Wiesenbewässerung
Bei den sogenannten Wässerwiesen, ein Element traditioneller Kulturlandschaften, das seinen Ursprung im 12. Jh. findet, legte man ganze Grabensysteme und kleine Weiher an, um das Wasser von den Häusern, Straßen und Stallungen zu sammeln und zur Ertragssteigerung auf die Wiesen zu leiten. Diese Variante wäre heutzutage höchstens mit vorgeklärtem Abwasser denkbar. Im 19. Jahrhundert erfuhr die Methode der Wiesenbewässerung einen großen Aufschwung. Zum Ausbau der Wiesen wendete man, je nach Wasserangebot und Relief, verschiedene Techniken an. So z.B. Überstauung, natürlichen Hangbau, Beethangbau oder der Rückenbau, bei dem man die Wiesenoberflächen vollständig umgestaltete. Die Bewässerung der Wiesen wirkte sich deutlich auf den Vegetationsbestand der Wiesenflächen und Gräben aus: ehemalige Wässerwiesen weisen eine hohe Strukturdiversität auf und zählen heute zu Kulturdenkmälern. Neben den positiven Aspekten brachte der kulturtechnische Ausbau der Wiesen aber auch eine Reihe von Nachteilen mit sich:
Positive Effekte Negative Effekte --------------------------------------------------------------------------------------- Beispiel für effektive Ressourcennutzung Wasserverbrauch Wasserretentionseffekte Barrieren im Gewässer (Ausleitungsbauwerke) Grundwasserneubildung Gewässerausbau u. -begradigung Ausgeprägtes Mikrorelief Gezielte Trockenlegung der Grabensysteme hohe Standortvielfalt Wiesenintensivierung (Artenrückgang) kleinräumiges Vegetationsmuster Reliefumgestaltung u. Bodenstörung
Über die Entwicklung der Wiesenbewässerung und ihren historischen Ursachen schreibt Troll:
"Die künstliche Wiesenbewässerung [...] hat sich aus z.T. sehr alten Anfängen ganz besonders stark im vorigen Jahrhundert im Zuge der rationellen Landwirtschaft, der landwirtschaftlichen Intensivierung im Gefolge der Bevölkerungsvermehrung und der erhöhten Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten entwickelt. Ihre Bindung an die jeweilige Gesamtstruktur der Landwirtschaft ist gegeben, einerseits durch die Viehhaltung, für die sie vermehrtes Futter bereitstellen kann, andererseits durch die Düngerverwertung, weil man durch Dünger-Bewässerung der Wiesen Viehfutter sicherstellen kann, ohne den auch für die Feldkulturen nötigen Dünger zu beanspruchen." (Troll, 1943/46 cit. in Böhm, 1990: 7).
Geschichtliche Entwicklung der Wiesenbewässerung an der Soeste bei Cloppenburg
So nutzten die Bauern der mageren Sandeschen von Krapendorf, Schmertheim, Ambühren und Stalförden, also die Bauernschaften links und rechts der Soeste, deren Äcker trotz bester Pflege keinen größeren Ertrag im Soestetal lieferten, die sich immer besser entwickelnden Bewässerungssysteme.
Rehme (1955) gibt einen Überblick über die Geschichte der Wiesenbewässerung an der Soeste von Cloppenburg bis Stedingsmühlen. Die Düngung des Ackers durch Plaggenhieb fiel durch die Markenteilung und ihrer gesetzlichen Grundlage 1806 aus (Eggelsmann, o.O.u.J.). So richtete man den Blick auf "Wasser und Wiese" mit dem Ziel durch reichere Futtermenge den Viehbestand und die Produktivität des Ackers zu erhöhen. "Man erinnerte sich des Spruches, daß die Wiese die Mutter des Ackers sei". Bereits 1820 waren von der Oldenburgischen Landwirtschaftsgenossenschaft Prämien für die "Verbesserung der Wiesen und Vermehrung des Grasbewuchses mittels Überwässerung" ausgesetzt worden. 1844 zog die Landwirtschaftsgesellschaft einen Lüneburger Rieselmeister nach Cloppenburg, um Untersuchungen über die Möglichkeiten von Bewässerungsanlagen anzustellen. Der Gutsbesitzer Bothe auf Stedingsmühlen ließ nach 1850 aus dem Oberwasser seines Staus mehrere Wiesen im Flußtal der Soeste, die zu Bewässerungswiesen umgearbeitet waren, schon bewässern. 1874 hatte der Wiesenbaumeister Naber den Soestelauf unterhalb Cloppenburgs aufgenommen und untersucht, ob das Gefälle für die Anlage einer Bewässerungsanlage als ausreichend anzusehen ist.
