Villa Hochschild

Die Villa Hochschild, zeitgenössisch auch als Die Höhe bzw. mundartlich als Die Höh’ bezeichnet,[1][2][3] ist ein heute unter Denkmalschutz stehendes Wohngebäude in Eppenhain im Taunus.[4][5] Die Gründerzeit- bzw. Historismus-Villa, explizit als Landhaus geplant,[6] wurde südlich des Taunushauptkamms errichtet, nordwestlich des kleinen Ortskerns, am westlichen Ausläufer des Atzelberges, an den Gemeindewald Atzelberg angrenzend. Die Angaben zum Baujahr schwanken zwischen 1910 und 1914; die erhaltenen Baupläne weisen das Jahr 1911 aus, das Dorf- und Hausbuch der Gemeinde das Jahr 1913.[2]
Bauherr
Der in Frankfurt am Main ansässige und beruflich für die Metallgesellschaft AG, die Metallurgische Gesellschaft AG und die Berg- und Metallbank AG tätige Unternehmer und Königliche Kommerzienrat Zachary Hochschild gab die Villa für seine Familie als außerhalb der Großstadt liegende Residenz bei dem in Frankfurt am Main ansässigen Architekten Otto Bäppler in Auftrag.[5] Dazu erwarb er ein weitläufiges Grundstück in der Gemarkung Eppenhain im Taunus, zuvor als unfruchtbares Ackerland ausgewiesen.[2] In der Mainmetropole unterhielt die Familie zwei weitere Wohnadressen in der Friedberger Anlage 29 am Bethmannpark, im Zweiten Weltkrieg durch alliierte Bombenangriffe zerstört,[7] und das heute ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Gebäude Feuerbachstraße 19 im Westend.
Geschichte

Die Entscheidung zum Erwerb des Grundstücks (Flur 10, Flurstück 241/2, 241/3), zur Errichtung der Villa, eines unterkellerten vierflügeligen Gutshofes,[6] eines Gebäudes mit Kegelbahn und eines kleinen Schwimmbades mit Turngeräten fiel zu einem Zeitpunkt, als die Frankfurter den Taunus bereits als Ausflugs- und Erholungsziel nutzten.[4] Der kleinen Gemeinde Eppenhain war sehr daran gelegen, städtische Ausflügler und Gutverdiener in der so genannten Sommerfrische beherbergen und bewirten zu dürfen, aber sie auch als dauerhaft dort wohnende Nachbarn zu begrüßen, da es ihr an Wirtschaftskraft mangelte.
Das Areal habe Zachary Hochschild für 160.000 Goldmark erworben, die Villa Hochschild für rund 1 Million Goldmark errichtet, ausgeführt durch die Baufirma Marnet aus Königstein im Taunus. Jährlich seien 13.000 Goldmark Grundsteuern zu entrichten gewesen, allerdings habe das Gebäude nach dem Tod des Bauherrn im Dezember 1912 und während des Ersten Weltkrieges noch leergestanden. Erst ab 1924 bis 1931 sei es dann während der warmen Zeit des Jahres von Mai bis September genutzt worden.[2] Das Landhaus diente der Familie Hochschild als Rückzugs- und Erholungsort, auch für regelmäßige Treffen mit dem Kreis der Verwandten, denen das weitläufige Grundstück mit Rasenfläche und Park genügend Raum für Vergnügungen im Grünen bot, z. B. ist fotografisch belegt, dass Ausritte mit Ponys stattfanden.
