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Pseudowissenschaft

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Darstellungen zur okkulten Chemie aus dem Jahr 1924

Eine Pseudowissenschaft (die Vorsilbe Pseudo- kommt von griech. Vorlage:Polytonisch, heute pséwdos ausgesprochen, das „Lüge, Täuschung“ bedeutet) ist eine Lehre, deren Vertreter einerseits einen empirisch-wissenschaftlichen Anspruch erheben, die jedoch andererseits den Anforderungen eines je nach Kontext unterschiedlichen Abgrenzungskriteriums nicht genügt. Der Begriff ist mit negativen Konnotationen besetzt und wird von den Vertretern entsprechender Lehren im Allgemeinen abgelehnt. Für eine Grauzone, in der lediglich berechtigte Zweifel bestehen, ob eine Lehre diesen Anforderungen genügt, hat sich der Begriff Parawissenschaft eingebürgert.

Der Begriff Pseudowissenschaft

Der Begriff Pseudowissenschaft wird verschiedentlich verwendet, um bestimmte Aussagensysteme mit unklaren theoretischen Grundlagen aber wissenschaftlichem Anspruch, zu klassifizieren. Der Begriff ist allerdings nicht allgemein anerkannt und gebräuchlich.

Unter einer im Kontrast zur Pseudowissenschaft stehenden Wissenschaft wird stets die Bildung von intersubjektiv überprüfbaren Theorien durch die Anwendung einer korrekturbasierten, ergebnisoffenen Methode verstanden. Die Ergebnisse dieser Methode sollen nie für endgültig erachtet werden, da stets neue Erkenntnisse für möglich zu halten sind. Pseudowissenschaften werden dagegen als Lehrgebäude verstanden, in denen Thesen dogmatisiert und durch Ad-hoc-Hypothesen gegen Kritik immunisiert werden. Anstatt Theorien durch Experimente einer Prüfung zu unterziehen, werden in Pseudowisschenschaften einer gewünschten These nachträglich experimentelle oder sonstige Belege zugeordnet. Pseudowissenschaften sind diesem Verständnis nach also nicht ergebnisoffen, sondern epistemisch geschlossen. Sie gehen von feststehenden Ergebnissen aus, die mit (evtl. ex post fabrizierten) ausgewählten Fakten unterlegt werden, um ihnen einen neutralen und objektiven Nimbus zu verleihen. Während bei der Wissenschaft nur die Methode vorgegeben ist, steht für Pseudowissenschaften das Ergebnis fest.

Der Begriff Pseudowissenschaft wurde vor allem von dem Wissenschaftstheoretiker Karl Popper in frühen theoretischen Überlegungen als Gegenbegriff zu einer rationalen Wissenschaft verwendet. Bereits in den 1920er Jahren hatte er sich um eine Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft bemüht, wie er später (ab den 60er Jahren) in autobiographischen Texten beschrieb. Pseudowissenschaften hatten für Popper mehr mit Mythen als mit empirischer Wissenschaft zu tun. Der Begriff taucht bei Popper erstmals in der "Logik der Forschung" auf (1935). Bereits hier trat der Begriff allerdings hinter die Demarkation von Wissenschaft und Metaphysik zurück. Popper distanzierte sich von seiner "unbeholfenen Terminologie" der Jungendjahre. Der Begriff der Pseudowissenschaft spielte bei Popper also keine zentrale Rolle, wird aber in der Sekundärliteratur häufig mit Bezug auf ihn verwendet.

Der Wissenschaftstheoretiker hatte sich ab 1919 mit dem Thema Pseudowissenschaft beschäftigt: "I wished to distinguish between science and pseudo-science; knowing very well that science often errs, and that pseudo-science may happen to stumble on the truth." ("Ich wollte unterscheiden zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft, wohlwissend, dass sich auch Wissenschaft irrt und dagegen auch eine Pseudowissenschaft durchaus über die Wahrheit stolpern kann.")[1] Die Suche nach dem Unterscheidungskriterium zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft nannte Popper das "Problem der Demarkation". In seiner ersten Näherung an das Phänomen der Pseudowissenschaften machte er klar, dass er nicht die Frage der Wahrheit für vorrangig gehalten habe. Auch fehlende Exaktheit oder Messbarkeit seien nicht sein Grundproblem gewesen. Er habe vielmehr intuitiv empfunden, dass es Theorien gäbe, die sich als Wissenschaften gerierten, aber tatsächlich mehr mit Mythen gemein hätten, als mit Wissenschaft. Als Beispiele nannte Popper den Marxismus, die Psychoanalyse, die Individualpsychologie oder die Astrologie. Was diese Theorien attraktiv mache, sei vor allem ihre umfassende Erklärungskraft, da sie scheinbar alles, was in ihrem Betrachtungsraum liege, auch erklären könnten. Das Studium solcher Theorien hätte den Effekt einer intellektuellen Bekehrung oder Offenbarung. Dem Leser schienen sich die Augen für neue Wahrheiten zu öffnen, die Nichteingeweihten verborgen blieben. Ungläubige erschienen als Menschen, die sich weigerten, die manifeste Wahrheit anzuerkennen. Als besonderes Charakteristikum solcher Theorien beschrieb Popper also, dass es für sie einen beständigen Strom von Verifikationen gäbe. Jeder neue Fall werde im Lichte vorhergehender "Erfahrungen" betrachtet und dadurch als weiterer Beleg für die Richtigkeit der Theorie gewertet. Dies mache deutlich, dass die scheinbare Stärke dieser Theorien - die allumfassende Erklärbarkeit - in Wahrheit ihre Schwäche sei.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen stellte Popper folgende sieben Thesen auf:

