Varusschlacht
Die Varusschlacht oder Schlacht im Teutoburger Wald fand im Jahre 9 n. Chr. statt. Die Soldaten der Römer erlitten eine vernichtende Niederlage gegen die Germanen. Die Schlacht stellte einen Einschnitt für die auch später noch fortdauernden Versuche des Römischen Reiches dar, Germanien zu einer römischen Provinz zu machen.
Historischer Hintergrund und Verlauf der Schlacht
Vorgeschichte
Die Vorgeschichte dieser für das deutsche Selbstverständnis entscheidenden Auseinandersetzung begann mit einer Landkarte des Marcus Vipsanius Agrippa, einem engen Vertrauten des Kaisers Augustus, über die Gebiete östlich des Rheines. Diese Landkarte stellte das damals bekannte geografische Wissen über die Erdoberfläche zusammen und wurde auch zu propagandistischen Zwecken innerhalb der regierenden Kreisen genutzt. Auf der Karte war die Entfernung über Land bis zum Chinesischem Meer mit umgerechnet 5.000 km angegeben - tatsächlich beträgt die Entfernung 12.500 km. Noch folgenschwerer war die Abweichung der Darstellung in Nord-Süd-Richtung: Sie betrug in der Karte nur 600 km und war damit gegenüber der Wirklichkeit von 6.000 km viel zu gering. Außerdem nahm man bei den Römern eine beinahe völlig unbesiedelte Gegend östlich des Rheines an, was sich in der Folge als unzutreffend erwies. So begann die Planung der Germanenfeldzüge mit einem Irrtum, der letztendlich in die Katastrophe führte.
Die Eroberung der Gebiete zwischen Rhein und Elbe
Nach der Unterwerfung Germaniens zwischen Rhein und Elbe in den Jahren 12 v. Chr. bis 9 v. Chr. durch Drusus, einem Stiefsohn des Augustus, errichteten die Römer eine Reihe von befestigten Legionslagern in Germanien und schlossen mit den Germanen Bundesverträge. Wenn auch der Landstrich zwischen Rhein und Elbe noch nicht als neue römische Provinz betrachtet werden konnte, sollte mit den errichteten Festungen die eroberten Landstriche gefestigt werden. Ziel von Augustus war es, die Reichsgrenze auch die Linie Elbe-Donau auszudehnen, da sie um einiges kürzer war als die bis dahin bestehende Rhein-Donau-Grenze. Im Jahre 9 v. Chr. schien es, als hätte Augustus dieses Ziel erreicht. Nach einigen Jahren der Ruhe wurde Publius Quinctilius Varus nach Germanien versetzt, um dort das römische Recht und insbesondere das römische Steuerrecht einzuführen. Varus wurde als erfahrener Militär und Verwaltungsfachmann dorthin versetzt.
Das Taktieren von Varus als Ursache der Schlacht
Der griechische Historiker Cassius Dio schreibt über die Situation, und die von Varus begangenen Fehleinschätzungen, folgendermaßen:
"Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten ... Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet und die Barbaren paßten sich der römischen Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedliche Zusammenkänfte ab. Freilich hatten sie auch nicht die Sitten ihrer Väter, ihre angeborene Wesensart, ihre unabhängige Lebensweise und die Macht ihrer Waffen vergessen. Solange sie alllmählich und behutsam umlernten, fiel ihnen der Wechsel ihrer Lebensweise nicht schwer - sie fühlten die Veränderung nicht einmal. Als aber Quinctilius Varus den Oberbefehl über Germanien übernahm und sie zu rasch umformen wollte, indem er ihre Verhältnisse kraft seiner Amtsgewalt regelte, ihnen auch sonst wie Unterworfenen Vorschriften machte und insbesondere von ihnen wie von Untertanen Tribut eintrieb, da hatte ihre Geduld ein Ende."
Arminius als Gegenspieler von Varus
Sein Gegenspieler war Arminius, ein Fürst der Cherusker. Arminius war in seiner Jugend als Geisel nach Rom gekommen und dort zum römischen Offizier ausgebildet worden. Er galt als verlässlicher Bundesgenosse und Vertrauter der Römer. Er wurde unter anderem in den römischen Ritterstand erhoben. Seine intensiven Kenntnisse des römischen Militärwesens befähigten ihn, dem römischen Heer eine der empfindlichsten Niederlagen beizubringen. Anders als sein Bruder, der Rom immer treu bleiben sollte, wandte sich Arminius gegen die römische Oberherrschaft in seinem Heimatland.
