Ökotheologie
Die Ökotheologie bezeichnet eine Richtung in der Theologie aller Konfessionen, die sich mit dem Verhältnis Gottes zur Natur und den ín ihr lebenden Menschen befasst. Ihre Entstehungszeit liegt in den 1980-er Jahren.
Die Impulse kamen zunächst aus dem philosophischen Denken. So hat der deutsche Publizist Carl Amery (1922‐2005) im Jahr 1972 ein Buch „Das Ende der Vorsehung“ publiziert, in dem er dem Christentum vorwirft, den „Herrschaftsauftrag“ in Gen 1,28 („Macht euch die Erde untertan“) missverstanden zu haben, nämlich die Erde hemmungslos auszubeuten. Im Jahr 1979 erschien von Hans Jonas „Das Prinzip Verantwortung“, das den „ökologischen Imperativ“ formulierte: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“
Die Theologie reagierte erst später auf das erwachende ökologische Bewusstsein. Im II. Vatikanum wurde die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ verabschiedet, die vom Fortschrittsoptimismus und von der Technikgläubigkeit der Zeit gekennzeichnet ist. Die kosmologische Sicht des Teilhard de Chardin (1881‐1955) trug diesen Geist bis in die 1980er Jahre. Der Moraltheologe Alfons Auer (1915‐2005) hat seine „Umweltethik“ (1989 in 3. Auflage) publiziert. Der evangelische Theologe Jürgen Moltmann (* 1926) hat seine „Ökologische Schöpfungslehre“ in der gleichen Zeit verfasst.
In den USA haben neue Schöpfungstheologien ihren Ausgang vom Geschlechterverhältnis genommen. Ökofeministische Konzepte setzten der Herrschaft des Mannes über die Natur das weibliche Verhältnis zur Natur entgegen.[1] Die Erde wird nahezu mythisch als „Gaia“ verstanden, für die jeder Anthropozentrismus unangemessen ist.[2] Im deutschsprachigen Raum wurde dies kaum aufgegriffen. Im Studium der „Schöpfungstheologie“ werden eher die klassischen Herausforderungen durch den Naturalismus („mind‐brain‐Debatte“), die Fragen der Evolutionstheorie („Intelligent Design“), das Verhältnis von Freiheit und Sünde oder die „Rechtfertigung“ Gottes angesichts des Leidens („Theodizee“) behandelt.
Papst Benedikt XVI. hat 2011 zwei Fragen als tragend angesehen: Welche Natur umgibt uns und wie wie leben wir in ihr? Zweitens: Was ist der Mensch im Kosmos, was ist seine Bestimmung?
„Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“[3]
Die irische katholische Theologin Anne Primavesi[4] (Birkbeck College an der University of London) hat 2003 einen Artikel „Ökologische Theologie“[5] (2003) verfasst. Ausgangspunkt jeder ökologischen Theologie sei eine globale Perspektive: eine Sicht auf die Erde, die diese als ein globales Öko‐System begreift. Es sei die Aufgabe,„den Kontext unserer Aussagen über Gott dahingehend zu erweitern, dass er neben den menschlich‐göttlichen Beziehungen [...] auch der planetarischen Geschichte Rechnung trägt“. Für die ökologische Theologie ist diese Relativierung kennzeichnend. Der traditionelle Anthropozentrismus sei am Ende.
Im Frühjahr 2008 wurde ein „Institut für Theologische Zoologie“ durch Rainer Hagencord und den Schweizer Kapuziner Anton Rotzetter gegründet. Das Institut gehört seit 2009 der Philosophisch‐Theologischen Hochschule an der Universität Münster an.
Literatur
- Alfons Auer: Umweltethik. Ein theologischer Beitrag zur ökologischen Diskussion. Patmos 1984. ISBN 978-3491772915
- Dirk Ansorge: Ökotheologie heute, Vortrag in Budapest 2012, KAS
- Andrew Ratanya Mukaria: Ökotheologie. Themen von der Basis, 2020 ISBN 9786202585163
- Markus Vogt: Christliche Umweltethik. Grundlagen und zentrale Herausforderungen, Herder 2021 ISBN 978-3-451-39110-1
Weblinks
- https://www.hisour.com/de/ecotheology-49697/
- https://www.ekd.de/nachhaltigkeit-verlautbarungen-der-ekd-32368.htm
Einzelbelege
- ↑ Anne Herion: Ökofeminismus. Interkulturell-theologische Perspektiven. Hrsg.: JGU Mainz. Mainz 2017 (uni-mainz.de [PDF]).
- ↑ Anne Herion: Ökofeminismus. In: MaTheoZ. Mainz 2018, S. 6–20 (uni-mainz.de [PDF]).
- ↑ Deutscher Bundestag - Rede Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag am 22. September... Abgerufen am 23. November 2020.
- ↑ Anne Primavesi: From Apocalypse to Genesis: Ecology, Feminism and Christianity , Fortress 1991; (deutsch) Wir sind nicht die Herren der Schöpfung. Ein ökologisches Denkmodell, 1998 ISBN 978-3782006743
- ↑ Anne Primavesi: Ökologische Theologie. In: Religion in Geschichte und Gegenwart. 2003, ISBN 978-90-04-14666-2, doi:10.1163/1877-5888_rpp_SIM_124170 (brillonline.com [abgerufen am 23. November 2020]).