Schießerei auf dem Dam



Bei der Schießerei auf dem Dam, dem zentralen Platz von Amsterdam, kamen am 7. Mai 1945 mutmaßlich mehr als 32 Menschen ums Leben. Dabei schossen deutsche Soldaten auf niederländische Zivilisten, obwohl die Wehrmacht zwei Tage zuvor kapituliert hatte.
Der Schießerei
Nachdem am 5. Mai 1945 die deutsche Wehrmacht in den Niederlanden kapituliert hatte, versammelten sich zwei Tage später Tausende euphorische Amsterdamer – Frauen, Männer und Kinder – auf dem Dam, um die ersten kanadischen Befreier von der deutschen Besatzung der Niederlande zu begrüßen. Die Jahrmarktsorgel Het Snotneusje spielte, die Menschen tanzten, und ein Puppentheater unterhielt die Kinder.[1]
Gegen 12.30 Uhr erreichten einige britische Militärfahrzeuge der Aufklärungseinheit Polar Bear Division über den Rokin den Dam. Aus entgegengesetzter Richtung kamen deutsche Lastwagen, und die Fahrzeuge fuhren, nur durch wenige Meter voneinander getrennt, aneinander vorbei; es entstand eine nervöse Stimmung. Die Deutschen fuhren weiter, und auch die Briten verließen den Dam wieder, da sie auf Verstärkung warteten. Währenddessen begannen die Binnenlandse Strijdkrachten (BS) an anderen Orten in der Stadt mit der Entwaffnung von deutschen Soldaten. Das war gegen die Kapitulationsvereinbarung, die beinhaltete, dass die Entwaffnung der Deutschen den Kanadiern vorbehalten sein sollte.[2]
In den Räumen des Koninklijke Industrieele Groote Clubs am Dam hatten sich Angehörige der deutschen Kriegsmarine verschanzt. Vom dortigen Balkon aus wurden gegen 15 Uhr Schüsse auf die Menschen auf dem Platz abgegeben, und es kam zu einem Feuergefecht zwischen den Deutschen und den BS. Unter den Menschen auf dem Platz brach Panik aus, sie rannten voller Angst davon oder retteten sich hinter Hindernissen, wie Laternenpfählen oder auch der großen Orgel. Das Feuergefecht dauerte rund zwei Stunden. Währenddessen bemühten sich vor Ort anwesende Krankenschwestern, Rote-Kreuz-Angehörige und Pfadfinder, die verletzten Menschen notdürftig zu versorgen. Carel Frederik Overhoff, einem Kommandeur des BS, gelang es schließlich gemeinsam mit einem deutschen Offizier, die beiden Parteien zur Einstellung des Feuers zu bewegen. Eine andere Version lautet, dass die Schießerei erst geendet habe, nachdem Panzerfaustgranaten aus dem Paleis op de Dam in Richtung des Groote Clubs abgefeuert worden seien. Die Deutschen verblieben in den Clubräumen, bis sie am 9. Mai von kanadischen Soldaten gefangen genommen wurden.[2]
Untersuchungen und Erinnerung
Ursache und Verlauf der Schießerei wurden nie untersucht, was den Wirren nach Kriegsende zugeschrieben wird. Über Jahrzehnte war daher unklar, wie viele Opfer das Feuergefecht gefordert hatte und wer sie waren; auch die Schuldigen wurden nie ermittelt. Als mögliche Ursache wird vermutet, dass die Entwaffnung deutscher Soldaten durch die BS und deren Widerstand dagegen der Auslöser gewesen sein könnte; vereinbart war, dass die kanadischen Truppen die Entwaffnung vornehmen sollten. Möglicherweise wurde dabei ein Deutscher erschossen, der sich weigerte, seine Waffe an die BS herauszugeben, was dessen Kameraden im Groote Club mitbekommen haben könnten.[3]
Zunächst ging man von bis zu 22 Toten aus, deren Namen man kannte, wenn auch damalige Zeitungsberichte von bis zu 120 toten Menschen berichteten. Die Stichting Memorial ging an die Öffentlichkeit und sammelte Informationen, führte Gespräche mit Zeitzeugen und Angehörigen. Bis 2016 konnten 32 Menschen, die 1945 auf dem Dam ums Leben gekommen waren, identifiziert werden; es ist unklar, ob es nicht noch weitere Todesopfer gab und wie viele Verletzte, darunter auch welche, die in Panik niedergerannt worden waren. Der jüngste Tote war ein achtjähriger Junge namens Gerri.
2016 wurden 32 Steine mit den eingelassenen Namen der Opfer auf dem Dam verlegt.[2] Zum 75. Befreiungstag am 5. Mai 2020 wurde die Orgel Het Snotneusje restauriert. Dabei wurden zwei Patronen entfernt, die noch in ihr steckten, aber die Einschusslöcher sichtbar gelassen.[4][5] Wegen der COVID-19-Pandemie im Königreich der Niederlande fielen die Festlichkeiten im Jahre 2020 aber aus.
Literatur
- Ludmilla van Santen/Norbert-Jan Nuij: Drama op de Dam. Hrsg.: Stichting Memorial. 2017, ISBN 978-90-90-30241-6.
Weblinks
- Dam schietincident. 7. Mai 1945. auf YouTube
- De Kriegsmarine vuurt vanuit De Grote Club op de mensen op de Dam. 7. Mai 1945. auf YouTube
Einzelnachweise
- ↑ * 32 doden, 32 stenen. In: plaatseensteen.nl. Abgerufen am 23. September 2020 (niederländisch).
- ↑ a b c Stichting Memorial. In: de-dam-zevenmei1945.nl. 13. Februar 2018, abgerufen am 23. September 2020 (niederländisch).
- ↑ Schietpartij op de Dam. In: dedokwerker.nl. 30. Dezember 1947, abgerufen am 23. September 2020.
- ↑ ‘t Snotneusje. In: de-dam-zevenmei1945.nl. 6. Mai 2020, abgerufen am 23. September 2020 (niederländisch).
- ↑ Geweerkogels uit draaiorgel. In: hart.amsterdam. 28. April 2000, abgerufen am 23. September 2020 (niederländisch).