Flächenanteile der verschiedenen Bewässerungssysteme in der Soesteniederung von Cloppenburg bis Stedingsmühlen, 1884 System Fläche ---------------------------------------------- Kunstbauwiesen im Beetbau 31,3012 ha Kunstbauwiesen im Hangbau 6,6139 ha Wilde Berieselung 16,0248 ha Nicht bearbeitete Wiesen 14,1727 ha Insgesamt 68,1126 ha
1875 legte Naber seinen Entwurf vor, der die Anlage von drei Stauwerken zwischen dem alten Judenfriedhof in Cloppenburg und Stalförden vorsah. Der erste Stau sollte beim alten Judenfriedhof in der Fillerei angelegt werden. Der zweite Stau sollte unterhalb des Weges von Schmertheim nach Ambühren und der dritte bei Börne liegen. Insgesamt wurden 77,4432 ha für die Meliorationsgenossenschaft einbezogen, von denen 54,6895 ha berieselt werden sollten. 1884 revidierte Wiesenbauer Winken aus Schmertheim die gesamte Anlage.
Die Flußbereiche denen höhere Ufer anlagen, mußten flacher abdosiert werden, 1/2 bis 2 zur Höhe. Die künstlichen Böschungen zwischen dem Ambührener Baggersee und Ambühren, bei Börne und Stedingsmühlen sind in diesem Zusammenhang entstanden. Es wurden nahezu alle Flächen zwischen Cloppenburg und Stedingsmühlen bewässert. Von den Schleusen wurde das Wasser abgeleitet und über Kanäle zu den Wiesen geleitet.
Berieselungsformen
Wilde Berieselung
Die wilde Berieselung ist die einfachste Form der Wiesenbewässerung, bei der man das Wasser durch Zuleiter auf die Geländerücken leitet und aus den Zuleitern die unterhalb liegenden und den Geländelinien folgenden Rieselrinnen speißt. Durch Hindernisse fließt das zum Übertreten genötigte Wasser in breiter Bahn über die Flächen zu den in den Geländemulden liegenden Entwässerungsgräben. Angewendet werden kann diese Form der Berieselung bei Geländeneigungen von mindestens 2%. Demnach ist bei 29,7% der nach dem Bewässerungsplan Nabers bewässerten Flächen zwischen Cloppenburg und Stedingsmühlen ein Gefälle von über 2% zu vermuten.
Künstlicher Hangbau
Ist das Gelände zu gefällearm besteht die Möglichkeit das fehlende Gelände künstlich zu schaffen. Ist das Gefälle nicht zu klein, kann noch das Verfahren des künstlichen Hangbaus angewendet werden, bei dem Hangtafeln sägezahnartig übereinander angeordnet werden. Zu- und Ableiter liegen mehr oder weniger senkrecht zu den Hanglinien, die Rieselrinnen waagrecht.
Rücken- (Beet-) bau
Beim Rücken- (Beet-) bau wird das Gefälle durch die Anlage von künstlich geschaffenen Rücken hergestellt. Ein Rücken besteht aus zwei Tafeln. Auf dem Rückenfirst liegt die Rieselrinne, die aus dem Zuleiter oder, wie beim Staffelrückenbau, der bei größeren Flächen eingesetzt wird, aus zusätzliche Verteilergräben mit dem die Rieselwasser gespeist werden. Entwässerungsrinnen in den Rückenmulden leiten das Wasser ab. Im Gegensatz zum künstlichen Hangbau liegen die Be- und Entwässerungsrinnen wie auch die Rücken in Richtung des natürlichen Gefälles.
Flurnamen und Rieselwiesen
An Flurnamen, die zum Gebiet der Rieselwiesen zählen, nennt Rehme: Aberriek, Thunwiese, Diek, Mölenbrink, Telgenkamp, Achterm Graskamp, Grote Wisk, Bruch, Berg, Grünshoh, Neue und Alte Zuschläge, Lattenbrok, Bögewisk und Timphok auf der rechten Talseite und Rolfswiese, am Krapendorfer Moor, Schmaleriek, Anschluß, Moorzuschlag, Moorwisk, Sandwiese, Hinterm Busch, Auf'm Windbusch, Buckwiese, Mausewiese, Ammerbrok, Lutke Wiese, Helle und Bergfeld am linken Soesteufer.
