Rohrpost
Die Rohrpost ist eine Form des schnellen, personallosen Transports von Gegenständen in kleinen, zylindrischen Behältern mittels Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren. In der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhundert entstanden in einigen Städten große Rohrpostanlagen von mehreren hundert Kilometern Länge. Daneben existierten auch kleinere Anlagen, die innerhalb eines Gebäudes oder zwischen mehreren benachbarten Gebäude kleinere Gegenstände mittels Rohrpost automatisiert transportierten. Diese Anlagen finden, im Gegensatz zu den Fernrohrpostanlagen, auch heute noch Verwendung.
Funktionsweise
Man unterscheidet zwischen Innenrohrpostanlagen innerhalb von einzelnen Gebäuden sowie den Fernrohrpostanlagen zwischen verschiedenen Gebäuden einer Stadt. Fernrohrpostanlagen dienen überwiegend der schnellen Brief- und Telegrammbeförderung zwischen wichtigen Postämtern.
Eine Rohrpostanlage besteht aus einem Netz von Rohrleitungen. Als Transportmittel werden zylindrische Behälter benutzt, deren Durchmesser nur geringfügig kleiner ist als der Innendurchmesser der Rohre. Die Behälter werden innerhalb der Rohrpostanlage durch Druckluft oder Saugluft bewegt und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 30 km/h. Je Linie kann immer nur eine Büchse befördert werden. Der Druckunterschied zwischen Behälter und Luftverdichter beträgt dabei auch bei längeren Linien oder größeren Rohrdurchmessern nur zwischen 0,3 bis 0,5 bar, d. h. nicht der Druck sondern die ins System gepumpte (oder abgesaugte) Luftmenge variiert.
Vor der Erfindung der Rohrpost
Um 1810 bemühte sich der dänische Ingenieur George Medhurst erstmals ernsthaft um den Einsatz atmosphärischer Luft für industrielle und verkehrstechnische Zwecke. In entsprechenden Veröffentlichungen schlug er vor, die Luft aus einer eisernen Röhre abzupumpen, um so durch den erreichten Druckunterschied eine entsprechende Triebkraft zu erzielen; Medhurst gilt daher als Erfinder der pneumatischen Rohrpost.
Diesen Gedanken hat 1818 der englische Ingenieur Vallance aufgegriffen mit der Idee, Personen und Güter von London nach Brighton in einer tunnelartigen, gusseisernen und entsprechend großen Röhre zu befördern. Diese Bemühungen verliefen allerdings ergebnislos, jedoch brachten Versuche zum Transport von Postgut mittels Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren erste Erfolge.
Der Franzose Abbé Moigno richtete dazu 1852 eine Versuchsstrecke ein, die letztlich dazu führte, dass der Franzose Galy Cazalar und der Engländer Latimer Clark unabhängig voneinander 1854 entsprechende Landespatente einreichten. Sie beschrieben eine technische Einrichtung, mit der in Blechbüchsen eingeschlossene kleine Pakete und Briefe bei hoher Luftverdünnung oder -verdichtung durch Röhren zu einem nicht sehr weit entfernten Ort befördert werden konnten.
Städtische Rohrpostnetze
Die erste Rohrpost wurde 1853 von Josiah Latimer Clark in London gebaut. Es war eine 220 yard (ca. 200 m) lange Verbindung zwischen der London Stock Exchange und dem Central Telegraph Office. Ähnliche Verbindungen zwischen einem Telegraphenamt und der Börse entstanden 1865 in Berlin und 1866 in Paris.
Diese ersten Anlagen waren nur zum Transport kleiner Gegenstände geeignet, so hatte z. B. die Londoner Anlage einen Durchmesser von 1.5 Inch (38,1 mm). Clark gründete später zusammen mit T. W. Rammell die Pneumatic Despatch Company, die 1861 eine 30-inch (762 mm) Röhre baute, in der Lasten bis zu 3 Tonnen transportiert werden konnten. Diese Pneumatic Dispatch Railway war bis 1874 in Betrieb. Ähnliche Anlagen gab es in New York: Eine 1867 gebaute 107 feet (32,6 m) lange und 6 feet (1,83 m) im Durchmesser große Anlage von Alfred Ely Beach, die 12 Personen transportieren konnte. Eine noch größere Anlage, 312 feet (95 m) lang und 9 feet Durchmesser, entstand 1869 von der Beach Pneumatic Transit Company im Erdreich unterhalb des Broadway. Im ersten Jahr transportierte sie über 400.000 Passagiere und sie ging erst 1874 außer Betrieb. Diese Systeme konnten sich aber nicht im Personentransport gegen die U-Bahn durchsetzen, wo mit Erfolg zuerst Dampflokomotiven und bereits ab 1890 elektrische Lokomotiven eingesetzt wurden.
