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Glaukom

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Das Glaukom (griech.), fälschlicherweise auch Grüner Star genannt, bezeichnet eine Gruppe von Augenkrankheiten, bei denen als Folge eines Missverhältnisses von Augeninnendruck und Durchblutung des Sehnerven eine Schädigung des Sehnervenkopfes, Gesichtsfeldausfälle (Skotome) und im Extremfall eine Erblindung des Auges entstehen können.

Nach anatomischen Kriterien lassen sich Offenwinkel- und Engwinkel'-Glaukome unterscheiden. Diese Bezeichnungen beziehen sich auf den Winkel zwischen Hornhautrückfläche und Irisvorderfläche. Im so genannten Kammerwinkel befindet sich das Trabekelwerk, durch das das Kammerwasser das Auge verläßt.

Offenwinkelglaukome sind weit häufiger und verlaufen meist chronisch und unbemerkt, während die selteneren Engwinkelglaukome zum schmerzhaften Glaukomanfall führen können, bei dem unbehandelt innerhalb kurzer Zeit eine akute Erblindung droht.

Die Gesichtsfeldausfälle beim Offenwinkelglaukom machen sich oft erst spät bemerkbar, weil sie außerhalb der Mitte beginnen und die Ausfälle durch den Seheindruck des anderen Auges überdeckt werden.

Das Glaukom ist eine der häufigsten Erblindungsursachen, sowohl in Industrienationen als auch in Entwicklungsländern. Rund 500.000 Deutsche leiden an einem erhöhten Augeninnendruck, 10 Prozent davon droht die Erblindung. Augenärzte weisen darauf hin, dass die Dunkelziffer in diesem Bereich sehr hoch ist. Sie gehen davon aus, dass in Deutschland insgesamt etwa 1 Million Menschen von einem Glaukom betroffen sind.

Herkunft des Begriffes „Grüner Star“

Im 20. Jahrhundert bürgerte sich fälschlicherweise der Begriff Grüner Star als Synonym für Glaukom ein. Naive Sprachliebhaber, die Fremdwörter in der deutschen Sprache ausmerzen wollten, hatten dies als Ersatz für das griechische „Glaukom“ vorgeschlagen.

Der ursprünglich von Aristoteles geprägte Name glaucos bedeutet jedoch eigentlich „blau, meerfarben“ und leitete sich von der blau-grauen Verfärbung der Regenbogenhaut bei chronischen Entzündungen her. Im 16. Jahrhundert wurde in Frankreich daraus „grün, meerfarben“, da in Nordfrankreich der Atlantik eher grünlich als bläulich wirkt. „Star“ war seit dem 8. Jahrhundert im Deutschen eine Bezeichnung für Linsentrübungen.

Der Begriff „Grüner Star“ ist auch aufgrund der Verwechslungsgefahr mit dem Grauen Star (einer Linsentrübung) problematisch.

Entstehung

Als Entstehungsmechanismus des Glaukoms wird heute ein Missverhältnis von Augeninnendruck und Durchblutung des Sehnerven angesehen: Bei hohem Blutdruck innerhalb der Gefäße des Sehnervenkopfes kann ein hoher Augeninnendruck toleriert werden, bei niedrigem Durchblutungsdruck kann bereits ein niedriger Augeninnendruck zum Fortschreiten eines Glaukoms führen. Besonders ungünstig ist die Verbindung aus hohem Augeninnendruck und niedrigem Blutdruck im Sehnervenkopf. Da sowohl Augeninnendruck als auch Perfusionsdruck schwanken können, ist sowohl der absolute Wert beider Parameter als auch die Dauer von Phasen ungünstiger Druckverhältnisse von Bedeutung.

Im Ziliarkörper des Auges wird das Kammerwasser (Humor aquosus) produziert und an die hintere Augenkammer des Auges abgegeben. Es gelangt durch die Pupille in die vordere Augenkammer und fließt durch ein Trabekelwerk über den Schlemm-Kanal ab.

Der normale Augeninnendruck liegt zwischen 10 mm Hg und 21 mm Hg, Schwankungen im Tagesverlauf um bis zu 5 mm Hg sind normal. Ältere Menschen haben einen durchschnittlich höheren Augendruck als jüngere.

