Schienenverkehr in der Schweiz
Der Schienenverkehr bildet in der Schweiz das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Die Schweiz hat ein dichtes Eisenbahnnetz mit einem vergleichsweise sehr guten Angebot, das auch gut genutzt wird. Zusammen mit den touristisch attraktiven Alpenbahnen trägt dies zum Image als Bahnland bei.
Bahnnetz
Das schweizerische Eisenbahnnetz hat eine Länge von 5'035 km (Stand 2004). Es ist bis auf wenige Kilometer vollständig elektrifiziert. Das Eisenbahnnetz gliedert sich wie folgt:
Nach dem schweizerischen Eisenbahngesetz gelten alle Schienenverkehrsmittel einschliesslich Bergbahnen und Trams als Eisenbahnen. Das Bahnnetz ist in Haupt- und Nebenbahnen unterteilt. Zu den Hauptbahnen zählen alle normalspurigen Bahnen, die dem Durchgangsverkehr dienen. Die S-Bahnen verkehren auf dem normalen Eisenbahnnetz, sowohl auf Normalspur als auch Schmalspur.
59 km der Eisenbahnlinien in der Schweiz sind im Besitz von ausländischen Bahnen, wobei die Hochrheinstrecke der Deutschen Bahn den grössten Teil ausmacht.
Anders als in anderen Ländern gibt es kein konkurrenzierendes Busnetz zu den Hauptstrecken der Eisenbahn. Das öffentliche Bahn- und Busnetz sind so gestaltet, dass sie sich ergänzen. An den Bahnhöfen werden auch gegenseitig Anschlüsse zwischen Bus und Bahn abgewartet.
Normalspurbahnen
Vom schweizerischen Eisenbahnnetz sind 3'610 km – also gut zwei Drittel – normalspurig ausgeführt; davon sind 1'747 km mehrgleisig gebaut (Stand 2004, Quelle: BfS). Das Eisenbahnnetz stammt zum grössten Teil aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Fast alle Hauptbahnen sind in der Hand der SBB, mit Ausnahme einiger Strecken der BLS und SOB.

Die wichtigsten Hauptverbindungen sind die West-Ost-Verbindung von Genf über Lausanne, Bern und Zürich zum Bodensee und die parallel dazu verlaufende Jurafusslinie, die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Gotthardbahn und die Lötschberg-Simplon-Achse. Die beiden Alpentransversalen sind auch international von Bedeutung, da sie auf dem Weg von den Nordseehäfen nach Italien liegen. Sie werden bis voraussichtlich 2015 durch die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) mit neuen Basistunneln ergänzt und teilweise ersetzt.
Im nationalen Verkehr am bedeutendsten ist das Dreieck Basel-Bern-Zürich, in der Westschweiz die Linie dem Genfersee entlang zwischen Genf und Lausanne. Wichtigster Eisenbahnknoten ist Olten, wo sich die Ost-West- und die Nord-Süd-Linien kreuzen.
Wegen der topographischen Verhältnisse sind die meisten Eisenbahnstrecken kurvig angelegt und können entsprechend nur mit vergleichweise niedrigen Geschwindigkeiten befahren werden. Eigentliche Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es in der Schweiz keine. Die Neubaustrecke der Bahn 2000 zwischen Bern und Olten ist für immerhin 200 km/h ausgelegt. In den Tunnels der NEAT sollen mit 250 km/h befahren werden. Sie sollen an die Hochgeschwindigkeitsnetze der Nachbarländer angeschlossen werden.
Schmalspurbahnen

Die Schmalspurbahnen sind aus der Schweiz nicht wegzudenken. Vor allem in den bergigen Regionen der Alpen, Voralpen und des Jura wurden aus Kostengründen umfangreiche Schmalspurstrecken gebaut. Sämtliche Schmalspurlinien gelten als Nebenbahnen. Vom 1'392 km langen Schmalspurnetz sind nur gerade 45 km mehrspurig ausgeführt. Die überwiegende Mehrheit der Schmalspurbahnen verwendet Meterspur, als Sonderspur verwendet werden auch die Spurweiten 800 mm (z.B. Wengernalpbahn), 1200 mm (Bergbahn Rheineck-Walzenhausen) und 750 mm (Waldenburgerbahn).
Das grösste zusammenhängende Schmalspur-Netz der Schweiz ist jenes der Rhätischen Bahn und der Matterhorn-Gotthard-Bahn. Diese beiden Bahnen betreiben zusammen den Glacier-Express, der zwischen den Kurorten St. Moritz und Zermatt verkehrt. Die Albula- und Berninabahn der RhB nach Tirana in Norditalien bildet eine dritte Eisenbahnalpenquerung in der Schweiz neben den normalspurigen Strecken durch Gotthard und Simplon.
