel (1978, 1982, keine Absprachen mit der libanesischen Führung, UN-Sicherheitsratsresolution 425, Stationierung der UNIFIL im Südlibanon, Aufbau einer pro-israelischen Miliz, der "South Lebanese Army" (SLA)) führte und erst 1990 durch das Abkommen von Taif beendet werden konnte (siehe auch: Libanesischer Bürgerkrieg).

Bereits vor dem Bürgerkrieg entwickelten sich die Schiiten zur größten Religionsgruppe im Libanon. Da sie einen Großteil der armen Landbevölkerung des Südens stellten, im "Nationalpakt" von 1943 nach ihrer Ansicht nicht angemessen repräsentiert waren (sie stellen bis heute lediglich mit dem Parlamentspräsidenten das zeremoniell wichtige stellvertretende Staatsoberhaupt), entwickelte sich zu Beginn der siebziger Jahre eine neue politische Bewegung, die vom Imam Musa as-Sadr (1978 auf bisher ungeklärte Weise in Libyen verschollen) gegründete Amal-Bewegung. Nach dem Verschwinden des Imams, der nach heutigen Masstäben ein eher moderater Muslim war, und sich vor 1975 auch für den interreligiösen Dialog mit dem Christentum engagiert hatte, wurde Nabih Berri, ein ehemaliger Manager in der Automobilindustrie, der einige Zeit in Detroit (Michigan) gelebt hatte, neuer Führer der Amal. Seit der islamischen Revolution 1979 im Iran entstand parallel die Hizbollah, die sich ideologisch eng an die Ideen Khomeneis anlehnt, und zunächst 1983 den westlichen Einfluss im Libanon mit Selbstmordattentaten und Geiselnahmen zu bekämpfen versuchte, dann aber sehr bald im bewaffneten Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht im Südlibanon ein neues Betätigungsfeld fand. Die israelischen Truppen waren von den unter der palästinensischen Präsenz leidenden Schiiten im Süden 1978 zunächst durchaus wohlwollend begrüsst worden (in der von Israel bezahlten SLA dienten neben Christen auch vereinzelt Schiiten), sorgten aber durch rücksichtsloses Vorgehen gegen die überwiegend schiitisch-muslimische Landbevölkerung selber für immer mehr Zulauf zu der schiitischen Organisation, die sich auch die extreme Benachteiligung des Südens in der Versorgung durch die Beiruter Regierung zunutze macht. Israel marschierte 1982 vollständig nach Libanon ein, 1985 zog sich Israel wieder nach Süd-Libanon zurück.

Die Präsidentschaften Elias Hrawi (1990-1998) und Emile Lahoud (seit 1998)

Daraufhin beruhigt sich die Lage im Land zunehmend, und der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes begann. Dabei spielte die Firma Solidere des libanesisch-saudischen Milliardärs Rafik Hariri eine entscheidende Rolle. Der Sunnit Hariri war bis zu seiner Ermordung 2005 mehrfach sunnitischer Ministerpräsident und ein Symbol für die nun auch machtpolitisch nachvollzogene demographische Verschiebung zugunsten der Muslime im Libanon. Allerdings blieb der Süden des Libanon weiterhin besetzt, und die dort operierende Hizbollah-Miliz, die auf syrischen Druck hin nicht entwaffnet wurde, konnte auch durch zwei Militärinterventionen Israels nicht militärisch zerschlagen werden. Aufgrund des israelischen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung und die Zerstörung von Infrastruktur (z.B. Umspannwerken) bei der von Ministerpräsident Rabin angeordneten Intervention 1993 auch in den christlichen Gebieten immer populärer. Ein Höhepunkt war der von Rabins Nachfolger Shimon Peres im April 1996 befohlene Operation Früchte des Zorns Artillerie-Angriff auf das UN-FIJIBATT Hauptquartier (UNIFIL) in Kana im Südlibanon mit zahlreichen toten Zivilisten) auch bei Libanesen, die nicht der schiitischen Bevölkerungsgruppe angehörten. 2000 erfüllte Israel schließlich die seit 1978 bestehende UN-Sicherheitsratsresolution 425 und zog sich aus der sogenannten Sicherheitszone im Südlibanon zurück.

Nach einem Autobombenanschlag auf den ehemaligen langjährigen libanesischen Regierungschef Rafik Hariri im Februar 2005 wuchs der Druck auf Syrien, das unter anderem von den USA und der libanesischen Opposition indirekt und mittlerweile auch direkt für das Attentat verantwortlich gemacht wurde, durch den Abzug der im Land verbliebenen syrischen Truppen dem Staat Libanon die volle Souveränität zurückzugeben. Obwohl die Drahtzieher vom 14. März bis heute nicht bekannt sind, trat die prosyrische Regierung in der Folge der Proteste zurück. Syrien zog bis Ende April 2005 seine Truppen vollständig ab. Als neue amtierende libanesische Regierung entstand eine sehr heterogene Koalition verschiedenster Parteien. Die Hisbollah ist dort ebenso vertreten, wie die Parteien der Zukunftsbewegung Saad Harriris, der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten. Neuer Ministerpräsident ist Fouad Siniora.

Durch die Entführung zweier israelischer Soldaten am 12. Juli 2006 kam es zu israelischen Militärschlägen gegen den Libanon und zu einer See- und Luft-Blockade. [1] Zum ersten Mal in der Geschichte des israelisch-libanesischen Konfliktes wurde am 15. Jul 2006 direkt die wichtigste maronitisch-christliche Stadt Jounieh von der israelischen Luftwaffe angegriffen, um die dortigen Hafenanlagen zu zerstören.

Quellen

  1. Der Standard 13. Juli 2006, Israel will Libanon von Außenwelt abschneiden

Literatur

Deutsch

  • Dar al Janub (Hg.): ... und wo ist Palästina? Eine Reise in die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon. Wien 2006 ISBN 3-9502184-0-8
  • Hanf, Theodor: Koexistenz im Krieg - Staatszerfall und Entstehung einer Nation im Libanon: Nomos Baden-Baden, 1990, ISBN 3-7890-1972-0
  • Gerhard Wiegand (Hrsg.): Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918. München 1970 (enthält Tagebuchaufzeichnungen des Archäologen Theodor Wiegand, der 1917-18 die Ausgrabungen in Baalbek leitete, über die libanesische Hungerkatastrophe 1916-18)

Französisch

  • Kouyoumdjian, Ohannès Pacha: Le Liban - à la veille et au début de la guerre: Memoires d'un gouverneur, 1913-15: Revue d'histoire arménienne contemporaine, tome V, 2003, (ISSN 1259-4873).
  • Georges Corm : Le Liban contemporain - histoire et société , Paris , Éd. La Découverte , 2003 , ISBN 2-7071-3788-X
  • Raoul Assaf : Atlas du Liban - géographie, histoire, économie , Beyrouth , Pr. de l'Univ. Saint-Joseph , 2003 , ISBN 995-39015-5-4
  • Issam A. Halifa : Des étapes décisives dans l'histoire du Liban , Beyrouth , [Selbstverl.] , 1997
  • Khalaf, Samir: Persistence and Change in 19th Century Lebanon: American University of Beirut, Beirut 1979,
  • Boutros Labaki , Khalil A. Rjeily : Introduction à l'histoire économique du Liban - soie et commerce extérieur en fin de période ottomane (1840 - 1914) , Beyrouth , Libr. Orientale , 1984

Englisch

  • Fromkin, David: A Peace to end all peace - creating the modern Middle East 1914-1922: Penguin, London 1989, ISBN 0-14-015445-0