Da Varus durch sein ungeschicktes Taktieren das Ehrgefühl der germanischen Stämme verletzt hatte, gelang es Arminius, die verfeindeten Stämme der Cherusker, Marser, Chatten und Brukterer zu einem Bündnis zu bewegen. Arminius war auch in der Lage gewesen, den germanischen Stämmen die Schwachstellen der römischen Militärtechnik deutlich zu machen.
Arminius selber spielte ein gefährliches Doppelspiel. Er wiegte Varus in dem Glauben, er sei ein treuer Verbündeter Roms. Er war darin so überzeugend, dass noch nicht einmal die Warnung des Fürsten Segestes an Varus ernst genommen wurde, Arminius plane einen Verrat gegenüber Rom. Segestes war der Vater von Thusnelda, der Ehefrau von Arminius, der diese gegen den Widerstand ihres Vaters geheiratet hatte. Arminius konnte daher Varus davon überzeugen, dass Segestes Hinweis nur das Resultat eines internen Familienzwists sei.
Die Falle für Varus
Ähnlich wie seine Vorgänger plante Varus, am Rhein zu überwintern und den Sommer in vorgeschobenen Positionen weit im Inneren des neu erschlossenen Landes zu verbringen. Deshalb errichtete Varus sein Sommerhauptquartier mit drei seiner Legionen tief im Gebiet der Cherusker, am Westufer der Weser, während zwei seiner Legionen am Rhein zurückgeblieben waren.
Arminius selbst blieb bei Varus und veranlasste ihn, auf dem Weg ins Winterlager einen Abstecher zu machen, um einen angeblichen Aufstand niederzuschlagen. In unwegsamem Gelände gingen Arminius und seine Verschwörer voraus, angeblich um Verbündete zu bringen. Der weitermarschierende Varus geriet in einen Hinterhalt. Als Sumpf, Wälder und Regen die materiell überlegenen Römer behinderten und die Römer in einer langgezogenen Marschkolonne sich durch das unwegsame Gelände bewegten, griffen Arminius und seine Verbündeten an. Arminius war bewusst, dass er die römischen Legionen in einem offenen Kampf nicht besiegen konnte. Für seine Angriffe wartete er jeweils die Zeitpunkte ab, an denen die Römer sich in langer Marschordnung befanden und die engen Täler und der Morast die übliche römische Kampftechnik gravierend einschränkte. Die Germanen attakierten in dichten Haufen die Flanken der Kolonne und versuchten vor allem die Reiter einzeln zu überwältigen und bis zum letzten Mann niederzumachen sowie die einzelnen Truppenteile voneinander zu trennen. Drei Tage dauerte die Schlacht, in der Varus versuchte, sich zum Rhein zurückzuziehen. In zwei Nächten konnte er noch befestigte Lager errichten, doch am dritten Tag waren die Römer besiegt. Varus selbst beging mit seinen Offizieren Suizid. Der römische Historiker Tacitus beschreibt das Schlachtfeld, wie es noch im Jahre 15 von Germanicus vorgefunden wurde:
- "Das erste Lager des Varus ließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hautplatzes die Arbeit von drei Legionen erkennen. Danach sah man an dem halbeingestürzten Wall und dem niedrigen Graben die Stelle, an der sich die bereits zusammengeschmolzenen Reste gesammelt hatten. Mitten auf dem Felde lagen bleichende Knoche, zerstreut oder in Haufen, je nachdem ob sie von Flüchtigen oder von einer noch Widerstand leistenden Truppe stammten. Daneben lagen zerbrochene Waffen und Pferdegerippe, an Baumstämmen waren Schädel befestigt. In Hainen in der Nähe standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Zenturionen ersten Ranges geschlachtet hatten."
Drei Legionen (die XVII, XVIII, XIX) mit zusammen etwa 20.000 Soldaten sowie viele Hilfstruppen und Begleiter kamen ums Leben. Der Kopf des Varus wurde abgeschnitten und gelangte über Umwege nach Rom. Kaiser Augustus soll angesichts der Niederlage ausgerufen haben:
- Vare, legiones redde (Varus, gib die Legionen zurück).