  • Es ist leicht, Bestätigungen und Verifikationen für nahezu jede Theorie zu finden, wenn man nach Bestätigungen sucht.
  • Bestätigungen sollten nur als solche gewertet werden, wenn sie Resultat einer Vorhersage seien, die das Risiko des offenen Scheiterns eingeht.
  • Jede "gute" wissenschaftliche Theorie ist prohibitiv. Sie verbietet das Geschehen bestimmter Dinge. Je mehr Verbote es gibt, umso besser ist die Theorie.
  • Eine Theorie, die nicht durch ein tatsächlich denkbares Ereignis widerlegbar ist, ist nicht-wissenschaftlich. Unwiderlegbarkeit ist keine Tugend, sondern ein Laster.
  • Jeder echte Test einer Theorie ist der Versuch, sie zu falsifizieren oder zu widerlegen. Testbarkeit ist Falsifizierbarkeit, wenngleich einige Theorien besser testbar sind, als andere.
  • Belege einer Theorie sollten nur gezählt werden, wenn sie Ergebnis eines ernsthaften, aber erfolglosen Versuchs der Widerlegung sind.
  • Einige prinzipiell testbare Theorien werden im Falle der Widerlegung von ihren Bewunderern dennoch aufrechterhalten, etwa indem ad hoc neue Annahmen eingeführt werden, die eine Flucht vor der Widerlegung erlauben. Dies kann jedoch nur zum Preis der Zerstörung oder Minderung ihres wissenschaftlichen Status geschehen.

Zusammenfassend stellte Popper fest: das Kriterium eines wissenschaftlichen Status einer Theorie sei ihre Falsifizierbarkeit, oder Widerlegbarkeit oder Testbarkeit.


Falsifizierbarkeit als Demarkationskriterium

In den Augen von Popper ist die Falsifizierbarkeit eine notwendige Bedingung jeglicher Hypothesen- und Theoriebildung. Eine These, die prinzipiell nicht falsifiziert werden kann, gilt als nicht empirisch, da sie keine durch Beobachtungen überprüfbaren Aussagen macht bzw. falsifizierbare Voraussagen trifft. Daher kann jedes analytische Ergebnis, jeder empirische Befund als Beleg für das Zutreffen einer solchen These interpretiert werden.

Wenn Falsifikation als ein zentrales Kriterium für Wissenschaftlichkeit etabliert wird, so ist damit vor allem die Aussage verbunden, dass Hypothesen und Theorien stets prüfbar sein müssen, um durch Modifikationen und Adaption in der wissenschaftlichen Arbeit einen Erkenntnisfortschritt zu ermöglichen. Wenn Falsifikation nicht möglich ist, entsteht Abschottung, Immunisierung gegen andere Meinungen und Zementierung eines Kenntnisstandes.

Daher ist das Kriterium fehlender Falsifizierbarkeit in diesem Verständnis eine Gemeinsamkeit aller Pseudowissenschaften: Es gibt für die Überprüfung ihrer Aussagen keinen logischen Satz, den die Anhänger als Widerspruch zu ihrer Lehre akzeptieren würden bzw. keine Quelle mit abweichender Aussage, die nicht entweder uminterpretiert oder angezweifelt würde. Ähnlich wie Verschwörungstheorien immunisieren sich Pseudowissenschaften gegen externe Korrektive.

In der Vergangenheit konnten die falsifizierbaren Aussagen oder Lehrmeinungen der Pseudowissenschaften durch Anwendung der wissenschaftlichen Methode widerlegt werden. Wenn die Aussagen einer Lehre widerlegt werden, muss sich diese Lehre nicht notwendigerweise zu einer Pseudowissenschaft entwickeln. Ihre Anhänger haben in der Regel mehrere Möglichkeiten, mit dieser Widerlegung umzugehen:

  1. Sie erkennen die Widerlegung an und lassen die fragliche Hypothese ihrer Lehre oder die Lehre als Ganzes fallen.
  2. Sie erkennen die Widerlegung an und passen die fragliche Hypothese ihrer Lehre den durch die Falsifikation gewonnen Erkenntnissen an (ein in der Wissenschaft allgemein angewandtes Vorgehen).
  3. Sie erkennen die Widerlegung nicht an und weisen stattdessen die Fehlerhaftigkeit der Widerlegung nach.
  4. Sie erkennen die Widerlegung nicht an, sondern modifizieren ihre Lehre durch Ad-hoc-Hypothesen derart, dass sie gegen die durchgeführte Überprüfung immun wird: Auf diese Weise wird der Falsifizierbarkeitsgrad der Lehre verringert.

Weiterentwickelbarkeit als Demarkationskriterium

Das Kriterium der Falsizierbarkeit ist nicht die einzig mögliche Methode, um Wissenschaften von Nicht-Wissenschaft abzugrenzen. Der Wissenschaftsphilosoph Thomas Samuel Kuhn lehnte Poppers Vorschlag der Falsifizierbarkeit als Demarkationslinie ab und griff lediglich die Forderung nach konkreten Vorhersagen auf.

