Zum Inhalt springen

Kroatienkrieg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. August 2006 um 01:24 Uhr durch Fossa (Diskussion | Beiträge) (Vorgeschichte: "vollkommen": POV). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Krieg in Kroatien, kurz Kroatien-Krieg, oft auch kroatischer Unabhängigkeitskrieg genannt, wird in Kroatien als „Domovinski rat“ (deutsch Heimatkrieg, Velikosrpska Agresija (deutsch Großserbische Aggression) oder seltener auch patriotischer Krieg bezeichnet.

Vorgeschichte

Seit Milošević' Ansprache in Kosovo Polje destabilisierten Nationalismus und die daraus resultierenden Unabhängigkeitsbestrebungen im verstärktem Mass die Teilrepubliken Jugoslawiens. Die serbische Minderheit in Kroatien wurde durch nationalistische Parolen im Wahlkampf (1990) seitens der HDZ verängstigt und nach deren Wahlsieg auch zunehmend ausgegrenzt. So hatte die in der Krajina ansässige serbische nationale Minderheit nach der überarbeiteten Verfassung nicht mehr die Stellung des zweiten Staatsvolks, sondern die einer Minderheit inne - was dem tatsächlichen serbischen Bevölkerungsanteil in Kroatien entsprach.

Die Führung Serbiens unterstützte militante Krajina-Serben massiv mit Waffenlieferungen. Um diese zu beruhigen, erkannte die Zagreber Führung deren kulturelle Autonomie und Minderheitsrechte an[1]>, was aber in der angespannten Situation nur wenig Beachtung fand. In der Bevölkerung kam es weiterhin Übergriffen zwischen Angehörigen der beiden Ethnien.

Der Annahme einer neuen Verfassung (Dezember 1990) folgte ein kriegerischer Widerstand von Serben und eine ebenfalls blutige Sezession von Kroatien nach der Unabhängigkeitserklärung (siehe unten), woraus der Krieg hervorging, der dadurch mitverursacht wurde, dass Belgrad die Situation nutzen wollte, um den Versuch zu wagen, die Idee der Vereinigung aller Serben in einem Staat zu verwirklichen.

Die neu gegründete Republik Kroatien hatte anfangs als bewaffnete Ordnungsmacht lediglich leicht bewaffnete Polizei- Einheiten.

Die Waffen der lokalen Territorialverteidigung konfiszierte die JNA bereits im Jahr zuvor. Am 9. April 1991 verfügte der kroatische Präsident Tuđman die Sonderpolizeieinheiten zukünftig als “Zbor Narodne Garde” ("Volksgarde") zu bezeichnen. Dies war faktisch der erste Schritt zur Schaffung der kroatischen Armee.

Serbisch-besetzte Gebiete Kroatiens von 1991-1995
Datei:Croatia corps boundaries Jan 95.jpg
Territoriale Kräfteverteilung in Kroatien und Bosnien und Herzegowina vor der Militäroperation Oluja. Januar 1995.

Am 19. Mai 1991 fand in Kroatien ein Referendum über die Unabhängigkeit von Jugoslawien statt. Lokale Serbenführer wie beispielsweise Jovan Rašković, Milan Babić und Milan Martić der Serbischen Demokratischen Partei und der Serbisch Radikalen Partei riefen jedoch in einigen Teilen Kroatiens zum Boykott des Referendums auf.

Als Ergebnis dieses Referendums sprachen sich 94,7 Prozent der Wähler für die staatliche Unabhängigkeit Kroatiens aus. Infolgedessen erklärte die kroatische Regierung am 21. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien. Die Europäische Kommission bat jedoch die kroatische Regierung, die Unabhängigkeitserklärung für drei Monate auszusetzen.

Einen Monat nach der kroatischen Unabhängigkeitserklärung kontrollierten serbische Freischärler - vor allem aufgrund der waffentechnischen Überlegenheit - etwa ein Drittel des kroatischen Staatsgebietes.

Deren militärische Strategie beinhaltete größtenteils einen intensiven Panzer, Artillerie- und Mörserbeschuss. Die Städte Dubrovnik, Šibenik, Zadar, Karlovac, Sisak, Slavonski Brod, Osijek, Vinkovci und Vukovar wurden von serbischen Streitkräften und Paramilitärs massiv angegriffen.

