Erdbeschleunigung
Die Schwerebeschleunigung, Erdbeschleunigung oder Fallbeschleunigung gibt an, welcher Beschleunigung Körper beim freien Fall im Gravitationsfeld der Erde unterliegen. An der Erdoberfläche beträgt ihr Mittelwert g = 9,81 m/s2, variiert aber wegen Zentrifugalkraft, Erdabplattung und Höhenprofil regional um einige Promille. Die Norm-Fallbeschleunigung ist definiert als 9,80665 m/s2. (meist gerundet auf 9,81 m/s2), mit Extrema von 9,78306 und 9,83208, die Gravitationsanaomalien natürlichen Ursprungs betragen auf der Erde maximal 0,5%. Bei Untersuchungen in der Geophysik ergeben sich meist relevante Differenzen im Bereich eines Hunderttausendstels bis Einmillionstels, die von einem Gravimeter erfasst werden müssen. Eine Höhendifferenz von einem Meter führt zu einer Änderung der Erdbeschleunigung um etwa 3 Millionstel m/s2. Allgemein hängt die Schwerebeschleunigung von der Masse des Himmelskörpers ab.
Die Formel v(t) = g · t gibt an, welche Fallgeschwindigkeit v ein Gegenstand im Vakuum nach der Fallzeit t erreicht. Sie erhöht sich theoretisch in jeder Sekunde um den Wert g. Außerhalb des Vakuums verringert der Luftwiderstand je nach Körperform die Beschleunigung und führt zu einer maximalen Fallgeschwindigkeit (siehe auch Wurfparabel).
Probleme der Terminologie
Die Bezeichnungen Schwerebeschleunigung, Oberflächen- bzw. Fallbeschleunigung, Erdschwerebeschleunigung und neuerdings auch Ortsfaktor werden meist synonym eingesetzt.
Gegen die im Internet meistverwendete "Erdbeschleunigung" wird eingewendet, dass sie auch die (Winkel-) Beschleunigung bezeichnen kann, der die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne unterliegt. Außerdem ist dieser Ausdruck irreführend, weil die Bahngeschwindigkeit der Erde tatsächlich (beinahe) konstant ist. Auch wenn eine Änderung der Umlaufgeschwindigkeit der Erde nachweisbar ist, so ist sie nicht für das Auftreten der Gravitation verantwortlich.
Missverständlich ist auch Erdanziehung und insbesondere Erdschwere. Unter ersterer versteht man meist eine Kraft (die sog. Schwerkraft), während "Erdschwere" offen lässt, was genau gemeint ist. Generell sollte die Terminologie beachten, ob es sich um eine Kraft (F = m · g) oder um eine Beschleunigung (g) handelt, wobei die Masse m den Unterschied ausmacht.
Herleitung
Die Schwerebeschleunigung bestimmt die Kraft F, mit der ein Körper m von einem Himmelskörper angezogen wird:
Das Gleichsetzen der Trägheitskraft F mit der Newtonschen Gravitationskraft liefert die Erdbeschleunigung g:
Für die Werte der Erde:
und mit der
ergibt sich g =& 9,82 m/s2.
Eine andere Methode beruht auf der Messung der Schwingungsdauer T eines Fadenpendels mit Fadenlänge L:
Das sog. Sekundenpendel hat eine Länge von etwa 1 m, doch ist eine solche Pendeluhr auf die geographische Breite zu kalibrieren.
Einheiten
Die SI-Einheit der Schwerebeschleunigung ist m/s2. Der Millionste Teil davon ist 1 µm/s2, was etwa der durchschnittlichen Messgenauigkeit entspricht.
Im alten CGS-System heißt die Einheit Gal (nach Galileo Galilei oder γ, das in der Gravimetrie und Angewandten Geophysik oft in 1000 Milligal unterteilt wird:
- 1 Gal = 1 γ = 1 cm/s2 = 0,01 m/s2
- 1 mGal = 10-5 m/s2 = 10 µm/s2
Siehe unten. Geophysiker verwenden γ aber meistens als Formelzeichen für die theoretische Schwere unten als gN bezeichnet.
Manchmal dient die Erdbeschleunigung g auch selbst als Einheit. Im Mittel der Erde gilt dann genähert
- 1 g = 9,81 m/s2 = 981 Gal = 981.000 mGal.
Ortsabhängigkeit der Erdbeschleunigung
Da die Erde keine Kugel, sondern annähernd ein Ellipsoid ist und zudem rotiert, hängt die Erdbeschleunigung von der geographischen Breite und zusätzlich von der Höhe über dem Meeresspiegel ab.
Die Norm-Erdbeschleunigung ist definiert als die mittlere Erdbeschleunigung gN mit dem Wert:
- 9,82306 m/s2 auf dem 45. Breitengrad in Meereshöhe.
- 9,745 m/s2 am Äquator.
- 9,832 m/s2 an den Polen.
Pro Meter Höhe (h) nimmt g um rund 3 µm/s2 ab, solange h klein gegen den Erdradius und das Gelände eben ist. Der theoretische Gradient einer völlig glatten Erde wäre 3,086 µm/s2.
Weitere Abweichungen sind auf die Strukturen unterschiedlicher Dichte im Untergrund zurückzuführen. Aus der genauen Vermessung der Erdbeschleunigung kann man deshalb Rückschlüsse auf Strukturen in der Erdkruste sowie deren Veränderungen ziehen.
Eine Formel für die Abhängigkeit vom Breitengrad ist die Schwereformel für das Geodätische Referenzsystem 1980 (GRS 80) in Meereshöhe:
- ,
wobei
die Schwerebeschleunigung am Äquator in Meereshöhe ist.