Anstelle der Falsifizierbarkeit schlug Kuhn die Möglichkeit der Weiterentwicklung als Abgrenzungskriterium vor. Innerhalb einer Theorie müsse es möglich sein, Normalwissenschaft zu betreiben, also kleinere Probleme innerhalb des gewählten Paradigmas zu lösen ("Rätsellösen"). Bei nicht-wissenschaftlchen Lehren sei genau diese Optimierung nicht möglich. "They had rules to apply, they had no puzzles to solve and therefore no science to practice"[2]

Anforderungen an Wissenschaftlichkeit

Für die moderne Wissenschaft hat sich im 20. Jahrhundert eine eigene Meta-Disziplin ausdifferenziert, die Kriterien für eine Qualifikation von Aussagen und Lehrsätzen als wissenschaftlich aufstellt: die Wissenschaftstheorie. Während Wissenschaft Beobachtungen und Messergebnisse analysiert und interpretiert, untersucht die Wissenschaftstheorie die von der jener Methoden und Prozeduren. Die Wissenschaftstheorie ist geprägt von dem sog. Kritischen Rationalismus Karl Poppers oder Hans Alberts. Ihr Ziel ist es „keiner Instanz mehr Unfehlbarkeit und damit das Recht der Dogmatisierung bestimmter Problemlösungen“ zuzugestehen, wie Albert in seinem grundlegenden Traktat über kritische Vernunft (1968) proklamierte. Hier zeigt er, dass Letztbegründungen methodisch nicht möglich seien (sog. Münchhausen-Trilemma). Die Suche nach einer solchen Letztbegründung führt demnach entweder in einen infiniten Regress (weil jede Begründung wieder einer Begründung bedarf), in einen logischen Zirkel (also eine Selbstbegründung, nämlich eine Begründung durch Sätze, die erst noch zu beweisen wären) oder in einen Abbruch des Verfahrens (also einen mehr oder weniger willkürlichen Punkt, an dem eine Begründung für selbstverständlich erklärt wird). Aus diesem methodischen Trilemma schließt der kritische Rationalismus, dass es keine unfehlbaren Aussagen (Behauptungen, Sätze, Theorien) geben kann. An ihre Stelle setzt die Wissenschaftstheorie daher die vorläufige Hypothese, also eine Annahme, die nur solange Geltung beanspruchen kann, wie sie nicht durch eine Annahme mit höherer Erklärungskraft (also weniger Widersprüchen und höherer Kongruenz) ersetzt wird. Auch sind nach Popper (Logik der Forschung, 1935) Wahrheitsbeweise für eine Theorie oder Hypothese unmöglich. An die Stelle einer Verifikation müsse daher eine Falsifikation treten. Theorie kann demnach nur sein, was auch prinzipiell an der Erfahrung scheitern kann (s. auch sog. Induktionsproblem).

Kriterien

Die Wissenschaftstheorie erarbeitete eine Reihe an Kriterien, mit dem sich die methodische Güte einer Theorie oder Hypothese beschreiben lässt. Die wichtigsten dieser Forderungen sind:

  • Zirkelfreiheit: Hypothesen oder Theorien dürfen sich nicht selbst voraussetzen oder auf unbegründete Sätze verweisen (Petitio principii)
  • Innere Widerspruchsfreiheit: Hypothesen oder Theorien dürfen in ihrem Aufbau keine logischen Widersprüche aufweisen (interne Konsistenz)
  • Äußere Widerspruchsfreiheit: Hypothesen oder Theorien müssen mit bereits akzeptiertem Wissen kompatibel sein (externe Konsistenz) oder angeben, wo bislang als gesichert anzunehmendes Wissen in ihrem Sinne zu korrigieren ist
  • Erklärungswert: Hypothesen und Theorien müssen Zusammenhänge herstellen, die einen echten Erklärungswert haben
  • Falsifizierbarkeit: Hypothesen und Theorien müssen einen Weg oder eine Methode angeben können, mit der sie widerlegbar sind; diese Anforderung bezieht sich also auf eine prinzipielle Vorurteilsfreiheit und Korrekturfähigkeit
  • Intersubjektivität: Erfahrungswissenschaftliche Theorien müssen prüfbar sein (Reproduzierbarkeit) und einen konkreten Testerfolg aufweisen können
  • Anschlussfähigkeit: Offenheit für Adaption, Modifikation und Weiterentwicklung sowie Kenntnis des aktuellen Forschungsstandes und Einordnung der eigenen Ergebnisse in diesen Stand der Erkenntnis
  • Komplexitätsreduktion: Hypothesen oder Theorien sollen Daten auf einer abstrakteren Ebene zusammenfassen ohne jedoch dabei Erkenntnisse auszublenden
  • Prognosefähigkeit: Auf Basis einer Theorie oder Hypothese sollen möglichst Vorhersagen für konkrete Ereignisse möglich sein; dabei ist auf korrekte Voraussetzungen und logische Verknüpfung zu achten, da falsche Annahmen und Verknüpfungen trotzdem zu richtigen Resultaten führen können
  • Einfachheit: von mehreren Hypothesen oder Theorien, die den gleichen Sachverhalt erklären, ist die einfachste zu bevorzugen („ontologische Sparsamkeit“); der Aufbau einer Theorie ist in deren inneren Zusammenhängen möglichst einfach zu gestalten: Ziehe niemals mehr Annahmen, Argumente, Entitäten heran, als zur Erklärung notwendig sind (zum Argument der Einfachheit s. Ockhams Rasiermesser)

Wenn Thesen und Theorien als pseudowissenschaftlich kritisiert werden, liegt dabei in der Regel dieses Wissenschaftsverständnis des kritischen Rationalismus zugrunde. Maßstab der Kritik sind also vorgenannte Wissenschaftlichkeitskriterien. Im Folgenden können daher Pseudowissenschaften charakterisiert und eingeordnet werden.

