Neusser Bürger-Schützenfest
Das Neusser Bürger-Schützenfest ist ein Schützenfest der Stadt Neuss am Rhein. Es wird jährlich am letzten Augustwochenende ausgerichtet. Mit etwa 5000 marschierenden Schützen und 1200 Musikern ist es zwar kleiner als das Schützenfest Hannover, gilt aber als das weltweit größte Schützenfest, das von einem einzigen Schützenverein organisiert wird. Das Schützenfest ist mit seiner Königsparade, den Festzügen, dem Königsschießen sowie etlichen Begleitveranstaltungen ein gesellschaftlicher Höhepunkt in Neuss.
Das Regiment
Hatte das Schützenfest im Mittelalter noch einen militärischen Charakter, stehen heute die Traditionspflege und der gesellige Aspekt im Vordergrund. Daher tragen die Schützen Uniformen, zu denen allerdings lediglich Gewehrattrappen gehören.
Das Regiment umfasst etwa 5000 aktive, marschierende Schützen. Es wird in mehrere Korps unterteilt, die jeweils eigene Uniformen besitzen. Das Schützenfest wird über den Neusser Bürger-Schützen-Verein organisiert, in dem alle Schützen Mitglied sind. Dem Neusser Bürger-Schützen-Verein steht ein 10 bis 12-köpfiges Komitee vor, zu dem auch der Oberst gehört. Nach außen wird das Schützenfest von einem Schützenkönig repräsentiert, der jedes Jahr durch ein Vogelschießen ermittelt wird. Um die Königswürde kann sich jeder Schütze bewerben, allerdings ist sie mit beträchtlichem finanziellem und zeitlichem Aufwand, auch für die Gattin des Schützenkönigs, verbunden. Der König gehört nicht dem Komitee an.
Die Korps
Das Regiment unterteilt sich in insgesamt 10 Korps, die im Laufe der Zeit entstanden. Nur zwei Korps, das Grenadierkorp und das Jägerkorps, nehmen bereits seit der Gründung des Schützenfestes 1823 teil.
Die Korps haben jeweils eigene Uniformen, so dass die Festzüge abwechslungsreich sind und nicht alle Schützen einheitlich angezogen sind. Bis auf die Edelknaben, die Scheibenschützen, die Artillerie und das Reiter-Corps sind alle Korps in Züge mit etwa 15 bis 30 Mann unterteilt.
Die Sappeure
Die Sappeure stellen mit etwa 20 Mann ein kleines Korps, dass aus nur einem Zug besteht. Sie tragen eine blauen Waffenrock, darüber eine weiße Lederschürze, eine hohe Mütze sowie eine große Axt. Seit 1830 gehen sie bei jedem Umzug dem Regiment voran.
Das Neusser Grenadierkorps von 1823
Die Grenadiere nahmen bereits auf dem ersten Schützenfest 1823 teil. Sie tragen eine schwarzen Frack und einen schwarzen Zylinder. Die Offiziere tragen dagegen eine blaue Uniform mit einem Zweispitzhut. Die Grenadiere stellen mit 77 Zügen, 3 Tambourkorps und 1 Fanfarenkorps (insgesamt über 1.350 Schützen) das größte Korps.
Homepage des Neusser Grenadierkorps von 1823
Die Edelknaben
Das Edelknaben-Korps bietet als einziges Korps bereits Kindern die Möglichkeit, am Schützenfest teilzunehmen. Die Uniform besteht aus einer schwarzen Jacke und einer kurzen schwarzen Hose. Die Edelknaben gehen auf die Zeit zurück, als weißgekleidete Mädchen die Kutsche des Königs begleiteten und Blumen auf den Weg streuten.
Die Gründung des Edelknaben-Korps wird auf 1835 datiert, das Datum kann jedoch nicht genau belegt werden. Sie marschieren bei Umügen vor der Kutsche des Königs.
Die Jäger
Das Jägerkorps wurde wie das Grenadierkorps bereits 1823 gegründet und war lange Zeit das zweitgrößte Korps, muss sich heute aber bei knapp 900 Schützen mit dem dritten Rang abgeben. Die Jäger tragen einen grünen Waffenrock, eine weiße Hose und einen grünen Hut. An der linken Seite eines jeden Zuges trägt ein Schütze ein riesiges Trinkhorn, das mit Blumen geschmückt ist.
