Hermann Tietz (Kaufmann)
Hermann Tietz (* 29. April 1837 in Birnbaum an der Warthe (heute Miedzychód in Polen), † 3. Mai 1907 in Berlin) war ein Kaufmann jüdischen Glaubens, der die Idee des Warenhauses als einer der Ersten in Deutschland realisierte.
Leben
Es wird vermutet, dass Tietz den Gedanken aus den USA im Jahr 1870 mitgebracht hat. Tietz hatte als Versicherungsvertreter Kontakte nach Amerika.
Er gab seinem Neffen Oskar Geld, damit dieser am 1. März 1882 sein erstes Geschäft in Gera eröffnen konnte. Der Umsatz im "Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiss- und Wollwarengeschäft Hermann Tietz" war am Eröffnungstag niederschmetternd, gerade mal 34,50 Reichsmark. Doch das Konzept wird nach und nach erfolgreich: Preisverhandlungen mit Kunden? Fehlanzeige, es gibt festgelegte Preise; Stundung? Anschreiben ist tabu; Fachsortiment? Nein, ein vielfältiger, branchenübergreifender Waren-Mix.
Über kleinere Städte wie Bamberg, Erfurt, Rostock, Stralsund und Wismar setzte sich der Siegeszug des Warenhauses schließlich in der Reichshauptstadt fort. Nahe zum 1894 eröffneten Warenhaus Wertheim, damals das größte in Europa, siedelte Hermann Tietz im Jahr 1900 in der Leipziger Straße einen konkurrierenden Konsumtempel mit eigener Kellerei an. Es folgte 1904 am Berliner Alexanderplatz das prächtig gestaltete Warenhaus Tietz. Große luxuriöse Warenhauspaläste sollten den Kunden ein wahres Einkaufserlebnis bieten.
Die Kaufmannssippe Tietz grenzte ihre Interessensphären ab. Hermann und Oskar Tietz konzentrierten sich auf den Süden und Osten des Reiches, Leonhard Tietz ("Kaufhof") machte seine Geschäfte im Westen und in Belgien auf. Nach dem Tode von Hermann Tietz führte Neffe Oskar das florierende Unternehmen weiter. Tietz hatte in Berlin die meisten – zehn - Warenhäuser und die größte Verkaufsfläche. 1927 sind 13.000 Angestellte bei diesem Unternehmen tätig.
Alle Unternehmen der Familie Tietz werden im Dritten Reich von den Nationalsozialisten erst arisiert und später enteignet, die jüdischen Besitzer fliehen ins Ausland. Georg Karg, der verantwortliche Arisierer und spätere Eigentümer, änderte den Firmennamen ab 1933 in "Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH", abgeleitet aus dem Gründernamen Hermann Tietz. Ein "judenfreier" deutscher Konzern passt plötzlich in die damalige Ideologie, welche die mittelständischen Kaufleute vor den Gefahren der Kaufhäuser schützen wollte.