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ß

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ß - das so genannte Eszett, oder auch scharfes s, Straßen-S oder Dreierles-S, ist ursprünglich eine Ligatur. In der deutschen Orthografie (außer in der Schweiz) hat es heute die Funktion eines eigenständigen Buchstabens und dient der eindeutigen Repräsentation des stimmlosen s-Lautes (ß-Lautes).

ß wird im Versalsatz (Großschrift), oder wenn der Buchstabe ß nicht zur Verfügung steht, immer zu SS (Straße > STRASSE). Die einzige Ausnahme sind Eigennamen (z. B.: GEIßMANN). In alphabetischen Auflistungen wird es gleich behandelt wie ss. Ein entsprechender Großbuchstabe existiert nicht (trotz diverser Bemühungen). Vor der Rechtschreibreform von 1996 war die Umschreibung SZ bei Verwechslungsmöglichkeit zulässig. Ebenfalls gab es in der DDR Versuche, ein versales SZ zu etablieren.

Die Diskussion um die genaue Form dieses typisch deutschen Ligatur-Zeichens ist aber immer noch nicht abgeschlossen, wie neue Entwürfe von Schriftdesignern zeigen.


Antiqua-ß vs. Textura-ß und Fraktur-ß

Entstehung

Es gibt zwei verschiedene Ursprünge des ß:

  • Ligatur aus dem so genanntem langem s (ſ, sieht aus wie ein f ohne Querstrich) und normalem, rundem s,
  • Ligatur aus ſ und z.

Die Ligatur aus langem ſ und rundem s war z.B. in englischen oder französischen Antiquaschriften anzufinden, bevor das lange ſ im Laufe des 18. Jahrhunderts außer Gebrauch geriet (siehe nebenstehendes Bild). In deutschen Worten findet sie sich nur in Ausnahmen, zum Beispiel auf einigen Antiqua gesetzten Titelblättern zu Johannes Keplers Werken, um 1620. Sie wird dort aber nur für das doppelte s gebraucht, noch dazu in der Wortmitte, wohingegen das sz des Fraktursatzes in derselben Schrift nur am Wortende, also im Auslaut gebraucht wurde.

In Frakturschriften ist dagegen die Ligatur aus langem ſ und z seit dem Mittelalter fürs Deutsche verwendet worden. Er diente ursprünglich der genaueren Bezeichnung des im Zuge der 2. Lautverschiebung aus germanisch [t] entstandenen s-Lauts im Unterschied zu dem ebenfalls aus germanisch [t] entstandenem z-Laut tz (anstelle der unterschiedslosen Schreibung zz). Im Laufe der Jahrhunderte bildete sich die heute bekannte Unterscheidung zwischen ss und ß heraus.

Als im späten 18. und im 19. Jahrhundert deutsche Texte vermehrt in Antiqua gesetzt wurden, suchte man eine Antiqua-Entsprechung für das Fraktur-ß, um die aus dem Fraktur-Satz geläufige Unterscheidung zwischen Doppel-ss und ß auch in der Antiqua bezeichnen zu können. Spätestens mit der Rechtschreibereform von 1901 ist die Bezeichnung dieses Unterschieds im Antiquasatz obligatorisch geworden.

Für die Form des Antiqua-ß hat es vier verschiedene typographische Ansätze gegeben:

  1. Buchstabenkombination ſs (nicht als Ligatur),
  2. Ligatur aus ſ und s,
  3. Ligatur aus ſ und einem z, das wie in der Fraktur von der Form her wie eine 3 aussieht,
  4. eine Art Ligatur aus ſ und einer Art 3, so dass ein Zeichen entsteht, das einem griechischen kleinen Beta β ähnelt (eine Art Kompromiss aus 2. und 3.).

Heutzutage sind die meisten ß entweder nach 2. oder nach 4. geformt, doch bisweilen findet sich auch eines nach 3. Nur die Variante nach 1. ist nicht mehr in Gebrauch.

Betrachtet man die ursprüngliche Frakturschreibweise, bleibt die Bezeichnung Eszett für das deutsche ß angemessen, insbesondere weil es als solches in der Frakturschrift, dem über Jahrhunderte hinweg üblichsten Satz fürs Deutsche, auch durchweg in Gebrauch blieb.

Der Typograph Jan Tschichold behauptete, dass das deutsche Fraktur-ß auf eine Ligatur aus einem langen ſ und einem kurzen s zurück geht. Diese Ansicht hat sich weit verbreitet, obwohl sie nach Ansicht von Sprachwissenschaftlern von keinem stichhaltigen Argument gestützt wird. Tschicholds Beweisführung beruht auf einer selbstgezeichneten Grafik, anhand derer er eine Verschmelzung von ſ und s in der Fraktur darstellt, und auf einem Hinweis auf die ſs-Ligatur in Antiqua-Schriften. Die Verschmelzung wird von akademischer Seite als unbelegt angesehen, der Hinweis auf die Ligatur hingegen als richtig, aber gegenstandlos.