Der Bauplan des Gutshofes verzeichnet u. a. eine Remise und Scheune, zwei Küchen, eine Speisekammer, eine Waschküche, einen separaten Waschraum, ein Bügelzimmer, einen Raum für Reinigungs- und Gartengeräte, Zimmer mit Bad und separatem WC, diverse Kellerräume zur Bevorratung mit Kohlen, Kartoffeln, Rüben und Milch sowie ein Geflügelhaus mit Wasserbassin, eine Futterkammer mit Heu und Hafer sowie eine Dunggrube, im Dachgeschoss mehrere Zimmer für Hausangestellte, eine Küche, Kammern, Heu- und Trockenboden, Gästezimmer mit angrenzendem Bad und drei separaten WCs sowie einen auf das Dach gesetzten Uhrturm.[6] Dem Dorf- und Hausbuch der Gemeinde ist zu entnehmen, dass Wohnungen für den Obergärtner und das sonstige Hauspersonal eingerichtet wurden, aber auch zehn Fremdenzimmer für Gäste. Der Obergärtner namens Haindl habe 3 Gärtnergehilfen gehabt, sei jedoch 1926 mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Es seien ein Chauffeur, eine Köchin mit drei Küchenmädchen, Näherinnen und Wäscherinnen beschäftigt worden. Nach dem Tod der Witwe des Bauherrn, Philippine Hochschild (geboren am 7. Juli 1859 in Frankfurt am Main; gestorben am 28. Dezember 1931 ebenda), geborene Ellinger, habe die Villa während der Jahre 1932 bis 1938 leergestanden.[2] Für die jüngste Tochter des Bauherrn, Anna Sara Reiner, geborene Hochschild, ist überliefert, dass sie und deren vier Töchter im Jahr 1933 von Juister Nationalsozialisten vertrieben, in die Schweiz umsiedelten.
Nach der Machtabtretung an die Nationalsozialisten wurde das gesamte Anwesen mit vierflügeligem Gutshof 1938 im Zuge der „Arisierung“ von den Hochschild-Erben für lediglich 110.000 Reichsmark inklusive der Einrichtung, ergo weit unter Wert, an die sehr interessierte Stadt Frankfurt am Main verkauft.[2] Für den Erwerb hatte sich Oberbürgermeister Friedrich Krebs (NSDAP) in einer Vorlage an die Gemeinderäte Eppenhains vom 22. Juli 1938 stark gemacht.[8]
Die Stadt verpachtete das Anwesen ab 1. Mai 1938 an die NSDAP, die ihr Interesse bekundet hatte, um für die SA eine „Reichs-Führerschule“ einzurichten. Diese wurde der SA-Obergruppe V Frankfurt a. M. bzw. der SA-Gruppe Hessen unterstellt.[2][5] Allerdings habe die SA das Anwesen bereits zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht weiter benutzt,[2] ihre Führerschule war obsolet geworden, der Einsatz an der Front hatte Vorrang.
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SA „Reichs-Führerschule“ Eppenhain, perspektivische Ansicht der Parkseite, 1938/39
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SA „Reichs-Führerschule“ Eppenhain, Eingangs-/Zufahrtsseite, 1938/39
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SA „Reichs-Führerschule“ Eppenhain, Ansicht von der Parkseite, 1938/39
Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg fand das Anwesen als Erholungsheim des Hospitals Zum Heiligen Geist der Stadt Frankfurt am Main für zunächst rund 60 Kinder zwischen 1 und 6 Jahren Verwendung, nach einem mit rund 500.000 DM bezifferten Umbau in den frühen 1950er Jahren nach Fertigstellung 1956 für rund 100 Kinder. Im Gutshaus wurden ab 1952 Wohnungen eingerichtet und vermietet.[2] Heute dient die Villa Hochschild als Therapieeinrichtung für junge Suchtkranke.[4][5]
Beschreibung

Das explizit als Landhaus geplante, an ein Herrenhaus und ansatzweise an eine barocke Sommerresidenz erinnernde herrschaftliche Hauptgebäude steht in Bezug zur umgebenden hügeligen und waldreichen Landschaft. Die Auswahl des Grundstücks an einem Berghang und am Waldrand außerhalb des Ortskerns bietet eine sonnige Lage mit südwestlicher Ausrichtung und erlaubt einen guten Fernblick von der Terrasse der Villa aus. Die Gartenseite des Gebäudes bietet direkten Zugang zu einem mit Gras bewachsenen Hang geringen Gefälles, während der Zufahrtsweg rückseitig angelegt wurde.[4]
Die Fassade des eingeschossigen, breit gelagerten Baukörpers wurde auf der Gartenseite repräsentativ gestaltet. Sie weist eine gleichmäßige Reihung von Fenstertüren mit Segmentbögen auf, darüber ein hohes ausgebautes Mansarddach, das in seinem unteren Bereich mit Satteldach-, im oberen mit Fledermausgauben besetzt ist.[4]
Der als zweiachsiges Zwerchhaus hochgezogene Mittelrisalit ist mit einem Dreiecksgiebel versehen. Der dem Erdgeschoss vorgelegte halbrunde Anbau mit gleicher Fensterreihung dient in der Dachzone als Altan. Der Eingangsbereich auf der Rückseite ist deutlich schlichter ohne Risalit ausgeführt, vor dem mittig angeordneten Eingangsportal befindet sich eine kleine Treppenanlage.[4]
Das Grundstück verfügt über einen weitläufigen Park mit altem Baumbestand, in dem sich seit den 1910er Jahren ein vierflügliger Gutshof mit Toranlage befindet.[6] Außerdem gab es einen Aussichtstempel und eine überdachte Ziehbrunnenanlage sowie zeitgenössische Laternen im weitläufigen Parkgelände.[4]
Die Villa Hochschild ist heute aus historischen und künstlerischen Gründen als Kulturdenkmal ausgewiesen.[4] Dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen zufolge sind in dessen Foto- und Planarchiv weder Katasterpläne, Baupläne bzw. Grundrisse noch historische Fotos oder andere historische Dokumente zur Villa Hochschild mit Parkanlage und Nebengebäuden in Eppenhain (Taunus) erhalten.[9] Diese Unterlagen aus dem Bestand Eppenhains finden sich heute im Kelkheimer Stadtarchiv.