Die besiegten Legionen wurden nach der Katastrophe nicht wieder aufgestellt, was einen in der römischen Militärgeschichte einzigartigen Tatbestand darstellt.
Nachwirkung der Schlacht
Der Schlacht folgte ein weitgehender Rückzug der Römer aus Germanien. Im Jahre 14 n. Chr. begann Germanicus Rachefeldzüge, in denen erneut viele Menschen auf beiden Seiten das Leben verloren. Die Feldzüge endeten, weil der Aufwand an Menschen und Material für die Römer zu hoch wurden. Letztendlich sorgte der Ausgang der Schlacht dafür, dass Germanien weitgehend außerhalb des römischen Machtbereichs blieb und eine andere Entwicklung erfuhr als beispielsweise das keltische Gallien. Bei den Römern begann man andererseits die gewaltigen Ausdehnungen des europäisch-asiatischen Raumes zu erahnen und in eine Politik umzusetzen, die diesen Gegebenheiten Rechnung trug. Beides mündete schließlich in eine Entwicklung, die in der Völkerwanderung endete und im 3. und 4. Jahrhundert zu eigenständigen germanischen Reichen auf römischem Boden führte.
Das strategische Ziel des Arminius war der Sturz der römischen Herrschaft im heutigen Nordwestdeutschland, das operative die Vernichtung der römischen Besatzungstruppen und das taktische Ziel das Locken der römischen Marschsäule in einen Hinterhalt. Der Sieg bei Kalkriese war das Ergebnis einer geschickten Planung, die sämtliche Schritte der Römer mit einkalkulierte. Ein besonderer Erfolg war aber das Schmieden einer standfesten Koalition aus mindestens 11 Stämmen sowie das Einbinden des selbstbewussten und stets auf seine Unabhängigkeit bedachten germanischen Adels und dieses über viele Jahre hinweg. Selbst einige militärische Rückschläge unter Germanicus konnten diese Arminius-Koalition nicht ernsthaft erschüttern.
Die katastrophale Niederlage des Jahres 9 n. Chr. hatte den fast völligen Rückzug Roms auf die Ausgangspositionen vor der Offensive von 12 v. Chr. zur Folge. Die Vernichtung der 3 Legionen, 6 Cohorten und 3 Alen war identisch mit dem Verlust römischer Kastellen zwischen Rhein und Weser sowie gleichbedeutend mit der Preisgabe aller darüber hinausgehenden Ambitionen. Das Konzept zum Schutze der Reichsgrenze durch vorgelagerte Stützpunkte und Einflussnahme auf einheimische Führer erwies sich trotzdem nicht als gescheitert. Die römische Herrschaft rechts des Rheines war damit natürlich nicht ausgelöscht.
Die germanische Kampfkraft ist zwischen der Lolliusniederlage (16 v. Chr.) und der Varusschlacht (9 n. Chr.) gewaltig gesteigert worden. Da dies nicht vorherzusehen war, fühlte sich Varus mit seinen 3 Legionen sehr sicher und konnte keineswegs erahnen, dass ein germanischer Aufstand gerade seiner Armee eine so vernichtende Niederlage bereiten konnte. Rom hatte daher Glück, dass die Gallier die für sie günstige Situation nicht zu einem Aufstand nutzten. Aber diese sahen richtig, dass die Katastrophe des Varus keine erfolgversprechende Basis für einen Aufstand war.
Ort der Schlacht

Es ist lange gerätselt worden, wo die Schlacht stattgefunden haben könnte. Da der Geschichtsschreiber Gaius Cornelius Tacitus vom saltus teutoburgensis schrieb, hat sich der Begriff von der Schlacht im Teutoburger Wald ergeben. Der heute als Teutoburger Wald bekannte Höhenzug trägt diesen Namen allerdings erst seit dem frühen 19. Jahrhundert, als Arminius-Begeisterte meinten, den Ort der Schlacht im damals noch "Osning" genannten Gebirgskamm lokalisieren zu können. Nur auf Grund seiner Benennung hat der Teutoburger Wald mit der Ortsangabe des Tacitus also nichts zu tun.
Das einzige archäologische Zeugnis vom Stattfinden der Schlacht fand sich um 1900 im Xantener Ortsteil Birten in Form eines Grabsteines für den dabei ums Leben gekommenen römischen Centurio Marcus Caelius. Das lebensgroße Bildnis zeigt den römischen Offizier in seiner vollen Uniform zwischen seinen beiden Adjudanten, die bei dem Unternehmen ebenfalls zu Tode gekommen sind.
