Guhyasamaja
Guhyasamâja ist die Hauptgottheit des nach ihm benannten buddhistischen tantras. Es ist eins der ältesten dieser Gattung mystischer Schriften. Die Zielsetzung der tantras des späteren Buddhismus (mantrayâna, vajrayâna) ist identisch mit jener der Lehrreden (sûtra): die Befreiung aus dieser Welt, dem samsâra – jedoch sind die dazu verwandten Mittel vermehrt: eingesetzt werden nicht nur ethisches Verhalten, Weisheit und Meditation, sondern auch Rituale, sâdhanas (bildliche Meditationen), mantras (d.i. das Rezitieren von Wörtern bzw. kurzen Zusammenstellungen von Wörtern), mandalas, Initiationen, selbst magische Rituale und Sexualität.
Die Einteilung der tantras
Nach dem Tibeter Bu-ston (1290-1364) werden die tantras in vier Klassen eingeteilt: kriyâ, caryâ, yoga und anuttarayoga. Zum kriyâtantra rechnen jene Schriften, die von äußeren, öffentlichen wie gesellschaftlichen Praktiken handeln, dazu gehören z.B. Zauber, magische Mittel, Zeremonien für Statuen und Schreine; zum caryâtantra rechnen jene, die ein Gleichgewicht zwischen äußeren und inneren Praktiken behandeln, dazu gehören Anweisungen ethischer wie moralischer Natur und Wissensvermittlung; zum yogatantra rechnen Schriften wie das Tattvasamgraha, die sich der yogischen Praxis, den Mitteln (Sanskrit: upâya), der transzendenten Weisheit (Sanskrit: prajnâ), sowie der Vereinung des Individuums mit der letzten Wirklichkeit widmen; dies wird von den anuttarayogatantras fortgeführt. Sie scheiden sich in männliche [upâya, dâka, pitr, Vater] tantras wie das Guhyasamâja und weibliche [prajnâ, yoginî, dâkinî, matr, Mutter] wie das Hevajra. Kriterium ist die Vorliebe der ersten für männliche Gottheiten in den Riten und mandalas, der zweiten für weibliche.
Guhyasamâja-tantra
Überlieferung
Es ist relativ leicht, die Kommentare zu diesem tantra zu datieren, schwerer jedoch den Text selbst zeitlich einzuordnen. Der im tibetischen Kanjur überlieferte Korpus von Sekundärschriften datiert vom achten bis ins zwölfte Jahrhundert u.Z. So mag es angehen, das Mahâvairocana-tantra ins spätere sechste Jahrhundert zu datieren, das Tattvasamgraha in das folgende, und das Guhyasamâja-tantra in das späte siebente oder achte (Wayman: Buddhist Tantras, p. 15; Gäng, p. 101). Die ersten 17 Kapitel, das mûla-tantra (Wurzel-tantra), liegen in Sanskrit vor, das 18. Kapitel als tibetische Übertragung und nur bruchstückhaft in Sanskrit.
Text
Der Titel könnte übersetzt werden mit "tantra der geheimen Vereinung", wobei sich das letzte Wort sowohl auf die mystische Erfahrung wie auf die sexuelle Vereinigung beziehen kann.
Der Text beschreibt anfangs das mandala der Gottheit, es folgen Meditationsanweisungen, das verborgene mandala von Körper, Rede und Geist, Diskurse über Buddhanatur, Leere (Sanskrit: shûnyatâ), das Verwandeln seelischer Gifte wie Gier und Haß.
Einige Stellen sind – wie in solchen Schriften üblich – in „intentionaler Sprache“ (Sanskrit: sandhyâ-bhâshâ) verfaßt; dies schließt ein, daß Textpassagen mehrere Bedeutungsebenen besitzen können.
Kommentare
Sekundäre, auslegende tantras wie zum Beispiel im tibetischen Kanjur (Tohoku Katalog Nrr. 444-447).
Candrakîrti: Pradîpoddyontana-tîkâ, der im neunten Jahrhundert u.Z. entstand und eine systematische Ausdeutung bietet.
Literatur
Alex Wayman: Yoga of the Guhyasamâjatantra. The Arcane Lore of Forty Verses. A Buddhist Tantra Commentary. Delhi: Motilal Banarsidass, 1999. ISBN 81-208-0872-x
Alex Wayman: The Buddhist Tantras. Light on Indo-Tibetan Esotericism. Delhi: Motilal Banarsidass, 1993. ISBN 81-208-0699-9
Peter Gäng: Das Tantra der Verborgenen Vereinigung. Guhyasamâja-Tantra. München: Diederichs, 1988. ISBN 3-424-00946-6