Waffenembargo

Datei:Kroatischer Unabhängigkeitskrieg, Museum Karlovac.JPG
Museum des Kroatischen Unabhängigkeitskrieges Turanj, nahe Karlovac

Die internationale Staatengemeinschaft verhängte über das gesamte ehemalige Jugoslawien ein Waffenembargo. Die waffentechnisch weit unterlegene Kroatische Armee konnte sich lediglich durch erbeutete Waffen aus Beständen der JNA und durch Waffenschmuggel aus Drittstaaten Waffen beschaffen.

Kriegsverlauf

Datei:Museum Karlovac, umgebauter Traktor.JPG
Museum des Kroatischen Unabhängigkeitskrieges Turanj, nahe Karlovac, umgebauter Traktor, Selbsthilfe aufgrund des UN Waffenembargos

Ausbruch des Krieges

Ende 1991 wurde Dubrovnik massiv beschossen und belagert. Am 7. Oktober 1991 feuerte ein Kampfflugzeug der JNA eine Luft-Boden Rakete in das Zagreber Regierungsgebäude, in dem sich Präsident Tuđman und weitere Regierungsmitglieder befanden. Nur durch einen Zufall wurde bei diesem Anschlag niemand ernsthaft verletzt. Am folgenden Tag brach das kroatische Parlament (Sabor) sämtliche staatsrechtlichen Verbindungen nach Jugoslawien ab. Daher wird seitdem am 8. Oktober in Kroatien der Unabhängigkeitstag gefeiert.

Erste massive Kampfhandlungen

In der Grenzstadt Vukovar kam es im Herbst 1991 zur Schlacht um Vukovar bei der der größte Teil der Stadt verwüstet und der Großteil der Bevölkerung vertrieben wurde. Die Stadt wurde im November 1991 von serbischen Truppen erobert. Mitte Dezember 1991 erkannten Litauen, Lettland, die Ukraine, Island und der Vatikan die staatliche Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens an. Im Dezember 1991 benannte sich die "Serbische Autonome Region Krajina und Westslawonien" "offiziell" um in Republik Serbische Krajina. Zwischen dem 19. und dem 23. Dezember 1991 folgten weitere Staaten Europas mit der internationalen Anerkennung Kroatiens. Deutschland, Schweden und Italien erkannten als die ersten Staaten der EU Kroatien und Slowenien völkerrechtlich an. Bis zum 15. Januar 1992 folgten alle weiteren, noch verbliebenen Staaten der EU diesem Schritt.

Schlichtungsversuche

Im Januar 1992 kamen durch UN-Vermittlungen zahlreiche Waffenstillstände zustande und wurden fast genauso häufig gebrochen. Kroatien verlor die Kontrolle über nahezu ein Drittel seines Staatsgebietes. Gleichzeitig gewann Kroatien jedoch Zeit, um seine Armee aufzubauen.

Datei:Kroatischer zum Transporter umgebauter LKW.JPG
Museum des Kroatischen Unabhängigkeitskrieges Turanj, nahe Karlovac, Kroatischer zum Transporter umgebauter LKW.

Nach einem Waffenstillstandsabkommen im Mai 1992 verlegte die JNA einen Großteil ihrer Truppen und Kriegsgeräte nach Bosnien-Herzegovina, wo der Bosnienkrieg zu jener Zeit begann.

Am 22. Mai 1992 wurde Kroatien Mitglied der Vereinten Nationen. Der Bewaffnete Konflikt in Kroatien wurde in den folgenden Jahren mit geringerer Intensität fortgeführt.

Erste Befreiungsaktionen der Kroatischen Armee

Zum Schutz kroatischer Städte vor Artillerie- und Mörserangriffen durch serbische Freischärler wurden mehrere Militäroperationen durchgeführt:

  • Operation Otkos 10, vom 31. Oktober – 4. November 1991 - 300 km² in Region Bilogora (westlich der Region Slawonien und nördlich der Region Moslavina)
  • Im Hinterland von Dubrovnik:
Operation Tigar, 1. - 13. Juli 1992
im Gebiet Konavle, vom 20. - 24. September 1992
bei Vlaštica, 22. - 25. September 1992

Die meisten dieser Militäroperationen verliefen für Kroatien erfolgreich. Die nicht erfolgreiche Operation Medak im Jahr 1993 schadete jedoch dem Ruf Kroatiens. Im folgenden Jahr unternahm die kroatische Armee keine weiteren Operationen. Das ICTY erhob wegen Kriegsverbrechen während dieser Militäroperation Anklage gegen die Kroatischen Generäle Janko Bobetko, Rahim Ademi und Mirko Norac.

