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Churchill (Manitoba)

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Datei:Orthographic projection centred over Churchill Manitoba.png
Lage von Churchill

Churchill ist eine an der Südwestküste der Hudson Bay im kanadischen Bundesstaat Manitoba gelegene Kleinstadt mit 963 Einwohnern (2001 – gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 65 Einwohner). Der Ort befindet sich im Grenzbereich zweier Naturzonen: der borealen Nadelwaldregion im Süden und der arktischen Tundralandschaft im Norden. Die Stadt ist vor allem durch die vielen Polarbären bekannt geworden, die im Herbst vom Landesinneren hierher zur Küste wandern und zur Robbenjagd auf ein Zufrieren des Meeres warten, was dem Ort die werbewirksame Bezeichnung „Eisbären-Hauptstadt der Welt“ eintrug.

Geschichte

Archäologische Funden belegen, dass das Gebiet um Churchill und des nahe gelegenen Wapusk-Nationalparks bereits vor etwa 4.000 Jahren von nomadischen Jägern bewohnt wurde, die der Prä-Dorset-Kultur angehörten. Ihre Nachfahren, die Angehörigen der Dorset-Kultur, besiedelten die Region um 600 v. Chr. Um 500 n. Chr. kamen Dene aus dem Norden hierher, denen um das Jahr 1000 n. Chr. die ersten Thule-Kultur folgten, die unmittelbaren Vorfahren der heutigen Inuit. In der sog. „Vorkontaktzeit“, d. h. vor der Ankunft der ersten Europäer und auch dem Auftreten von Métis im 17. Jahrhundert, lebten in der Churchill-Region Inuit, Chipewyan- und Cree-Indianer als Nomaden und in Camps.

Fort Prince of Wales

Die ersten Europäer kamen im Winter 1619 in die Region. Die erste permanent bewohnte Siedlung war ein 1717 aus Holz gebautes Fort an der Mündung des Churchill River - als Teil des teuren Fellhandelnetzwerks, das damals von der Hudsonbai-Gesellschaft (Hudson's Bay Company) eingerichtet wurde. Die Stadt wurde nach John Churchill, 1. Herzog von Marlborough benannt, dem Gouverneur der Hudsonbai-Gesellschaft zu Ende des 17. Jahrhunderts (ein Ahne von Sir Winston Churchill). 1741 ersetzte die Hudsonbai-Gesellschaft das hölzerne Fort durch ein größeres Fort aus Stein, das Fort Prince of Wales.

Dieses Fort wurde 1782 von französischen Kriegsschiffen eingenommen und dem Erdboden gleich gemacht, ohne dass ein Schuss fiel. Ein neues Fort wurde ein wenig flussaufwärts gebaut. Handel wurde in dieser Zeit überwiegend mit den Chipewyan getrieben, die nördlich des borealen Nadelwalds, also der Waldgrenze, lebten. Da das Fort relativ fern der Gebiete lag, die zu Landstreitigkeiten zwischen der North-West Company und der Hudsonbai-Gesellschaft Anlass gaben, stellte es einen relativ sicheren, sehr profitablen Fellhandelsposten dar.

Seehafen und Getreidespeicher von Churchill

Zwischen den Jahren des Niedergangs des Fellhandels und des Aufstiegs der Landwirtschaft (vor allem Getreide in den südlicheren Regionen von Alberta und Manitoba) sah Churchill seine Bedeutung schwinden und wieder zunehmen. Nach Jahrzehnten der Frustration über die Vorherrschaft der Canadian Pacific Railway und falscher Versprechungen der Canadian National Railway taten sich mehrere Bundesstaaten zusammen und kämpften für die Errichtung einer Eisenbahnlinie nördlich von Winnipeg nach Churchill, der Hudson Bay Railway.

Westteil der Stadt Churchill: Im Zentrum der Bahnhof, am Churchill River „The Flats“ (malerische Inuit-Siedlungshäuser)

Der Bau und die Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie schritt wegen schwieriger Landschaftsverhältnisse nur sehr langsam voran, so dass Churchill erst 1929 einen Anschluss an das südliche Eisenbahnnetz bekam. Es dauerte dann noch Jahre, bis sich der kommerzielle Handel mit anderen Orten messen lassen konnte. 1932 besuchte der Brite Grant MacEwan als erster regulärer Eisenbahnpassagier Churchill.

Die Gegend wurde ebenfalls als „Churchill Rocket Research Range“ genutzt, Teil eines kanadisch-amerikanischen Forschungsprojekts, das sich mit der Atmosphäre befasste. Die erste Rakete wurde 1956 gezündet; bis zur Schließung der Range 1984 wurden regelmäßig Starts für kommerzielle und Forschungssatelliten durchgeführt. Heute befindet sich auf dem Gebiet des früheren Raketentestgeländes das „Churchill Northern Studies Centre“, eine Einrichtung zur Arktis-Forschung.

Wirtschaft

Datei:Churchill-polar-bears.jpg
Polarbären und Touristen am Ortsrand von Churchill

Churchill ist ein beliebtes Ziel für Ökotourismus. Außerdem werden hier arktische Forschungen betrieben. Touristen können Polarbären aus sicherer Entfernung aus „Tundra Buggies“ beobachten, busähnlichen Spezialfahrzeugen, die für Touren in die Tundra entwickelt wurden. Die besten Monate für die Eisbärenbeobachtung sind Oktober und November. Die Eisbären warten dann in der Umgebung von Churchill bis hin zum Cape Churchill im Wapusk-Nationalpark darauf, dass die Hudson Bay zufriert, damit sie ihre Hauptnahrung, Robben, jagen können. In Churchill kann man im übrigen auch während der Sommermonate Eisbären beobachten; besondere Anziehungskraft üben dann jedoch Belugas (Weißwale) und der Reichtum an Wildpflanzen aus.

Diözese Churchill-Hudson Bay – Residenz des römisch-katholischen Bischofs, Holy Canadian Martyr’s Church und Eskimo-Museum (von links)

Die großen Mengen Süßwasser, die der Churchill River und der Seal River transportieren, lassen das Eis zuerst in der Nähe von Churchill entstehen. Vorherrschende nordöstliche Winde schieben dieses Eis zu Bergen am Nordufer der Stadt zusammen, was die Nutzbarkeit des Seehafens beeinflusst, von dem Sperrgüter für den arktischen Norden Kanadas auf Versorgungsschiffe verladen werden. Dieser Hafen ist der einzige Kanadas, der am Arktischen Ozean liegt. Der Schiffsversand von Getreide nach Übersee, früher eine wichtige Einnahmequelle der Stadt, ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. An seiner Stelle hat sich die Tourismus-Industrie immer mehr zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor Churchills entwickelt.

Anglikanische Kirche in Churchill, bekannt durch ein von Lady Jane Franklin gestiftetes Kirchenfenster

Verkehrslage

Straßen, die Churchill mit anderen Orten Kanadas verbinden, gibt es nicht. So ist Churchill auf seinen 1929 vollendeten Eisenbahnanschluss Hudson Bay Railway angewiesen, über den der Getreideexport ebenso wie alle übrigen Schwertransporte erfolgen; auf dem Luftweg sind solche Transporte nur mit Einschränkungen möglich.

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