Bedingungsloses Grundeinkommen
Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein sozioökonomisches Modell, in dem jeder Mensch, unabhängig von Einkommen oder Lebensalter, gesetzlichen Anspruch auf eine finanzielle Grundversorgung durch den Staat hat.
Die Idee
Das BGE soll ein steuerfinanziertes Basiseinkommen für alle sein, in existenz- und teilhabesichernder Höhe und ohne sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung (Einkommen/Vermögen) bzw. ohne Arbeits-/Tätigkeitsverpflichtung. Es kann soviel hinzu verdient werden, wie es jede/r einzelne für erstrebenswert hält und soweit dies am Markt aushandelbar ist. Je nach Modell des Grundeinkommens wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu 2.000 € vorgeschlagen. Einige Modelle sehen einen schrittweisen Ersatz der (versicherungsbasierten und steuerfinanzierten) Sozialleistungen durch das BGE vor.
Das Grundeinkommen unterscheidet sich damit von einer Grundsicherung, die nur gezahlt wird, wenn kein anderes ausreichendes Einkommen vorhanden ist und die zumeist mit einer Bedürftigkeitsprüfung und in der Regel mit Arbeitsverpflichtung bzw. dem Nachweis der Arbeitsbereitschaft verbunden ist.
Die Beweggründe für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens sind vielschichtig. Auf der einen Seite stehen ökonomische Aspekte, auf der anderen politische bzw. soziale.
Umstritten ist neben der ökonomischen oder politischen Machbarkeit, ob dem Grundeinkommen schon heute, etwa in Deutschland, die Kraft eines Rechtsanspruchs auf der Basis der Menschenwürde zukommt.
Ökonomische Aspekte
Erwartete Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen
Die folgenden Punkte stellen keine quantitative Auswertung dar
- Bürokratieabbau da finanzielle Unterstützung durch den Staat nur noch durch ein Modell geschieht, ohne aufwändige Bedürftigkeitsprüfung
- Massenentlassungen von Beamten mit anfänglichen Rückgang der Kaufkraft und Belastung des Staats wegen Versorgungspflichten
- Senkung der Lohnnebenkosten durch Wegfall der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung, evtl. auch dem Arbeitgeberanteil der Krankenversicherung, dadurch beschäftigungsfördernde Wirkung
- geringere soziale Belastung bei Rationalisierung in Unternehmen, in gutem Marktumfeld auch mit Unterstützung der Belegschaft, keine Nachteile bei Arbeitslosigkeit (Verringerung von Arbeitslosenbezügen)
- mögliche Steigerung sozialer Verantwortung der Unternehmer (bedarfsgerechte Produktion, gute Arbeitsbedingungen ...), zur Mitarbeiterwerbung
- geringeres Risiko für Existenzgründungen, da das Existenzminimum Selbstständiger gesichert ist
- höherer Privatkonsum durch verringerte Sparquote (wegen besserer Planungssicherheit) und erhoehter Kaufkraft, wenn die Loehne nicht zu stark fallen
- Stabilisierungswirkung auf die nationale Gesamtwirtschaft, durch Stärkung der Binnennachfrage
- gewisse Destabilisierung durch verringerte Sparneigung (Resultat der Planungssicherheit), in Bezug auf Konjunkturschwankungen
- höhere Attraktivtät für unternehmerische Tätigkeiten aus dem In- und Ausland durch die geringe Minimallohnschwelle zur Einstellung von Arbeitskräften (jeder Lohn ist "nur" ein Zuverdienst zu einem vorhandenen, wenn auch geringem, Standard), auch mit kurzen Arbeitszeiten
Durch verringerte Abhängigkeit kann die Arbeitsmotivation der Arbeitnehmer und deren Produktivität steigen, auch durch verbesserte Wahlmöglichkeiten auf beiden Seiten. Tarifkonflikte und Streiks bei Entlassungen werden zu einem gewissen Grad entschärft oder entfallen ganz.
