Florian Schmidt (Politiker)
Florian Schmidt (* 1975 in Köln) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen) und Bezirksstadtrat in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg. Als Kommunalpolitiker wurde er durch seine umstrittenen[1][2][3] Positionen und Aktivitäten insbesondere hinsichtlich der bezirklichen Miet- und Verkehrssituation über die Grenzen Berlins bekannt.[4][5][6][7]
Leben
Schmidt absolvierte 1996/97 seinen Zivildienst in der Flüchtlingsunterkunft des evangelischen Sozialdiensts am Flughafen Frankfurt. Währenddessen nahm er Gitarrenunterricht am Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt. Anschließend studierte er bis 2008 Soziologie (Hauptfach), Kunstgeschichte und Volkswirtschaftslehre (Nebenfächer) an den Universitäten Hamburg, Barcelona und der Humboldt-Universität Berlin mit dem Abschluss Magister mit einer Arbeit zur Raumsoziologie. Von 2004 bis 2008 war er neben dem Studium freiberuflich als Musiker tätig.
Von 2007 bis 2013 koordinierte den Arbeitskreis Stadtentwicklung beim Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung. Zwischen 2008 und 2010 arbeitete er als Pressesprecher der Initiative Temporäre Kunsthalle Berlin.[8] Von 2009 leitete er das von ihm im selben Jahr mitgegründete Projektbüro Kreativquartier Südliche Friedrichstadt[9] (bis 2016). Dieses Projektbüro hat das erste Konzeptverfahren der Berliner Liegenschaftspolitik initiiert und begleitet dieses bis heute mit dem Projektraum Bauhütte Südliche Friedrichstadt.[10]
Im Herbst 2015 gehörte Schmidt zu den Mitgründern der Initiative Haus der Statistik, dessen Sprecherteam er bis 2016 angehörte. Von 2014 bis 2016 war er Atelierbeauftragter für Berlin[11] und Leiter des Atelierbüros im BBK-Kulturwerk. In dieser Funktion rief er in Kooperation mit dem Raumlabor Berlin im Frühjahr 2016 die Atelierneubauinitiative Art City Lab ins Leben, der zufolge gemeinsam mit Künstlergruppen bezahlbarer Arbeitsraum im Neubau entwickelt werden soll. Schmidt hat als Atelierbeauftragter den Masterplan Art Studios 2020 konzipiert, welcher die Schaffung von 2000 neuen Ateliers für bildende Künstler*innen im Berlin vorschlägt.[12]
Schmidt ist Mitinhaber von Urbanitas – Berlin Barcelona. Büro für lokale Entwicklung, Kulturproduktion und Kommunikation. Er lebt mit seiner Frau in Prenzlauer Berg und hat zwei Kinder.[13]
Politik
2006 trat Schmidt den Grünen bei. 2007 war er Initiator und in der Folge Leiter der Arbeitsgemeinschaft Kreative Stadt Berlin von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin. Von 2007 bis 2009 war er Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Planen, Bauen, Wohnen von Bündnis 90/Die Grünen, von 2011 bis 2016 Koordinator und Sprecher der Initiative Stadt Neudenken sowie von 2012 bis 2016 Koordinator des runden Tischs im Berliner Abgeordnetenhaus für die Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik.
Im Jahr 2016 wurde er Bezirksstadtrat für Friedrichshain-Kreuzberg und Leiter der Abteilung für Bauen, Planen und Facilitymanagement.
