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Mohrenapotheke

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Mohrenapotheke (auch Mohren-Apotheke, Drei-Mohren-Apotheke oder Apotheke zum Mohren) ist oder war der Name von zahlreichen Apotheken in D-A-CH. Sie finden und fanden sich in fast jeder größeren deutschen Großstadt.

Name

Für den genauen Bezug der Namensgebung sind keine Belege bekannt. Vermutet wird, dass ein Zusammenhang mit dem heiligen Mauritius, den Heiligen Drei Königen oder auch der Benennung der – auch in Spanien herrschenden – Mauren besteht. Im Fall einer Apotheke in Wien ist ein anderer Bezug belegbar, da sich zunächst auf Äthiopien berufen wurde und erst später auf den „Mohr“ (ab zirka ab 1600 „Zum schwarzen Äthiopier“, später im 17. Jh. „Zum schwarzen Mohren“, 18. Jh. „Mohren-Apotheke“).[1] Zudem können Apotheken in Häusern mit bereits bestehendem Häusernamen gegründet worden sein, wie es in Frankfurt (Main) für die „Zeil-Apotheke zum Mohren“ belegt ist.[2]

Verbreitung

In Deutschland gibt bzw. gab es Apotheken, die nach einem – oder mehreren – Mohren benannt sind, in fast 100 Orten.[3] Sie finden und fanden sich in fast jeder größeren deutschen in Mittel- und Süddeutschland, wohingegen sie in Norddeutschland sehr selten sind. In der Schweiz sind sie selten, in Österreich vor allen im Osten zu finden.[4] Im heutigen Polen befanden sich Mohren-Apotheken in mehreren Städten Schlesien, etwa in Breslau, Brieg, Glatz oder Gleiwitz. Auch in Luxemburg gab es bis zum Jahr 2007 eine Mouerenapdikt.[5]

Schließungen

Wie alle Apotheken sind auch die Mohrenapotheken den jeweils aktuellen Prozessen unterworfen. Daher kommt es auch immer wieder zu Schließungen, die dem Phänomen des „Apothekensterbens“ zuzurechnen sind. Schließungen aufgrund der Anfeindung des Namens sind daher nicht bekannt. Einzig in Bremen und soll dies beschleunigend gewirkt haben.[6]

Fassadenfiguren

An den Fassaden der Mohrenapotheken finden sich häufiger Figuren von halbnackten Schwarzafrikanern. Um die Hüften tragen sie oft einen (Blätter-)Rock, in der Hand zumeist eine Waffe, was an den heiligen Mauritius erinnern könnte. Dieser wurde allerdings stets in Rüstung dargestellt (siehe Abschnitt Mauritius-Darstellung). Die Figuren an den Apotheken haben zumeist eine Kopfbedeckung und sind barfuß. Auch in den Apotheken selbst sind sie gelegentlich als Figuren zu finden.

Logos

Die Firmenlogos vieler Mohrenapotheken beinhalten schwarze Kopf- oder Ganzkörper-Silhouetten mit zahlreichen Parallelen. So tragen die Apotheken in Baesweiler, Tiefenort, Wiesbaden und mittlerweile auch Bergheim dasselbe Logo: eine schwarze Silhouette mit Ohrring, Turban, Schnabelschuhen und Pluderhose, in den Händen der Äskulapstab und ein Gefäß.

Debatte

Seit den 1960er-Jahren steht der Begriff „Mohr“ in die Kritik. Mohr gilt vielen, ähnlich wie das Wort „Neger“, als diskriminierender oder gar rassistischer stereotyper Begriff, siehe Mohr#Sprachgeschichte. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist das Wort hingegen so gut wie nicht mehr im Gebrauch und gilt als veraltet.[7]

Der Kritik entgegengehalten wird, dass einzelne Benennungen von Mohren-Apotheken bereits vom Beginn des 16. Jahrhunderts stammen und es sich daher um eine jahrhundertelang Tradition der Benennung handele. Allerdings war der Name unzweifelhaft positiv konnotiert, erinnernd an die damals führende Heilkunde im islamischen Kulturbereich.[8] Ähnlich verhält es sich mit den Namensgebungen einer Löwen-Apotheke und einer Elefanten-Apotheke, erinnernd an Persien bzw. Indien.[9]