Mögliche gesellschaftliche Auswirkungen
- ein Missbrauch der Sozialsysteme wird verhindert
- ohne Bedürftigkeitsprüfung ist die Privatsphäre des Individuums gewährleistet
- transparente und für alle gleiche finanzielle Unterstützung
- leichtere Familienplanung
- höhere Effizienz in der Mittelzuweisung und in der Armutsbekämpfung (bei ausreichend hohem Grundeinkommen)
- Wertewandel weg von monetären Lebenszielen
- mehr Partizipationsmöglichkeiten in der demokratischen Gesellschaft
- die Motivation eine Arbeitsstelle anzutreten könnte bei zu hohem Grundeinkommen für einige Bürger wegfallen
- Entwertung der Vollzeitstelle als Standardbeschäftigungsmodell, Förderung der Kurzzeitarbeit und Arbeit bei verschiedenen Unternehmen
Politische/soziale Aspekte
- teilweise Entschärfung sozialer Disparitäten durch Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen Stigma, dafür stärkere Identifizierung über den Lohn einer Arbeitsstelle
- Sicherung von Versorgung, soziale Sicherheit und Zugang zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ressourcen, allerdings abhängig von Höhe des Grundeinkommens und Verfügbarkeit weiterer Einkommensquellen
- Förderung gemeinnütziger Aktivitäten durch Wegfall des Kostendrucks auf derartige Stellen z.B. in der Pflege und Kinderbetreuung, Vereinen, Kulturinstitutionen und Selbsthilfegruppen, wovon die Gesamtgesellschaft profitiert
Abschätzung der Kosten
Ausgehend von 800 € monatlich für 80 Mio. Bürger/innen ergeben sich Kosten von 64 Mrd. € pro Monat. Davon würden durch Mehrwertsteuern vielleicht 8-10 Mrd. direkt zurück an den Staat gehen. Die verbleibenden 54 Mrd. kämen Unternehmen und Privatpersonen zugute. Unterstellen wir, dass ein Drittel davon in Gewinne umgesetzt und zu einem Drittel versteuert werden, fließen weitere 6 Mrd. an den Staat. Die weiteren 48 Mrd. € bleiben im Wirtschaftskreislauf. Die tatsächlichen weiteren Kosten und Einnahmen hängen von Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, Besteuerung und Verlusten ins Ausland und durch Investitionen ab.
Finanzierung
Vorbemerkung
Die Grundlage der Finanzierung eines Grundeinkommens kann nur eine anteilige Umschichtung von Finanzmitteln von den finanzstärksten Personen und Einrichtungen zu allen anderen Personen sein. Dies ist in jeder Wirtschaft ein notwendiger Prozess, da nur so den Konsumenten das für den Konsum notwendige Geld bereit gestellt werden kann. Die Wirtschaft ist von der Effizienz dieser Umverteilung abhängig. Zu beachten ist außerdem, dass jede Umverteilung von Geld von oben nach unten auch einen Rückfluss von unten nach oben durch Konsum nach sich zieht. Im wirtschaftlichen Umfeld ist ein Geldfluss (nicht das reine Vorhandensein von Geld!) aber eine notwendige Voraussetzung für viele Aktivitäten. Das Ziel der Finanzierung des Grundeinkommens ist somit nicht eine Ansammlung von möglichst viel Geld, das dann unter den Menschen verteilt wird (wie dies mit Nahrung oder Waren geschieht), sondern die Sicherstellung des Geldflusses von den Überschüssen der Unternehmen und Vermögenden zu den Konsumenten und von diesen wieder zurück zu den ersteren. Es geht dabei kein Besitz oder Vermögen verloren.
Finanzierungskonzepte
Die Finanzierung des Grundeinkommens erfolgt im Wesentlichen dadurch, dass fast alle Sozialausgaben dadurch ersetzt werden bzw. falls sie das Grundeinkommen übersteigen, um diesen Betrag reduziert werden:
- Sozialhilfe / Arbeitslosengeld II
- Arbeitslosengeld I
- Rente, Pension
- Kindergeld, Erziehungsgeld
- Wohngeld
- BAföG
Über die Höhe des damit verbundenen Einsparpotentials, besteht jedoch Unklarheit, insbesondere wegen der Versorgungspflichten des Staates gegenüber den dann arbeitslosen Beamten.
Es gibt zusätzliche Einnahmen durch den vollständigen Wegfall wesentlicher Steuerfreibeträge wie:
- Steuerfreiheit des Existenzminimums bei der Lohnsteuer
- Freibeträge der Kapitalertragssteuer
Nach kritischen Schätzungen reichen auch diese zusätzlichen Einnahmen nicht für die Finanzierung.