Begegnungszone Bergmannstraße
Mit der Bemerkung „Ich fände es gut, wenn alle Autos aus der Innenstadt verschwänden, die nicht notwendig sind.“[14] setzte Schmidt einen von ihm bereits vor seiner Amtszeit in Kooperation von Senat und Bezirk vorangetriebenen und geplanten[15] 1,6 Mio. Euro teuren Umbau von Parkplätzen zu Plattformen mit Tischen und Bänken um. Nach Protesten von Anwohnern und Gewerbetreibenden[16][17] wurden die Plattformen im Oktober 2019 wieder zurückgebaut.[18] Im Verlauf des Projekts Begegnungszone wurde im Rahmen eines aufwendigen Beteiligungsverfahren gemeinsam mit Nachbarn das Konzept einer verkehrsberuhigten und autoarmen Bergmannstrasse entwickelt und von einem Einwohnerantrag gestützt.[19] Das Projekt gilt, nach dem Vorbild von Barcelona, als der erste Superblock Berlins.[20] Im Jahr 2020 beschloss das Bezirksamt den Umbau der Bergmannstraße zu einer Fussgängerzone und die Verkehrsberuhigung des Bergmannkiezes.[21]
In einem Interview der Zeitschrift Die Zeit äußerte er sich über seine Verkehrsplanung: „Das wirklich Wirksamste ist es, das individuelle Autofahren unbequem zu machen.“ Er sei mit einem gemieteten Auto zufällig „von zu Hause ins Büro gefahren. Plötzlich war ich doppelt so schnell im Büro wie sonst mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das kann ja wohl nicht wahr sein.“[22]
Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik
Schmidt ist bundesweit durch die Anwendung des kommunalen Vorkaufsrecht bekannt geworden. 2017 wurde er zur Talkshow Hart aber Fair eingeladen.[23]Aufsehen erregte der Konflikt mit dem Immobilienentwickler Christoph Gröner, mit dem Schmidt 2018 in der Talkshow Maischberger diskutierte und dessen Gegenüber er in der WDR-Fernseh-Dokumentation Ungleichland war.[24][25][26] Schmidt wurde als Robin Hood bezeichnet und als Investorenschreck.[27][28] Zahlreiche überregionale Zeitungen in Deutschland und im Ausland haben über Schmidts Politik berichtet.[29][30][31][32][33][34][35] Ziel von Schmidts Wohnungspolitik ist es einer gemeinwohlorientierten Immobilienwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Um dies zu erreichen sucht er als Politiker den Schulterschluss mit Mieter*innen und Initiativen, mit denen er zahlreiche Kooperationen umgesetzt hat.[36][37][38] Erklärtes Ziel seiner Politik ist es den gemeinwohlorientierten Anteil von Wohnungen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und in Berlin von 25% auf 50% zu erhöhen.[39][40][41]Zu seinen Vorbildern gehören die spanische Antizwangsräumungsbewegung und Nachbarschafts-Netzwerke, die in Barcelona „sehr stark gefördert werden“.[40]
Diese eG
Als Schutz von Mietern vor Verdrängung übte Schmidt mehrfach zugunsten einer extra zu diesem Zweck gegründeten Genossenschaft „Diese eG“ das Vorkaufsrecht aus. Die Diese eG plante dabei Fördermittel des Landes Berlin ein, deren Bewilligung noch nicht erfolgt war. Dies wurde von SPD, CDU, FDP und AfD im Abgeordnetenhaus von Berlin scharf kritisiert.[42][43] Trotz eines Senatsbeschlusses zur Einführung eines neuen Zuschussprogramms für Genossenschaften, wurden der Diese eG die Förderung verweigert. Erst später als geplant wurde die Finanzierung von sechs Häusern durch den Berliner Senat ermöglicht. Durch die Verzögerung geriet die Diese eG in Zahlungsschwierigkeiten. Ob es Zusagen des Senats gab ist Gegenstand von Debatten, die sich auch im Jahresbericht des Berliner Rechnungshofs widerspiegeln.[44] Schmidt von der bezirklichen SPD-Fraktion vorgeworfen, Akten zu dem gescheiterten Kauf der Rigaer Straße 101 nur unvollständig weitergegeben zu haben.[45] Die Bezirksaufsicht der Senatsinnenverwaltung gab im Januar 2020 Ermittlungen gegen Schmidt bekannt, die bisher zu keiner öffentlichen Bestätigung der Vorwürfe geführt haben.[46]
Rigaer 94
Im September 2020 warfen Medien Schmidt vor, als zuständiger Baustadtrat ein bauaufsichtliches Einschreiten seiner Behörde gegen das Hausbesetzungsprojekt Rigaer Straße 94 verhindert zu haben. Wo Hausbesetzer bauliche Veränderungen wie den Einbau schwerer Türen vorgenommen hatten, die darauf gerichtet waren, den Zugang der Polizei zu erschweren. Dadurch seien baurechtlich vorgeschriebenen Rettungswege beeinträchtigt worden und Mitarbeiter des Bauamtes wollten im Juli 2017 ein „brandschutztechnisches Verfahren“ einleiten. Schmidt soll daraufhin mehrmals – 2017, 2018 und 2019 – die ausdrückliche Weisung erteilt haben, „bis auf Weiteres nicht von Amts wegen gegen bauliche Missstände“ vorzugehen. Dies habe er unter anderem damit begründet, dass aus der Mieterschaft „keine Mängelanzeigen“ vorlägen, so könne von einer Gefahr für Leib und Leben nicht die Rede sein.[47] In einer Pressemitteilung begründete Schmidt seine Anweisungen mit der Möglichkeit eine Ermessensentscheidung zu treffen sowie der Verantwortung des Eigentümers sich zu legitimieren und sich Zugang zum Haus zu verschaffen um Mängel zu beseitigen. Schmidt warf dem Eigentümer vor seine Identität zu verschleiern und den Brandschutz zu instrumentalisieren.[48]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Martin Kröger: Die Verlierer sind die Mieter (neues deutschland). Abgerufen am 29. Januar 2020.
