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Psychologisches Experiment

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Im Gegensatz zur Alltagspsychologie versucht die wissenschaftliche Psychologie mit wissenschaftlichen Methoden, unter anderem psychologischen Experimenten, ihre Hypothesen mit geeigneten Verfahren daraufhin kritisch zu überprüfen, ob sie wahr oder falsch sind (Falsifizierbarkeit). Diese Überprüfung erfolgt systematisch und methodisch kontrolliert. Damit soll die Erforschung von Gesetzmäßigkeiten mit dem Ziel der Erklärung und Vorhersage von Ereignissen betrieben werden.

Das Experiment ist ein wichtiges methodisches Hilfsmittel der Psychologie und wurde in größerem Umfang Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und setzte sich mit der Blüte des Behaviorismus vorerst in der amerikanischen und später auch in der europäischen wissenschaftlichen Psychologie durch. Vor der Einführung des Experiments musste man sich auf die persönlichen Erfahrungen einzelner Menschen stützen. Das Experiment erweitert diese "natürlichen" Einsichten durch "synthetische". Der Vorteil dabei ist, dass man sie planmäßig und unabhängig von der nur subjektiven Geltung erarbeiten kann. Auch wenn bei der Definition des Experiments in der Psychologie bisweilen unterschiedliche Akzente gesetzt werden, so besteht doch allgemein Einigkeit darin, dass die aktive Manipulation der Versuchsbedingungen durch den Experimentator und damit die Möglichkeit Ursache und Wirkung zu unterscheiden, das Wesentliche am Experiment ausmacht.

Das Experiment stellt die einzige Forschungsform dar, die es erlaubt Kausalbeziehungen zwischen Variablen zu überprüfen: Zwei oder mehr Variablen sind kausal verbunden, wenn sie in einem empirisch nicht umkehrbaren, asymmetrischen Zusammenhang stehen. X erzeugt Y, aber nicht umgekehrt. X ist dabei die unabhängige und Y die abhängige Variable. Diese Aussage kann mit Korrelationsstudien allein nicht gemacht werden.


Was ist ein Experiment?

Bei einem Experiment unterscheidet man unabhängige Variablen (UV), die aktiv vom Experimentator verändert werden (und oft auch als Faktor bezeichnet werden) von den abhängigen Variablen (AV), die letztlich vorhergesagt werden sollen. Störvariablen (konfundierende Variable) beeinflussen die abhängige Variable ebenfalls, so dass deren Wirkung im Experiment entweder neutralisiert oder aktiv in die Untersuchung einbezogen (z.B. als zusätzliche unabhängige Variable) werden muss, da sie den Effekt der zu untersuchenden unabhängigen Variable stören würde. Eine Störvariable zu kontrollieren heißt, ihre Wirkung auszuschalten.

Ein Experiment ist durch folgende Bedingungen gekennzeichnet:

  • Variation: Der Experimentator variiert systematisch mindestens eine unabhängige Variable (UV) und registriert, welchen Effekt diese aktive Veränderung auf die abhängige Variable (AV) bewirkt.
  • Kontrolle: Bei exerimentellen Untersuchungen werden Störvarialben kontrolliert. Dadurch können im Idealfall alle denkbaren Alternativerklärungen für die Veränderung der abhängigen Variable ausgeschlossen werden.

Experimental- und Kontrollgruppe

Häufig werden die Versuchspersonen (Vpn) in Gruppen eingeteilt. In der Experimentalgruppe (EG), wird die unabhängige Variable (UV) manipuliert. Dies bezeichnet man als Treatment. In der Kontrollgruppe (KG) geschieht dies nicht. Nach dem Treatment wird die abhängige Variable in Experimental- und Kontrollgruppe gemessen. Die Ausprägung der AV in der Kontrollgruppe wird als baseline bezeichnet.

Kausalität

Der besondere Wert des Experiments besteht darin, dass kausale Zusammenhänge überprüft und gefunden werden können. Eine Veränderung der AV kann kausal mit der Variation der UV erklärt werden, weil die Störfaktoren kontrolliert wurden und Reifungseffekte, wie zum Beispiel Erschöpfung, durch den Vergleich mit dem Wert der Kontrollgruppe (baseline) als Erklärung ausgeschlossen werden können.

Prinzipien des experimentellen Arbeitens

Neben den beiden bereits genannten Merkmalen muss eine Untersuchung noch weitere Bedingungen erfüllen um dem wissenschaftlichen Anspruch des Experiments gerecht zu werden:

  • Planmäßigkeit: Experimentelle Bedingungen müssen nachher genau beschrieben werden, folglich ist eine Vorausplanung der Versuchsbedingungen unerlässlich.
  • Replikation: Ein Experiment muss so geplant sein, dass es jedermann bei Einhaltung der gleichen Versuchsbedingungen wiederholen und überprüfen kann.
  • Kontrollverlauf: Bei jedem Experiment ist die Versuchsperson als ganzer Mensch, u. a. mit ihren Motivationen, beteiligt. Folglich muss während des Versuchs kontrolliert werden, ob sich bei ihr nicht psychische Veränderungen ereignen.
  • Auswertung: Die Ergebnisse sind "Rohdaten". Erst ihre Verarbeitung mit Hilfe statistischer Verfahren ermöglicht ihre Verwertung.

