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Asymmetrische Kriegführung

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Asymmetrische Kriegsführung bezeichnet die Konfliktsituation, bei der ein Staat mit regulären Streitkräften gegen irreguläre Kräfte (paramilitärische Milizen oder autonom operierende Kampfgruppen), wie beispielsweise Partisanen, Guerilleros oder Terroristen vorgeht.

Allgemein

Die Ungleichheit der Mittel (gut ausgebildete und exzellent ausgerüstete Soldaten gegen ortskundige, leicht bewaffnete und meist äußerlich nicht als Kombatanten erkennbare Kämpfer) erfordert eine völlig andere Kriegsführung als gegen konventionelle Streitkräfte.

Das häufige Fehlen von Hoheitsabzeichen oder Uniformen bedingt, dass nach Haager Landkriegsordnung die irregulären Streitkräfte keinen Kombatantenstatus genießen und deshalb völkerrechtlich nicht mehr geschützt sind.

Beispiele für asymmetrische Kriegsführung sind u. a. der Vietnamkrieg, der Afghanistan-Krieg (2001/2002) und Irak-Krieg der USA, die Kriege Russlands in Tschetschenien oder die palästinensische Intifada.

Nach den Anschlägen gegen die USA am 11. September 2001 in New York und auf das Pentagon, Arlington bei Washington, D.C. hat sich die Regierung von Präsident George W. Bush für eine verstärkte Bekämpfung von asymmetrischen Bedrohungen, insbesondere dem islamisch-fundamentalistischen Terrorismus, eingesetzt.

Begriffsentstehung und Geschichte

Der Begriff wurde zum ersten Mal in den Medien (in Militärkreisen sehr viel früher) im Zusammenhang mit der NATO-Operation Allied Force und der Kriegsführung der jugoslawischen Volksarmee im Jahr 1999 verwendet. Nach dem Krieg wurde festgestellt, dass die Luftangriffe der NATO ohne Wirkung blieben und dass die jugoslawische Volksarmee ungehindert gegen die UÇK (kosovarische Befreiungsarmee) Krieg führen konnte. Grund dafür war das Konzept der Verteilung, Tarnung, Deckung und des überraschenden direkten Angriffs beim Auftauchen des Gegners unter Ausnützung der Geländekenntnisse durch die jugoslawische Armee.

Diese Art von Kriegsführung wurde in den 1920er und 1930er Jahren durch den chinesischen Führer Mao Zedong systematisiert. Ziel seiner Strategie war die konsequente Fehler- und Schwächenauswertung des Feindes bei gleichzeitiger Nutzung kleiner, aus dem Überraschungsmoment operierender Einheiten oder Einzelpersonen. Aufgrund dieser Analyse war die Strategie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu bestimmen. Ziel war es, mit unterlegenen Mitteln und konsequenter Anwendung dieses Konzepts den Feind empfindlich zu treffen und abschliessend endgültig zu schlagen. Ein Vorteil der asymmetrischen Kriegsführung liegt in den geringen Kosten. Eine Guerillatruppe ist in der Lage mit primitiven und teilweise dem Feind abgenommenen Waffen einen hochgerüsteten Gegner zu bekämpfen. Der Gegner muss zum Schutz seiner Nachschublinien und schützenswerten Objekte einen grossen Aufwand betreiben, der hohe Kosten verursacht. Dieselbe Logik liegt terroristischen Aktivitäten zugrunde. Ein Terrorangriff wie der 11. September kostete für die Terroristen sehr wenig im Vergleich zu den grossen Investitionen im Security-Bereich an den Flughäfen, die aus ihm resultierten.

Mao orientierte sich dabei an dem antiken Schriftsteller Sun Tsu, der 510 v. Chr. ein Buch über die dreizehn Prinzipien der Kriegsführung verfasst hatte.

Carl von Clausewitz beschreibt ebenfalls in seinem Buch Vom Kriege im Kapitel Volksbewaffnung das Konzept der asymmetrische Kriegsführung. Man sagt, dass Mao Zedong dieses Buch ebenfalls sehr genau analysiert habe.


Humanität und Strategie der asymmetrischen Kriegführung

Die asymmetrische Kriegführung (oder früher Partisanenkampf genannt) gab es von je her. Bereits die Kämpfe der frühen Eidgenossen und Dithmarscher mit ihren relativ geringzahligen, dafür das Gelände aber ausgezeichnet kennenden, die Schwächen ihrer Gegner ohne Skrupel ausnützenden Bauernhaufen gegen die besser bewaffneten, auf dem Pferd durch Rüstung geschützten, waffentechnisch besser ausgerüsteten und kriegsgeübteren Ritterheere gehörten dazu.

Auch der bewaffnete Widerstand z.B. in Spanien gegen Napoleon im 19. Jahrhundert oder im 2. Weltkrieg gegen Hitler (Résistance) wählte eine asymmetrische Kriegsführung ohne wesentliche ethische Zweifel über ihre Berechtigung. Anders als bei den üblichen Kämpfen ausserhalb eng besiedelter Bevölkerungsgebiete sind asymmetrische Kriege aber sehr häufig mit hohen Opferzahlen unter einer eigentlich nicht direkt am Kampf beteiligten Zivilbevölkerung verbunden. Diese bietet zwar bei vorhandener Sympathie des Anliegens gegenüber asymmetrisch Kriegführenden und eigener Leidensfähigkeit eine ausgezeichnete Versteckmöglichkeit für die waffentechnisch schwächere Kriegspartei, bei denen auch technisch immer ausgeklügeltere Systeme moderner hochtechnisierter Armeen zwar kurzfristig erfolgversprechend sind, aber in ihrer Wirkung rasch abstumpfen (vgl. ständige blutige Zwischenfälle in Afghanisatan und Irak).