Merkmale von Pseudowissenschaften

Pseudowissenschaften entsprechen also ihrem Wesen nach nicht den Kriterien methodisch reflektierter, intersubjektiver Wissenschaft. Von reiner Religion, Esoterik oder Obskurantismus unterscheidet die Pseudowissenschaft dabei, dass sie eine Subsumierbarkeit von experimentell gewonnenen Daten unter ihre zentralen Glaubenssätze behauptet und sich dadurch von einem bloß spekulativen Glauben abgrenzt (ein Beispiel wäre die Lehre vom Intelligent Design aus dem Kreationismus, die mit der Religion die Annahme eines Schöpfergottes teilt, aber wissenschaftliche Erkenntnisse unter diese unbelegte Ausgangsprämisse subsumieren möchte - etwa wenn DNA-Analysen als „Beweis“ für dessen reales Walten betrachtet werden). Von Pseudowissenschaft kann also nur gesprochen werden, wenn eine Lehre präsentiert wird, die im Konflikt zur rationalen Wissenschaft steht, wobei einzelne Elemente der Lehre wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse sind oder zumindest als solche präsentiert werden. Bei Lehren, die vollständig ohne rational-wissenschaftliche Erkenntnisse auskommen, handelt es sich dagegen um Nicht-Wissenschaft (Religion, Esoterik etc.). Dies entspricht der Definition von Pseudowissenschaft durch den schwedischen Philosophen Sven Ove Hansson. Hansson unterscheidet ein Spektrum, das von "wissenschaftlich" über "unwissenschaftlich" zu "pseudowissenschaftlich" und "nicht-wissenschaftlich" reicht. Unwissenschaftlichkeit meint dabei den Widerspruch zu anerkannten Fakten, Nicht-Wissenschaftlichkeit den Verzicht auf jeden rational-empirischen Anspruch. In dem Teil des Spektrums, in dem ein Widerspruch zu anerkannten Theorien besteht, können sehr unterschiedliche Sachverhalte enthalten sein: Fälschungen, handwerklich unzulängliche Wissenschaft oder unorthodoxe und sogar innovative Lehrmeinungen, die sich jedoch in der etablierten Wissenschaft nicht durchsetzen können.

Wenn Pseudowissenschaften also wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse in ihrer Begriffsbildung berücksichtigen, so bleibt für sie charakteristisch, dass sie diese Erkenntnisse selektiv und nicht korrekturbasiert verwenden. Zudem schotten sie sich systematisch gegen Widerlegung und Kritik ab, zielen also nicht auf Erkenntnisgewinn, sondern auf Überzeugung ihrer Anhänger. Pseudowissenschaften fehlt genau jene Offenheit für Kritik und Aufforderung zur Widerlegung, mit welcher der kritische Rationalismus Letztbegründungen, Dogmatisierung und Unfehlbarkeitsanspruch ablehnt. Pseudowissenschaften wähnen sich im Besitz unumstößlicher Wahrheiten. Sie sind in ihrer Natur nicht dynamisch-evolutionär, sondern statisch. Sie basieren im Kern auf einem Glauben, der unverrückbar feststeht und damit für einen iterativen Erkenntnisprozess nicht anschlussfähig ist. Pseudowissenschaften proklamieren daher häufig eine geschlossene Alternative, welche die bisherigen Ergebnisse nicht schrittweise erweitern, sondern revolutionieren soll. Systemimmanenter Zweifel existiert in Pseudowissenschaften typischerweise nicht, da das Ergebnis bereits vor der Untersuchung feststeht. Skepsis gilt dann als Häresie und Abweichlertum, nicht als notwendiges Element einer inhärenten Qualitätssicherung. Kritik wird von Pseudowissenschaftlern in diesem Sinne als Versuch kategorischer Unterdrückung der "Wahrheit" verstanden und gerade nicht als Korrektiv in einem schrittweisen Erkenntnisprozess.

Indikatoren für Pseudowissenschaftlichkeit

Folgende Merkmale sind starke Indikatoren für Pseudowissenschaftlichkeit:

  • Aufstellung von Behauptungen ohne deren Stützung durch experimentelle Resultate oder durch Quellen. – Als Beispiel hierfür mag der österreichische Wassertechniker Viktor Schauberger gelten, der eine intuitive Erkenntnisgewinnung betrieb.
  • Aufstellung von Behauptungen, die im Widerspruch zu experimentellen oder empirisch belegbaren Erkenntnissen stehen. – Beispielhaft hierfür sind verschiedene Theorien über die Möglichkeit, Freie Energie zu gewinnen, die den Gesetzen der Thermodynamik diametral widersprechen.
  • Selektive Auswahl von Daten oder Quellen zur Begründung einer Behauptung und systematische Unterdrückung solcher Daten oder Quellen, die dieser Behauptung entgegenstehen. – Dieser Aspekt ist typisch für viele Verschwörungstheorien, etwa die Behauptung, dass die Illuminaten die Französische Revolution verursacht hätten. Von den Vertretern dieser These werden die geheimen Papiere dieses Geheimbunds sehr genau rezipiert, Dokumente, die das tatsächliche Geschehen des Jahres 1789 betreffen, dagegen gar nicht.
  • Verwendung von Proben, Quellen und Belegen unklarer oder nicht nachvollziehbarer Herkunft, mit denen dann eine Behauptung gestützt werden soll. – Hier für kann die Neue Chronologie nach Viktor Fomenko als Beispiel gelten, einem sowjetischen Statistiker, der glaubt nachweisen zu können, dass die Geburt Christi erst tausend Jahre zurückliegt, das gesamte Mittelalter mithin eine einzige Geschichtsfälschung sei; grundlegend für diese These sind Parallelen und Wiederholungen in verschiedenen Herrscherdynastien, die sich aber nur ergeben, wenn man die Chronik des Renaissancegelehrten Julius Caesar Scaliger zugrundelegt.
  • Aufstellen von Behauptungen, die sich unkritisch auf andere Referenzen und Quellen stützen, die selbst wiederum nicht nachprüfbar oder unsicher sind oder die falsch bzw. suggestiv zitiert werden. – In der Prä-Astronautik wird regelmäßig die These verbreitet, die in der Cheops-Pyramide gefundene Namenskartusche des Pharaos sei eine Fälschung, um daran anschließend behaupten zu können, die Pyramide sei in Wahrheit eine Landehilfe für die Raumschiffe Außerirdischer gewesen; dass der Fälschungsvorwurf von der Ägyptologie längst widerlegt wurde, wird nicht zur Kenntnis genommen.
  • Ungenaue oder gänzlich fehlende Beschreibung der experimentellen oder theoretischen Vorgehensweise zur Erlangung eines Resultates. – In der Familienaufstellung zum Beispiel bleibt die Frage unbeantwortet, wie Gefühle und Verhaltensweisen der realen, aber abwesenden, zum Teil sogar schon verstorbenen Familienmitglieder von den Personen, die sie „stellen“, ohne etwas über sie zu wissen, irrtumsfrei übernommen werden können.
  • Fehlende Überprüfbarkeit durch reproduzierbare Experimente. – Hierfür bietet die Bach-Blütentherapie ein Beispiel, die sich gegen empirische Überprüfungen ihrer Wirksamkeit mit dem Argument wehrt, die ganz individuelle Verschreibung ihrer Produkte schließe jeden Vergleich aus.
  • Abdichtung gegen Kritik von außen, indem jedem Zweifler unlautere Absichten unterstellt werden. – Hier könnte man etwa Sigmund Freud anführen, der auf Kritik an seinen Methoden und Ergebnissen z.B. mit der Unterstellung antwortete, seine Kritiker könnten die Wirkung der kindlichen Sexualität nicht erkennen, weil sie ihre eigene verdrängt hätten.
  • Kollision mit dem Prinzip von Ockhams Rasiermesser, wonach bei mehreren möglichen Erklärungen für ein Phänomen die einfachste vorzuziehen ist. - Hierfür bietet die Homöopathie ein gutes Beispiel, die sich weigert, die gut belegten Erfolge ihrer Präparate mit dem wissenschaftlich ebenfalls gut erforschten Placebo-Effekt zu erklären, sondern statt dessen „feinstoffliche“ Wirkungen und Informationsübertragungen durch Wassermoleküle behauptet, die indes nicht wissenschaftlich beobachtbar sind.
  • Ideologieverdacht aufgrund der Nähe, Abhängigkeit oder Verflechtung mit einer politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Kraft, die ein Interesse daran haben kann, die Geltungsansprüche ihrer Ansichten wissenschaftlich untermauern zu lassen. - Hierfür ist der deutsche Alternativmediziner Matthias Rath ein gutes Beispiel, der mit seinen hochdosierten Vitaminpräparaten, die angeblich sogar Krebs und AIDS heilen können, gut verdient.

Gründe für die Verbreitung von Pseudowissenschaften

Die Gründe zur Verbreitung von Pseudowissenschaft sind vielfältig.

  • Unterhaltung und Lebenshilfe: Der Anhänger fühlt sich bei einer Pseudowissenschaft von der Symbolik, dem geistigen Überbau oder der Hilfe bei der eigenen Lebensführung angezogen (z. B. Astrologie). Der Kontrast zwischen den Meinungen ist hier oft sehr stark, einige Menschen glauben, Pseudowissenschaft sei harmlose Unterhaltung, andere, wie z. B. Richard Dawkins, halten jede Form von Pseudowissenschaft für schädlich.
  • Mangelnde Fähigkeit: Der Proponent ist ehrlich und ernsthaft interessiert, aber seine Untersuchungsmethoden weisen gravierende Mängel auf. Ein Beispiel dafür dürfte die Numerologie der Pyramiden sein.
  • Widerlegte oder obsolete Theorie: Eine neue wissenschaftliche Disziplin, Theorie oder Entdeckung wird im nachhinein als unrichtig erkannt. Während sich die akademische Forschung und/oder der Entdecker sich davon distanzieren, wird die Theorie von Ablegern und Interessengruppen vereinnahmt und entwickelt sich zur Pseudowissenschaft. Beispiele dafür ist die Kalte Kernfusion oder Phrenologie.
  • Politische und weltanschauliche Gründe: Ein politisches System kann Wissenschaft instrumentalisieren, um für einen ideellen oder ideologischen Überbau Rechtfertigungen zu generieren. Darunter fallen die Rassentheorie der Nationalsozialisten oder der Lyssenkoismus der Stalinisten. Aber auch im kleineren Maßstab spielen weltanschauliche Gründe für die Akzeptanz einer Pseudowissenschaft eine große Rolle, als Beispiel sei hier der Kreationismus genannt.
  • Bewusste Irreführung: Eine Lehre, die in politischer oder finanzieller Absicht angeboten wird, soll durch den Nimbus der Wissenschaftlichkeit an Glaubwürdigkeit gewinnen. Hier werden oft Daten aus dem Zusammenhang gerissen oder gar gefälscht bzw. andere unredliche Methoden angewendet, um die eigene Position vorteilhaft darzustellen oder Gegenpositionen abzuwerten. Diese Form der Pseudowissenschaft wird gelegentlich abfällig "wissenschaftlicher Müll" (junk science) genannt.