- ↑ Florian Schmidt. In: Die Tageszeitung: taz. ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 29. Januar 2020]).
- ↑ Die Akte Florian Schmidt. Abgerufen am 27. Januar 2020.
- ↑ Jan Heidtmann: In Kreuzberg laufen die Sachen anders. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 29. Januar 2020.
- ↑ Uwe Rada: Baustadtrat in Berlin unter Druck: Aktivismus oder Amt? In: Die Tageszeitung: taz. 22. Januar 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 29. Januar 2020]).
- ↑ Verena Mayer: „Maischberger“ Notfalls enteignen? – Baulöwe und Berliner Grüner streiten über Mieten. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 21. Januar 2020.
- ↑ Michael Kruse: „Ich will private Investoren aus dem Markt raus haben“, sagt der Baustadtrat. In: welt.de. Abgerufen am 21. Januar 2020.
- ↑ Ralf Lautenschläger: "Kunsthalle blüht wieder auf". In: taz. 20. April 2009, abgerufen am 3. Mai 2019.
- ↑ Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg/Projektbüro Kreativquartier Südliche Friedrichstadt: Standortentwicklungskonzept. Abgerufen am 2. Mai 2019.
- ↑ Bauhütte Südliche Friedrichstadt: Über uns. Abgerufen am 2. Mai 2019.
- ↑ Gabriela Walde: Berlins Atelierbeauftragter will neue Räume für Künstler. In: Berliner Morgenpost. 7. Februar 2015, abgerufen am 2. Mai 2019.
- ↑ Masterplan ART STUDIOS 2020 – kulturwerk. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Twitter-Debatte über Florian Schmidt. In: taz.de. Abgerufen am 21. Januar 2020.
- ↑ Gunnar Schupelius: „Ich fände es gut, wenn alle Autos aus der Innenstadt verschwinden“. In: B.Z. 29. April 2019, abgerufen am 3. Mai 2019.
- ↑ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: Begegnungszone Bergmannstraße in Kreuzberg – Bisheriger Planungs- und Beteiligungsprozess. In: Berlin.de. Abgerufen am 4. Mai 2019.
- ↑ Thomas Schmoll: „Dann kommt dieser Baustadtrat und macht alles kaputt“. In: Die Welt. 30. April 2019, abgerufen am 30. April 2019.
- ↑ Sebastian Leber: Kleines Wunder in der Bergmannstraße. In: Tagesspiegel. 22. April 2019, abgerufen am 4. Mai 2019.
- ↑ Abbau der Parklets in der Bergmannstraße. 19. September 2019 .
- ↑ [1]
- ↑ [2]
- ↑ [3]
- ↑ Ansgar Graw: „Das individuelle Autofahren unbequem machen“. In: DIE WELT. 29. Juni 2019 (welt.de [abgerufen am 19. Februar 2020]).