Ansätze für weitere Finanzierung:
- Erhöhung der Einkommensteuer, die mit Mehrbelastung höherer Einkommen und eine Entlastung geringerer Einkommen einhergeht, dabei aber Anreize zur Schwarzarbeit, wenn die Steuer zu hoch ist (die bisher aber durch Lohnnebenkosten bestimmt sind)
- Besteuerung von Unternehmensgewinnen in kurzen (monatlichen) Intervallen mit geringen Abschreibungsmöglichkeiten durch schnelleren Geldumlauf, Voraussetzung ist, dass Gewinne, die Unternehmen im Inland (auch durch Export von Waren) erzielen, durchweg im Inland besteuert werden.
- Erhöhung der Mehrwertsteuer [1], (in einige Modellen auch fast ausschließliche Finanzierung durch Mwst.), erhöhter Konsum trägt dabei zum Steueraufkommen bei
Zur langfristigen Finanzierung einer „Grundeinkommensgesellschaft“ sind insbesondere zu beachten:
- Entwicklung der Wertschöpfung
- Entwicklung des Anteils der Netto-Grundeinkommensempfänger
- Kaufkraft der Bezieher
Ein Finanzierungskonzept bietet auch das Ulmer Modell (Transfergrenzenmodell) von Arbeitsgruppen aus dem Umfeld der Linkspartei.
Es ist dabei nicht allgemein klar, ob die Steuermehreinnahmen eine Finanzierung gewährleisten, da deren Höhe zu einem wesentlichen Teil von der Entwicklung der Wirtschaft abhängig ist. Die genaue Entwicklung der Wirtschaft lässt sich dabei nur schwer vorhersehen.
Eine absehbare Folge eines bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass Arbeit auch für geringeren Lohn angeboten wird.[2][3][4] Während das (Brutto-)Einkommen der Beschäftigten einschließlich des Grundeinkommens möglicherweise konstant bliebe, würden sich die Gewinne der Unternehmen in Folge der sinkenden Löhne erhöhen (was auch einen zusätzlichen Anreiz für wirtschaftliche Tätigkeiten darstellt). Wenn das Grundeinkommen durch Steuern auf Löhne und Gewinne finanziert werden müsste, würden die realen Löhne nach Steuern sinken und damit das Wirtschaftswachstum bremsen. Nur bei einer überwiegenden Finanzierung durch Gewinnsteuern ließe sich diese Folgewirkung vermeiden.
Die genaue Dynamik der Entwicklung von Wirtschaft, Löhnen und Produktivitätssteigerung ist dabei schwer einschätzbar, vor allem wegen fehlender empirischer Daten. [5] So wird von keiner Studie nachgewiesen oder widerlegt, dass bei einem hohen Grundeinkommen der Leistungsgedanke nicht untergraben würde, mit der Folge eines Rückgangs der Gesamtproduktion.
Rechtslage in Deutschland
Nach heutiger Rechtslage besteht in der Bundesrepublik kein unbedingter gesetzlicher Anspruch auf ein Existenzminimum bzw. ein Grundeinkommen. Besondere verfassungsrechtliche Bedeutung bekommt hier die Selbsthilfekonzeption der Sozialhilfe (§§ 1, 2 BSHG). In ihrer Ausrichtung als „Hilfe zur Selbsthilfe“ und dem Prinzip des „Vorrang(s) der Selbsthilfe“ schließt die heutige Sozialgesetzgebung ein „Nicht-Arbeiten-Wollen“ von allen Existenz sichernden Ansprüchen an den Staat aus. Umgekehrt hat der Anspruchsteller die „Arbeitswilligkeit“ vielfältig zu erklären und glaubwürdig darzustellen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass der so genannte „Nachrang der Sozialhilfe“ (oder „Nachranggrundsatz“) zwischen materiellen Mitteln, welche der Bürger zuerst einzusetzen hat, und seiner/ihrer Arbeitskraft nicht unterscheidet.
