St. Matthäus (München)
Die Evangelisch-Lutherische Pfarrkirche St. Matthäus, genannt auch Matthäuskirche, ist die erste evangelische Kirche in München. Der heutige Bau, der nach Plänen von Gustav Gsaenger 1953 bis 1957 errichtet wurde, ist Nachfolgerin der 1938 abgebrochenen nachklassizistische ersten evangelischen Kirchenbaus. St. Matthäus ist Predigtstätte (nicht Bischofskirche) des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.
Lage
St. Matthäus (Nußbaumstraße 1) befindet sich am südlichen Ende des Sendlinger-Tor-Platzes an der Schnittstelle zwischen Altstadtring (Sonnenstraße/Blumenstraße) und Lindwurmstraße.
Funktionen
St. Matthäus besitzt zur Zeit folgende Funktionen:
- Pfarrkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Matthäus München (-Altstadt)
- Münchner Predigtstätte des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
- Sitz des Projektes "Matthäusdienste": Anlaufstelle und missionarisch-evangelistisch Ansprache von Menschen ohne kirchliche Bindung im landeskirchlichen Auftrag
- Sitz der Evangelischen Motorradfreunde St. Matthäus München als Personalgemeinde
Geschichte
Der erste Bau 1833-1938
Im 19. Jahrhundert begann ein Zuzug von Arbeitern aus den neuen mehrheitlich evangelisch besiedelten Regionen Frankens nach München. Dadurch begann eine evangelische Gemeinde in München zu wachsen, deren Mitglieder nunmehr, obwohl nicht katholisch, das Münchner Bürgerrecht nicht verweigert werden konnte. Dennoch wurde zuerst in der Münchner Vorortgemeinde Perlach die erste evangelische Kirche errichte. Die zweite Ehefrau des König Max I Joseph, die badische Prinzessin Karoline, bestand auf die Ausübung ihres evangelischen Glaubens, so dass eine evangelische Hofgemeinde errichtet und ein evangelischer Hofprediger bestellt wurde. Am 12. Mai 1799 hielt der Kabinettsprediger L. F. Schmidt den ersten evangelischen Gottesdienst im Schloss Nymphenburg, der Sommerresidenz des Königspaares.
Nachdem Perlach zu weit entfernt und die katholische Allerheiligenhofkirche der Münchner Residenz, in der die evangelische Hofgemeinde Gast war, deutlich zu klein wurde, wurde die Forderung nach einer Evangelischen Pfarrkirche lauter. Die in Religionsangelegenheiten tolerante Regierung Max I. Jospeh sagte eine Pfarrkirche zu. So erhielt die evangelische Pfarrei München mit ihrer Gründung 1806 die ehemalige Friedhofskirche der Frauenkirche, St. Salvator, zur Nutzung überlassen. Nachdem die evangelische Gemeinde aber die Kirche zu keiner Zeit richtig in Besitz nehmen konnte, da sie als Abstellraum und Wagenremise und später als Getreidespeicher genutzt wurde, blieb das Problem akut.
So wurden mehrere Entwurfe bis zur Ausführungsreife etnwickelt: Neben einer Erweiterung von St. Salvator 1819 sind vor allem als Standorte an der heutigen Brienner Straße und am Maximiliansplatz diskutiert worden. Schließlich genehmigte der Bayerische Landtag am 6. September 1825, also gerade noch zu Lebzeiten Max I. Jospehs, den Bau einer protestantischer Kirche an einer repräsentativen Stelle und gab entsprechende Mittel frei.
Nachdem Ludwig I. den Thron bestiegen hatte, verzögerte sich der Bau immer weiter. Ludwig I. akzeptierte die Entwürfe Leo von Klenzes nicht, schließlich billigte der bewußt katholische König die Pläne des Baurats Johann Nepomuk Pertsch für eine nachklassiszitische Rotunde. Obwohl Ludwig I. sehr um eine Rekatholizierung seines Königreiches bemüht war und trotz evangelischer Stiefmutter und evangelischer Gemahlin nur die Toleranz für die nichtkatholischen Denominationen gelten ließ, die durch die Verfassung des Königreiches garantiert waren, ließ er einen repräsentativen Bauplatz für die "Evangelische Kathedralkirche" zu, verlegte aber den Ort vom Maxilimilansplatz zu dem weniger vornehmen Karlsplatz (Stachus) in der Höhe Schwanthalerstraße/Herzogspitalstraße . An den Baukosten beteiligte sich Ludwig in keiner Weise aus seiner Privatschatulle. So verzögerte sich der Bau aus finanziellen Gründen immer wieder. Erst am 25. August 1833, dem Namenstag Ludwigs I., konnte die Protestantische Kirche München, so ihre damalige offizelle Bezeichnung, eingeweiht werden. Für die angeheirateten, evangelischen Mitglieder des Königshauses wurde St. Matthäus auch Hofkirche.