Rohrpostnetze in Deutschland
Die maßgebliche Motivation zur Entwicklung der Rohrpost war die starke Erhöhung des Telegrammaufkommens, welche es nicht mehr gestattete, dass alle Telegramme auch tatsächlich innerstädtisch weitertelegraphiert werden konnten. Eine Rolle spielte dabei auch, dass der Lohn eines guten Telegrafenbeamten den einer ungelernten Bedienung bei der Rohrpost weit überstieg. Somit wurden sie in der größten Zahl aller Fälle, wenigstens im innerstädtischen Verkehr, als handschriftlich ausgefüllte oder mit Tickerstreifen beklebte Formulare per Rohrpost befördert und erhielten z. B. in Berlin seit ca. 1900 auch entsprechende Rohrpostabstempelungen.

Neben Berlin und München gab es zunächst von der Reichspost und dann von der Bundespost betriebene Rohrpostanlagen von sehr unterschiedlicher Länge in Düsseldorf, Hamburg, Leipzig, Stuttgart sowie in ca. zehn weiteren Städten. Mit diesen Rohrposten beförderte Sendungen – in der Regel Eilsendungen, nachgesandte Sendungen oder innerorts weitergeleitete Flug- und Eilsendungen mit anderer Destination – sind nur an einem vorder- oder rückseitig abgeschlagenen, schwarzen Stechuhrstempel (Leipzig), an einem i.d.R. vorderseitig abgeschlagenen, roten Beförderungsstempel „In Hamburg mit Rohrpost“, rückseitigem Stechuhrstempel in Düsseldorf oder anderen Vermerken zu erkennen.
Rohrpost Berlin
Eine der größten Anlagen dieser Art war die Rohrpost Berlin mit einer maximalen Streckenlänge von fast 400 km im Jahr 1940. 79 Post- und Telegraphenämter waren angeschlossen und bearbeiteten zu dieser Zeit rund 8 Mio. Sendungen jährlich. Diese Anlage wurde am 1. Dezember 1876 in Betrieb genommen. Es konnten Postkarten und Briefe bis zu einem Gewicht von 20 Gramm (Maximalmaß: 14×9 cm) verschickt werden. Der Betrieb der Berliner Rohrpost wurde 1976 endgültig eingestellt. Abgebildet ist ein portofreier Dienstumschlag der Rohrpost Berlin, der im Jahre 1946 in Folge des allgemeinen Materialmangels als Umschlag einer Dienstsendung des Telegraphenbauamtes aufgebraucht wurde. Die Verwendung dieses Umschlags zu dieser Zeit durch die damals noch nicht der Öffentlichkeit zugängliche und im Krieg weitgehend zerstörte Berliner Rohrpost ist wenig wahrscheinlich.
Rohrpost München

Am 1. August 1922 wurde das Rohrpostnetz in München für den allgemeinen Betrieb eröffnet, dessen Fertigstellung durch den Ersten Weltkrieg verzögert wurde. In München waren Briefe bis zu einem Höchstgewicht von 100 g und einem Maximalmaß von 20×14 cm zugelassen. Die Briefe mussten auf einen Durchmesser von 4 cm rollbar sein. Wie in den meisten anderen Städten mit Rohrpostverbindungen, entstand auch das Münchener Rohrpostnetz zunächst, um die anschwellende Flut von Telegrammen zu bewältigen, die nicht mehr alle über innerstädtische Telegraphenleitungen weitergeleitet werden konnten. Früheste Bearbeitungsvermerke von Telegrammen in München, die auf eine Rohrpostbeförderung hinweisen, finden wir seit ca. 1875 in Form von Numeratorstempeln, die auf der Anschriftseite der Telegramme abgeschlagen wurden. Solche Numeratorstempel wurden von der Münchener Rohrpost bis zu ihrer Schließung in den 1960er Jahren verwendet. Abgebildet ist eine Rohrpostganzsachenkarte mit dem Wertstempel 55 Rpf Hindenburg-Medaillon, die im Jahre 1940 als Rohrpost-Einschreiben-Eilboten-Ortspostkarte verwendet wurde.