Probleme des Experiments

Noch weitgehend ungeklärt ist etwa das Problem der Versuchspersonenmotivation, d. h. die Auswirkung von Motivationen auf Seiten der Versuchspersonen auf die Versuchsergebnisse. Diese wird nur in den seltensten Fällen überprüft. Relativ gut erforscht ist der "Versuchsleitereffekt", dessen Wirksamkeit in zahlreichen Experimenten nachgewiesen konnte, z.B. in Form des "Rosenthal-Effekts" (Siehe auch die Untersuchungen zum "Greenspoon-Effekt"). Er kann z.B. ausgeschaltet werden durch einen Doppelblindversuch, damit die Hypothesen des Versuchsleiters bzw. seine Annahmen über den Versuch nicht von der Versuchsperson unbewusst übernommen werden, belässt man bei der Verteilung der Bedingungen (z.B. Medikament und wirkungsloses Präparat, "Placebo") auch ihn in Unkenntnis.

Der Doppelblindversuch (double-blind procedure/study) ist eigentlich ein in der pharmazeutischen Forschung übliches Forschungsdesign, bei dem zur Vermeidung von Erwartungseinflüssen weder die Probanden, noch der Versuchsleiter zum Zeitpunkt der Datenerhebung wissen, ob ein wirksames Präparat (Experimentalgruppe) oder ein Placebo (Kontrollgruppe) verabreicht wurde. Auf diese Weise sollen störende Erwartungseffekte auf Seiten des Versuchsleiters und auf Seiten der Versuchspersonen ausgeschaltet werden.

Bei der nicht-experimentellen Forschung finden nur Beobachtungen statt, ohne in das Geschehen einzugreifen (oft ist dies aus praktischen oder ethischen Gründen notwendig). Nur durch Experimente lässt sich Kausalität untersuchen.

Arten von Experimenten

  • Labor- und Feldexperimente: Laborexperimente ermöglichen eine weitgehende Kontrolle evtl. Störvariablen. Feldexperimente finden in der "natürlichen" Umgebung statt.
  • Echte Experimente und Quasi-Experimente: Echte Experimente weisen alle oben genannten Eigenschaften auf. Insbesondere sind sie durch eine zufällige (randomisierte) Verteilung der Versuchspersonen auf die Experimental- und die Kontrollgruppe und die Manipulation der unabhängigen Variablen gekennzeichnet. Bei Quasi-Experimenten bestimmen bereits Vorhandene Eigenschaften der Versuchspersonen (z. B. der tägliche Fernsehkonsum), ob sie zur Experimental- oder Kontrollgruppe gezählt werden. Die unabhängige Variable wird nicht manipuliert. Deshalb ermöglichen Quasi-Experimente keine Kausalaussagen. Den Versuchsplan echter Experimente nennt man experimentelles Design, den Versuchsplan von Quasi-Experimenten quasi-experimentelles Design (Siehe hierzu Forschungsdesign).

Die möglichen Kombinationen der oben genannten Designs unterscheiden sich entsprechend nachfolgender Tabelle hinsichtlich der internen und der externen Validität (Gütekriterium). Interne Validität liegt vor, wenn die Veränderung der abhängigen Variable eindeutig auf die Variation der unabhängigen Variable zurückgeführt werden kann (keine Alternativerklärung). Externe Validität liegt vor, wenn das Ergebnis in der Stichprobe auf andere Personen, Situationen und Zeitpunkte generalisiert werden kann.

experimentell quasi-experimentell
Feld interne Validität hoch / externe Validität hoch interne Validität niedrig / externe Validität hoch
Labor interne Validität hoch /externe Validität niedrig interne Validität niedrig /externe Validität niedrig

Techniken zur Kontrolle von Störfaktoren

Störfaktoren sind all jene Faktoren, welche die abhängige Variable beeinflussen können und nicht manipuliert werden. Dies können Merkmale der Versuchspersonen oder äußere Faktoren sein.

Man unterscheidet zwei Verfahren zur Bildung von Versuchs- und Kontrollgruppe(n), die dazu dienen den Einfluss von Versuchspersonenmerkmalen auszuschalten, die als Störfaktoren wirken können:

  • Randomisierung bedeutet, dass die Zuordnung der Versuchspersonen zu Experimental- und Kontrollgruppe nach dem Zufallsprinzip geschieht. Dadurch wird erreicht, dass sich die Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen bei einer hinreichend großen Stichprobe ausmitteln. Durch Randomisierung wird ausgeschlossen, dass es durch die Aufteilung der Versuchspersonen in Experimental- und Kontrollgruppe zu systematischen Verzerrungen der Ergebnisse kommt.
  • Parallelisierung oder Matching bezeichnet Verfahren zur Bildung von Gruppen, die bezüglich eines Störfaktors oder mehrer Störfaktoren homogen sind. Soll zum Beispiel eine Lehrmethode evaluiert werden, so können durch Parallelisierung zwei hinsichtlich ihrer Noten möglichst ähnliche Schülergruppen gebildet werden.

In Laborexperimenten können äußere Faktoren kontrolliert werden:

  • Elimination bezeichnet die Ausschaltung möglicher Störvariablen. Ihr Ziel ist es, dass auf die Versuchspersonen, neben der unabhängigen Variablen möglichst keine weiteren Faktoren einwirken. Um sicherzustellen, dass die Versuchsperson nicht äußere Ereignisse beeinflusst wird, können Experimente zum Beispiel in fensterlosen, schallisolierten Kabinen durchgeführt werden.
  • Konstanthaltung: Um sicherzustellen, dass der beobachtete Effekt auf die Variation der unabhängigen Variablen zurückgeht, wird versucht alle anderen Faktoren konstant zu halten. Da die natürliche Helligkeit von Tag zu Tag und im Tagesverlauf schwankt, sollten Versuche zur visuellen Wahrnehmung in einem über alle Versuchsdurchführungen hinweg gleich ausgeleuchtetem Labor durchgeführt werden.


Siehe auch