Weblinks
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Renate Samelson: Renate’s Saga, autobiographische Aufzeichnungen mit 12 Fotos, Ann Arbor, Michigan, USA, abgeschlossen im Jahr 2002, 25 Seiten, unveröffentlicht; Renate Samelson (* 8. Dezember 1917 in Frankfurt am Main; † 13. Januar 2003 in Ann Arbor, Michigan, USA) ist die älteste Tochter der Anna Sara Reiner, geb. Hochschild, und deren Ehemanns Paul Reiner; sie war in den 1920er Jahren und bis in die frühen 1930er Jahre hinein zusammen mit ihren Familienangehörigen und weiteren Verwandten wiederholt (belegt durch erhaltene Fotografien) in der Villa Hochschild zu Besuch bei ihrer Großmutter Philippine Hochschild (geboren am 7. Juli 1859 in Frankfurt am Main; gestorben am 28. Dezember 1931 ebenda), der Witwe des Bauherrn Zachary Hochschild.
- ↑ a b c d e f g h i Dorf- und Hausbuch der Gemeinde Eppenhain (Taunus), Hausblatt Nr. 19, handschriftlich korrigiert auf: Nr. 23, Schloßbornerstraße No. 19, Hausname: „Die Höhe“, undatiert. In: Stadtarchiv Kelkheim, Bestand Eppenhain, Dorf- und Hausbuch
- ↑ Die Bezeichnung „Die Höhe“ bzw. mundartlich „Die Höh’“ entspricht derjenigen, die regional bis ins späte 18. Jahrhundert pauschal für den Taunus gebräuchlich war. Diese hat sich bis heute in Ortsnamen wie Bad Homburg vor der Höhe erhalten. Die Verwendung dieser Bezeichnung für die Villa Hochschild ist durch erhaltene Originaldokumente verbürgt.
- ↑ a b c d e f g h Villa Hochschild. In: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, auf: denkmalpflege-hessen.de
- ↑ a b c d Dietrich Kleipa: Historische Gebäude in Kelkheim (Taunus) (PDF-Datei; 1 Megabyte), Magistrat der Stadt Kelkheim im Taunus (Hrsg.), undatiert, ohne Verlagsangabe und -ort, S. 10
- ↑ a b c d Bauplan Gutshof zum Landhaus des Herrn Z. Hochschild, Eppenhain i./T., eigenhändig signiert durch Otto Bäppler, Architekt, Frankfurt M. 1911
- ↑ Schriftliche Auskunft durch das Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main, Tobias Picard, vom 13. Januar 2021
- ↑ Stadt Frankfurt am Main, Bauamt, Liegenschaftsverwaltung: Vorlage des Oberbürgermeisters an die Gemeinderäte über den Erwerb eines Landgutes (Erholungsheim) in Eppenhain (Ts.) vom vom 22. Juli 1938. In: Magistratsakte 3002. Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main
- ↑ Schriftliche Auskunft durch das Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. Bau- und Kunstdenkmalpflege, Dokumentation, Foto- und Planarchiv, Ivonne Zech, vom 13. Januar 2021
Koordinaten: 50° 10′ 26,6″ N, 8° 23′ 3,8″ O