In verschiedenen Ländern existieren Organisationen, die sich mit pseudo- und parawissenschaftlichen Theorien kritisch auseinandersetzen. In Amerika ist das etwa das „Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal“, das 1976 gegründet wurde, in Deutschland die „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“ (GWUP) mit Sitz in Roßdorf. Sie gibt vierteljährlich die Zeitschrift SKEPTIKER - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken heraus.

Pseudowissenschaften und Irrlehren

Nicht jede Irrlehre entwickelt sich zur Pseudowissenschaft. Dabei spielt auch eine Rolle, inwieweit ein Lehrgebäude zur Verfügung steht, das eine über das konkrete Erkenntnisinteresse hinausgehende Anschlussfähigkeit für eine bestimmte Gruppe von Menschen besitzt. Dazu zwei Beispiele aus der Medizin: Die Viersäftelehre ist eine Irrlehre aus der Medizin, deren Falsifizierung heutzutage nicht mehr angezweifelt wird. Im Gegensatz dazu haben die Anhänger der Homöopathie, deren Vorstellung von Lebenskraft und ganzheitlicher Medizin eine umfassendere Evidenz für sich beansprucht, bis heute alle Widerlegungen ihrer Hypothesen gegen wissenschaftliche Argumente immunisiert und ihre Lehre damit aus Sicht der Wissenschaft unfalsifizierbar gemacht. Homöopathen selbst vertreten freilich die Auffassung, sie hätten lediglich die Falsifizierungen widerlegt.

Das übergeordnete Lehrgebäude, in das die Homöopathie sich dabei einfügt, ist die Vorstellung einer "Alternativen Medizin", die den Menschen gegen Manipulationen der "Schulmedizin" bewahren müsse.

Unterschiede zu Religion und Spiritualität

Pseudowissenschaften sind von Religion oder Spiritualität u. a. dadurch unterschieden, dass sie einen (uneingelösten) wissenschaftlichen Anspruch erheben; Lehren und Weltanschauungen werden üblicherweise dann nicht als Pseudowissenschaften bezeichnet, wenn ihre Betreiber keinen solchen Anspruch erheben und keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse per Behauptung einer angeblich höheren Autorität (z. B. per Berufung auf göttliche Offenbarungen oder Erleuchtungserlebnisse) als falsch zu erklären versuchen.

Argumente für Pseudowissenschaften aus der Sicht ihrer Betreiber

In den letzten Jahrzehnten ist ein großer Markt für pseudowissenschaftliche Literatur und Ausbildungseinrichtungen entstanden. Im Buchhandel werden viele Werke hierzu unter dem Schlagwort "Lebenshilfe" oder im Bereich Esoterik geführt. Es folgt eine Auseinandersetzung mit einigen Argumenten, die in diesem Umfeld häufig als Legitimation für Pseudowissenschaften eingesetzt werden.

Pseudowissenschaft als Lebenshilfe

Befürworter von Pseudowissenschaften verweisen gelegentlich darauf, ihre Lehre gebe dem Menschen Hilfestellung in der Bewältigung von körperlichen oder seelischen Problemen; in einem therapeutischen Zusammenhang wird auch häufig mit dem Placebo-Effekt argumentiert.

Dem wird aus wissenschaftlicher Sicht u. a. folgendes entgegengehalten:

  1. Der Placebo-Effekt ist in seiner Wirkungsweise heutzutage recht gut verstanden und wird auch von seriösen Therapieformen eingesetzt; es besteht also keine zwingende Notwendigkeit, den Placebo-Effekt nur im Zusammenhang mit Pseudowissenschaften als nützlich zu bezeichnen, solange er der einzige Effekt bleibt, der dort stattfindet.
  2. Das Argument "Pseudowissenschaft X bietet konkrete Lebenshilfe" geht einerseits an der für den Vorwurf der Pseudowissenschaftlichkeit entscheidenden Frage vorbei, ob die betrachtete Lehre irgendeinen wissenschaftlichen Gehalt hat; Lebenshilfe andererseits ist jedoch auch ohne den Einsatz von Pseudowissenschaften möglich.

Gemeinsame Wurzeln von Wissenschaft und Pseudowissenschaft

Die Befürworter einiger Pseudowissenschaften weisen zu Recht darauf hin, dass ihre Lehre gemeinsame Wurzeln mit echten Wissenschaften haben, bzw. dass heutige Wissenschaften ihre vorangegangenen Lehren aus früheren Zeiten teilweise ablehnen.

Frühe Wissenschaft, sog. Protowissenschaft, mag dabei noch so unzulänglich sein, pseudowissenschaftlich ist sie nicht, solange sie korrekturbasiert bleibt.

