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Wahhabiten

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Als Wahhabiten (bzw. auch Salafiyya) werden die Anhänger der Wahhabiya, einer sehr konservativen und dogmatischen Richtung des sunnitischen Islams hanbalitischer Richtung bezeichnet. Diese Bewegung geht, wie der Name nahelegt, auf Muhammad ibn Abd al-Wahhab (1703-1792) zurück. Die Wahhabiten betrachten Ibn Abd al-Wahhab jedoch nicht als Gründergestalt, sondern als wichtige Autorität in der Auslegung der ursprünglichen Lehre des Islam. Die Anhänger Ibn Abd al-Wahhabs nehmen für sich in Anspruch, die islamische Lehre authentisch zu vertreten (siehe Kitab at-tauhid).

Die Begriffe Wahhabiya bzw. Wahhabiten sind deshalb keine Selbstbezeichnung, sondern Kampfbegriffe ihrer Gegner, oder sie dienen der Einordnung der Bewegung aus der Sicht Außenstehender. Sie selbst bezeichnen sich (ultimativ) als Muslime - in dem Verständnis, den Islam schlechthin zu repräsentieren - oder mit Synonymen von ähnlich allgemeinem Anspruch (ahl as sunna, muwahhidun).

Die Anhänger der Theologie Ibn Abd al-Wahhabs sehen sich innerhalb der muslimischen Gemeinschaft von vielen Seiten dem Vorwurf ausgesetzt, gegenüber anderen Auffassungen der islamischen Lehre äußerst intolerant zu sein und ihr eigenes Verständnis des Islam mit Gewalt gegen andere Muslime durchzusetzen. Anhänger der Bewegung sehen darin dagegen den legitimen Kampf (Dschihad) gegen Ungläubige, die nur dem Namen nach Muslime seien, und gegen Abtrünnige vom Islam. Betroffen hiervon sind die Schiiten, Sufis, Aleviten, Ahmadiyya, Drusen , Jesiden, und die Baha'i.

Der Wahhabismus lehnt den Sufismus und die islamische Philosophie, die ihnen vom alten (heidnischen) Griechenland beeinflusst und damit als verunreinigt gilt, in jeder Form ab.

Die meisten Wahhabiten gibt es in Saudi-Arabien. Sie stellen dort mit 73% der Bevölkerung die größte religiöse Gruppe dar und ihre Lehre ist im wesentlichen Staatsreligion.

Ursprung und Lehre

Muhammad b. Abd al-Wahhab stammte aus der Oasenstadt Uyaina im Nadschd. Er studierte unter anderem in Bagdad. Im Gegensatz zu anderen islamischen Gruppen lehnte Ibn Abd al-Wahhab es ab, die Aussagen des islamischen Rechts, die aus dem Koran und der Überlieferung vom Lebenswandel des Propheten (Hadith) ableitbar waren, fortzuentwickeln und mit Hilfe von Analogieschlüssen veränderten Zeiten und Umständen anzupassen. Die möglichst wortgetreue Umsetzung der islamischen Quellen hatte für ihn Vorrang vor der Frage nach der zugrundeliegenden Absicht (niya) der Rechtssätze, die Spielraum für zeitgemäße Veränderungen des Rechts gegeben hätte.

Ibn Abd al-Wahhab fasste seine Lehren im Buch der Einzigartigkeit (Gottes) (arabisch kitab at-tauhid) zusammen, das den tauhid - das Bekenntnis, dass es nur einen Gott gibt und nichts und niemand ihm gleichkommt - in den Mittelpunkt der Lehre stellte. Die Anrufung von Heiligen als Mittlergestalten zwischen Gott und den Menschen lehnte Ibn Abd al-Wahhab scharf ab, da es dem Prinzip der absoluten Einzigartikeit und Erhabenheit Gottes zuwiderlaufe und ein nicht auf Gott, sondern auf Menschen gerichteter Kult sei. Ehrbezeugungen an Heiligengräbern und volkstümliche Praktiken wie das Schreiben von Wunschzetteln und ihr Anhängen an Bäumen galten Ibn Abd al-Wahhab als Unglaube und Heidentum (kufr).

Die Wahhabiten stellen die Dogmatik (aqida) in den Mittelpunkt ihrer Lehre und nicht das islamische Recht (fiqh) wie andere extrem konservative Richtungen des Islams. Laut Wahabitischer Lehre ist nicht nur alles verboten, was laut Koran oder anderer Überlieferungen verboten ist, sondern auch jede Handlung oder Situation, die zu einer solchen verbotenen Tat führen könnte. In diesem Jahrhundert waren außerdem lange Zeit Musik und Fernsehen verboten, da sie einen schlechten Einfluss darstellen könnten.

Die Anhänger der Lehre Ibn Abd al-Wahhabs betrachten sich selbst nicht als eine Strömung unter vielen, sondern als Muslime schlechthin. Als Wahhabiten - also als Sondergruppe, die nach ihrem "Gründer" benannt ist - werden sie nur von ihren Gegnern bezeichnet. Sie selbst sprechen von sich als muwahhidun - als Bekenner des tauhid, der Einzigartigkeit Gottes - oder einfach als Muslime. Glaubensauffassungen, die mit den ihren nicht vereinbar sind, erscheinen ihnen deshalb schnell als unislamisch, was ihnen in der Gesamtheit der muslimischen Gemeinschaft den Ruf der Intoleranz und des sektiererischen Fanantismus eingebracht hat.