Die Schlussfolgerungen von Theodor Mommsen
Theodor Mommsen hatte aufgrund der relativ großen Anzahl gefundener Goldmünzen mit dem Bildnis des Augustus bereits Ende des 19. Jahrhunderts vermutet, dass in dem Gebiet nördlich von Osnabrück zwischen Kalkrieser Berg und Großem Moor im Wiehengebirge in augusteischer Zeit wahrscheinlich Kampfhandlungen stattgefunden haben. Seit 1987 sind in dem Gebiet viele archäologische Funde wie Münzen, militärische Ausrüstungsgegenstände und Wallanlagen gemacht worden. Daneben deuten auch umfangreiche menschliche Skelettreste, teilweise mit Verletzungen durch Schwerter, auf das Stattfinden eines oder mehrerer Gefechte hin. Weiterhin sind auch die Funde einer Krieger- oder Prunk- Maske mit fehlender silberner Ausprägung und eine als Deichselende umfunktionierte Kuhglocke aus Bronze bemerkenswert. Am wichtigsten waren aber die Funde von Schleuderbleien durch den britischen Offizier der Rheinarmee und Hobbyarchäologen Tony Clunn im Jahre 1987, denn genau damit war eindeutig die Anwesenheit der Legionäre an diesem Ort bewiesen.

Kalkriese als wahrscheinlichster Ort der Schlacht
Nach den neuesten Forschungsergebnissen fanden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Kampfhandlungen bei Kalkriese statt. Die Gegend von Kalkriese bietet die Vereinigung von Hügeln, Wäldern und Mooren. Sie zeigt, dass sich ein wesentlicher Teil des Kampfgeschehens sowohl im Sumpfgebiet als auch am Rande von Gräben und zweifellos auch in waldreichem Gebiet abgespielt hat. Bei der Varusschlacht handelt es sich um ein mehrteiliges Schlachtgeschehen, das sich über drei Tage an völlig unterschiedlichen Orten erstreckte und aus einer Reihe von Gefechten bestand. Die Kampfhandlungen verteilten sich auf eine sehr lange Strecke von über 100 km. Diese Schlacht erinnert an die Schlacht am Trasimenischen See in einem Engpass zwischen Berg und See, wo im Jahre 217 v. Chr. innerhalb von nur drei Stunden 15.000 Römer ums Leben gekommen sind. Das Gelände war seinerzeit offenbar geeignet, einen Marschverband zu attakieren.
Die zentrale West-Ost-Verbindung
Der Weg durch die Kalkrieser-Niewedder Senke war eine der zentralen West-Ost-Verbindungen in Norddeutschland. Aus diesem Grund haben die Römer ihn auch gewählt. Auch eine Verbindung von erstrangiger Wichtigkeit konnte durch riskante Engen oder Schluchten führen, die nur unter der Voraussetzung politisch verlässlicher Verhältnisse gefahrlos passiert werden konnten. Hinzu kam das persönliche Marschgepäck der Legionäre, das nach den Berechnungen der Historikern durchaus 50 kg wiegen konnte und von den Soldaten auch getragen werden musste. Unter diesen Bedingungen betrug die täglich absolvierbare Wegstrecke bestenfalls 25 km, außerdem konnten die Legionäre mit dieser Belastung auf dem Rücken kaum ein effektives Gefecht führen. Wenn aber die Römer sich sicher fühlten, und zudem Kundschafter von vermeintlich verbündeten Germanenstämmen an der Spitze ritten, die aber in Wirklichkeit zu den Verschwörern gehörten, konnten die Germanen mit Hilfe kleiner blitzartiger Angriffe mit anschließendem sofortigen Rückzug den römischen Heeresverband langsam, aber sicher so schwächen, dass die Legionen innerhalb von drei Tagen vernichtet waren.
