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Verkehrswelt

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Verkehrswelt bezeichnet die Gesamtheit der Anlagen, Fahrzeuge, Ereignisse, Begegnungen und Handlungen, die das Bewegen im öffentlichen Raum betreffen.

Chaotische Verkehrswelt (Ho Chi Minh Stadt, Vietnam 2019)
Geregelte Verkehrswelt (Houston, US-Bundesstaat Texas 2009)

Phänomen

Unter dem Begriff Verkehrswelt fassen die Verkehrswissenschaften alle Einrichtungen, Transportmittel, Regelungen, Aufgaben, Probleme, die mit den Bewegungen und Begegnungen im öffentlichen Raum zu tun haben. Die Verkehrswelt stellt sich im Wesentlichen als Personen- und Warenverkehr dar. Durch das Informationsbedürfnis der Verkehrenden und für das reibungslose Funktionieren der Verkehrssysteme ist die Verkehrswelt auch mit der Übermittlung von Daten und Nachrichten verbunden. Insofern gehören neben den Verkehrsteilnehmern, den Verkehrsmitteln und den regulierenden Anlagen auch informelle Kommunikationsformen zur Verkehrswelt. So unterstützt etwa die sogenannte Verkehrstelematik, das ‚Intelligent Transportation System’ (ITS), die Koordinierung der verschiedenen Verkehrssysteme des Straßen-, Schienen-, Schiffs- und Luftverkehrs.[1]

Die Verkehrswelt ist ein komplexer, aber klar abgrenzbarer Kosmos, wie er sich in vergleichbaren anderen Lebensbereichen und parallelen Wortbildungen wie Kinderwelt, Spielwelt, Erwachsenenwelt, Filmwelt oder Gelehrtenwelt darstellt. Bei der Verkehrswelt handelt es sich um einen in sich geschlossenen Bereich, in dem Bewegungen von Personen und Gütern stattfinden, in dem Ortswechsel vollzogen werden, in dem entsprechende Regularien und Sanktionsdrohungen gelten, die ein reibungsloses Funktionieren der Abläufe gewährleisten sollen.

Abgrenzungen zu anderen Welten

Verkehrswelt und Privatwelt

Als öffentlicher Lebensbereich lässt sich die Verkehrswelt von der sogenannten ‚häuslichen Welt’ abgrenzen: Der öffentliche Verkehrsraum beginnt dort, wo der private Bereich endet.[2] Die räumlichen Unterschiede, anderen Distanzen und Bewegungsformen sowie die Differenzierung von Öffentlichkeit und Privatsphäre legen es nahe, dass in beiden Lebensräumen unterschiedliche Bedingungen der Begegnung, der Selbstbestimmung und entsprechend angepasste Kommunikations- und Kooperationsformen herrschen.

Verkehrswelt und Kinderwelt

Die moderne Verkehrswelt ist mit ihrer Dynamik, Hektik, mit ihrem erheblichen Gefahrenpotenzial und dem von Erwachsenen geschaffenen Regelwerk keine Kinderwelt mehr.[3] Trotzdem ist es unausweichlich, dass sich Kinder und Jugendliche in der Verkehrswelt selbstständig bewegen können müssen und als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer akzeptiert werden. Dazu müssen Kinder notgedrungen einen Teil ihres Kindseins ablegen, Jugendliche ihren oft noch starken Spieltrieb zügeln lernen.[4] Dabei ist es – didaktisch sinnvoll – ihnen nicht lediglich das fertige Konzept und die bereits festgelegten Regeln des Erwachsenenverkehrs zu präsentieren und zur Aneignung aufzuerlegen, sondern von den Denkweisen und Erfahrungen der Heranwachsenden auszugehen und diese kreativ und verkehrsgerecht in Richtung eines partnerschaftlichen sicheren Verkehrens zu entwickeln: „Verkehrserziehung vom Kinde aus bedeutet, beim Kinde zu beginnen und es mit allem auszustatten, was es zum kindgerechten, selbstaktiven Hineinwachsen in unsere Verkehrswelt benötigt.[5] Das Heranführen der Kinder und Jugendlichen an die gleichberechtigte selbstständige Beteiligung an dem von Erwachsenen erdachten und ausgestalteten Straßenverkehr hat mit Augenmaß und einer sachgerechten Erfolgserwartung zu erfolgen: „Die Vorstellung, man könnte die Verkehrswelt so sicher machen, daß sie für Kinder keine Gefahr mehr darstellt, wäre ebenso wirklichkeitsfremd, wie wenn man glaubte, Kinder könnten zu absolut sicherem Verhalten erzogen werden.[6]