Die Schützenlust
Die Schützenlust gibt es seit 1864, ging aber 1930 mangels Nachwuchs wieder ein. Sie wurde aber nach dem Krieg erst 1950 wiederbegründet. Die Schützenlust trägt einengrau-grünen, zweireihigen Rock, eine weiße Hose und einen grünen Hut.
Die Schützenlust ist sie mit etwa 1300 Schützen das zweitgrößte Korps.
Homepage der Neusser Schützenlust
Die Hubertusschützen
Die St. Hubertus-Schützen-Gesellschaft wurde 1899 zu Ehren des Heiligen Hubertus von Lüttich gegründet. Sie tragen einen grünen Rock, eine schwarze Hose und einen schwarzen Hut mit grünem Band. Die Hubertusschützen tragen, ähnlich wie das Jägerkorps, ein blumengescmücktes Horn. Die Hubertusschützen stellen mit etwa 600 Schützen ein kleines Korps.
Die Schützengilde
Die Schützengilde existierte bereits 1850 bis 1891 und wurde 1961 wiederbegründet. Sie tragen einen grünen Rock, eine schwarze Hose und einen grünen Hut. Mit 484 Schützen sind auch sie ein kleines Korps.
Die Scheibenschützen
Die Geschichte der Scheibenschützen geht auf die Sebastianusbruderschaft zurück, die bereits 1415 Schießwettbewerbe austrug. Allerdings nehmen die Scheibenschützen erst seit 1920 mit einem eigenen Zug am Schützenfest teil. Dabei laufen die etwa 100 schützen in drei Reihen. sie tragen eine graue Jacke und eine schwarze Hose, dazu einen Schützenhut. Als besondere Ehrerbietung vor dem König ziehen sämtliche Scheibenschützen beim Vorbeimarsch auf ein Zeichen hin gleichzeitig den Hut.
Das Artillerie-Korps
Das Artillerie-Korps wurde 1851 gegründet, durfte aber erst 1854 am Schützenfest teilnehmen. Es ist ein berittenes Korps, das die Attrappe einer Kanone mit einem Gespann von sechs Kaltblütern zieht.
Das Reitercorps
Das Reiterkorps wurde 1828 gegründet. Es ist ebenfalls ein berittenes Korps. Die Reiter tragen einen schwarzen Reitfrack, darunter eine Rot-Weiße Schärpe. Das Reitercorps schließt einen Festzug ab.
Festablauf
Die Eckpfeiler des Schützenfestes sind die Königsparade, die Festzüge und das Königsschießen. Daneben gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm. Das Schützenfest findet am letzten Augustwochenende statt und beginnt samstags und endet dienstags. Die begleitende Kirmes wird bereits freitags nachmittags eröffnet.
Das Schützenfest beginnt offiziell Samstags um 12.00 Uhr durch das Donnern der Geschütze. Abends findet dann mit dem Fackelzug der erste Zug statt. Dazu tragen die Schützen Fackeln statt ihrer Gewehrattrappen und einen dunklen Anzug anstelle der Uniform. Einzelne Züge können Großfackeln zu Themen ihrer Wahl bauen, die auf Wagen durch die Stadt geschoben werden. Diese Großfackeln sind die Attraktion des Fackelzugen. Im Durchschnitt werden etwa 80 Großfackeln gebaut.
Sonntags morgens findet die Parade zu Ehren des Schützenkönigs statt, bei der das Regiment auf dem Markt am König und am Komitee vorbeizieht. Es folgen Festzüge der Schützen durch die Stadt, und zwar sonntags nachmittags, montags nachmittags und montags abends.
Nach dem Festzug am Dienstag wird der neue Schützenkönig ausgeschossen. Die Schützen, die sich um die Königswürde bewerben, schießen reihum auf einen Holzklotz (der sogenannte "Vogel"), der auf einer Stange befestigt ist. Der Holzklotz ist einfach zu treffen, man braucht aber mit den Kleinkalibergewehren etliche Schüsse, um den Klotz zu zerlegen. Dadurch hängt die Königswürde mehr vom Glück als von den Schießkünsten der Bewerber ab.
Nach dem Königsschießen folgt abends ein letzter Festzug durch die Stadt. Beim letzten Zug des Jahres ist die Stimmung, teilweise durch den Alkohol bestimmt, sehr ausgelassen, teilweise "schmücken" die Schützen ihre Uniformen oder überlegen sich Einlagen für den Zug. Am Ende des Zuges steht ein Vorbeimarsch am neuen König.