Stagnation der Kampfhandlungen

UN-Resolutionen forderten Kroatien dazu auf, ihre Truppen auf die Stellungen vor der Militäroperation zurückzuziehen. Im Oktober 1993 erkannte der UNO-Sicherheitsrat die unter UNO-Aufsicht befindlichen serbisch besetzten Gebiete als “Bestandteile“ Kroatiens an. Die UNPROFOR-Truppen sorgten im Zeitraum 1992-1995 einerseits für Frieden, andererseits konnten die vertriebenen Kroaten nicht in ihre Heimatorte zurückkehren.

Zwischen 1992 und 1993 befanden sich nahezu 225.000 Kroaten (einschließlich Vertriebener aus Bosnien-Herzegovina) und Vertriebener aus der Vojvodina in Kroatien. Eine hohe Zahl bosniakischer Flüchtlinge befand sich zu jener Zeit ebenfalls in Kroatien.

Kroatische und Bosniakische Freiwillige aus Bosnien-Herzegowina schlossen sich der kroatischen Armee an. Gleichzeitig kämpften zahlreiche Freiwillige aus Kroatien auf der kroatischen und bosniakischen Seite in Bosnien-Herzegowina.

Einige der engsten Regierungsmitglieder in der Regierung von Präsident Tuđman, wie z.B. Gojko Šušak und Ivić Pašalić stammen aus der Herzegovina und unterstützen die Kroaten in Bosnien-Herzegovina finanziell und materiell.

Der Krieg bricht auch in Bosnien-Herzegowina aus

Im Jahr 1993 brachen in einigen Regionen Bosnien-Herzegowinas Kämpfe zwischen Kroaten und Bosniaken aus. Franjo Tuđman nahm an den Friedensverhandlungen zwischen den Kroaten und den Bosniaken teil, als im Jahr 1994 das Abkommen von Washington unterzeichnet wurde.

Damit reduzierte sich die Zahl der kriegführenden Parteien im Bosnienkrieg wieder auf zwei.

Ende des Jahres 1994 intervenierte die kroatische Armee mehrmals in Bosnien: Vom 1.- 3. November bei der Operation "Cincar" nahe Kupres und vom 29. November – 24. Dezember bei der Operation "Winter 94" auf dem Dinara Gebirge und bei Livno. Diese Operationen wurden zur Entlastung der damaligen Enklave und UN-Schutzzone Bihać unternommen.

Abschließende kroatische Militäraktionen

Im Mai 1995 konnte die kroatische Armee bei der Militäroperation Blitz einen Teil des zentralkroatischen Gebietes unter ihre Kontrolle zurückbringen. Im August des selben Jahres führten die kroatische Polizei und Armee die Militäroperation Oluja durch und beendeten innerhalb weniger Tage die militärische Besetzung eines großen Teils seines Staatsgebietes.

Schätzungsweise 150.000 – 200.000 Serben flohen nun vor den kroatischen Truppen, darunter auch die 35.000 – 45.000 Soldaten der militärisch besiegten Armee der Republik Serbische Krajina.

In den folgenden Wochen setzte die Kroatische Armee ihre militärische Offensive gemeinsam mit bosnischen Regierungstruppen mit der Militäroperation Maestral gegen die serbischen Truppen unter dem Kommando von Ratko Mladić in Bosnien-Herzegowina fort. Vor der Einnahme der Stadt Banja Luka wurde die Offensive auf Druck der US-Regierung gestoppt, da eine weitere große serbische Flüchtlingswelle befürchtet wurde.

Als Folge dieser militärischen Offensive wurde das Abkommen von Dayton unterzeichnet.

Seither wird alljährlich am 5. August in Kroatien am Tag der heimatlichen Dankbarkeit (Dan domovinske zahvalnosti) der Beendigung und der Opfer des Krieges gedacht.

Siehe auch: Geschichte Kroatiens seit 1990

  1. [1]