Alle Bedingungen, die einerseits zu einem erhöhten Augendruck oder andererseits zu vermindertem Perfusionsdruck im Sehnervenkopf beitragen, können also ein Glaukom verursachen. Zu den ersteren zählen vor allem Störungen in der Funktion des Trabekelwerks, zu den letzteren die Arteriosklerose und die arterielle Hypotonie. Kombinationen mehrerer Bedingungen bei einem Betroffenen sind häufig, so dass die kritische Augendruckschwelle für eine Schädigung des Sehnervenkopfes individuell unterschiedlich sein kann.

Die Schädigung des Sehnervs beim Glaukom, sichtbar an einer charakteristischen Aushöhlung des Sehnervenkopfes, betrifft zuerst die Nervenfasern der mittleren Netzhautperipherie und schreitet langsam zum Zentrum hin fort. Sind etwa 70% der Nervenfasern betroffen, bilden sich bogenförmige Gesichtsfeldeinschränkungen im mittleren Gesichtsfeld aus (Bjerrum-Skotom), die selbst im fortgeschrittenen Stadium oft nicht wahrgenommen werden.

Risikofaktoren

Risikofaktoren für die Entstehung eines Glaukoms sind:

  • Erhöhter Augendruck
  • Hohes Lebensalter
  • Hohe Kurzsichtigkeit (Offenwinkelglaukom)
  • Hohe Weitsichtigkeit (Engwinkelglaukom und Glaukomanfall)
  • Niedriger und schwankender Blutdruck (Normaldruckglaukom)
  • Genetische Veranlagung
  • Ethnische Gruppe: Schwarze haben ein bis zu fünf Mal höheres Risiko als Weiße

Durch eine dünne Hornhaut kann es bei den üblichen Messverfahren für den Augendruck zu falsch niedrigen Werten kommen und so ein Glaukomrisiko falsch zu niedrig eingeschätzt werden.

Diagnosekriterien

Die alleinige Messung des Augeninnendrucks genügt weder für Diagnosestellung bzw. -ausschluss noch zur Verlaufsbeurteilung. Zur Diagnosestellung eines Glaukoms werden die folgenden Untersuchungen verwendet:

  • Beurteilung des Sehnervenkopfes am Augenhintergrund im dreidimensionalen Bild: Beurteilt wird die Größe und Form der Papillenexcavation (Aushöhlung des Sehnervenkopfes).
  • Augeninnendruckmessung: Der Augendruck wird am genauesten mit einer so genannten Applanationstonometrie nach Goldmann bestimmt. Dabei wird die Kraft gemessen, die für eine definierte mechanische Abplattung der medikamentös betäubten Hornhaut erforderlich ist. Alternativ kann auch von nichtärztlichem Personal eine berührungslose Messung mittels Pneumotonometrie (Abplattung der Hornhaut durch einen definierten Luftstoß) durchgeführt werden.
  • Bei verdächtigen Befunden Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie): Gesucht wird nach charakteristischen, bogenförmigen Skotomen.
  • Neuere Untersuchungsgeräte (HRT, RTA, GDx, OCT) erfassen reproduzierbar den Grad der Schädigung und sind somit für die Frühstadien und für Verlaufskontrollen eine diagnostische Hilfe. Der Wert dieser Untersuchungen für die Behandlung wird zurzeit noch diskutiert, daher werden sie von den gesetzlichen Krankenkassen noch nicht bezahlt.

Offenwinkelglaukome

Primäre Offenwinkelglaukome

Als primäre Offenwinkelglaukome werden Offenwinkelglaukome bezeichnet, die nicht als Folge einer andere Augenerkrankung auftreten.

Glaucoma chronicum simplex

synonym: Primär chronisches Glaukom

Es ist die häufigste Form des Glaukoms. Typischerweise tritt es nach dem 30. Lebensjahr auf, kann jedoch auch schon früher beginnen. Familiäre Häufung, also eine veranlagungsbedingte (genetische) Komponente, ist bekannt. Bei einem Glaucoma chronicum simplex kommt es zu einer Abflussbehinderung direkt im Abflussbereich des Kammerwinkels durch degenerative Veränderungen. Der Druck im Augeninnern erhöht sich über Jahre hinweg langsam und der Betroffene verspürt in der Regel keine Beschwerden.

