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Walther Rathenau

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Walther Rathenau (* 29. September 1867, Berlin; † 24. Juni 1922, in Berlin ermordet) war ein deutscher Industrieller, Politiker (Deutsche Demokratische Partei) und Autor, Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau.

Datei:Rathenau.jpg
Walther Rathenau

Als prägnante Persönlichkeit jüdischer Herkunft, erfolgreicher Unternehmer, Politiker und Autor geriet er schnell in den Fokus der antisemitischen Rechten in der Weimarer Republik. Als Außenpolitiker wollte er das Deutsche Reich nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wieder zu einem Faktor der europäischen und internationalen Politik machen. Er gilt als Weichensteller einer deutsch-russischen Aussöhnungspolitik, die mit seiner Ermordung für viele Jahrzehnte ein jähes Ende fand.

Trotz seines Wunsches nach wirtschaftlicher und politischer Annäherung stand Rathenau der Sowjetunion kritisch gegenüber. In seiner Kritik der dreifachen Revolution notierte er:

»Russlands Methoden können wir nicht brauchen, denn sie beweisen lediglich und bestenfalls, dass die Wirtschaft eines Agrarlandes sich bis auf den Boden einebnen lässt; Russlands Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Sie sind, wie es im Wesen der russischen städtischen Intelligenz liegt, unphilosophisch und höchst dialektisch; sie sind leidenschaftliche Logik aufgrund ungeprüfter Voraussetzungen. Sie setzen voraus, dass ein einziges Gut, die Vernichtung der kapitalistischen Klasse, alle anderen Güter aufwiegt, dass notfalls Armut, Hungersnot, Diktatur, Schreckensherrschaft, Untergang der Zivilisation in Kauf genommen werden müssen, um dieses Gut zu sichern. Wenn zehn Millionen sterben müssen, um zehn Millionen von der Bourgeoisie zu befreien, so betrachtet man das als harte, aber notwendige Konsequenz. Der russische Gedanke ist Zwangsbeglückung, im gleichen Sinne und mit gleicher Logik wie die gewaltsame Einführung des Christentums und die Inquisition.« (S. 345 f.)

Leben

Als Sohn von Emil Rathenau, dem Gründer der AEG, und promovierter Physiker übernahm Walther Rathenau 1892 die Leitung der Elektrochemischen Werke Bitterfeld. 1899 trat er in den Vorstand der AEG ein. Von 1902 bis 1907 war Rathenau Geschäftsinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Rathenau 1914 am Aufbau der deutschen Kriegsrohstoffversorgung im Kriegsministerium beteiligt, nachdem er beim preußischen Kriegsministerium die Schaffung der Kriegsrohstoffabteilung initiiert hatte, die er bis 1915 leitete. In diesem Jahr wurde er Präsident bzw. Aufsichtsratvorsitzender der AEG.

In seinem Buch „Vom Aktienwesen” formulierte Rathenau die Idee vom „Unternehmen an sich”, welche später das deutsche Aktienrecht bzw. die deutsche Corporate Governance prägen sollte.

Nach dem Krieg nahm er als Sachverständiger für wirtschaftspolitische Fragen 1919 für Deutschland an den Verhandlungen zum Versailler Vertrag teil, ebenfalls 1920 an der Konferenz von Spa und 1921 an den Konferenzen von London.

Walther Rathenau war einer der Mitgründer der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. 1920 wurde er Mitglied der Sozialisierungskommission und nahm an der Konferenz in Spa teil.

Ein Jahr später verhandelte er als Minister für den Wiederaufbau mit Frankreich über die deutschen Reparationen, für die er im Januar 1922 auf der Konferenz von Cannes einen Teilaufschub erwirkte.

Am 1. Februar 1922 wurde Rathenau zum Reichsaußenminister ernannt. Als deutscher Vertreter schloss er am Rande der Reparationskonferenz von Genua unter dem Einfluss Maltzans widerstrebend mit der Sowjetunion den Vertrag von Rapallo zur gegenseitigen Anerkennung und Zusammenarbeit und zum Verzicht auf Reparationen ab, wogegen die westlichen Alliierten heftig protestieren.