Umbenennungen

Apotheken wechselten im Laufe der Jahrhunderte gelegentlich ihren Namen, daher muss davon ausgegangen werden, dass es eine größere Dunkelziffer von Mohrenapotheken gibt. Häufig folgten diese Umbenennungen einem Besitzerwechsel (siehe etwa den komplizierten Fall der Lorbeerbaum Apotheke in Naumburg (Saale) oder die „Mohren-Apotheke“ in Leipzig, die später zur „Engel-Apotheke“ wurde[10]). Aufgrund der Debatten um Rassismus und Polizeigewalt in den Jahren 2018 und 2020 änderten einige wenige Apotheken ihren Namen, da sie sich nicht dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt sehen wollten. Andere kündigten an, dies schrittweise umzusetzen. So wurde aus der „Mohren-Apotheke“ in Kiel im Jahr 2020 die „Raths-Apotheke am Brauereiviertel“ und die „Mohren-Apotheke“ in Bonn nannte sich zunächst in „Mohren-Apotheke am KAP“ um und will im nächsten Schritt zur „Apotheke am KAP“ werden.[11][12] In München besaß ein Apotheker gleich zwei Mohren-Apotheken und benannte diese am 1. September 2020 in Apotheke im Tal bzw. Apotheke am Gasteig um.[13] In einigen Fällen wurden Online-change.org-Petitionen für den Beibehalt (z. B. Friedberg) oder aber dagegen (z. B. Friedberg, Wien, Graz) gestartet.[14][15][16][17]

Siehe auch

  • Friederike Milbradt; Recherche: Irene Janoschek und Anton Dorow: Deutschlandkarte : Mohren-Apotheken Zeitmagazin, Die Zeit, online, 21/2016, 12. Mai 2016, abgerufen 27. Juni 2020. – Kostenfreie Anmeldung für vollständige Ansicht erforderlich.
  • Mohren – Zur Begrifflichkeit ... geschichtewiki.wien.gv.at, Stadtgemeinde Wien, abgerufen 27. Juni 2020.

Einzelnachweise

  1. Rassismus-Debatte: Mohren-Apotheke benennt sich um, Apotheke adhoc, 28. Juni 2020, abgerufen am 27. September 2020.
  2. Silvia Meixner: Mohren-Apotheken sollen Namen ändern. apotheke adhoc, 25. Januar 2018, abgerufen am 17. Oktober 2020.
  3. Volker Budinger: Namensfrage : Von „Möhren“, „Mauren“ und dem heiligen Mauritius deutsche-apotheker-zeitung.de, DAZ Online, 21. Oktober 2016, abgerufen 27. Juni 2020.
  4. Vgl. etwa Karte von Black Central Europe, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  5. Mohrenapotheke zieht um. Luxemburger Wort, 15. März 2012, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  6. Peter Strotmann: Wie aus der „Mohren-Apotheke“ eine „Möhren-Apotheke“ wurde. In: Weser Kurier. 8. November 2016, abgerufen am 25. Oktober 2020 (mit Foto).
  7. Ralf Möbius: Mohr. In: fachanwalt-fuer-it-recht.blogspot.com. 29. Januar 2018, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  8. Peter Bräunlein: Magier, Märtyrer, Markenzeichen: Tucherbräu und Mohren-Apotheken. In: Menschenfresser, Negerküsse ... Elefanten Press, Berlin 1991, S. 104–125 (uni-tuebingen.de [PDF]).
  9. Wulf Schmidt-Wulffen: Die „Zehn kleinen Negerlein“. Zur Geschichte der Rassendiskriminierung im Kinderbuch. Lit Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-643-10892-0, S. 115 (240 S., eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Gustav Wustmann: Die drei ältesten Apotheken und die herbatio annua. In: Aus Leipzigs Vergangenheit. Gesammelte Aufsätze, Dritte Reihe, Leipzig 1909, S. 194–221.
  11. Inhaber wollte eigentlich nicht einlenken. Nach schockierenden Briefen: Kieler Mohren-Apotheke ändert ihren Namen. Focus, 2. Juli 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  12. Aktuell bei uns. Mohren-Apotheke Bonn, 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  13. Thomas Gautier: Nach mehr als 200 Jahren. Münchner Mohren-Apotheke umbenannt. In: bild.de. Axel Springer SE, 13. September 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  14. Kerstin Podszus: Der Name "Hof-Apotheke zum Mohren" darf bleiben! change.org, 2018, abgerufen am 25. Oktober 2020 (Petition der Friedberger Inhaberin 2018).
  15. United colors of change: Mohrenapotheke Friedberg - der rassistische Name muss geändert werden! change.org, 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020 (Petition 2020).
  16. Alexandra Schmidl: Ändert den rassistischen Namen der "Mohren-Apotheke" in Wien! change.org, 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020 (Petition 2020).
  17. Marlene Schmidl: Grazer Mohren-Apotheke soll rassistischen Namen ändern! change.org, 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020 (Petition 2020).