Rohrpostnetze in Europa
In Europa gab es wenigstens die folgenden Rohrpostnetze:
- England: Birmingham, Glasgow, Liverpool, London, Manchester, Newcastle,
- Frankreich: Paris und Marseille (1910 – 1964)
- KuK-Monarchie respektive Österreich und CSR, CSSR, Tschechien: Prag (ab 1887), Wien und – nur wenige hundert Meter lang – in Karlsbad. Wahrscheinlich hat zur Zeit der KuK-Monarchie auch eine Rohrpost in Triest bestanden. Auf italienischsprachigen Telegrammformularen der KuK-Postverwaltung für Triest gibt es den vorgedruckten Hinweis auf den Transport von Telegrammen durch die posta pneumatica.
- Irland: Dublin
- Italien: Florenz (eventuell), Genua (bereits seit den 1850er Jahren ca. 12 km), Mailand, Neapel, Rom und wahrscheinlich auch Triest,
- Rom/Vatikanstadt: einen Rohrpostanschluss zum römischen Rohrpostnetz (Stempel mit der Inschrift Città del Vaticano / posta pneumatica sind belegt)
- Tschechien: Prag, ist nach den Überschwemmungen des Jahres 2002 wieder in Betrieb.
ČSR / ČSSR / Tschechien
Rohrpost Prag
Im Jahre 1889 eingeführt funktioniert die Rohrpost in Prag (Pražská potrubní pošta) bis heute. Sie ist damit das einzige und letzte auch der Öffentlichkeit zugängliche postalisch genutzte Rohrpostsystem der Welt.
Rohrpost Karlo Viváry / Karlsbad
Frankreich
Rohrpost Paris
Im Jahr 1866 entstand eine erste Rohrpostlinie zwischen der Börse und dem nächsten Telegrafenamt. In den folgenden Jahren wurde diese Verbindung zu einer Einwegeverbindung mit Zwischenstation bei mehreren öffentlichen Telegrafenämtern und einer direkten Zweiwegeverbindung ausgebaut. 1879 wurde die Rohrpost der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und daraufhin entstanden in den kommenden Jahrzehnten viele neue Verbindungen und auch der Übergang von der 65 mm zur 80 mm Röhre. Seine größte Ausdehnung erreichte das Rohrpostnetz von Paris im Jahre 1934 mit 467 km Länge.
Nach 1931 gab es erste Versuche die Sortierung der Rohrposthüllen in den Telegrafenämtern zu automatisieren und damit den Transport weiter zu beschleunigen, da die Telegrafentechnik verbessert wurde.
Mit dem 100. Jahrestag der Pariser Rohrpost, aus dessen Anlaß die französische Post die nebenstehende Briefmarke herausgabe, zeichnete sich auch bereits ihr nahendes Ende ab, was an dem sinkenden Aufkommen der Rohrpostsendungen abgelesen werden kann.
1945: 11.271.228 Sendungen
1958: 4.568.456 Sendungen
1973: 3.500.000 Sendungen (ca.)
Im Jahre 1984 endete in Paris der öffentliche Betrieb, zwischen Ämtern werden allerdings in Paris sogar heute noch Dokumente auf diesem Weg versandt.
Rohrpost Marseille
Abgebildet ist ein seltener Umschlag, der durch die Rohrpost von Marseille im Jahe 1945 befördert worden ist.