Verkehrswelt und Umwelt

Verkehrswelt ist von ihrem Charakter her als Produzent von Lärm und Abgasen sowie von Ressourcenverbrauch etc. eine unvermeidliche Zumutung für die Umwelt. Diese ist umso größer, je dichter der Verkehr gerät und je höher sich die Mobilitätsansprüche der Menschen an schnelle und bequeme Ortswechsel oder auch die Nutzung der Verkehrsmittel als Sportgeräte gestalten.[7] Die Entwicklung lässt sich aufgrund der Mentalität und Mobilitätswünsche der Menschen sowie der industriellen Bedeutung der Fahrzeugproduktion für Wirtschaft und Arbeitsplätze offensichtlich nicht vermeiden, ist aber so verträglich wie möglich zu gestalten. Dies wird auf unterschiedlichen Ebenen der Verkehrsgestaltung wie etwa dem Fahrzeugbau, der Stadt- und Straßenplanung oder mit der Aufklärung und Erziehung zu Umweltbewusstsein versucht. Ein bescheidener Weg ist dabei die Abkehr von den Verbrennungsmotoren und die Hinwendung zu naturfreundlicheren Antriebstechniken: „Wie der Aufbruch in eine postfossile Verkehrswelt in Deutschland gelingen kann, zeigen Experten des InnoZ in der Studie „Die neue Verkehrswelt“ im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie.[8]

Literatur

  • Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Verkehrswelt, In: Grimm/Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Teilband 25. Spalte 637.
  • Bettina Gundler, Michael Hascher, Helmuth Trischler, Lutz Engelskirchen, Dorothee Messerschmid: Unterwegs und mobil: Verkehrswelten im Museum. Campus. Frankfurt am Main 2006. ISBN 978-3-593-37251-8.
  • Dieter Mutschler: Kind und Auto – oder Wie die Motorisierung die Kindheit verändert hat. In: karlsruher pädagogische beiträge. 28, 1992, S. 42–58.
  • Wolf Jobst Siedler: Die gemordete Stadt: Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum. Siedler. Berlin 1993. ISBN 3-88680-513-1.
  • Siegbert A. Warwitz: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen–Spielen–Denken–Handeln. 6. Auflage. Schneider Verlag. Baltmannsweiler 2009. ISBN 978-3-8340-0563-2.
Wiktionary: Verkehrswelt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Günter Halbritter, Torsten Fleischer, Christel Kupsch: Strategien für Verkehrsinnovationen. Umsetzungsbedingungen – Verkehrstelematik – internationale Erfahrungen. Edition Sigma. Berlin 2008.
  2. Siegbert A. Warwitz: Verkehr als Lebensraum. In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen–Spielen–Denken–Handeln. 6. Auflage. Schneider. Baltmannsweiler 2009. S. 4–5.
  3. Dieter Mutschler: Kind und Auto – oder Wie die Motorisierung die Kindheit verändert hat. In: karlsruher pädagogische beiträge. 28, 1992, S. 42–58.
  4. Siegbert A. Warwitz: Verkehr als Lebensraum. In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen–Spielen–Denken–Handeln. 6. Auflage. Schneider. Baltmannsweiler 2009. S. 4–5.
  5. Siegbert A. Warwitz: Soll das Kind an den Verkehr oder soll der Verkehr an das Kind angepasst werden oder sollte man beide voneinander trennen? In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen–Spielen–Denken–Handeln. 6. Auflage. Schneider. Baltmannsweiler 2009. S. 284.
  6. Freiwild auf unseren Straßen?
  7. Wolf Jobst Siedler: Die gemordete Stadt: Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum. Siedler. Berlin 1993.
  8. Aufbruch in eine postfossile Verkehrswelt