Geschichte
Ein Grundeinkommen als unbedingter Rechtsanspruch für alle ist in keiner vormodernen Gesellschaft nachweisbar, nicht einmal als utopische Konzeption. Alle Unterschiede von Utopien wie Platons „Staat“, Thomas Morus „Utopia“, Francis Bacons „Neu-Atlantis“ oder der „Sonnenstaat“ von Tommaso Campanella, wie auch der verschiedensten Kloster-Bewegungen, den frühesten Enklaven des Gemeineigentums, finden ihre strikte Grenze in der allgemeinen Arbeitspflicht, wie sie in besonders in der protestantischen Arbeitsethik deutlich wird. Auch im Volksmund scheinen solche Ideen nur Gegenstand des Spotts gewesen zu sein, wie in den Lügen- und Narrengeschichten des Mittelalters. Wie das Volksmärchen das Gute mit Fleiß gleichstellt und das Böse mit Faulheit, so werden solche Versorgungs- oder Freiheits-Utopien lächerlich gemacht, denn für solche Narren: „ist das Schlaraffenland gerade das richtige Land. Jede Stunde Schlafen bringt dort ein Silberstück ein und jedes mal Gähnen ein Goldstück. Wer gern arbeitet, das Gute tut und das Böse lässt, der wird aus dem Schlaraffenland vertrieben. Aber wer nichts kann, nur schlafen, essen, trinken, tanzen und spielen, der wird zum Grafen ernannt. Und der Faulste wird König im Schlaraffenland.“
Hintergrund und Bezug solcher Morallehre muss aber eben eine verbreitete „plebejische Utopie“ gewesen sein, die es zu moralisch zu bekämpfen galt. Noch den Klassikern des Marxismus schwebte keine Grundsicherung vor. Ihre Vision einer kommunistischen Gesellschaftsordnung ging viel weiter auf den Umsturz aller bestehenden Verhältnisse, die einen neuen Menschen heranbilden sollte. Auch der Sozialist August Bebel schreibt: „Sobald die Gesellschaft im Besitz aller Arbeitsmittel sich befindet, wird die Arbeitspflicht aller Arbeitsfähigen, ohne Unterschied des Geschlechts Grundgesetz ... Die Gesellschaft kann ohne Arbeit nicht existieren. Sie hat also das Recht, zu fordern, dass jeder, der seine Bedürfnisse befriedigen will, auch nach Maßgabe seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten an der Herstellung der Gegenstände zur Befriedigung der Bedürfnisse aller tätig ist [...]
„Seht euch die Vögel des Himmels an, sie säen nicht, sie ernten nicht, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. [...] Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt.“ Neues Testament, Matth. 6, 25-26. Dem entspricht, auch im Kommunismus, die Verteilung der Güter „nach der Arbeitsleistung“ und „nicht nach den Bedürfnissen“, wie Lenin, unter Berufung auf Marx, ausdrücklich hervorhob. In der weiterentwickelten Utopie des Kommunismus soll mit der Beseitigung der „entfremdeten Arbeit“ zugleich das Problem der „Faulheit“ verschwunden sein.
Eine eher unscheinbare Strömung innerhalb der sozialistisch-kommunistischen Ideen des 19. Jahrhunderts, allen voran Paul Lafargue, stellt die uralte Frage nach der Gleichheit aller Bürger über die Besitzverhältnisse hinaus an die Arbeit selber. Nur wer „Das Recht auf Faulheit“ habe, kann gleich und frei sein. Damit wird von Lafargue die Forderung nach einer Grundsicherung als Rechtsanspruch im Namen der Freiheit für jeden und der Gleichheit zum ersten Mal ausdrücklich gestellt. Als solche geht sie weit über alle Modelle zur Armutsbekämpfung seit der Antike hinaus und braucht, im Unterschied zu den Klassikern des Marxismus-Leninismus, keinen besonderen Umsturz der Besitzverhältnisse. Nach dem Zusammenbruch der Staaten des Ostblocks um 1989 fand in Folge eine Renaissance der Ideen Lafargues statt.
Lafargue, erklärtermaßen weder Wissenschaftler noch Ökonom, spekulierte als Laie über eine Selbstfinanzierung seiner Vorstellungen. Danach wird eine „erlöste Bourgeoisie ... nämlich schleunigst die Menge von Soldaten, Beamten, Dienern, Kupplern usw., die sie der nützlichen Arbeit entzogen hatte, freigeben. Infolgedessen wird der Arbeitsmarkt so überfüllt sein, dass man ein eisernes Gesetz haben muss, das die Arbeit verbietet; ... Wenn keine Lakaien und Generäle mehr geschmückt, keine verheirateten oder unverheirateten Prostituierten mehr in Spitzen gehüllt, keine Kanonen mehr gegossen und keine Paläste mehr eingerichtet werden müssen, dann wird man mittels drakonischer Gesetze die Schnick-Schnack-, Spitzen-, Eisen-, Bau- Arbeiter und -Arbeiterinnen zu gesundem Wassersport und Tanzübungen anhalten, um ihr Wohlbefinden wieder herzustellen und die menschliche Art zu verbessern.“
Der Philosoph Bertrand Russell griff Lafargues Gedanken in seinem Essay Lob des Müßiggangs wieder auf und plädierte für ein Grundeinkommen.
