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Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

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Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil ist ein humoristischer Roman von Thomas Mann. Er zeichnet die Entwicklung des Hochstaplers Felix Krull von seiner Kindheit an nach und kann als Parodie auf den Romantypus des Entwicklungsromans gesehen werden. Thomas Mann sammelte erste Ideen zum Roman bereits 1905 und arbeitete immer wieder, jedoch nicht kontinuierlich daran. 1954 wurde der Roman als Fragment veröffentlicht.



Entstehungsgeschichte

Auf einem Vortrag in Halle a.d.Saale am 2. November 1909 teilt Thomas Mann mit, dass er sich mit einer größeren Erzählung, "Der Hochstapler", beschäftige. 1922 erscheint "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Buch der Kindheit" als limitierte Liebhaberausgabe in 500 Exemplaren. 1923 folgt die offizielle Ausgabe für den Handel. Bis 1926 erreicht sie eine Auflage von 25 Tausend.

1937 wird eine um die Musterungsszene erweiterte Fassung gedruckt. Überlegungen, den Roman nach Abschluss der Josephs-Bände fortzuführen, werden durch die Arbeit an Doktor Faustus verdrängt. Erst 1951 führt Thomas Mann den Hochstplerroman weiter.

Nach dem Vorabdruck des Eisenbahnkapitels 1953 unter dem Titel "Die Begegnung" in einer limitierten Auflage von 725 Exemplarren erscheint der Roman 1954 im S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main.

Des Helden Herkunft

So beginnt die Lebensbeschreibung des Aufsteigers Felix Krull, Sohn eines Sektfabrikanten aus Eltville:

„Der Rheingau hat mich hervorgebracht, jener begünstigte Landstrich, welcher, gelinde und ohne Schroffheit sowohl in Hinsicht auf die Witterungsverhältnisse wie auf die Bodenbeschaffenheit, reich mit Städten und Ortschaften besetzt und fröhlich bevölkert, wohl zu den lieblichsten der bewohnten Erde gehört.“


Jugendlicher Eros

Schon der Knabe zeichnet sich durch ungewöhnliche körperliche Wohlgestalt und außerordentliche erotische Begabung aus:

„Es kam, nicht ohne Zutun Genovefas, auf dem dunklen Gange vor der Tür meines Mansardenstübchens zu einer Begegnung, die sich schrittweise ins Innere des Zimmers hinüberspielte und dort zu vollem gegenseitigen Besitze führte […] Wahre Zuflucht, so schien es mir, würde ich allein in Genovefas Armen finden. [Das …] markverzehrende, wahrhaft unerhörte Vergnügen, das ich an Genovefas weißer und wohl genährter Brust erprobte [entzieht sich] jedenfalls aller Beschreibung. Ich schrie und glaubte gen Himmel zu fahren.“


Merkur

Bedauerlicherweise führt der Vater, ein Sektfabrikant, seine Firma noch in den Jugendjahren des Helden in den Bankrott. Felix ist gezwungen, sein Glück in der „Fremde“ zu suchen. Sein gutes Aussehen, mit dem er Frauen und Männer in gleicher Weise berückt, seine Wortgewandtheit und einzigartige Leichtfüßigkeit helfen dem gelehrigen Tausendsassa durchs Leben. Vom Militärdienst befreit er sich durch ein schauspielerisches Meisterstück:

„Mein Gesicht verzerrte sich – aber damit ist wenig gesagt. Es verzerrte sich auf eine meiner Meinung nach völlig neue und schreckenerregende Art, so, wie keine menschliche Leidenschaft, sondern nur teuflischer Einfluss und Antrieb ein Menschenantlitz verzerren kann. Meine Züge wurden buchstäblich nach allen vier Seiten, nach oben und unten, rechts und links auseinandergesprengt, um gleich darauf wieder gegen die Mitte zusammenzuschrumpfen; ein abscheulich einseitiges Grinsen zerriss danach meine linke, dann meine rechte Wange …“


Siegeszug

Krull, der Liebling der Götter, Narziss, Merkur und Schauspieler tritt seinen Siegeszug an. Er sieht vieler Länder Städte und Menschen, bildet seine blenderischen Künste fort und spielt den anderen etwas vor. Felix Krull wird in Paris zu Armand Kroull, der Liftboy wird Oberkellner (und nebenher Hoteldieb). Sein Opfer, eine gewisse Madame Houpflé, genießt das Bestohlenwerden wollüstig: Sie wird durch die körperlichen Reize und geschulten Liebeskünste des Diebes wundervoll erniedrigt und bis zur Erschöpfung befriedigt.