Gedenkstein für Walter Rathenau in der Koenigsallee

Walther Rathenau wurde am 24. Juni 1922 von den Offizieren Ernst Werner Techow (Fahrer), Erwin Kern und Hermann Fischer, die der rechtsradikalen „Organisation Consul” (OC) angehörten, aus einem fahrenden Auto heraus mit einer Maschinenpistole und einer Handgranate ermordet. Zwei der Mörder kamen am 17. Juli 1922 in den Ruinen der Burg Saaleck ums Leben, der bewaffnete Kern wurde bei der Festnahme von der Polizei in Notwehr erschossen, Fischer beging Selbstmord. Im Verlaufe der Ermittlungen ergaben sich zwar ernsthafte Hinweise auf die Organisation Consul, jedoch gingen weder der Reichsanwalt noch der Richter ernsthaft auf diese Hinweise ein. An die Ermordung Rathenaus, der von dem Schriftsteller Gustav Frenssen als der „vornehmste Kopf Europas” bezeichnet worden war, erinnert ein Gedenkstein in der Koenigsallee in Berlin-Grunewald.

Die Inschrift auf der Bronzeplatte lautet:
Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands
Dem Andenken an
WALTHER RATHENAU
Reichsaußenminister der deutschen Republik
Er fiel an dieser Stelle durch Mörderhand
am 24. Juni 1922
Die Gesundheit eines Volkes
kommt nur aus seinem inneren Leben
Aus dem Leben seiner Seele und seines Geistes
Oktober 1946

Der wenige Hundert Meter entfernt liegende große Platz und Verkehrsknotenpunkt zwischen Koenigsallee, Hubertusallee, Kurfürstendamm und Halenseestraße heißt ihm zu Ehren Rathenau-Platz. Am 29. September 1990 wurde ein nach Walther Rathenau benannter U-Bahnhof in Nürnberg eröffnet.

Rathenaus Tod löste überall große Empörung aus, da ein Mord an einem Politiker zur damaligen Zeit vom Standpunkt des Ehrgefühls als ungeheuer empfunden wurde. Trotzdem kam damals in Teilen der deutschen Bevölkerung (extreme Antisemiten) der makabere Spruch auf: "Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau".

Von einer Freundschaft zwischen Walther Rathenau und Alfred Kerr erzählt der 2003 erschienene Ullsteinroman (Seite 213–216) von Sten Nadolny. Auch mit dem in seiner Zeit zweitwichtigsten Publizisten Maximilian Harden stand Rathenau in engem (Brief-)Kontakt.

Besonderheiten

Als assimilierter deutscher Jude fühlte sich Rathenau zeitlebens den Ostjuden überlegen und äußerte deutlich seine Abscheu vor einer Infiltrierung durch „asiatische Horden”. Die folgende Textpassage ist bezeichnend:

Seltsame Vision! Inmitten deutschen Lebens ein abgesondert fremdartiger Menschenstamm, glänzend und auffällig staffiert, von heißblütig beweglichem Gebaren. Auf märkischem Sand eine asiatische Horde.

Quelle: Walther Rathenau, Höre Israel!, 1897, hier zitiert nach der Fassung der „Impressionen” (2.Aufl., Leipzig 1902)

Des Weiteren ist ein Ausspruch Walter Rathenaus aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg überliefert, der von deutschnationalen Extremisten immer wieder aus dem Zusammenhang gerissen und gegen ihn verwendet wurde: „Es gibt ein Komitee von 300 Leuten, die die Welt regieren, und deren Identität nur ihresgleichen bekannt ist.

Werke

  • Reflexionen, 1908
  • Zur Kritik der Zeit, 1912
  • Zur Mechanik des Geistes, 1913
  • Vom Aktienwesen. Eine geschäftliche Betrachtung, 1917
  • Von kommenden Dingen, 1917
  • An Deutschlands Jugend, 1918
  • Die neue Gesellschaft, 1919
  • Der neue Staat, 1919
  • Der Kaiser, 1919
  • Kritik der dreifachen Revolution, 1919
  • Gesammelte Reden, 1924
  • Briefe, 2 Bände, 1926
  • Neue Briefe, 1927
  • Politische Briefe, 1929 (Digitalisat)

Werkausgaben:

  • Gesammelte Schriften in 6 Bänden
  • Gesamtausgabe seiner Werke ab 1977, hrsg. durch D. Hellige und E. Schulin
  • Schriften und Reden, Auswahl und Nachwort von Hans Werner Richter, S. Fischer Verlag, 1964, Frankfurt Main, ISBN 3-10-062904-3 (Politische Schriften, Reden, Philosophie, Aphorismen, Talmudische Geschichten)

Literatur

 (Verlag Ferdinand Schöningh)


VorgängerAmtNachfolger
Joseph WirthDeutscher Außenminister
1922
Joseph Wirth