Ausformuliert wurde ein Konzept eines garantierten Grundeinkommens bereits 1848 von Joseph Carlier („Solution of the Social Question“, Brüssel 1848) und Josef Popper-Lynkeus („Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“, Leipzig 1912). In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.
In den USA existiert seit 1975 eine negative Einkommensteuer Earned Income Tax Credit, welche dort inzwischen zum größten Transferprogramm ausgeweitet wurde. Sie ist allerdings an eine Erwerbstätigkeit eines Familienmitgliedes gebunden, also kein Grundeinkommen. In Großbritannien generiert die negative Einkommensteuer ein zusätzliches Einkommen von bis zu 6150 €/Jahr. Sie ist ebenfalls an eine Erwerbstätigkeit gebunden, also auch kein Grundeinkommen.
Prominente Vertreter/innen der aktuellen Diskussion
Es finden sich in Deutschland im Zuge der Reform-Debatte Fürsprecher/innen aus Politik, sozialen Bewegungen, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Seit 1982 forderte in Deutschland die unabhängige Erwerbslosenbewegung ein als Existenzgeld bezeichnetes bedingungsloses Grundeinkommen.[6]
Das Basic Income European Network (BIEN) wurde 1986 zur Verbreitung und wissenschaftlichen Diskussion des Grundeinkommens gegründet. Es heißt inzwischen Basic Income Earth Network. [7]
Im Oktober 2002 wurde das Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt in Österreich gegründet. [8]
Die Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung [9] streitet seit Dezember 2003 öffentlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen. [10].
Das deutsche Netzwerk Grundeinkommen [11] (gegründet im Juli 2004) bietet Vertreter(inne)n der sozialen Bewegungen, Wissenschaftlern und Künstlern eine Plattform zur Diskussion, Popularisierung und Umsetzung der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens.
Der dm-Gründer Götz Werner trat verstärkt im Frühjahr 2005 an die Öffentlichkeit. Im Oktober 2005 hat er die Medienkampagne Unternimm die Zukunft für ein bedingungsloses Grundeinkommen mit einer halbseitigen Zeitungsanzeige in namhaften deutschen Tageszeitungen gestartet. Neben der Zusammenlegung aller Sozialleistungen sieht sein Konzept eine schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Langfristig sollen Einkommens- und Unternehmenssteuern vollständig durch Konsumsteuern ersetzt werden.
Der Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts Thomas Straubhaar befürwortet von Seiten der Wirtschaftswissenschaft das bedingungslose Grundeinkommen, um den aktuellen Anforderungen an eine flexible Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Allerdings ist in seinen Ausführungen nicht deutlich, ob er einen zu hohen Betrag des Grundeinkommens für einen Fehlanreiz hinsichtlich der Bereitschaft, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen, hält. Auch strebt er eine Erhöhung von Beschäftigung an.
Bundespräsident Horst Köhler sprach am Jahresende 2005 von einer „Art Grundeinkommen“ nach amerikanischem Vorbild (Negativsteuer nur für Erwerbstätige und befristete Sozialhilfe für Erwerbslose) und vom aus seiner Sicht möglichen Missbrauch dieses Einkommens. Ein bedingungsloses Grundeinkommen allerdings forderte er nicht. [12]
Der Philosoph Philippe Van Parijs, Begründer von BIEN, arbeitet u. a. zum Thema Grundeinkommen und hat dazu einige Publikationen veröffentlicht, insbesondere Arguing for Basic Income. Ethical Foundations for a Radical Reform (Lit.: Van Parijs, 1992). Er war Sekretär des Basic Income Earth Network.
Eine weitere Vertreterin ist Katja Kipping (Linkspartei) als eine Sprecherin des Netzwerk Grundeinkommen. Eine Bundesarbeitsgemeinschaft in und bei der Linkspartei hat inzwischen eine Grundeinkommenskonzeption vorgelegt [13]. Sie sieht allerdings eine Verbindung von bedingungslosem Grundeinkommen, Mindestlohn und allgemeiner Arbeitszeitverkürzung als Trias vor.