Ein besonderer Fall ist das Normaldruckglaukom, eine spezielle Form des Glaucoma chronicum simplex. Beim Normaldruckglaukom (fälschlicherweise auch als Niedrigdruckglaukom bezeichnet) tritt eine fortschreitende Sehnervschädigung trotz überwiegend normaler Augeninnendruckwerte auf. Durch verschiedene Faktoren wird die lokale Durchblutung am Sehnervenkopf eingeschränkt, wodurch die Sehnervenfasern ebenfalls geschädigt werden.

Durch eine dünne Hornhaut kann der Augeninnendruck in der Applanationstonometrie um bis zu 3 mm Hg unterschätzt werden, was möglicherweise in einigen Fällen zu einer nicht gerechtfertigten Einstufung als Normaldruckglaukom geführt hat. Zusätzlich wird diskutiert, ob eine dünne Hornhaut einen unabhängigen Risikofaktor für ein Glaukom darstellt.

Angeborenes Glaukom

synonym: juveniles Glaukom, kongenitales Glaukom

Durch Entwicklungsstörungen des Kammerwinkels während der Embryonalzeit kommt es zu einer Abflussstörung des Kammerwassers. Dies kann in Kombination mit anderen Fehlbildungen des Körpers auftreten. Der erhöhte Augeninnendruck kann zu einer ein- oder beidseitigen Vergrößerung des Augapfels (Buphthalmus, Hydrophthalmus) führen. Bei Verdacht auf ein angeborenes Glaukom muss frühzeitig eine Untersuchung, Augendruckmessung und ggf. Operation in Narkose durchgeführt werden, um eine dauerhafte Sehverschlechterung zu verhindern.

Sekundäre Offenwinkelglaukome

Werden Offenwinkelglaukome durch andere Erkrankungen des Auges verursacht, spricht man von sekundären Offenwinkelglaukomen. Dies ist der Fall bei Verletzungen oder Entzündungen des Auges (Uveitis), intraokularen Tumoren, bei Gefäßneubildungen (Neovaskularisationen) im Kammerwinkel z.B. infolge eines Diabetes mellitus oder bei entsprechend veranlagten Menschen die Anwendung von bestimmten Medikamenten (z.B. Kortison bei Steroid-Respondern).

Engwinkelglaukom (Glaukomanfall)

synonym: Glaucoma acutum

Der akute Glaukomanfall beruht auf einer plötzlichen Verminderung des Kammerwasserabflusses aufgrund einer Verlegung des Kammerwinkels durch die Regenbogenhaut. Dies führt zu einer drastischen Druckerhöhung bis zu mehr als dem dreifachen der Norm (60 mm Hg), mit tastbar steinhartem Augapfel. Begleitend zu der Druckerhöhung kann es zu stärksten Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen teilweise mit Herzrhythmusstörungen und Sehen von Farbringen im Gegenlicht kommen. Häufig tritt ein plötzlicher Sehverlust des betroffenen Auges ein. Meistens ist nur ein Auge betroffen. Der Anfall kann nach wenigen Stunden spontan abklingen und in Abständen wiederkehren. Menschen mit höherer Weitsichtigkeit und fortgeschrittenem grauen Star neigen eher zum Engwinkelglaukom.

Auch anticholinerg wirkende Medikamente wie einige Antidepressiva oder Antiemetika können als Nebenwirkung einen Glaukomanfall auslösen, während sie bei dem weitaus häufigeren Offenwinkelglaukom gefahrlos anwendbar sind.

Behandlung

Werden glaukomtypische Schäden am Sehnerven festgestellt, muss eine dauerhafte Augendrucksenkung erfolgen. Eine Schädigung des Sehnerven setzt in der Regel bei chronischer Überschreitung eines kritischen Augeninnendrucks ein. Dieser kritische Druck ist individuell unterschiedlich hoch und muss im Krankheitsverlauf durch engmaschige Kontrollen erst individuell gefunden und durch eine angemessene Behandlung dann möglichst dauerhaft unterschritten werden (zumeist etwa 15 mm Hg). Therapieziel ist also das Verhindern eines Fortschreitens der Erkrankung, aufgetretene Schäden (z.B. Gesichtsfelddefekte) sind nicht wieder rückgängig zu machen. Werden Augentropfen zur Augendrucksenkung nicht mehr vertragen oder führen diese keine ausreichende Augendrucksenkung herbei, stehen verschiedene augendrucksenkende Operationsverfahren zur Verfügung.

Ferner ist in bestimmten Fällen eine internistische Mitbehandlung angezeigt, um z. B. nächtliche Blutdruckabfälle zu erkennen.