Die Geländemerkmale von Kalkriese

Das Gelände von Kalkriese wurde im Norden durch ein riesiges Hochmoor, im Süden durch das sich schräg zulaufende Wiehengebirge sanduhrartig eingeschnürt. Die Hangsandzone verengt sich an den Ost- und den Nordhängen des Kalkrieser Berges auf weniger als 100 m. Der Weg, der nicht mit einer gut ausgebauten Römerstraße verwechselt werden darf, war natürlich noch schmaler. Das galt ebenso für die Brücken, die über Bäche und Flüsse führten oder die zum Teil erst noch von der marschierenden Truppe gebaut werden mussten. Solche Engstellen lösten bei größeren Truppenverbänden unweigerlich Rückstaueffekte aus. Die Breite einer Kolonne hängt immer von der schmalsten Stelle des zu passierenden Weges ab. Die Marschlänge wird bei 3 Legionen, 3 Alen und 6 Kohorten sowie einem außergewöhnlich großen Tross und einer unbekannten Zahl von begleitenden Zivilisten mindestens 15-20 km betragen haben. Um eine optimale Wirkung zu erzielen, empfiehlt sich zuerst ein Angriff auf die Nachhut. Wenn diese stehen bleibt, um den Angriff zu erwidern, geht der Zusammenhalt mit der restlichen Marschkolonne verloren. Der im Extremfall in einigen Kilometern vom Kampfort Entfernung befindliche Oberbefehlshaber erfährt nur durch Gerüchte von den Vorgängen und kann so die Lage nicht übersehen, geschweige denn die richtigen Befehle erteilen. Die Gerüchte über einen Feind, den der Legionär nicht von vorne sieht, sondern der hinter dem eigenen Rücken angreift, verschlechtern die Kampfmoral. Die gleichzeitig einsetzenden heftigen Regengüsse machen den Gebrauch der Waffen unmöglich, beispielsweise werden die Schutzschilde aus Leder derartig vom Wasser durchtränkt, dass sie wegen ihres Gewichtes nicht mehr gehalten werden können. Weil die Marschkolonne mit dem Tross und den vielen Unbewaffneten durchsetzt war, konnten die Römer außerdem nicht ohne weiteres dicht aufschließen. Ihre einzelnen Abteilungen waren aufgrund der Taktik des "zerstreuten Gefechts" jeweils quantitativ schwächer als die angreifenden Stoßtrupps der Germanen. So erlitten die Legionäre erhebliche Verluste, ohne ihrerseits den Germanen nennenswerte Schläge zufügen zu können, denn diese zogen sich schon nach kurzer Zeit wieder auf die bewaldeten Anhöhen zurück. Die Möglichkeit zu einer offensiven Verteidigung ergab sich daher für die Römer nicht.
Das Ausgrabungsfeld
Die heutige Tätigkeit der Archäologen konzentriert sich im wesentlichen auf ein Gebiet namens Oberesch, das im wesentlichen vom Zug des Varus durchquert wird. Der Name des Gebietes deutet im übrigen auf eine Methode der Bodenverbesserung hin, die in Norddeutschland seit Jahrhunderten angewendet wird: Aus den nahen Moorgebieten sowie aus den eigenen Ställen wird immer wieder Material herangeschafft, um dem vom Anbau von Getreide ausgelaugten Boden zu düngen. Die heransgeschafften Mengen reichten aus, die ursprüngliche Erdoberfläche unter einer meterhohen Schicht verschwinden zu lassen und über 2000 Jahre hinweg zu konservieren.
Kennzeichnent für den Weg der Legionäre waren die besagten Münzfunde, bei denen sich interessanterweise immer wieder kleinere Siegelstücke fanden, mit denen normalerweise das Säckchen von Schreibutensilien verschlossen wurden. Ihr gehäuftes Auftreten in der Gegend von Kalkriese lässt die Vermutung aufkommen, dass das Vergraben der persönlichen Besitztümer der römischen Soldaten vor einem Gefecht von der Armee organisiert wurde, um je nach Ausgang des Gefechtes Eigentumskonflikte zu vermeiden und den beteiligten Soldaten ihre persönliche Habe zurückerstatten zu können. Für Verwundete und Tote werden demnach ähnliche Regeln vorhanden gewesen sein. Art, Menge und Verbreitung von aufgefundenen Münzen lassen allerdings den Schluss zu, dass es sich bei Kalkriese um eines unter vielen Kampffeldern der untergegangenen Legionen handelt. Die großräumige Streuung des gesamten Fundmaterials sowie der Münz-, Einzel- und Hortfunde macht die Interpretation als Verlustgut unwahrscheinlich. Die Gabelung des Fundstranges etwa 500 m westlich der Ausgrabungsstätte deutet dagegen auf ein unkoordiniertes und planloses Vorgehen der Römer während der Schlacht hin.