Ebenso gibt es bei den Bündnis 90/Die Grünen eine Gruppierung, die sich für das Grundeinkommen einsetzt. Die Grüne Jugend hat die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen in ihr Programm aufgenommen. [14]
Die FDP setzt sich für ein so genanntes "liberales" Bürgergeld ein, was allerdings mit einer Arbeitsverpflichtung verbunden, also kein Grundeinkommen ist. [15]
In der CDU setzt sich Thüringens Ministerpräsident Althaus für ein bedingungsloses Grundeinkommen (von ihm „solidarisches Bürgergeld“ genannt) ein [16][17] [18]. CDU-Generalsekretär Pofalla signalisierte Unterstützung für Althaus-Konzept [19] [20]. Auch Kurt Biedenkopf meint zum Grundeinkommen, "in diese Richtung sollten wir weiterdenken"; es bedingungslos auch an erwerbsfähige Erwachsene auszuzahlen, fordert er gleichwohl nicht [21]. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus erhält UMU-Mittelstandspreis u. a. wegen seinem Engagement für ein Bürgergeld [22].
Die Parteien Die Violetten und APPD sprechen sich in ihrem Programm für das Grundeinkommen aus.
Auch im Netzwerk attac gibt es eine starke Unterstützung der Idee, die hier insbesondere auch von Werner Rätz vertreten wird[23].
Der Deutsche Bundesjugendring befürwortet ebenfalls ein bedingungsloses Grundeinkommen [24].
In den Sozialwissenschaften gehört der Frankfurter Soziologe Ulrich Oevermann zu den profilierten Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens. Er hat bereits 1983 eine detaillierte Analyse der Krisenkonstellation geliefert, die für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens spricht. Auch Claus Offe (Hertie School of Governance, Berlin) spricht sich mittlerweile eindeutig für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus (Siehe Nachwort zu Vanderborght/ Van Parijs).
Zitate
„Wir leben heute in einem Einkaufsparadies, das heißt, unsere Fähigkeit, Güter und Dienstleistungen hervorzubringen, ist größer als die Bedürfnisse der Menschen. (...) Die Produktivität hat die Bedürfnisentwicklung längst überholt, wir haben gesättigte Märkte, und wir brauchen immer weniger Menschen, um dieses Übermaß an Gütern zu produzieren. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns vom Zwang der Arbeit befreien können. (...) Wenn aber die Menschen nicht mehr arbeiten müssen, weil Maschinen das zu einem immer größeren Teil erledigen - dann müssen wir sie eben mit Einkommen versorgen.“
(Götz Werner in brand eins, März 2005, [25])
„Seit 15 Jahren diskutiert man verschiedene Modelle. Das radikalste stammt von dem französischen Denker André Gorz: Er spricht von einem »bedingungslosen Grundeinkommen« für alle Bürgerinnen und Bürger. Doch sein Ansatz erfordert harte Umverteilungsmaßnahmen, die in einer parlamentarischen Demokratie sehr schwer durchsetzbar wären.“
(Peter Glotz, SPD-Politiker und ehemaliger Professor an der Universität St. Gallen, in Brückenbauer Nr. 28, 11. Juli 2000)
„Die Folge wäre, dass am Arbeitsmarkt der Kern aller Freiheit, nämlich die Freiheit Nein zu sagen, zur Geltung gebracht würde.“
(Claus Offe, Sozialwissenschaftler)
„Wir müssen ... überlegen, wie wir einen sozialen Fußboden einziehen, der klare und verbindliche Grundlagen schafft. Das müssen wir, weil wir kein Interesse daran haben können, dass sich das untere Drittel der Gesellschaft mit den restlichen zwei Dritteln in die Haare gerät. Der Fußboden heißt übrigens staatliches Grundeinkommen. Es dient dazu, dass der Gutverdienende und Kapitalist in Ruhe seine Arbeit machen kann.“[26]
(Thomas Straubhaar, Ökonom)
Siehe auch
- Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
- Bürgergeld
- Negative Einkommensteuer
- Arbeitsethik
- Arbeitskult
- Überflussgesellschaft
- Speenhamland-Gesetz
Literatur
- BAG der Sozialhilfeinitiativen (Hrsg.): Existenzgeld für alle. Antworten auf die Krise des Sozialen. Neu-Um 2000, ISBN 3930830140.