In der Tat ist der bewaffnete und offensive Dschihad ein wichtiges Element der wahhabitischen Lehre. Die enge Auslegung dessen, was als islamisch gelten darf, traf am härtesten den Sufismus (die islamische Mystik) mit ihrer Heiligenverehrung und die Schia mit ihrer Verehrung der schiitischen Imame.

Die Wahhabiten versagen nicht nur anderen Muslimen die Anerkennung, sondern sie bekämpfen sie auch militärisch als Ungläubige (kafirun) oder Abtrünnige (murtaddun), die von der Lehre des Islam abgefallen sind - was nach islamischem Recht mit dem Tode zu bestrafen ist. So kam es z.B. 1802 nach der Einnahme Kerbalas durch die Wahhabiten zu einem Massaker an der schiitischen Bevölkerung; auch die Schreine der Stadt wurden zerstört. 1924 richteten Wahhabiten unter der Bevölkerung von Taif (im heutigen Saudi-Arabien) ein Blutbad an, da sie sie nicht als Muslime ansahen. Diese militante Haltung findet heute u.a. ihr Echo in den Verlautbarungen Abu Mus'ab az-Zarqawis und seinen Aufrufen zur rückhaltlosen Bekämpfung der schiitischen "Abtrünnigen" im Irak, mit denen sich eine blutige Welle von Anschlägen gegen zivile schiitische Ziele verbindet.

Entstehung und Zerfall des ersten Wahhabitenreichs

Muhammad ibn Abd al-Wahhab begann seine Missionierung 1731. 1740 begann er in Huraimala nahe Riad seine puritanischen Glaubenssätze zur Reinigung des Islam zu verkünden. Es gelang ihm, den Emir von Diraja, Muhammad ibn Saud, und dessen Sohn Abdulaziz für seine Lehren zu gewinnen. Die Saudis verfolgten das Ziel, die Einigung der Stämme Arabiens auf der Grundlage des wahhabitischen Glaubens unter ihrer Oberhoheit gewaltsam herbeizuführen. Der Puritanismus des wahhabitischen Glaubens entsprach der bescheidenen Lebensführung der einfachen Menschen in der kargen Landschaft Zentralarabiens, die die Verbreitung seiner Lehren unterstützten.

1744 kam es zum Abschluss eines Vertrages, nach dem sich Abd al-Wahhab die religiöse und Ibn Saud die militärische Führung im "Heiligen Krieg" der Wahhabiten teilten. Bis 1786 eroberten die Saudis den gesamten Nadschd und begründeten damit das erste Reich der Saud-Dynastie. Der Nadschd stand damals nur theoretisch unter osmanischer Oberherrschaft, tatsächlich hatten die Osmanen im Nadschd keinerlei Macht. Muhammad ibn Abd al-Wahhab gewann durch die Eroberungstätigkeit der al-Saud und durch Missionierung immer mehr Zulauf. Die Wahhabiten eroberten Mekka und Medina, um dann dort ihre Version des Islams durchzusetzen.

Dem Emir von Hedschas, Masud b. Said, gelang die Rückeroberung Mekkas und Medinas. Er trieb die Wahhabiten zurück in den Nadschd. Aber der Sieg war nur vorübergehend. Muhammad ibn Abd al-Wahhab erklärte eine Fatwa gegen die beiden Heiligen Moscheen, obwohl die Orte im Koran als "unantastbar" bezeichnet werden. Und wieder blockierten sie die Pilgerwege nach Mekka.

Bereits 1803 wurden sie wieder von den Prinzen Scharif Ghalib und Scharif Pascha vertrieben. Aber 1805 kehrten sie erneut zurück und eroberten Mekka und Medina. Dann setzten sie Prinz Mubarak bin Madya als Machthaber in Medina ein. Die Regentschaft über die beiden Heiligtümer dauerte sieben Jahre lang an. Sie hielten die Pilger aus Syrien und Ägypten davon ab, die Heiligtümer zu besuchen, da sie "Ungläubige" seien.

1811 sandte der osmanische Sultan den Herrscher von Ägypten, Muhammed Ali, der nominell ägyptischer Gouverneur der Osmanen war, aus, um die Wahhabiten zu bekämpfen und die beiden heiligen Stätten Mekka und Medina wieder unter die Oberherrschaft der Ägypter und damit der Osmanen bringen. Er eroberte erst Medina, danach Mekka und schließlich Ta’if. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit ließ Muhammed Ali eine Armee unter seinem Sohn Ibrahim Pascha 1816 nach Nadschd einmarschieren. Mit seinem Gegner Abdullah bin Saud, Prinz von Dariya, lieferte er sich viele Schlachten. 1818 wurde er endgültig besiegt.

