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Zeichen der Zeit (Fernsehreihe)

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Zeichen der Zeit (Fernsehreihe) war der Name einer Dokumentarfilmreihe des Süddeutschen Rundfunks (SDR), in der zwischen 1957 und 1973 insgesamt 56 Filme entstanden.[1][2] Die Filme blickten „hinter die Kulissen des Wirtschaftswunders, besuchten Schützenvereine, mokierten sich über den deutschtümelnden Wagnerkult, begleiteten einen Wahlkampf, entlarvten das faschistoide Potential der Burschenschaften, kümmerten sich um Tierquälerei, Verkehr, Schulen und Müll. (…) Der Off-Kommentar war lakonisch, ein spöttischer und ironischer Blick entstand auch dadurch, dass widersprüchliche Szenen gezielt aneinander montiert wurden. Dieser Stil sollte die ganze Reihe prägen.“[3] Die Reihe wird als Paradebeispiel der so genannten Stuttgarter Schule des Dokumentarfilms[4] gesehen und wird „bis heute (als) stilbildend“[5] bezeichnet.

Geschichte

Die Reihe Zeichen der Zeit wurde von der Dokumentarabteilung des SDR unter Leitung von Heinz Huber entwickelt. Nach seinem Tod 1968 übernahm Dieter Ertel die Leitung. Viele der Autoren kamen aus dem Hörfunk oder von der Zeitschrift Der Spiegel, von wo sie einen pointierten, ironisch, manchmal sarkastisch geprägten Schreibstil mitbrachten. Von der dokumentarischen Tradition des Dritten Reiches mit schönfärberischen, idyllischen Kulturfilmen wollten sie sich absetzen. „Ich glaube, unser Ausgangspunkt war unterschwellig immer, das Gegenteil mit Film zu machen von dem, was die Nazis damit gemacht hatten, die ihn äußerst geschickt benutzt hatten, die Wirklichkeit zu überhöhen, um gewaltige patriotische Emotionen auszulösen. (…) Wir waren entschlossen, den Film kritisch einzusetzen. Diese Mittel der Vergegenwärtigung, der Lebendigkeit zu benutzen, um Wirklichkeit unheroisch und eher entlarvend und kritisch darzustellen.“[6]

Ende 1957 produzierte die Redaktion den Film Ein Großkampftag – Beobachtungen bei einer Boxveranstaltung von Dieter Ertel, der zum Vorbild der in der Folge entwickelten Reihe Zeichen der Zeit wurde. In dem Film wurde nicht wie bis dahin üblich das Sensationelle des Kampfes hervorgehoben, sondern es wurde ein Blick hinter die Kulissen getan, auf den Alltag von Boxern, die vom Lampenfieber gepeinigt waren. Schon kurz später lief der erste Film der Reihe Wenn die Weihnachtskassen klingeln. Auf den Einfluss des Direct Cinema reagierte die Redaktion 1966 mit dem Film Die Misswahl – Beobachtungen bei einer Schönheitskonkurrenz von Roman Brodmann. Einer der bekanntesten Filme der Reihe wurde Der Polizeistaatsbesuch – Beobachtungen unter deutschen Gastgebern, ebenfalls von Brodmann (1967), der den Staatsbesuch von Schah Mohammad Reza Pahlavi in Deutschland dokumentierte, die Ausschreitungen gegenüber Berliner Demonstranten, in deren Verlauf der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde.

Für die Arbeit der Dokumentarabteilung des SDR war es zu der Zeit typisch, parallel zahlreiche verschiedene Reihen zu produzieren, wie Tatsachen über Legenden, Bei der Arbeit beobachtet, Das Dritte Reich etc. Die Reihe Zeichen der Zeit wurde besonders bekannt und begründete das Renommee der Dokumentarabteilung des Süddeutschen Rundfunks als „Stuttgarter Schule“.[7]

Autoren der Reihe

Filme in der Reihe (Auswahl)

DVDs

Ausgewählte Episoden wurden im Jahr 2011 in einer editierte DVD-Ausgabe als DVD-Box veröffentlicht. Dabei wurden 16 Episoden auf fünf DVDs – die jeweils einem Thema zugeordnet sind – mit PDF-Dateien und einem begleitenden Booklet veröffentlicht. Die DVD-Box unter dem Titel „Zeichen der Zeit – Beobachtungen aus der Bundesrepublik (1956–1973). Die Filme der Stuttgarter Schule“ wurde von absolut Medien in Zusammenarbeit mit Haus des Dokumentarfilms und Kay Hoffmann verlegt.[8]

  • DVD 1: Politik
(Filme: Die Vergessenen; Der Polizeistaatsbesuch; Die ausgezeichneten Deutschen; Bonus: Das Beste an der ARD sind ihre Anfänge)
  • DVD 2: Sport
(Filme: Tortur de France; Die Borussen kommen; Die Misswahl)
  • DVD 3: Frauen
(Filme: Die unzufriedenen Frauen; Eine Hochzeit; Wegnahme eines Kindes)
  • DVD 4: Militarismus
(Filme: Die deutsche Bundeswehr; Schützenfest in Bahnhofsnähe; Eine Einberufung)
  • DVD 5: Arbeit und Kultur
(Filme: Ödenwaldstetten; Der Untergang der Graf Bismarck; Kunst und Ketchup; Fernsehfieber)

Literatur

  • Hoffmann, Kay: Zeichen der Zeit. Zur Geschichte der Stuttgarter Schule. Hrsg.: Haus des Dokumentarfilms. 1. Auflage. TR-Verlagsunion, Stuttgart 1996, ISBN 3-8058-3149-8.

Einzelnachweise

  1. Kay Hoffmann: Zeichen der Zeit. Zur Geschichte der Stuttgarter Schule. Haus des Dokumentarfilms und TR-Verlagsunion, München, 1996, Seite 32
  2. DVD: Zeichen der Zeit – Beobachtungen aus der Bundesrepublik (1956-1973). Die Filme der Stuttgarter Schule. (2011). absolut Medien GmbH.
  3. Stefan Niggemeier: Zeichen der Zeit, abgerufen am 10. Dezember 2018.
  4. intern.ARD.de: Chronik der ARD 1. August 1957, abgerufen am 10. Dezember 2018.
  5. Kay Hoffmann: Zeichen der Zeit. Zur Geschichte der Stuttgarter Schule. Haus des Dokumentarfilms und TR-Verlagsunion, München, 1996, Seite 42
  6. Wilhelm Bittdorf. In: Rüdiger Steinmetz, Helfried Spitra: Dokumentarfilm als „Zeichen der Zeit“. München, 1992, Seite 27
  7. Stefan Niggemeier: Zeichen der Zeit, abgerufen am 10. Dezember 2018.
  8. Zeichen der Zeit – Die Filme der Stuttgarter Schule 1956–1973. In: absolutmedien.de. Abgerufen am 6. September 2019.