Sonstige Veranstaltungen
Während des Schützenfestes finden Abends nach den Festzügen die Bälle verschiedener Korps statt, beispielsweise sonntags die Bälle der Grenadiere und der Schützenlust, montags der Ball der Jäger. Außerdem besteht in der Stadt ein reichhaltiges Angebot an Parties.
Veranstaltungen außerhalb des Schützenfestes
Drei Wochen vor dem Schützenfest wird samstags der Obersts gewählt (Oberstehrenabend). Anschließend findet ein Umzug in Anzug und mit Pechfackeln zu Ehren des Obersts statt.
Zwei Wochen vor Schützenfest findet samstags der Königsehrenabend statt. Dabei bekommt der Schützenkönig die Möglichkeit, an Schützen seiner Wahl Orden zu verteilen. Anschließend findet, ähnlich wie an Oberstehrenabend, ein Umzug zu Ehren des Königs statt.
Eine Woche nach Schützenfest findet samstags der Krönungsball statt, bei dem dem neuen König die Königswürde verliehen wird.
Geschichte
Gründung
Bereits im Mittelalter hielten viele Städte jährliche Wehr- und Schießübungen ab, damit ihre Bürger im Krisenfall die Freiheit der Stadt verteidigen konnten. Die älteste überlieferte Organisation, die in Neuss solche Übungen abhielt, war die Sebastianus-Bruderschaft von 1415.
Das Schützenfest in der heutigen Form geht aber auf das Jahr 1823 zurück. Nach dem Ende der französichen Besatzung unter Napoléon Bonaparte bat die Neusser Junggesellen-Sodalität um die Genehmigung, parallel zur bereits exitierenden Bartholomäuskirmes ein Vogelschießen sowie einen Festumzug abhalten zu dürfen.
Die Veranstaltung zählt etwa 100 Teilnehmer, 1824 sind es bereits 135. In den folgenden Jahrzehnten entwickeln sich die heute bekannten Strukturen: 1833 wird ein Komitee gewählt, dass mit der Ausrichtung des Schützenfestes beauftragt wird, 1840 wird die Königsparade in das Festprogramm aufgenommen. Mehr und mehr strukturiert sich das Regiment in die heute noch bekannten Korps. 1901 wird nach der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches der Neusser Bürger-Schützen-Verein in das Vereinsregister eingetragen.
Erster und Zweiter Weltkrieg
Noch am 25. Juli 1914 beschloss man, dass Schützenfest trotz des drohenden Krieges stattfinden solle, allerdings begann bereits am 1. August die Mobilmachung, so dass das Fest in jenem Jahr und den folgenden ausfiel.
1920 erhielt man eine Genehmigung der Besatzungsbehörde, das Fest wieder auszurichten, jedoch sieht die internationale Presse darin eine "Sehnsucht nach Revanche, ein Wiederaufflackern des Militarismus". Das Schützenfest wurde 1923 und 1924 verboten und erst 1925, eine Woche vor dem eigentlichen Termin, von der belgischen Besatzungsmacht wieder erlaubt. 1927 wurde das 100-jährige Jubiläum, dass eigentlich auf 1923 gefallen wäre, mit über 1200 Marschierern nachgefeiert.
Im Zeichen der Wirtschaftskrise ließ man das Schützenfest 1931 ausfallen, konnte es in den Folgejahren wieder feiern. Man geriet aber mit den herrschenden Nationalsozialisten aneinander. So verlangte der NS-Kreisleiter 1937 vergeblich, dass die neusser Geistlichen nicht zur Parade in das Rathaus eingeladen werden dürften. Zugnahmen mit religiösem Motiv ("Münsterchor", "Dreikönigenchor") wurde verboten. 1939 feierte man das letzte Schützenfest vor dem Zweiten Weltkrieg, bereits am Donnerstag danach verließen die ersten Militärtransportzüge Düsseldorf.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
1947 zogen neusser Schützen in einem Schweigemarsch vom Rathaus zum Quirinus-Münster durch die Ruinen der Stadt, erst 1948 wurde wieder ein König augeschossen. Ein Schützenfest mit vier Festtagen findet aber erst seit 1949 wieder statt.
Literatur
Vereinigung der Heimatfreunde: Freut Euch des Lebens - Schützen, Schützenfrauen und Schützenfest in Neuss am Rhein. Neuss 1998, ISBN 3-923607-28-8.