Internationale Schwereformel
Eine sehr gute (empfohlene) Schwereformel für die Abhängigkeit vom Breitengrad φ ist gegeben durch:
- , mit
c1 = 0,005 279 0414 c2 = 0,000 023 2718 c3 = 0,000 000 1262 c4 = 0,000 000 0007.
Diese Näherung ist auf etwa ±10 nm/s2 genau. Eine oft erwähnte einfachere Formel mit etwa ±10 µm/s2 Genauigkeit ist
- .
Eine Korrektur für die Höhenabhängigkeit lautet:
mit
Diese Korrektur ist für fliegerische Höhen recht genau; für den Weltraum (über ca. 100 Kilometer) divergiert sie jedoch.
Eine einfache Näherungsformel in Abhängigkeit der geographischen Breite und Höhe h lautet:
Deutsches Hauptschwerenetz 1996
In Deutschland ist die ortsabhängige Erdbeschleunigung im Deutschen Hauptschwerenetz 1996 (DHSN96) festgehalten. Es ist neben dem Gauß-Krüger-Koordinatensystem für den Ort und dem deutschen Haupthöhennetz für die Höhe die dritte Größe zur eindeutigen Festlegung eines geodätischen Bezugssystems. Das deutsche Schwerenetz stützt sich auf ca. 16.000 Messpunkte, den Schwerefestpunkten (SFP) [1].
Siehe auch: Normschwereformel
Messgenauigkeit
Ein modernes Gravimeter vermag die Erdbeschleunigung mit einer Genauigkeit von 0,01 µm/s2 0,001 mGal, ca. 10-9 g zu vermessen. Man könnte damit eine Höhenverschiebung von weniger als einem Zentimeter registrieren. Schwankungen des Luftdrucks verursachen Änderungen in der gleichen Größenordnung.
Wenn man aber Schweremessungen zur Rohstoff-Suche oder zur Bestimmung des Geoids verwendet, kann man sich mit 0,1 mGal begnügen. Denn die Unregelmäßigkeiten des Geländes können 30 mGal ausmachen und lassen sich wegen unsicherer Gesteinsdichte kaum genauer als auf 0,5 mGal oder 5 µm/s2 berechnen. Bei Differenzmessungen (etwa zur Bestimmung unterirdischer Hohlräume) ist hingegen die 10-fache Messgenauigkeit sinnvoll.
Der Einfluss der Gezeitenkräfte liegt bei 0,005 µm/s2, am Meer mit großen bewegten Wassermassen bei 0,1 µm/s2. Veränderungen des Grundwasserspiegels können die Messwerte um 0,2 µm/s2 beeinflussen.
Aus der Beobachtung von Satellitenbahnen lassen sich Schwankungen des Erdschwerefeldes in der Größenordnung von 200 µm/s2 erkennen; die modernste Gradiometrie kann auch noch wesentlich kleinere Bahnstörungen erfassen (siehe GRACE und GOCE).
Höhenabhängigkeit der Erdbeschleunigung

In Bodennähe nimmt g um etwa 3,1 µm/s2 pro Meter ab. Für größere Höhen wird die Abnahme von g(r) mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz abgeschätzt (siehe Diagramm).
In niedrigen Satellitenhöhen von 300 bis 400 km nimmt die Erdbeschleunigung um 10 bis 15 % ab, in 5000 km (Lasersatellit LAGEOS) ca. 70 %. In großen Höhen wird sie keinesfalls Null, sonst würden hochfliegende Satelliten geradlinig davonfliegen. Ihre Besonderheit ist der fortgesetzte freie Fall, der ohne Luftwiderstand nie auf die Erdoberfläche aufschlägt, weil er einer Keplerellipse folgt.
Schwerebeschleunigung anderer Himmelskörper
Die Tabelle vergleicht die Schwerebeschleunigung der Erde mit Himmelskörpern unseres Planetensystems in Einheiten von g:
Himmels- körper |
relative Schwere |
Beschleunigung in m/s2 |
---|---|---|
Merkur | 0,39 | 3,83 |
Venus | 0,89 | 8,73 |
Erde | 1,00 | 9,81 |
Mars | 0,39 | 3,83 |
Jupiter | 2,50 | 24,53 |
Saturn | 1,10 | 10,79 |
Uranus | 0,89 | 8,73 |
Neptun | 1,20 | 11,77 |
Pluto | 0,059 | 0,58 |
Sonne | 27,80 | 272,72 |
Mond | 0,16 | 1,57 |
Zum Vergleich: Kurzzeitig überlebt ein Mensch 15 g, einige Minuten lang etwa 6 g, siehe G-Kraft.
Sprachgebrauch

Unter Erdschwerebeschleunigung oder allgemein Schwerebeschleunigung versteht man die Beschleunigung, die ein Gravimeter auf der Oberfläche eines Himmelskörpers misst (Gravimetrie). Die Zentrifugalkraft eines rotierenden Planeten ist in ihr enthalten. Hingegen bezieht sich die Gravitationsbeschleunigung auf die reine Massenanziehung. Im Umgangs-Sprachgebrauch bleiben die Unterschiede oft unberücksichtigt und müssen aus dem Zusammenhang erschlossen werden.
Siehe auch
- Beschleunigung
- Schweregradient
- Schwereanomalie
- Physikalische Konstanten
- Bezugssystem
- Erdgestalt
- Erdmessung
- GRACE, Satelliten zur Bestimmung des Erdschwerefeldes