Dieses Verstecken und unerwartete Zuschlagen von asymmetrisch Kriegführenden (Nadelstiche) führt aber bei konsequenter Durchführung innerhalb moderner Armeen rasch zu Frustrationen auf unterer Kommandoebene mit der Gefahr einer Eskalation, die sich dann in plötzlichen Massakern an der Zivilbevölkerung (wie My Lai im Vietnamkrieg) oder zur Nichteinhaltung eines Midestmasses an Humanität aüßern kann, da der Freischärler ja jederzeit in ihr untertauchen kann und sie gerne als Schutzschild missbraucht. Diese Generäle oder ihre zivilen Vorgesetzten setzen sich bei lange nicht einstellenden Durchbrüchen in ihrer eigenen Bevölkerung harter Kritik aus, die ihre fachliche Reputation beeinträchtigen kann. Aus humanitärer Sicht ist damit auch bei kriegführenden Demokratien rasch eine Minderbewertung des menschlichen Lebens zu erwarten, so wie es von der Gegenseite ohnehin regelmäßig praktiziert wird. Auch demokratische Staaten laufen dann Gefahr ihre eigen moralischen Ideale zu verraten, indem sie sich der gleichen Verbrechen schuldig machen, wie ihr Guerilla-Gegner (foltern und sinnlos töten). Historisches Beispiel ist der Kampf der französische Armee im Algerischen Unabhängigkeitskrieg, bei dem es zu etlichen Repressalien gegenüber der FLN (Front de Libération Nationale) kam.

Auch verschärfte internationale Regelungen zur Schonung menschlichen Lebens in asymmetrischen Konflikten sind dann kaum noch in der Praxis durchsetzbar und humanitäre Appelle bleiben ohne nennenswerte Wirkung. Der Befehlshaber einer hochtechnisierten Armee sieht dann in jeder Einschränkung der Kriegführung durch humanitäre Regelungen (weil schwer umsetzbar gegen einen Feind, der gänzlich ohne Regeln kämpft) eine Entwertung seiner qualitativen und quantitativen Überlegenheit und lehnt solche Regelungen ab, da sie ihn in seinem taktischen Einsatzspektrum benachteiligen und einschränken (berechenbar machen). Asymmetrische Kämpfer fühlen sich ohnehin an solche humanitären Regelwerke nicht gebunden, es sei denn, sie können sie gegen den Besatzer propagandistisch nutzen, denn sie sie sind nicht Vertragspartei in solchen internationalen Regelweken. Provozierte Gewaltexzesse der konventionellen Armee sind sogar ein ideologisch verwendetes Kampfmittel und daher gar nicht völlig unerwünscht. Hauptleidtragende Gruppe in solchen Konflikten ist aber nicht etwa die Guerilla, sondern regelmäßig die Zivilbevölkerung

Diese Einstellungen beider asymmetrischen Kriegsparteien sind eine ernsthafte Herausforderung an die Weiterentwicklung und Bewahrung des aktuellen humanitären Völkerrechts auch während eines Krieges (anders als beispielsweise noch 1907 anlässlich der Haager Landkriegsordnung, die von gleichrangigen Kombattanten ausging).

Terrorismus als Strategie der Assymmetrischen Kriegsführung

Während die Taktiken des paramilitärischen Kampfes, also das Vorgehen von Partisanenverbänden o.ä. in erster Linie darauf abzielen, den militärisch überlegenen Gegner mit der defensiven Strategie der "Nadelstiche" kontinuierlich zu schwächen, zu provozieren oder zu demoralisieren, so tritt der Terrorismus als offensive Strategie im Rahmen der assymmetrischen Kriegsführung auf. Terroristen ist es möglich, anders als Partisanen- bzw. Guerillaeinheiten, unabhängig zu operieren und somit den Krieg in andere Regionen - ja sogar in das entfernte Heimatland des Feindes - hinauszutragen. Die Durchführung erschreckender Anschläge mit möglichst hoher medialer Ressonanz soll die Bevölkerung verunsichern und somit den politischen Rückhalt der kriegführenden Regierung erschüttern. Durch die direkten Angriffe auf das Zentrum des Feindes wollen Terroristen den Durchhaltewillen der Bevölkerung brechen, die hinter der Streitkraft des überlegenen Gegners steht. Somit findet in dieser Form des Krieges nicht nur eine Assymmetrisierung der Kräfte und Taktiken, sondern auch der Schauplätze und Schlachtfelder statt.

Siehe auch

Literatur

  • Bernhard Rinke / Wichard Woyke (Hrsg.): Frieden und Sicherheit im 21. Jahrhundert. Eine Einführung. Opladen: Leske & Budrich, 2004.
  • Herfried Münkler: Die neuen Kriege, Rowohlt 2004, ISBN 3-499-6165-3
  • Schröfl / Pankratz: Asymmetrische Kriegführung, Nomos 2004, ISBN 3-832-9043-60