Medikamentöse Therapie

Zur medikamentösen Therapie des Glaukoms stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung, die überwiegend als Augentropfen verabreicht werden:

Die Prostaglandine erhöhen die Durchlässigkeit des Ziliarkörpers und der so genannte nicht konventionelle Abfluss bzw. Uveosklerale Abfluss wird gesteigert.

Die oben genannten Medikamente können auch kombiniert werden. Zur einfacheren Applikation sind auch Kombinationspräparate verfügbar. Meist handelt es sich um eine lebenslange Therapie.

Bei Sekundärglaukomen kann zusätzlich die Therapie der Grunderkrankung erforderlich sein.

Darüber hinaus ist schon seid längerem bekannt, dass THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) dem Hauptwirkstoff des Hanf, den Augeninnendruck senkt. Vielfach wird eine drohende Erblindung dadurch verzögert oder gar verhindert. Allerdings ist das einzige in Deutschland verschreibbare Medikament Marinol trotz erwiesener Wirksamkeit nicht als Mittel gegen erhöhten Augeninnendruck zugelassen. Auch ist es Ärzten untersagt ihr Patienten auf die Wirksamkeit von THC bzw. THC-haltigen Hanfprodukten wie Marihuana oder Haschisch hinzuweisen bzw es als therapeutisches Mittel zu empfehlen. Siehe auch:(Cannabis_als_Medizin)

Laser

Operation

Folgende Verfahren stehen zur Verfügung:

  • Goniotrepanation und Trabekulektomie: Schaffung einer Abflussfistel aus der Augenvorderkammer unter die Bindehaut
  • Zyklokoagulation: Verödung des Ziliarkörpers durch Laser- (siehe oben) oder Kältesonde
  • Trabekulotomie und Goniotomie: Eröffnung des Trabekelmaschenwerkes und Verbinden des Schlemm-Kanals mit der Vorderkammer des Auges, damit das Augenwasser wieder in das Blut abfließen kann.
  • Iridektomie, Laser-Iridotomie: Eröffnung der Iris bei einer Engwinkelsituation
  • Visko-Kanalostomie: Verbesserung des Kammerwasserabflusses (bei bestimmten Risikopatienten)

Zusätzlich kann der Augeninnendruck nach Durchführung einer Kataraktoperation sinken, da die verwendeten Kunststofflinsen eine geringere Dicke als die eigene Linse haben und somit indirekt Platz am Kammerwinkel geschaffen wird.

Vorsorge

Zur Vorsorge ist eine Augeninnendruckmessung und Untersuchung der Sehnerven notwendig, um die Erkrankung oder das Risiko im Frühstadium zu erkennen und durch rechtzeitige Behandlung ein Fortschreiten und letztendlich die Erblindung zu verhindern. Ein Glaukom kann sich bei erhöhtem Augeninnendruck bereits in der Jugend manifestieren. Ab dem 40. Lebensjahr sollte die Vorsorgeuntersuchung jährlich durchgeführt werden. Eine frühere Vorsorgeuntersuchung ist auch anzuraten, wenn einer der folgenden Risikofaktoren vorliegt:

  • Sind ein oder gar mehrere enge Verwandte erkrankt, liegt eine “familiäre” Belastung, eine der wichtigsten Risikofaktoren des Glaukoms vor.
  • bei bekanntem erhöhtem Augeninnendruck
  • bei Kurzsichtigkeit
  • Von der Norm abweichender Blutdruck. Vor allem ein sehr niedriger und ein stark schwankender Blutdruck begünstigen einen Glaukomschaden. Aber auch ein zu hoher Blutdruck kann das Auge durch sogenannte hypertensive Veränderungen an der Netzhaut in Mitleidenschaft ziehen.
  • Durchblutungsprobleme an den Gliedmaßen (kalte Hände oder Füße), Migräne oder Tinnitus können ein Hinweis auf vaskuläre Dysregulationen sein; ein Gefäßproblem, das besonders mit dem Normaldruckglaukom assoziiert ist.
  • Diabetes mellitus kann zu einem Sekundärglaukom führen.

Literatur

  • J. Flammer: Glaukom. Ein Handbuch für Betroffene. Eine Einführung für Interessierte. Ein Nachschlagewerk für Eilige. Hans Huber Verlag