- Zygmunt Bauman: Die Krise der Politik. Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit. Hamburg 2000, ISBN 3930908603.
- Herwig Büchele, Lieselotte Wohlgenannt: Grundeinkommen ohne Arbeit. Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft. Wien, München, Zürich 1985, ISBN 320350898.
- Ronald Blaschke: Garantiertes Grundeinkommen. Entwürfe und Begründungen aus den letzten 20 Jahren. Frage- und Problemstellungen. Dresden 2004 Blaschke Garantiertes Grundeinkommen
- Ronald Blaschke: Garantierte Mindesteinkommen. Modelle von Grundsicherungen und Grundeinkommen im Vergleich. Meißen/Dresden 2005 Blaschke Synopse
- Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit. Für ein radikale Neugestaltung der Gesellschaft. Berlin 2005, ISBN 3351025904.
- Manfred Füllsack: Leben ohne zu arbeiten? Zur Sozialtheorie des Grundeinkommens. Berlin 2002, ISBN 3930064073.
- Axel Gerntke, Werner Rätz, Claus Schäfer u. a. (Hrsg.): Einkommen zum Auskommen. Von bedingungslosen Grundeinkommen, gesetzlichen Mindestlöhnen und anderen Verteilungsfragen. Hamburg 2004, ISBN 3899651103.
- André Gorz: Wege ins Paradies. Berlin 1983. ISBN 3880222797.
- André Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie. Frankfurt/Main 2000, ISBN 3518410172.
- André Gorz: Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. Zürich 2004, ISBN 3858692824.
- Michael Hardt, Antono Negri: Empire. Die neue Weltordnung. Frankfurt am Main 2003, ISBN 3593372304.
- Bruno Kaltenborn: Modelle der Grundsicherung. Ein systematischer Vergleich. Baden-Baden: Nomos-Ver.-Ges. 1995, ISBN 3-7890-3960-8.
- Hans Peter Krebs, Harald Rein (Hrsg.): Existenzgeld. Kontroversen und Positionen. Münster 2000. ISBN 3896914758.
- Daniel Kreutz, "Bedingungsloses Grundeinkommen. Verwirrung, Fallen und Legenden", in: Sozialismus, 10/2005 und 2/2006. Siehe auch [3] [4].
- Tobias Lorenz: Bedingungsloses Grundeinkommen und Agent-Based Computational Economics – Eine Synthese, 2005 (Studienpreis der Körberstiftung)
- Julia Müller und Joachim Bischoff: Allgemeines Grundeinkommen. Fundament für soziale Sicherheit?, Hamburg: VSA-Verlag 2006, ISBN 3-89965-186-3.
- Helmut Pelzer: Bürgergeld. Rechenmodell zur aufkommensneutralen Finanzierung eines allgemeinen Grundeinkommens, Stuttgart: Stöffler & Schütz 1994.
- Ulrich Oevermann: Kann Arbeitsleistung weiterhin als basales Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit dienen?. Internetpublikation der Universitätsbibliothek Frankfurt, Frankfurt/M. 1983, [5]
- Ulrich Oevermann: Die Krise der Arbeitsgesellschaft und das Bewährungsproblem des modernen Subjekts. In: Becker, Roland; Andreas Franzmann; Axel Jansen & Sascha Liebermann (Hg.). Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung. Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland. UVK, Frankfurt 2001, S. 19-38.
- Michael Opielka: Die Idee einer Grundeinkommensversicherung: Analytische und politische Erträge eines erweiterten Konzepts der Bürgerversicherung. In: Strengmann-Kuhn, Wolfgang (Hrsg.): Das Prinzip Bürgerversicherung. Die Zukunft im Sozialstaat. Wiesbaden 2005, ISBN 3531145096
- Michael Opielka und Georg Vobruba (Hrsg.): Das garantierte Grundeinkommen. Entwicklung und Perspektiven einer Forderung. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch-Verlag 1986, ISBN 359624109X.
- Werner Rätz, Dagmar Paternoga, Werner Steinbach: Grundeinkommen bedingungslos. Hamburg 2005, ISBN 3899651413.
- Rainer Roth, Zur Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens, Frankfurt/M.: DVS, ISBN 3932246527.
