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Hebephrene Schizophrenie

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Die hebephrene Schizophrenie (v. griech. ἥβη „Jugend“ und φρήν „Geist“), gelegentlich auch Jugendirresein, bezeichnet eine Unterform der Schizophrenie, bei der die Veränderungen im affektiven Bereich im Vordergrund stehen.

In der ICD-10, Kapitel V, wird die hebephrene Schizophrenie als F20.1 diagnostiziert.

Klinik und Verlauf

Die hebephrene Schizophrenie führt zu einer flachen Stimmungslage ohne Schwingungsfähigkeit, teilweise resonanzlos, depressiv, ohne emotionale Wärme, dann wieder auffallend durch manchmal läppisch-heiteres oder überhaupt läppisches Benehmen, durch ein nicht nachfühlbares Lachen und eine Inadäquatheit zwischen äußerer Situation und Reaktion. Die Sprache der Erkrankten ist oft gekennzeichnet durch Assoziations- lockerungen, durch Danebenreden (Antworten sind nur indirekt oder gar nicht mit der Frage verbunden) oder sogar auch bis zur Unverständlichkeit desorganisiert (Wortsalat,Schizophasie).

Das psychomotorische Verhalten und die Mentalität sind realitätsabgewandt, autistisch und versponnen und erinnern häufig an eine verzerrende Karikatur des Verhaltens Pubertierender. Das Bewusstsein und die Orientierung bleiben meist erhalten. Die Persönlichkeit verliert jedoch ihr eigentliches, vor der Erkrankung vorhandenes Wesen. Das zeigt sich z.B. durch zunehmende Willens- und Entscheidungsschwäche. Oft geht das Denken "an die eigene Zukunft" verloren und die Erkrankten können nicht mehr arbeiten gehen (Frühberentung) bzw. sehen auch keine Notwendigkeit mehr darin, arbeiten zu gehen. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkritik ist zumeist ebenso verloren gegangen wie die soziale Kompetenz. Häufig kommt es bei den Patienten begleitend zu Manierismen (=zweckmäßige Bewegungen werden sonderbar anmutend, unnatürlich-gekünstelt und verschroben ausgeführt) und Grimassieren. Die Krankheitseinsicht ist bei den Patienten meistens gleich Null. Er neigt dazu, sich zurückzuziehen. Freundschaften sind, wenn überhaupt, rar. Ja, selbst der Kontakt zu Familienangehörigen ist eingeschränkt. Eventuell ist das jedoch auch ein Selbstschutz um Stress zu vermeiden. Man muß aber auch bedenken, das es für den Erkrankten schwer ist, Freundschaften zu finden. Die Intelligenz bleibt auf gewissen Gebieten erhalten. Ja, man ist sogar erstaunt, "wie eng das Kranke und Gesunde beieinander liegen können". In besonderen Fällen entwickeln sich sogar außergewöhnliche Fähigkeiten. Kognitive Einbußen sind jedoch mit zunehmendem Alter und Erkrankung möglich.

Das Erkrankungsalter liegt zwischen der Pubertät bis zum Beginn des 3. Lebensjahrzehntes (z.B. durch besondere Anforderungen, Stress-Situationen, denen das erkrankte Gehirn nicht mehr gewachsen ist (Reifungsstadium)).

Die Störung wird anfangs häufig nicht erkannt, da Halluzinationen, Wahnideen und katatone motorische Erscheinungen im Hintergrund stehen, den Patienten Imponierverhalten oder asoziales Verhalten zugeschrieben wird und sie als Sonderlinge angesehen werden. Meist entwickelt sie sich schleichend, sehr oft kann man einen progredienten schnellen Verlauf (Leistungsknick) bis zur "Versandung" bzw. bis zu einem so genannten schizophrenen Defekt beobachten.

Es dominiert bei der Hebephrenie (=desorganisierte Schizophrenie) die sog. schizophrene Minussymptomatik.

Schizophrenie ist eine sehr schwere Gehirnkrankheit. Sie ist eine sog. endogene Psychose - das heißt, der Patient leidet unter einem tiefgreifenden Realitätsverlust. Unter den Subtypen der Schizophrenien (paranoider Typus, desorganisierter oder auch hebephrener Typus, katatoner Typus, undifferenzierter Typus und residualer Typus) hat der hebephrene Typus im ID-10 leider eine schlechte Prognose.

Psychopharmaka (Neuroleptika) wirken besonders gut im Falle der positiven schizophrenen Symptomatik, wie z.B. beim paranoiden Typus (Neurotransmitterstörung im Gehirn). Im Falle der Patienten mit überwiegender Minussymptomatik sind sie weniger wirksam. Hier wird vermutet, daß die Krankheitsursache in hirnstrukturellen Veränderungen mit Zellverlust vor allem im Schläfenlappenbereich liegt.

Als fundamentale Ursache der Erkrankung wird eine neuronale Entwicklungsstörung des Gehirns, bzw. Teile davon (cerebrale Defizite), bereits im Mutterleib (pränataler Ursprung) vermutet.

Der hebephrene Subtyp der Schizophrenie verläuft in den meisten Fällen chronisch und spricht auf (pharmako)-therapeutische Interventionen in aller Regel nur gering an. Man muss versuchen, die noch vorhandenen vielfältigen gesunden Wesenseigenschaften durch viel Geduld und Liebe zu stärken. Niemand ist für diese schreckliche und langwierige Krankheit verantwortlich - am wenigsten der Patient selbst. Oft sind die Angehörigen verzweifelt bzw. kommen damit nicht klar - vor allem durch die Unfähigkeit des Erkrankten Gefühle zu zeigen (Gefühlskälte) und durch seine Unberechenbarkeit. Er verfügt jedoch über ein reges Innenleben, das er nicht nach aussen tragen kann.

Auch später können bei der Krankheit (besonders in Stress-Situationen) noch Schübe auftreten. Nach jedem Schub besteht die Gefahr einer irreversiblen Verstärkung der Minussymptomatik. Gezielt eingesetzt (unter Aufsicht) können Neuroleptika, insbesonders die atypischen, unter Umständen diese Schübe lindern aber die Krankheit leider nicht heilen.

Diagnose

Für eine Diagnose nach ICD-10 müssen die allgemeinen Kriterien der Schizophrenie erfüllt sein. Gemäß den Forschungskriterien der ICD-10 müssen zudem folgende Kriterien erfüllt sein: eine eindeutige und anhaltende Verflachung oder Inadäquatheit des Affekts; zielloses und unzusammenhängendes Verhalten oder eindeutige Denkstörungen; Halluzinationen oder Wahn können in leichter Form vorkommen, bestimmen das klinische Bild aber nicht.

Therapie

Die medikamentöse Therapie steht oft im Vordergrund, sollte jedoch durch psychotherapeutische Maßnahmen ergänzt werden. Oft ist eine stationäre Therapie nötig.