Trambahnen
Nach dem Höhepunkt der Trams und anschliessenden Niedergang im zwanzigsten Jahrhundert blieben in der Schweiz vier Tramstädte übrig: Basel, Bern, Genf und Zürich. Daneben gibt es Vororts- und Überlandlinien, die streckenweise als Strassenbahnen verkehren. Der Übergang zwischen Tram und "richtiger" Eisenbahn ist fliessend. Weil in der Schweiz kein rechtlicher Unterschied besteht, ist eine Abgrenzung nicht nötig. Die Tramnetze in den Städten und Agglomerationen verwenden alle die Meterspur.
Seilbahnen
Auch die Standseilbahnen gehören zum Schienenverkehr der Schweiz. Sie dienen hauptsächlich dem Tourismus, und sind bezüglich Fahrplan und Tarif nur teilweise in die nationalen Angebote integriert. Rechtlich gesehen unterstehen die Seilbahnen (einschliesslich Luftseilbahnen) den selben Behörden wie die Eisenbahnen.
Siehe auch: Liste der Schweizer Standseilbahnen, Liste der Schweizer Luftseilbahnen
Gesellschaften
Schweizerische Bundesbahnen
Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) entstanden ab 1901 durch Verstaatlichung der wichtigsten damaligen Privatbahnen. Offizeles Gründungsdatum ist der 1. Januar 1902, aber es wurden gewisse Linien schon 1901 im staatlichen Auftrag ausgeführt. 1999 wurden sie in eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft umgewandelt. Die SBB AG ist vollständig in Bundesbesitz, heute aber den "Privatbahnen" rechtlich gleichgestellt.
Konzessionierte Verkehrsunternehmen
Neben der SBB existiert eine grosse Zahl von konzessionierten Verkehrsunternehmen (KVU), die man früher (und umgangssprachlich auch noch heute) als Privatbahnen bezeichnete. Zusammen betreiben sie einen grossen Teil des schweizerischen Eisenbahnnetzes. Dabei bezieht sich der Begriff "Privatbahn" mehr auf die Rechtsform als auf die Besitzverhältnisse, denn diese Bahnen sind seit langem zur Mehrheit in Besitz der Öffentlichkeit – Bund, Kantone und Gemeinden. So hält beispielsweise an der wichtigen BLS der Bund 21% des Aktienkapitals und der Kanton Bern mit 55% gar die Mehrheit, während Privatpersonen nur eine vernachlässigbare Minderheit der Aktien besitzen. Die Rhätische Bahn gehört zur Mehrheit dem Kanton Graubünden und wird deshalb auch als "Staatsbahn des Kantons Graubünden" bezeichnet.
Gleich wie die SBB kommen auch die konzessionierten Verkehrsunternehmen in Genuss von Finanzierung durch den Bund und die Kantone. Da sie jedoch eher Nebenstrecken in Randregionen bedienen, ist ihre finanzielle Situation angespannt.
Einige der wichtigeren KVU sind:
- BLS AG: Betreiber der Lötschberglinie und der S-Bahn Bern sowie einiger Linien im Berner Oberland
- Schweizerische Südostbahn: Betreiber des Voralpenexpress von St. Gallen nach Luzern
- Rhätische Bahn: Schmalspurnetz im Kanton Graubünden
- Matterhorn-Gotthard-Bahn: Schmalspurlinie von Zermatt über Andermatt nach Disentis, schliesst an die Rhätische Bahn an
- Montreux-Oberland Bernois-Bahn: Schmalspurlinie vom Genfersee ins Berner Oberland
- Zentralbahn: Brünigbahn und Engelbergbahn
Siehe auch: Liste der Schweizer Eisenbahnen
Fahrplan und Tarif
Der ganze öffentliche Verkehr in der Schweiz trägt die Merkmale von einem "Verkehrsverbund": ein abgestimmter, gemeinsam veröffentlichter Fahrplan (Kursbuch), Generalabonnement und Halbtax-Abo sind bei allen Unternehmen ausser Tourismusbahnen gültig.
Der Fahrplan der schweizerischen Bahnen wird nach folgenden Prinzipien gestaltet:
- Integraler Taktfahrplan; das Knotenprinzip von Bahn 2000 garantiert stündliche und halbstündliche Anschlüsse in allen wichtigen Knotenbahnhöfen des Landes
- Verknüpfung mit Tram und Bus
- Fahrplanverfahren unter Mitwirkung der Kantone mit öffentliche Auflage des Fahrplanentwurfs
Siehe auch: Liste der Schweizer Tarif- und Verkehrsverbünde
Verkehrsstatistik
Im internationalen Vergleich liegt daher die Schweiz bei den jährlich per Bahn zurückgelegten Personenkilometern zusammen mit Japan an der Spitze. Durchschnittlich unternimmt jede Schweizerin und jeder Schweizer 47 Bahnfahrten pro Jahr. Mit einer zurückgelegte Distanz pro Einwohner im Jahr 2004 liegt die Schweiz mit 1'739 Kilometern hinter Japan mit 1'897 Kilometern als weltweit führende Bahnfahrernation. Wobei hierbei zu beachten ist das in beiden Ländern nur die Mitglieder in der UIC, also die Staatsbahnen bzw. deren Nachfolger, bei dieser Auswerung berücksichtigt werden. Und da es in beiden Länder eine hohen Anteil an Privatbahnen hat sind die effektiven Werte, in beiden Läder deutlich höher, allerdings sind die Statitiken die dies berücksichtigen, nicht vergleichbar.