Der Zirkusbesuch

Während eines Zirkusbesuches wird Felix Krull bewusst, dass er ebenfalls Künstler ist und kein gewöhnlicher Zuschauer. Die Darbietungen der Artisten, insbesondere der Trapezkünstlerin Andromache, sieht er wie jemand, der sich vom „Bau“, vom Fach fühlt. „Nicht vom circensischem Fach, vom Salto-mortale-Fach, natürlich, konnte ich mich fühlen, aber vom Fach im allgemeineren, vom Fach der Wirkung, der Menschenbeglückung und –bezauberung“.

In den Artisten erkennt Felix Krull seinesgleichen. Er will bezaubern wie sie und geht damit, so sieht er es, ein vergleichbares Risiko ein wie die Trapezartisten unter der Zirkuskuppel.

Die Begegnung

Aus dem Kellner Armand ist – was für eine Fügung – der begüterte Marquis de Venosta geworden. In dieser Rolle tritt er eine Weltreise an.

Zunächst geht es im Nachtzug nach Lissabon. Im Speisewagen sitzt Felix Krull dem mitteilungsbedürftigen Professor Kuckuck gegenüber, dem der gut aussehende junge Marquis gefällt. Im Verlaufe der Unterhaltung kommt es zu einem kleinen Privatseminar. Professor Kuckuck plaudert über die Evolution. Zum Schluss verrät er, nachdem er sich vorsichtshalber noch einmal umgesehen hat, seine Sicht der Kosmogonie.

Es habe nicht eine, sondern drei „Urzeugungen“ gegeben: Die Entstehung des Seins aus dem Nichts, die Erweckung des Lebens aus dem Sein und das Hinzukommen von einem Dritten: Das Wissen von Anfang und Ende. Dieses, nur dem Homo sapiens gegebene Wissen, unterscheide ihn von aller Natur, der organischen und dem bloßen Sein. Die Begriffe "Geist" und "abstraktes Denken" für das Ergebnis der dritten Urzeugung vermeidet Thomas Mann aus künstlerischem Kalkül.

Thomas Mann legt diese Philosophie Professor Kuckuck in den Mund, dem er Schopenhauers „Sternenaugen“ verliehen hat. Aber ein Jahr zuvor hatte er dieses Weltbild bereits unter eigenem Namen vorgestellt [„Lob der Vergänglichkeit“].

Professor Kuckuck hat mit diesen Expektorationen seine innerste Weltsicht preisgegeben. Sehr bewegt muss er - um sich zu beruhigen - einen Schluck Wasser trinken. Aber der Zug auf seiner nächtlichen Fahrt macht gerade einen Schlenker, Professor Kuckuck schweppert. Der Erzähler findet nach soviel Tiefgang wieder zurück in seinen humoristisch-ironischen Ton.

Verwehte Spuren

Von Lissabon reist Felix Krull in die Neue Welt. Ab hier verliert sich seine Geschichte, der Roman bleibt Fragment.


Autobiographische Bezüge

Geplant war der Hochstaplerroman als parodistische Autobiographie. Unter den Gattungsbegriffen Autobiographie und Künstlerroman korrespondieren die beiden großen Romane „Doktor Faustus“ und "Bekenntnisse des Hochstplers Felix Krull" miteinander. Dass Felix Krull sich als Künstler sieht, zeigt sein innerer Monolog im Kapitel „Zirkus“.

Felix Krull hat Thomas Mann mit einem heiteren Naturell ausgestattet und damit eine Kontrastfigur geschaffen zu dem abweisenden Adrian Leverkühn in „Doktor Faustus“ und dem melancholoschen Tonio Kröger in der gleichnamigen Künstlernovelle.

Erstdrucke

  • Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Buch der Kindheit. Wien, Leipzig, München: Rikola 1922, 65 S.
  • Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull [um 5 Kapitel erweitert]. Amsterdam: Querido 1937, 179 S.
  • Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil. Frankfurt am Main: S. Fischer 1954, 228 S.


Literatur

Helmut Koopmann: "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", in: ders. (Hg.): Thomas-Mann-Handbuch, 3., aktualisierte Auflage, Stuttgart 2001, S. 516-533. (mit ausführlichen bibliographischen Angaben) ISBN 3520828030 (seitenidentische Taschenbuchausgabe im Fischer Taschenbuch Verlag ISBN 3596166101)


Verfilmungen

Das Buch wurde 1981–82 als fünfteilige Fernsehserie verfilmt, Drehbuch und Regie Bernhard Sinkel. Auch eine 125-minütige Version wurde erstellt, die aber dem komplexen Werk Thomas Manns nicht gerecht wird. John Moulder-Brown verkörperte Felix Krull, Klaus Schwarzkopf seinen Vater.

Ein Klassiker ist Kurt Hoffmanns Verfilmung (1957) mit Horst Buchholz als Felix Krull.


Weblink, Originallesung von Thomas Mann