Die Schlacht von Barenau
Germanicus besuchte im Jahre 15 n. Chr. das Schlachtfeld und bestattete die Gefallenen. Ganz in der Nähe fand eine unentschiedene Schlacht statt, die auch als "Schlacht von Barenau" bezeichnet wird. Beide Schlachtfelder können sich durchaus überlappt haben. Nur wenig später stellte Arminius den römischen General Caecina an den pontes longi (Bohlenweg), einer Stelle, die topographische Ähnlichkeiten mit dem Ort der Varusschlacht aufweist. Die Caecina-Schlacht ist von Tacitus bewusst als ein für die Römer positiv ausgehendes Gegenstück zur Varusschlacht gestaltet. Tatsächlich ist die Caecina-Schlacht in ihrem Verlauf der Varusschlacht ähnlich, weil sie viele Gemeinsamkeiten mit ihr aufweist. In kaum 10 km Luftliniendistanz zu Kalkriese haben Archäologen einen Bohlenweg aufgefunden, der dendrochronologisch in das Jahr 15 n. Chr. datiert werden kann, und wo man germanische Waffen mit Kampfspuren gefunden hat. Caecina konnte schließlich eine Wiederholung der Niederlage verhindern, in dem er den Tross und den Fahrzeugpark den Germanen zur Plünderung überließ und sich gleichzeitig mit seinen Truppen in Richtung Rhein absetzte.
Neueste Forschungsergebnisse

In der neueren Zeit wurde der Versuch unternommen, bei dem jetzigen Stand der Forschung die schriftlichen Quellen und die archäologischen Überreste miteinander zu vergleichen. Der Schlachtbericht des Cassius Dio trifft im wesentlichen zu, seine Glaubwürdigkeit wurde dadurch ganz enorm gestärkt. Einzelheiten wie die Gabelung der römischen Marschsäule 500 m westlich von Kalkriese und die Anlage von Rasensodenmauern, die bereits von den Archäologen örtlich aufgefunden wurden, konnten neu gewonnen werden. Besonders wichtig ist, dass der römische Einfluss auf die Germanen größer war, als bisher zugegeben wird. Die Erhebung erfolgte also aus dem römischen Herrschaftsapparat selbst heraus und ohne diesen Rückhalt wäre weder die Logistik des Anschlages noch die Reichweite der Verschwörung zu erklären. Die Quantität der Armee des Arminius dürfte sich dabei in der Größenordnung von etwa 50.000 Mann bewegt haben.
Bezüglich der Datierung des Varusschlachtfeldes muss berücksichtigt werden, dass Germanicus es zweimal besuchte und dass im Jahre 15 n. Chr. zwei Schlachten in der näheren Umgebung geschlagen wurden, wobei sich die Schlachtfelder zum Teil überlappt haben könnten. In diesem Zusammenhang ergab sich natürlich auch die Möglichkeit des Münzverlustes und nicht des kontrollierten Vergrabens der persönlichen Besitztümer der Soldaten.
Die historische Quellenlage
Der katastrophale Ausgang dieses militärischen Unternehmens wurde bereits von den damaligen Zeitgenossen aufgenommen und kommentiert. Den lebhaftesten Bericht von der Schlacht lieferte der römische Historiker Cassius Dio Cocceianus:
- "Denn das Gebirge war voller Schluchten und Unebenheiten, und die Bäume standen so dicht und waren so übergroß, daß die Römer auch schon ehe die Feinde über sie herfielen, sich, wo nötig, abmühten, die Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Dämme zu bauen."
- "Und wenn dazu noch Regen und Sturm kam, zerstreuten sie sich noch weiter. Der Boden aber, schlüpfrig geworden um die Wurzeln und Baumstümpfe, machte sie ganz unsicher beim Gehen, und die Kronen der Bäume. abgebrochen und herabgestürtzt, brachte sie in Verwirrung."
- "... umstellten die Germanen sie plötzlich von überall her gleichzeitig durch das Dickicht hindurch, da sie ja die Pfade kannten, und zwar schossen sie zuerst von fern, dann aber als sich keiner wehrte, doch viele verwundet wurden, gingen sie auf sie los."
- " Es war unmöglich, 1. in irgendeiner Ordnung zu marschieren ... , 2. konnten sie sich auch nur schwer zusammenscharen, und waren Schar für Schar immer weniger als die Angreifer, ...