Endphase der Wiesenbewässerung im Soestetal
Durch das Aufkommen des Kunstdüngers sowie durch die arbeitsintensive Unterhaltung der Bewässerungswiesen, die den Einsatz schwerer technischer Geräte nicht zuließen, kam es nach dem ersten Weltkrieg zum Niedergang der Rieselwiesenwirtschaft. Am 2.10.1927 beantragte die Bewässerungsgenossenschaft die Berieselung "für einige Jahre aufzuheben". Aus diesen einigen Jahren waren bis zu dem Artikel Rehmes 1955 inzwischen mehrere Jahrzehnte geworden.
Aktuelle ökologische Bbedeutung der Rieselwiesen
Der Einfluß der Rieselwiesenwirtschaft auf den Standort besteht einerseits in einer morphologischen Umgestaltung der Bodenoberfläche durch Zuleiter, Grüppen, Rücken und der Einebnung von Uferbereichen und andererseits in einer stofflichen Veränderung des Bodens durch Substrat- und Düngereintrag und erhöhte Nitrifikation infolge einer besseren Durchlüftung bei Entwässerung . Das Be- und Entwässerungssystem bildete die Grundlage für das heutige Entwässerungssystem des Niedermoorbereiches der Soeste zwischen Cloppenburg und Stedingsmühlen. Das Rücken- und Grüppensystem spiegelt sich heute noch in einer mehr oder weniger deutlichen kleinflächigen Änderung der Pflanzendecke wieder.

Parallele schwarze Linien, in Richtung des Gefälles zur Soeste hin, stellen Be- und Entwässerungsgräben dar. Sie haben untereinander einen Abstand von ca. 10. Meter. Schmale schwarze Linien, senkrecht zum Gefälle und parallel zur Soeste, zeigen in erster Linie Verteilergräben an, die das Wasser den Verteilergräben zuleiten, oder Auffanggräben dar, mit dem Zweck in die Soeste zu entwässern oder zur Wiederverwendung des Wassers in eine folgende Rückenstaffel. Ausserhalb verlaufen die mit einer fetten schwarten Linie gekennzeichneten Zuleiter, aus denen das Wasser entweder direkt auf die Rücken oder zuvor in die Verteilergräben geleitet wird.
Kartengrundlage: Deutsche Grundkarte (Luftbildplan)
Blatt 3113-15 (Stalförden)
Literatur
BÖHM, H., 1990: Die Wiesenbewässerung in Mitteleuropa 1937. Anmerkungen zu einer Karte von C. Troll. Erdkunde, Bd. 44, H.1. S.1-10.
EGGELSMANN, o.O.u.J.: unveröff. Manuskript zur Rieselwiesenwirtschaft. Zweckverband Thülfelder Talspeere, Cloppenburg. Kopie
Hoppe, A., 2001: Verbreitung und Vegetation der Bewässerungswiesen Nordwestdeutschlands. – Berichte der Reinhold-Tüxen-Gesellschaft 13: 247-250, Hannover. (pdf)
REHME, H., 1955: Das Soestetal von Cloppenburg bis Stedingsmühlen - Ausbau und Verfall einer Wiesenbewässerungsanlage an der Soeste. Volkstum und Landschaft (= Heimatblätter der Münsterländischen Tageszeitung, Cloppenburg), 15 Jg., H.33. S.5-8.
SCHROEDER, G., 1958: Landwirtschaftlicher Wasserbau. 3 Aufl. Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer.
SCHROEDER, G., 1968: Landwirtschaftlicher Wasserbau. 4 Aufl. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.
Quelle
Heinz-Josef Lücking, 1995: Ökologische Bewertung des Soestetals zwischen Cloppenburg und Stedingsmühlen (LK Cloppenburg, Nordwest-Deutschland) aus der Sicht des Naturschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Vegetation, Gewässergüte und des ökomorphologischen Gewässerzustandes. BSH/NVN n a t u r s p e c i a l R E P O R T ISBN 3-923788-29-0 Heft 21. Diplomarbeit im Fach Geographie an der Justus Liebig Universität, Gießen, 1992.
Der Text entstammt im wesentlichen meiner Diplomarbeit und wird hiermit entsprechend der GNU Freie Dokumentationslizenz freigegen. Arcy 19:00, 30. Jul 2004 (CEST)