Italien
Rohrpost Florenz
Rohrpost Genua
Die ersten Versuche zur Entwicklung eines Rohrpostnetzes (posta pneumatica) in Italien stammen bereits aus den 1850er Jahren, als in Genua ein 12km langes Rohrpostnetz entwickelt wurde. Noch über 100 Jahre später belegen entsprechende Briefe mit Aufgabe- und Ankunfstempel das Funktionieren der Rohrpost in Genua. Weitere sytematische Versuche zur Entwicklung eines Rohrpostsystems wurden seit 1911 in Turin unternommen. Allerdings wurde der allgemeine und öffentliche Rohrpostverkehr dann im Jahre 1913 zunächst nur in Mailand, Neapel und Rom aufgenommen. Abgebildet ist einer der extrem seltenen Rohrpostbriefe aus Genua mit entsprechender Frankatur durch Rohrpostmarken aus dem Jahre 1946.
Rohrpost Mailand
Nach Vorarbeiten in Genua und Turin wurde im Jahre 1913 der Rohrpostbetrieb in Mailand gemeinsam mit entsprechendem Betrieb in Rom und Neapel aufgenommen. Abgebildet ist eine Rohrpostsendung aus dem Ortsverkehr von Mailand aus dem Jahre 1925, die mit einer Rohrpostmarke freigemacht ist. Sehr deutlich ist in dem Stempelabschlag die Bezeichnung pneumatica zu lesen.
Rohrpost Neapel
Nach Vorarbeiten in Genua und Turin wurde im Jahre 1913 der Rohrpostbetrieb in Neapel gemeinsam mit entsprechendem Betrieb in Mailand und Rom aufgenommen. Abgebildet ist ein Umschlag der Rohrpost in Neapel aus dem Jahre 1957 mit italienischen Europamarken frankiert und als Auslands-Luftpostbrief der Rohrpost zur schnelleren Weiterleitung an das Luftpostamt übergeben. Die Postwertzeichen sind mit dem ungewöhnlichen, in roter Farbe abgeschlagenen Stempel des Rohrpostamtes von Volmera, einem Vorort von Neapel entwertet.
Rohrpost Rom
Nach Vorarbeiten in Genua und Turin wurde im Jahre 1913 der Rohrpostbetrieb in Rom gemeinsam mit entsprechendem Betrieb in Mailand und Neapel aufgenommen. Abgebildet ist ein eingeschriebener Rohrpostbrief, der von der römischen Rohrpost bearbeitet wurde, aus dem Jahre 1929.
Rohrpost Triest
Rohrpost Città del Vaticano
Österreich / K.u.K Monarchie
Rohrpost Karlo Viváry
Rohrpost Prag
Im Jahre 1889 wurde eine Anlage in Prag in Betrieb genommen.
Rohrpost Triest
Rohrpost Wien
In Wien wurde eine Anlage im Jahr 1875 in Betrieb genommen, wobei vorerst 10 Postämter im Abstand von 1 - 3 km mit Rohrleitungen verbunden wurden. Die Anlage wuchs ständig, so dass es im Jahr 1913 bereits 53 Postämter mit einer Rohrlänge von 825 km gab. Die Rohrpost, die im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde, stellte erst 1956 ihren Betrieb ein.
außereuropäische Rohrpostnetze
Außerhalb Europas existierte die größte Rohrpostanlage, die auch Päckchen transportieren konnte, in New York City. Daneben bestanden entsprechende Anlagen in Boston, Chicago, Philadelphia und Saint-Louis. Außerdem hat es Rohrpostanlagen in Buenos Aires (Argentinien) als expreso urbano (Stadtschnellverkehr) des Telegraphenamtes sowie in Rio de Janeiro und São Paulo (beide Brasilien) gegeben. Ebenfalls gab es eine Rohrpostanlage in Algier (Algerien), die wenigstens bis kurz nach dem Ende der französischen Kolonialherrschaft noch in Betrieb war (Betriebsdauer vom 4. April 1910 bis zum 5. Juli 1962) und teilweise als exprès urbain (Stadtschnellverkehr) auch mit anderen Transportmöglichkeiten versorgt wurde.
Portosätze

Die Gebühr für die Rohrpostbeförderung in Deutschland beinhaltete bis ungefähr Mitte 1927 neben dem Porto für die Postkarte/den Brief die Gebühr für die Rohrpostbenutzung und die anschließende Eilzustellung per Boten.