- "Daher schlossen sie die Römer mühelos ein und machten sie nieder, so daß Varus und die Angesehensten aus Furcht, gefangen genommen oder getötet zu werden - denn verwundet waren sie schon - sich zu einer furchtbaren, aber notwendigen Tat entschlossen. Sie töteten sich selbst."
- "Als dies bekannt wurde, wehrte sich auch keiner mehr, auch wenn er noch kräftig war, sondern die einen taten es ihrem Anführer nach, die anderen warfen die Waffen weg und überließen sich dem , der sie töten wollte. Denn fliehen konnte keiner, wenn er es auch noch so gerne wollte."
Die Ausgrabungsergebnisse bei Kalkriese haben diesen dramatischen Bericht weitestgehend bestätigt.
Das Schlachtfeld heute
Die erfolgreiche archäologische Untersuchung eines antiken Schlachtfeldes stellt eine eine besondere wissenschaftliche Leistung dar. Aus diesem Grunde wurden die immer noch laufenden Ausgrabungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Museum und Park Kalkriese erfreut sich seit seiner Eröffnung 2000 einer besonderen Beliebtheit bei den Besuchern des Museums.
Ein Link zur Museums-Webseite steht bei Weblinks.
Alternative Theorien
Die Lokalisierung in Kalkriese wird allerdings nicht von allen Wissenschaftlern anerkannt. Alternative Theorien legten den Ort der Schlacht z. B. an den Harz, in der Nähe von Halberstadt, oder nach Hildesheim, weil dort einige Prunkstücke mit eigenhändigen Autogrammen des Varus gefunden wurden, siehe Hildesheimer Silberfund.
Das Hermannsdenkmal bei Detmold, ein Symbol des erwachenden deutschen Nationalismus, muss deshalb aber nicht umgesetzt werden.
Literatur
- Frank Berger: Aktuelle Varusschlachten. In: Numismatisches Nachrichtenblatt. 53/2004, S. 267-273 (auch als online-Version).
- Frank Berger: Kalkriese. - 1. Die römischen Fundmünzen. von Zabern, Mainz 1996 ISBN 3-8053-1917-7
- Mamoun Fansa (Hrsg.): Varusschlacht und Germanenmythos. Eine Vortragsreihe anlässlich der Sonderausstellung Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land in Oldenburg 1993. 3. Aufl. Isensee, Oldenburg 2001 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 9) ISBN 3-89598-235-0
- Gisela Graichen: Wo Arminius die Römer schlug. In: Gisela Graichen, Hans Helmut Hillrichs (Hrsg.): C 14 - Vorstoß in die Vergangenheit. Archäologische Entdeckungen in Deutschland. Goldmann, München 1999 ISBN 3-442-15043-4
- Joachim Harnecker: Arminius, Varus und das Schlachtfeld von Kalkriese. Eine Einführung in die archäologischen Arbeiten und ihre Ergebnisse. 2. Aufl. Rasch, Bramsche 2002 ISBN 3-934005-40-3
- Ralf G. Jahn: Der Römisch - Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Bonn 2001
- Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Internationaler Kongress der Universität Osnabrück und des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. vom 2. bis 5. September 1996. In: Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 1. Osnabrück 1999 ISBN 3-932147-25-1
- Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Römer im Osnabrücker Land. Die archäologischen Untersuchungen in der Kalkrieser-Niewedder Senke. Rasch, Bramsche 1991 ISBN 3-922469-57-4
Siehe auch
Aliso, Liste von Kriegen, Liste von Schlachten
Weblinks
- http://www.kalkriese-varusschlacht.de - Museum und Park Kalkriese
- http://www.geschichte.uni-osnabrueck.de/projekt/start.html KALKRIESE - Die Örtlichkeit der Varusschlacht. Ein studentisches Projekt an der Universität Osnabrück
- http://www.kalkriese.de/ Kommentierte Linksammlung zur Varusschlacht in Kalkriese.
- http://www.swalin.de/porta/viewtopic.php?t=101 Diskussionen und Literaturhinweise zum Thema Varusschlacht - Kalkriese in der Porta praehistorica et antiqua
- http://www.varusschlacht-am-harz.de - Halberstadt als Ort der Schlacht
- http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/MMAG/Praxis/Varus/schri.htm - Textstellen des Cassius Dio Cocceianus