- Rainer Roth, Zur Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), Frankfurt/M., Feb. 2006, Internet [6].
- Thomas Schmid (Hrsg.): Befreiung von falscher Arbeit. Thesen zum garantierten Mindesteinkommen. Berlin 1984, ISBN 3803121094.
- Philippe Van Parijs (Hrsg): Arguing for Basic Income. Ethical foundations for a radical reform. Verso, London, New York 1992, ISBN 0860913716.
- Yannick Vanderborght, Philippe Van Parijs: Ein Grundeinkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags. Campus Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3593378892.
- Ralf Welter (KAB Aachen): Solidarische Marktwirtschaft durch Grundeinkommen. Konzeption für ein nachhaltige Sozialpolitik. Aachen 2003, ISBN 3832216707.
- Götz Werner (Hrsg.): Ein Grund für die Zukunft - Das Grundeinkommen. Interviews und Reaktionen. Stuttgart 2006, ISBN 3-7725-1789-7.
- Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele: Den öko-sozialen Umbau beginnen. Grundeinkommen, Wien: Europaverlag 1990, ISBN 3-203-51101-0.
Weblinks
- Netzwerk Grundeinkommen: www.grundeinkommen.de
- archiv-grundeinkommen.de
- bedingungsloses-grundeinkommen.de Podiumsdiskussion mit Oevermann, Vobruba, Van Parijs, Werner an der Uni Frankfurt
- Das neue Bürgergeld Finanzierbarkeit, Aufklärung, Artikel, Foren, Geldbewegungssteuer
- Auswirkungen der Einfuehrung eines Buergergeldes - Neue Berechnungen des DIW
- Bedingungsloses Grundeinkommen, Lösung für die Krise der Erwerbsarbeitsgesellschaft? Telepolis, 28. Oktober 2005
- Freiheit statt Vollbeschaeftigung
- "Konsum ist bessere Geldquelle", taz-Interview mit Götz Werner
Quellen
- ↑ unternimm-die-zukunft.de
- ↑ Rainer Roth, Zur Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), Frankfurt/M., Feb. 2006, Internet [1].
- ↑ Rainer Roth, Zur Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens, Klartext e.V., Frankfurt/M.
- ↑ Daniel Kreutz, "Bedingungsloses Grundeinkommen. Verwirrung, Fallen und Legenden" (Teil 2), in: Sozialismus, 2/2006. Siehe auch [2]
- ↑ „Dynamic Effects of a Basic Income“ (Kapitel 6.4)
- ↑ die unabhängige Erwerbslosenbewegung
- ↑ Basic Income Earth Network
- ↑ grundeinkommen.at
- ↑ Freiheit statt Vollbeschäftigung
- ↑ Freiheit statt Vollbeschäftigung
- ↑ Netzwerk Grundeinkommen (Deutschland)
- ↑ Stern: Interview mit Horst Köhler
- ↑ Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Linkspartei
- ↑ Grüne Jugend Bundesverband: das bedingungslose Grundeinkommen
- ↑ FDP: Das Liberale Bürgergeld
- ↑ tagesspiegel.de: Thüringens Ministerpräsident will dasselbe wie Politiker der Linkspartei: ein Bürgergeld für alle.
- ↑ wikinews: Bürgergeld für alle fordert Thüringens Ministerpräsident Althaus (CDU)
- ↑ d-althaus.de: Das Solidarische Bürgergeld
- ↑ wikinews: CDU-Generalsekretär Pofalla signalisiert Unterstützung für das Bürgergeld-Konzept von Althaus
- ↑ d-althaus.de: Bürgergeld: Bundes-CDU unterstützt Althaus
- ↑ Rheinischer Merkur: Autor Kurt Biedenkopf: STREITFALL GRUNDEINKOMMEN. In diese Richtung sollten wir weiterdenken.
- ↑ presseportal.de: "Der thüringische Ministerpräsident sei ein Vordenker, sein Engagement beispielsweise für ein Bürgergeld und eine grundlegende Neuorientierung und Vereinfachung unserer sozialen Sicherungssysteme, belege seinen Mut neue Wege zu gehen."
- ↑ attac.de: Grundeinkommen
- ↑ Bundesjugendring: Grundeinkommen für alle, 3.12.2004
- ↑ brandeins.de: Interview mit Götz Werner
- ↑ brandeins.de: Interview mit Thomas Straubhaar. 7/2005