Einige Beispiele für solche Argumente lauten:

  • Die Chemie entstand teilweise aus der Alchemie.
  • Astrologie und Astronomie sind teilweise gemeinsam entstanden und haben sich für lange Zeit nebeneinander her entwickelt.
  • Die moderne Medizin entstand aus der antiken Heilkunst, in der Metaphysik und Aberglaube eine zentrale Rolle spielte (Viersäftelehre, etc.)

In der Sache sind die ersten beiden Behauptungen richtig; Chemie und Alchemie bzw. Astronomie und Astrologie haben tatsächlich gemeinsame Wurzeln. Die dritte Behauptung jedoch ist falsch: Eine falsifizierte Lehre wird von der Wissenschaft nicht automatisch zur Pseudowissenschaft erklärt; vielmehr wird sie als Irrlehre abgelegt, wenn sie nicht von ihren Betreibern entweder zu einer tragfähigen Theorie weiterentwickelt oder durch Immunisierung zu einer Pseudowissenschaft umgewandelt wird (siehe Abschnitt "Pseudowissenschaften und Irrlehren"). Ein wesentlicher Aspekt wissenschaftlichen Arbeitens besteht darin, Irrtümer und unfalsifizierbare Aussagen als solche zu erkennen und ohne sie weiterzuarbeiten. Ein typisches Beispiel für diese Arbeitsweise ist der Fortschritt in der Physik:

Ein wichtiger Schlüssel zu dieser stetigen Weiterentwicklung war und ist die (in den Pseudowissenschaften fehlende) Falsifizierbarkeit. Das Argument der gemeinsamen Wurzeln geht also an einem der Hauptgründe der Ablehnung von Pseudowissenschaften vorbei.

Bedeutung von Gründerfiguren

Eine Gemeinsamkeit vieler Pseudowissenschaften ist die besondere Hochschätzung einer Gründerfigur und ihrer Lehren, z. B. Rudolf Steiner in der Anthroposophie und Samuel Hahnemann in der Homöopathie. Diese Hochschätzung zollen zwar auch Vertreter der seriösen Wissenschaft ihren Pionieren (z. B. Isaac Newton für seine grundlegende Arbeit auf den Gebieten der Physik und der Mathematik, Charles Darwin für seine Entdeckung der Evolution der Arten und für die erste Formulierung der Evolutionstheorie), dennoch fühlt sich die Wissenschaft nicht daran gehindert, Erkenntnisse der Begründer einer Wissenschaftsdisziplin ad acta zu legen oder geeignet zu erweitern, sobald sich diese Erkenntnisse als überholt herausstellen. Im Gegenteil: Eine Koryphäe ihres Faches zu widerlegen gilt als Ritterschlag der Wissenschaft. So wurde etwa von Anfang an intensiv nach Widerlegungen der Einsteinschen Theorien gesucht. Auch sind etwa die theologischen Spekulationen eines Isaac Newton kein Gegenstand der heutigen Physik. Im Gegensatz dazu stellen die Lehren von Samuel Hahnemann für die meisten Homöopathieanhänger auch heute noch eine verbindliche, nahezu unantastbare Grundlage dar. Bei Rudolf Steiner trägt etwa der Verweis auf den notwendigen Besitz von "Erkenntnissen höherer Welten" dazu bei, dass Aussagen und Erklärungsansätze nicht einfach intersubjektiv überprüft werden können.

Falsifizierbarkeit und Ockhams Rasiermesser aus pseudowissenschaftlicher Sicht

Aus pseudowissenschaftlicher Sicht wird gelegentlich argumentiert, dass sich das Kriterium der Falsifizierbarkeit von dieser Regel der Falsifizierbarkeit selbst ausnehmen müsse, da es sich selbst sonst ad absurdum führen würde. Das Kriterium könne oder müsse daher aufgegeben werden. Dieses scheinbare Paradox kann man schnell aufklären, wenn man bemerkt, dass die Regel von der Falsifizierbarkeit gar keine wissenschaftliche Theorie ist, sondern eine maßgeblich auf Karl Popper zurückgehende, von den Wissenschaftlern als notwendig empfundene Voraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens aus der Wissenschaftstheorie; eine Lehre, die nicht im Prinzip auch falsch sein könnte, hat aus wissenschaftlicher Sicht keine Erklärungskraft. Gegen Ockhams Rasiermesser sind aus pseudowissenschaftlicher Sicht ähnliche Argumente erhoben worden.

Kritik am Begriff Pseudowissenschaft

Gegen den Begriff der Pseudowissenschaft gibt es Einwände aus philosophischer und wissenschaftstheoretischer Sicht. Insbesondere werden folgende Kritikpunkte vorgebracht:

  • Die Geistes- und Sozialwissenschaften ("humanities") sind vielfach keine "exakten Wissenschaften", da sie großenteils mit Quellen arbeiten (Kunstgegenstände, Literatur, Demoskopien usw.), die selbst komplex und mehrdeutig sind. Ähnliches gilt für alle historischen Wissenschaften. Der Begriff Pseudowissenschaft ist deswegen in diesen Bereichen häufig zumindest nicht trennscharf, der Unterschied besteht mehr im Maße der Bereitwilligkeit, alle Quellen gleich zu behandeln und zu beurteilen.
  • Das Kriterium der Falsifizierbarkeit wird in einer bestimmten "Schule" der Wissenschaftstheorie, der des Kritischen Rationalismus, allgemein anerkannt, nicht aber in allen. Ein Gegenargument, das zuerst während des Positivismusstreits in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Vertretern der Frankfurter Schule vorgetragen wurde, lautet, dass keineswegs alle Theorien prognostischen Charakter hätten und Voraussagen träfen. Man könne durchaus den Versuch unternehmen, die Wissenschaftlichkeit einer solchen Theorie formal zu fassen. Die Kriterien, die dafür verwandt würden, müssten jedoch nichts mit Falsifizierbarkeit zu tun haben.
  • Eine Begriffsbildung, die mehr oder weniger hauptsächlich zum Zweck der Wertung und Ausschließung vorgenommen werde, so die Argumentation einiger Kritiker, sei aus grundsätzlichen Erwägungen fragwürdig. Eine solche Begriffsbildung habe nicht in erster Linie den Sinn, ihre Objekte zu unterscheiden, etwas an ihnen in den Blick zu rücken, ihrer Erkenntnis förderlich zu sein; sondern den Sinn, sie ein- oder auszuschließen aus dem Korpus der seriösen Wissenschaft. Eine Begriffsbildung könne zwar zur Begründung eines solchen Ein- oder Ausschlusses dienen; wenn sie aber ausschließlich zu diesem Zweck vorgenommen werde, so werde sie von wissenschaftsexternen Zwecken regiert. Es müsse dann von einem Kampfbegriff (so der Soziologe Edgar Wunder) oder von einer hohlen Phrase, der lediglich emotionale Leistungen zugesprochen werden könnten (so der Wissenschaftstheoretiker Larry Laudan), ausgegangen werden.
  • Wenn der Begriff Pseudowissenschaft in einem wertenden Zusammenhang gebraucht wird, dann leitet sich dieser aus einem Wahrheitsanspruch oder aus dem Anspruch, die Wirklichkeit möglichst genau beschreiben zu können, ab. Jemand, der sich in einem starken Maß mit einem Weltbild (wissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich) identifiziert, kann sich leicht angegriffen fühlen. So kann ein sehr emotionaler und unproduktiver Konflikt zwischen Anhängern und Gegnern einer Pseudowissenschaft entstehen.
  • Der Begriff der Pseudowissenschaft leidet laut Kritikern unter geringem analytischem Gehalt und der Unmöglichkeit einer klaren Abgrenzung zur Wissenschaft. So sei eine große Zahl von zweifelhaften Theorien durchaus falsifizierbar, ja falsifiziert. Ebenso seien seriöse Theorien teilweise unfalsifizierbar. Ähnliche Probleme existierten für alle Fassungen des Begriffs. Statt einer solchen irreführenden Begriffsbildung seien Theorien vielmehr auf logische und empirische Schwächen zu befragen und gegebenenfalls zu kritisieren. Dieses Argument wird u.a. von Autoren vorgebracht, die selbst mit der Kritik z.B. unseriöser Therapierichtungen beschäftigt sind, den Begriff aber für untauglich halten.

Quellen

  1. Popper: Science, Pseudo-Science, and Falsifiability, in: Conjectures and Refutations, (1962), 1978, S. 33
  2. Kuhn,Logic of Discovery or Psychology of Research? S.8 (1970)

Literatur

  • Richard Dawkins: A Devil’s Chaplain
  • Athony A. Derksen, The Seven Sins Of Pseudo-Science, in: Journal for General Philosophy of Science Vol. 24, 1993, No. 1, S. 17-42.
  • Athony A. Derksen, The Seven Strategies of the Sophisticated Pseudo-Scientist: a look into Freud's rhetorical tool box, in: Journal for General Philosophy of Science Vol 32, 2001, No. 2, S. 329-350
  • Martin Gardner: Fads and Fallacies – In the Name of Science. Dover, New York 1957 (erstmals 1952)
  • Martin Gardner: Science – Good, Bad and Bogus. Oxford University Press, Oxford 1983
  • Sven Ove Hansson, Defining Pseudoscience, in: Philosophia naturalis 33, 1996, Heft 1, S. 169-176.
  • Terence Hines: Pseudoscience and the Paranormal. Amherst 2003
  • Larry Laudan: The Demise of the Demarcation Problem. In: Michael Ruse (ed.): But is it Science? The philosophical question in the creation/evolution controversy. Prometheus Books 1988.
  • Scott O. Lilienfeld et al. (Eds.): Science and Pseudoscience in Clinical Psychology. New York / London 2003
  • Richard J. McNally: Is the pseudoscience concept useful for clinical psychology?. The Scientific Review of Mental Health Practice 2:2 (Fall/Winter 2003)
  • Keith Parsons: Science, Confirmation, and the Theistic Hypothesis (1986)
  • John Allen Paulos: Innumeracy – Mathematical Illiteracy and its Consequences. New York 2001
  • Karl Popper, Science, Pseudo-Science, and Falsifiability, Exzerpt aus ders., Conjectures and Refutations, 1978, S. 33-39 (zuerst veröffentlich 1962 in leicht veränderter Form)
  • Michael Shermer: Why People Believe Weird Things – Pseudoscience, Superstition, and Other Confusions of Our Time. New York 2002
  • Carol Tavris: Psychobabble and Biobunk – Using Psychology to Think Critically About Issues in the News. 2nd Edition. Upper Saddle River 2001