Verwendung

Vor der Reform von 1996

Vor der Rechtschreibreform von 1996 wurde das ß statt ss für den stimmlosen s-Laut unter folgenden Bedingungen geschrieben:

  • wenn kein Vokal folgt, also
    • am Wortende (daß, Fluß, Paß, Fuß) sowie, daraus folgend, auch in der "Kompositionsfuge", d.h. im Inneren von Zusammensetzungen: Meßlatte, Meßergebnis
    • vor Konsonant (paßt, heißt)
  • immer wenn ein langer Vokal oder ein Diphthong vorausgeht (Straße, Füße, heißen)

In allen anderen Fällen, d.h. zwischen kurzem Vokal und einem weiteren Vokal, schrieb man ss (passen, flossen).

Im Ergebnis lassen sich diese Maßgaben auf folgende einfache Formel bringen: Es steht immer Esztt, außer wenn man nach den Regeln der Silbentrennung als s-s trennen kann.

Dies führte nach einer Auffassung allerdings zwangsläufig zum Zerreißen des paradigmatischen-etymologischen Zusammenhangs bei Wörtern wie fließen (fließt, floß, aber: geflossen) sowie messen, aber: mißt, maß. Nach anderer Auffassung hat die Frage, ob ss oder ß zu stehen hat, keinerlei etymologischen Hintergrund, sondern allein einen typographischen.

Nicht eindeutig war die Regelung allerdings am Wortende, da hier derselbe s-Laut auch durch einfaches s ausgedrückt werden konnte (das, Ergebnis). Dieses Problem wurde freilich auch nicht durch die Rechtschreibreform gelöst.

Nach der Reform von 1996

Seit der Rechtschreibreform gilt die Regel: Man schreibt ß für den stimmlosen s-Laut nur noch unter folgender Bedingung:

  • immer wenn ein langer Vokal oder ein Diphthong vorausgeht (Straße, Fuß, Füße, heißen, heißt).

Überall sonst wird ss geschrieben (dass, Fluss, Pass, passt).

Somit bezeichnet das ss, wie andere Doppelkonsonanten auch, nur die Kürze des vorausgehenden Vokals (vgl. Gasse mit kurzem /a/ wie Gatte, Halle, Karre, Knappe).

Diese Regelung hat sich allerdings als äußerst irreführend entpuppt. Denn beispielsweise bei "er las" handelt es sich um einen langen Vokal und -- wegen der Auslautverhärtung -- um ein stimmhaftes s. Andererseits löst diese Regel nicht das Problem, ob einfachs s oder ss/ß zu schreiben ist.

Damit wurde ein Teil der etymologischen Zusammenhänge wieder hergestellt, z. B. bei messen und misst oder müssen und muss. Allerdings blieben andere - bedingt durch die Länge des vorhergehenden Vokals - bestehen wie beispielsweise bei fließen, flossen, und das Floß.

Dazu kommt, dass nicht in allen Teilen des deutschen Sprachgebiets die allein maßgebliche Länge bzw. Kürze der Vokale gleich geregelt ist. Zum Beispiel wird in einigen Teilen Bayerns die dort verbreitete Maß Bier (bayrisch nicht das sondern die Maß) mit einem kurzen a gesprochen. (Entsprechend könnte man dort auf der durch die neue Rechtschreibung ermöglichten und die Vokalkürze korrekt wiedergebenden Schreibweise Mass bestehen.)

In der Schweiz

In der Schweiz wurde das ß seit 1935 stufenweise abgeschafft. Als letzte schweizerische Tageszeitung entschied die Neue Zürcher Zeitung, ab dem 4. November 1974 auf das Eszett zu verzichten. Normalerweise werden alle Wörter mit ss geschrieben, einige Buchverlage verwenden jedoch ß im Drucksatz, insbesondere in Publikationen für den gesamten deutschsprachigen Markt.

Bei der Silbentrennung wird in der Schweiz (bzw. im Versalsatz oder wenn kein ß zur Verfügung steht) seit der Regelung von 1996 ein ss in s-s aufgelöst. Vorher musste das Wort Blösse als Blö-sse getrennt werden (in Analogie zur außerschweizerischen Schreibweise Blö-ße), seitdem aber als Blös-se. Tatsächlich haben aber wohl die meisten Schweizer diese Regel schon angewendet, bevor sie eingeführt war.

In letzter Zeit ist es in der Schweiz zu einer Wiederbelebung des ß gekommen, allerdings nicht von offizieller Seite her, denn die Ligatur wird im Schulunterricht ignoriert. Hingegen ist in der privaten SMS-Kommunikation zur Platzersparnis ein vermehrter Gebrauch des ß zu beobachten. Dies geschieht auffälligerweise also gerade in einer Kommunikationsform, die unter den jüngeren Teilnehmern fast ausschließlich im schweizerdeutschen Dialekt abgewickelt wird. Jedoch wird ß dort nicht den früher oder heute üblichen Regeln gemäß verwendet, sondern für jegliches Doppel-s, also beispielsweise in beßer oder ich cha di nid vergäße "ich kann dich nicht vergessen".

Siehe auch: Orthografie, langes s