Durch den Ausbau des Stachus mit repräsenativen Gebäuden, so dem Justizpalastes und zuletzt des Stachusrondells durch Gabriel von Seidl erhielt St. Matthäus eine immer repräsentativere Lage, so dass sie schließlich optisch der südliche Abschluß des Stachus wurde. 1919 wurde St. Matthäus Predigtstätte des Kirchenpräsidenten, der seit 1933 den Titel Landesbischof führt.
Auf Drängen Adolf Hitlers verfügte der Gauleiter Adolf Wagner 1938 den Abriß der Kirche, um die Verbreiterung der Sonnenstraße auf Berliner Maße durchführen zu können. Als Anlaß wird jedoch der schwelende Kampf des NS-Regimes gegen den bayerischen Landesbischofs Hans Meiser, der eine Gleichschaltung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern durch eine vollkommene Übernahme durch die Deutschen Christen und damit ein Aufgehen in die "Reichskirche" zu verhindern versuchte.
Der zweite Bau (seit 1955)
Nachdem die Kirchengemeinde heimatlos geworden war und nur in Provisorien lebte, kam nach Ende des Zweiten Weltkrieges schnell die Forderung nach einen Wiederaufbau der Matthäuskirche auf. Die Forderung nach einen Neubau an gleicher Stelle wurden von der Stadt München nicht unterstützt. Stattdessen wurde als neuer Standort eine städtebaulich dominierende Fläche am Sendlinger-Tor-Platz angeboten. Nach Plänen von Gustav Gsaenger wurde 1953 bis 1955 eine Zentralbau mit integrierten Pfarramt und Gemeinderäume und Campanile errichtet, in der Gsaenger seine eigene Formensprache der organhaften Moderne. Dennoch ist der Bau nicht umunstritten. Klaus Gallas urteilt lapidar: "Form und GEstalt der Kirche können dieser Dominanz jedoch nicht gerecht werden".[1].
Anmerkungen zum Patronat
Obwohl oder gerade weil das bayerische Herrscherhaus sehr um den Erhalt eines katholischen Münchens bemüht war, erhielten die ersten vier evangelisch-lutherischen Stadtpfarrkirchen den Namen der Evangelisten, und zwar in der Reihenfolge, wie sie das Neue Testament kennt: St. Matthäus (eingeweiht 1833), St. Markus, St. Lukas (eingeweiht 1896) und schließlich St. Johannes Evangelist (eingeweiht 1916) in Haidhausen. Zusammen mit der ersten evangelisch-lutherischen Kirche in Münchner Raum, die 1849 eingeweihte St. Paulus in Perlach, damals selbständige Gemeinde vor den Toren Münchens, zeigten die evangelische Kirchengemeinde München die Grundlage ihres Glauben: Das Zeugnis von Jesus Christus, wie die Evangelien ihn bezeugen (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes), sowie das Bekenntnis zu ihm (Paulus).
Trivia
- Wegen ihrer Lage am Stachus wurde St. Matthäus bis zu ihrem Abbruch 1938 Stachuskirche genannt;
- St.Matthäus ist "nur" Predigtstätte des Kirchenpräsidenten, seit 1933 Landesbischofs, wenn er sich in München aufhält. Offizielle Bischofskirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche ist St. Lorenz in Nürnberg. Nachdem St. Matthäus faktisch die Funktionen Bischofkirche übernommen hat, wird sie in halboffiziellen Dokumente, als Bischofskirche bezeichnet.
- Die Münchner gaben dem Neubau von St. Matthäus am Sendlinger-Tor-Platz unter Anspielung auf die geschwungen Nierenformsprache den Spitznamen Gottes Achterbahn oder Luthers Achterbahn.
Literatur
- Die evangelische Kirche baut in München: 1948 - 1965. Bauten der Evangelischen Kirche in München. Eine Dokumentation. München: Klinger 1966
- * Klaus Gallas: München. Von der welfischen Gründung Heinrichs des Löwen bis zur Gegenwart: Kunst, Kultur, Geschichte. Köln: DuMont 1979, ISBN 3-7701-1094-3 (DuMont-Dokumente: DuMont-Kunst-Reiseführer)
- Armin Rudi Kitzmann: Das offene Tor. Aus der Geschichte der Protestanten in München. München: Claudius 1990, ISBN 3-532-62094-4
- Ludwig Turtur - Anna Lore Bühler: Geschichte des protestantischen Dekanates und Pfarramtes München 1799-1852. Ein Beitrag zur bayerischen Religionspolitik des 19. Jahrhundets. Nürnberg: Selbstverlag des Vereins für bayerische Kirchengeschichte 1969 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte in Bayern; 48)
Quellen
- ↑ Gallas1979, S. 317