- ↑ Florian Schmidt zu Gast bei "hart aber fair". 29. Mai 2018, abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Maischberger 12.09.18 – Die Mietenexplosion: Wird Wohnen unbezahlbar? In: Youtube. Abgerufen am 30. Januar 2020 (deutsch).
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Wer ist hier der Boss? Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ programm ARD de-ARD Play-Out-Center Potsdam, Potsdam Germany: UNGLEICHLAND - Macht (3/3). Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Verena Mayer: Berlin: Dieser Mann ist der Robin Hood der Mieter. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Philip Kuhn: Berlin: Baustadtrat Florian Schmidt ist der Schreck der Investoren. In: DIE WELT. 22. November 2018 (welt.de [abgerufen am 10. Oktober 2020]).
- ↑ Julia Löhr, Berlin: Baustadtrat Florian Schmidt: Der Feind der Immobilieninvestoren. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 10. Oktober 2020]).
- ↑ Marina Estévez Torreblanca: "Ningún sistema es perfecto, pero regular los precios del alquiler funciona para quien lo necesita". 23. November 2019, abgerufen am 10. Oktober 2020 (spanisch).
- ↑ ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Aldo Mas: Florian Schmidt, el político ecologista que quiere pinchar la burbuja inmobiliaria en Berlín inspirado en la PAH. 8. September 2019, abgerufen am 10. Oktober 2020 (spanisch).
- ↑ Florian Schmidt y Lucy Joffe: "Estamos repitiendo los errores de antes de la burbuja inmobiliaria". 27. Dezember 2019, abgerufen am 10. Oktober 2020 (europäisches Spanisch).
- ↑ Berlín planea un referéndum para expropiar a las grandes inmobiliarias: ¿sería legal? 27. Februar 2019, abgerufen am 10. Oktober 2020 (spanisch).
- ↑ Berlin, Part III: Berlin’s real-estate Robin Hood. Abgerufen am 10. Oktober 2020 (englisch).
- ↑ BAUWELT - Meine Hoffnung ist, gemeinsam zu gestalten. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Stachel: Xhain und Berlin bekommen bald eine Stadtbodenstiftung. In: Grüne Xhain. 28. April 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020 (deutsch).
- ↑ Baustelle Gemeinwohl – Neue Kooperationen für leistbare Räume im Bezirk. 13. Januar 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Milieuschutz in Berlin: Engel & Völkers lud zur Podiumsdiskussion mit Baustadtrat Florian Schmidt. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ a b Stephan Wehler: „Wie kaufen wir Friedrichshain-Kreuzberg zurück?“ 17. Januar 2017, abgerufen am 24. November 2018.
- ↑ Vorkaufsrecht in der Holteistraße 19/19a ausgeübt. 26. Juli 2019, abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Melanie Reinsch: Zuschüsse: Hat Baustadtrat Florian Schmidt eine Mietergenossenschaft begünstigt? In: Berliner Zeitung online. 9. August 2019, abgerufen am 15. September 2019.
- ↑ Erik Peter: Diese-Genossenschaft und Vorkaufsrecht – Kommunisten auf Shoppingtour. In: taz online. 12. August 2019, abgerufen am 15. September 2019.
- ↑ Berliner Zeitung: Rechnungshof rügt Florian Schmidt. Abgerufen am 10. Oktober 2020 (deutsch).
- ↑ Jan Heidtmann: In Kreuzberg laufen die Sachen anders. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
- ↑ Bezirksaufsicht ermittelt gegen Baustadtrat Schmidt. Abgerufen am 6. März 2020.
- ↑ Rigaer94: Baustadtrat soll Durchsetzung des Brandschutzes verhindert haben. Artikel vom 29. September 2020 im Portal berliner-zeitung.de, abgerufen am 29. September 2020
- ↑ Bezirksamt handelt in der Rigaer Straße rechtskonform und trifft Einzelfallentscheidungen im Rahmen des behördlichen Ermessens. 1. Oktober 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020.
Personendaten | |
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NAME | Schmidt, Florian |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Stadtentwickler, Politiker (Bündnis-90/Die-Grünen) und Berliner Bezirksstadtrat |
GEBURTSDATUM | 1975 |
GEBURTSORT | Köln |