Aus dem Ausland eintreffende und für die Rohrpost geeignetete Eilboten- und Luftpost-Sendungen sowie fehlgeleitete oder nachgesandte Sendungen wurden in den Rohrpostbezirken per Rohrpost zum Zustellpostamt befördert. Umgekehrt wurden für den Fernverkehr sowie für das Ausland bestimmte Sendungen gegen einen Zuschlag von 10 Pfennig zur Bahnhofspostanstalt oder zum Flughafenpostamt befördert. Es war aber auch möglich, Briefe, die in Städte mit Rohrpostnetz gerichtet waren, im Voraus mit der fälligen Rohrpostgebühr freizumachen und damit die Beförderung per Rohrpost bei Ankunft im Verteilpostamt der entsprechenden Stadt zu bewirken. Solche Sendungen tragen in der Regel den Hinweis "in Berlin per Rohrpost", "in Wien per Rohrpost" etc. Nach dem 2. Weltkrieg war dies in Ostberlin bis zur Einstellung der Rohrpost für 20 Pfennig möglich. In Westberlin kostete die Rohrpostbeförderung zunächst einen Zuschlag von 15 Pfenning und wurde dann bis zur Einstellung der Rohrpost auf 20 Pfennig angehoben.
Rohrpostsendungen von Berlin nach München bzw. von München nach Berlin konnten durch den Vermerk "In Berlin (bzw. München) durch Rohrpost" auch am Zielort durch die Rohrpost befördert werden. Die Rohrpostgebühr war dann zweimal zu entrichten. Nach der Okkupation Österreichs durch das Deutsche Reich im Jahre 1938 war dies auch für die Verbindungen Wien–Berlin, Wien–München und umgekehrt möglich. Nach der faktischen Annexion Tschechiens als sogenanntes „Protektorat Böhmen und Mähren“ konnten diese Kombinationen der Versendung per Rohrpost auch auf Prag und, soweit diese Linie noch in Betrieb war, auch auf Karlsbad / Karlo Viváry ausgedehnt werden.
Im Jahre 1935 wurde im Gebiet der Deutschen Reichspost die obligatorische Eilzustellung für Rohrpostsendungen aufgehoben. Die Rohrpost wurde dann mit der nächsten regulären Zustellung zugestellt. Bemerkenswert ist dabei, dass seinerzeit bis zu vier Zustellungen täglich üblich waren.
Abstempelungen
In den Rohrpostbezirken von Berlin und Wien wurden bei den angeschlossenen Postämtern Tages- oder auch Sonderstempel mit Stunden- und Minutenangaben, üblicherweise in 10-Minuten-Abständen verwendet.
Entsprechende Stempel mit 5-Minuteneinstellung sind auch aus Paris bekannt, während in Marseille lediglich die üblichen Tagesstempel verwendet wurden. Rohrpostsendung in Marseille sind somit nur durch das entsprechende Porto, den üblichen Hinweis „pneumatique“ sowie den üblicherweise vom gleichen Tag stammenden vorder- oder rückseitigen Ankunftsstempel des Zustellpostamtes zu erkennen.
Postwertzeichen
Speziell für die Rohrpost herausgegebene Briefmarken gab es nur Italien. Sie werden in den italienischen Katalogen in der Regel hinter den Eilbotenmarken unter der Spezialrubrik posta pneumatica erfaßt. In Frankreich wurde ein Wertstempel des Typs Chapelain eingesetzt, der über 10 Jahre lang ausschließlich auf Ganzsachen (Briefumschläge, Kartenbriefe oder Postkarten mit eingedruckten Wertzeichen) und Telephonbilletts Verwendung fand. In Argentinien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Tschechoslowakei wurden eigene Ganzsachen für die Rohrpost herausgegeben, die als gebrauchte Stücke eine hervorragende Dokumentation des postalischen Rohrpostwesens darstellen.