2000 | 2004 | ||
---|---|---|---|
davon SBB | |||
Netz (km) | 5'062 | 5'024 | 3'034 |
Personenkilometer (Mio. Pkm) | 12'620 | 14'914 | 12'565 |
Tonnenkilometer (Mio. tkm) | 11'080 | 11'489 | 10'117 |
Geschichte
Siehe Hauptartikel: Geschichte der Schweizer Eisenbahn
Politik
Die gegenwärtige Verkehrspolitik der Schweiz steht dem Schienenverkehr grundsätzlich positiv gegenüber. Stichworte aus der aktuellen Politik sind:
- Verlagerungspolitik
- Bahnreform
- Freier Netzzugang mit der EU
- Finanzierung des öffentlichen Verkehrs (FinöV)
- Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), ZEB
Siehe auch: Kategorie:Verkehrspolitik (Schweiz), Liste der Schweizer Eisenbahnprojekte
Behörden
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) ist Aufsichtsbehörde über alle Schienenverkehrsmittel.
Rechtsgrundlagen des Schienenverkehrs
Siehe: systematische Sammlung des Bundesrechts, Eisenbahnen [1]
Technik, Normen
Baureihenbezeichnungen für Fahrzeuge
Siehe: Bauartbezeichnungen der Schweizer Lokomotiven und Triebwagen
Stromsystem
Die Normalspurbahnen der Schweiz sind mit 15 kV, 16,7 Hz. elektrifiziert. Obwohl Spannung und Frequenz übereinstimmen, sind Lokomotivdurchläufe von und nach Deutschland und Österreich wegen dem unterschiedlichen Lichtraumprofil nicht ohne weiteres möglich. Die Wippenbreite der Stromabnehmer ist in der Schweiz mit 1490 mm deutlich schmaler als in den beiden Nachbarländern.
Bei den Meterspurbahnen gibt es verschiedene Stromsysteme. Die RhB und MGB verwenden 11 kV, 16,7 Hz. und sind mit dem Bahnstromnetz der Normalspurbahnen verbunden. Neben dem Einphasenwechselstrom von 16,7 Hz, bevorzugen die Schmalspurbahnen Gleichstrom in den Spannungen von 480V bis 2200V (FS 3000V). Die Gornergratbahn und Jungfraubahn besitzen eine Drehstromversorgung.
Zugsicherung

Die SBB führten schon 1933 auf ihrem ganzen Netz die Signum-Zugsicherung ein. Es war die weltweit erste berührungsfreie Zugsicherung, das sich durch Einfachheit und Robustheit auszeichnet. Dieses System genügt jedoch dem heute herrschenden dichten Verkehr in vielen Orten nicht mehr. Deshalb wurde es ab den neunziger Jahren an Gefahrenpunkten durch das modernere System ZUB 121 ergänzt. In Zukunft soll das europäische ETCS zum Einsatz kommen. Es wird vorerst auf der Neubaustrecke von Bahn 2000 und in der NEAT eingebaut. Später soll es netzweit eingesetzt werden.
Industrie
Lange Zeit waren die schweizerischen Lokomotiven – und mit ihnen die einheimische Rollmaterialindustrie – ein Teil des Nationalstolzes. So war die Landi-Lok als damals stärkste Lokomotive der Welt (obwohl sie wirtschaftlich ein Flop war) ein Symbol der geistigen Landesverteidigung gegen den Nationalsozialismus und Faschismus. In der Blütezeit exportierten die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik und die Maschinenfabrik Oerlikon ihre Erzeugnisse in die ganze Welt.
Mit dem Konkurrenzdruck aus dem Osten und fortschreitender Globalisierung stieg der Druck zu Fusionierungen mit internationalen Konzernen. Die Produktionsstandorte in der Schweiz wurden stillgelegt. Als einziger einheimischer Hersteller von Schienenfahrzeugen blieb die kleine Stadler Rail erhalten, die sich in Nischenmärkten behaupten konnte.
Bei den Stellwerken war die Schweiz lange abhängig von der deutschen Industrie, die ihre Produkte über die Signum AG in Wallisellen vertrieb. Mit der ersten induktiven Zugsicherung gelang dieser Firma 1933 ein erster grosser Erfolg und internationale Anerkennung. Die Integra-Signum AG lieferte Stellwerke für die Mehrheit der schweizer Bahnhöfe, bis sie in den neunziger Jahren von Siemens übernommen wurde, nachdem ihr die Entwicklung eines elektronischen Stellwerks nicht gelungen war.
Siehe auch
- Transport in der Schweiz, Liste von Eisenbahnstrecken in der Schweiz, Liste der Schweizer Eisenbahnen
- Bahn (Verkehr), Eisenbahn, Öffentlicher Verkehr