Die moderne Rohrpost
Heutzutage werden Rohrpostanlagen überwiegend innerhalb von Gebäuden eingesetzt, beispielsweise im Handel zur Geld- oder Buchbeförderung, in Krankenhäusern zum internen Versand von Blutproben, Krankenakten, Befunden und Formularen. So werden z.B. in der Berliner Charité täglich rund 3.500 Patientenproben, Röntgenbilder oder Analysematerialien zwischen den Stationen und den Labors schonend und schnell hin und her befördert. Eine der modernsten und jüngsten Anlagen dieser Art wurde im Heidelberger Universitätsklinikum installiert. Dort verbindet ein rund 14 km langes Röhrensystem mit 54 Linien über vielfältige Verzweigungen 104 Stationen. Mittels Transpondertechnologie finden täglich etwa 2.000 Proben ihren Weg von den Stationen ins Labor.
Rohrpostanlagen in Warenhäusern dienen dazu, die einzelnen Kassen mit der Hauptkasse zu verbinden, um eingenommenes Bargeld abzuliefern oder Geld zu wechseln. Die zunehmende Akzeptanz der bargeldlosen Zahlung mittels EC-Karte und Kreditkarte lassen die durch die Rohrpostanlagen gewonnene Sicherheit vor Überfällen aber immer mehr an Bedeutung verlieren.
Weitere Anwender für moderne Rohrpostanlagen finden sich in der Chemieindustrie, in Stahlwerken, in Papierfabriken und in der Automobilindustrie. So ließ der französische Automobilhersteller Peugeot 1998 im Werk Sochaux eine Rohrpostanlage installieren, um die Produktionslinien mit den passenden Schließgarnituren für Tür- und Kofferraumschlösser zu versorgen.
Moderne Systeme für "Kommunikation und Transportautomation", wie solche Anlagen von den Herstellern auch genannt werden, sind in der Lage bis zu 28 kg schwere Dokumente, Waren oder Werkstücke mit einer Länge von 50 cm und einem Durchmesser von bis zu 30 cm zu befördern. Hierbei können heute Röhrensysteme mit 64 Linien und bis zu 512 Stationen realisiert werden.
Die Rohrpost in der Kultur
Darstellung im Film
Im Film Brazil ist ein Rohrpostsystem Teil der gigantischen Bürokratie des Informationsministeriums. Dem Held gelingt es, das System zu sabotieren, indem er die Leitung überlastet und so die gesamte Behörde ins Chaos führt.
In François Truffauts Geraubte Küsse wird eine Nachricht von Antoine Doinel in der Rohrpostanlage von Paris mit mehreren Einstellungen des unterirdischen Systems auf ihren Weg zu Fabienne Tabard verfolgt.
Darstellung in der Literatur
In Theodor Fontanes Frau Jenny Treibel bedienen sich Nachrichten besonderer Wichtigkeit zwischen den Familien Schmidt und Treibel des Berliner Rohrpostsystems. „Zwischen neun und zehn waren zwei Rohrpostbriefe bei Schmidt's eingetroffen, ein Fall, der, in dieser seiner Gedoppeltheit, noch nicht dagewesen war.“
Die Mailingliste rohrpost
Abgeleitet von der klassischen Rohrpost nennt sich die wichtigste „deutschsprachige Mailingliste zur Kultur digitaler Medien und Netze, d. h. zu ihrer Kunst, Politik, Ökonomie, Philosophie und Kulturtheorie“ ebenfalls rohrpost. Abonnieren kann man die Liste hier: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/
Literaturangaben
- Ingmar Arnold: Luft-Züge: die Geschichte der Rohrpost in Berlin und anderswo. - Berlin, 2000 ISBN 3-89218-061-x
- Anne-Laure Cermak: La poste pneumatique, un système original d'acheminement rapide du courrier : l'exemple du réseau de Paris des origines à sa suppression : 1866-1984, mémoire de maîtrise, Paris 4, 2003 Internetversion [1]
- John D. Hayhurst: The Pneumatic Post of Paris, The France & Colonies Philatelic Society of Great Britain, 1974. Online-Version [2]
Weblinks
- The Museum of RetroTechnology: Pneumatic Networks. Englischsprachige Seite mit vielen historischen Bildern zur Technik der Rohrpost.
- Die Berliner Rohrpost
- The Pneumatic Post of Paris von J. D. Hayhurst O.B.E.
- La poste pneumatique à Paris
- Prague Pneumatic Post
- Pražská potrubní pošta mit Illustrationen
- Rohrpost in den USA mit Illustrationen