Das zweite Reich der Wahhabiten

Trotz der Eroberung des Hedschas durch die Ägypter konnte die Dynastie der Al-Saud im Nadschd ab 1824 wieder ihre Herrschaft aufrichten und langsam wieder ausweiten. Als im Jahre 1865 Faisal, der damalige Herrscher aus dem Hause Saud, verstarb, folgte ihm sein Sohn Adallah, der jedoch 1871 von seinem Bruder Saud gestürzt wurde. Es folgte eine Zeit der Thronwirren, in der es der Herrscherfamilie der Raschid ab 1887 gelang, die Dynastie der Saud zu verdrängen. 1891 flüchteten die Saud aus dem Hedschas und fanden zunächst beim Beduinenstamm der Murra Zuflucht, später in Kuwait.

Das dritte Reich der Wahhabiten

1901 versuchte Abdul Aziz al-Saud, genannt Ibn Saud, die Herrschaft der al-Saud in Hedschas erneut zu errichten, was jedoch zuerst misslang. 1902 konnte er jedoch mit wenigen Dutzend Getreuen Riad erobern und von dort aus langsam den gesamten Nadschd unterwerfen. Wesentliche Hilfe waren ihm dabei die Ichwan. In den neu eroberten Gebieten wurden die Beduinen aufgefordert, ihr Vieh zu verkaufen und sich in festen Siedlungen niederzulassen, wo sie von Predigern der Wahhabiten unterwiesen wurden und die Einhaltung der religiösen Pflichten streng überwacht wurde. 1924 konnte Ibn Saud auch den Hedschas unterwerfen. 1932 vereinigte er die beiden Königreiche Hedschas und Nedschd zum Königreich Saudi-Arabien. Näheres zur weiteren Geschichte siehe dort.

Wahhabiten heute

Viele islamistische Organisationen, sowohl in islamisch dominierten Ländern als auch in Europa und Amerika, haben Verbindungen zum Wahhabitismus oder stehen ihm nahe. Trotz des puritanischen Alleinvertretungsanspruchs der Wahhabiten unterstützen sie aus taktischen Überlegungen andere fundamentalistische Strömungen des Sunnitischen Islam.

Zu nennen ist die der Salafiya und den Wahhabiten nahestehende Muslimbruderschaft in Ägypten, die von Saudi-Arabien als Gegengewicht zum säkularen Staat Gamal Abdel Nassers begünstigt wurde. Aus ihr gingen später unter anderem die Islamische Heilspartei und die Islamische Bewegung in Kurdistan sowie die Palästinenserorganisation Hamas als Nachfolgegruppierung des in den 40er Jahren entstandenen palästinensischen Ablegers hervor, der ebenfalls enge Kontakte zur saudischen Theokratie nachgesagt werden.

Die Bezeichnung „Wahhabiten“ wird in Russland, besonders auf dem Kaukasus, generell für islamische Fundamentalisten gebraucht, die – häufig aus dem arabischen Ausland kommend – einen von lokalen Bräuchen gereinigten Islam predigen. In der Zeit der Zerstörung und Orientierungslosigkeit nach dem Ersten Tschetschenienkrieg 1994-1996 gelang es ihnen, einige – besonders junge – Leute in Dagestan und Tschetschenien für sich zu gewinnen. Prominente Rebellenführer wie Schamil Bassajew schlossen sich den Wahhabiten an und sind verantwortlich für Aktionen wie die Geiselnahme von Beslan. Im Konflikt zwischen Aslan Alijewitsch Mashadow und Achmad Kadyrow ging es auch darum, wie man den Wahhabiten begegnen sollte. Rivalisierende Vertreter des Islam in Russland beschimpfen sich gegenseitig als "Wahhabiten".

Wahhabiten in Saudi-Arabien heute

In Saudi-Arabien ist die Lehre Ibn Abd al-Wahhabs Staatsdoktrin. Gleichzeitig fördert der saudische Staat wahhabitische Organisationen in allen Teilen der Welt.

Als Hochburgen der Wahhabiten im heutigen Saudi-Arabien gelten Riad und Buraida. Insbesondere in den südlichen Altstadtvierteln, die von armen Einwanderern aus Pakistan und Afghanistan dominiert werden, ist der Einfluss groß.

Eine der Eigenheiten des saudischen Systems, die sich aus der Erhebung der wahhabitischen Lehre zur Staatsdoktrin ergibt, sind die Mutawas, die Religionspolizei. Mutawas sind - neben der regulären Polizei - Wächter, die die Einhaltung sittlicher Normen in der Öffentlichkeit kontrollieren sollen. Ungewöhnlich ist ferner, dass während des Freitaggebetes die Predigt auf sehr laut gestellt wird, so dass das gesamte Umfeld der Moschee beschallt wird. Dabei ist antiwestliche Propaganda nicht selten. Die Wahhabiten unterstützen die Muslimbruderschaft.

Die dem Islam widersprechende Lebensweise einer Reihe von Mitgliedern des Saudischen Königshauses polarisiert die Gesellschaft. Kommentatoren halten einen religiös motivierten Staatsstreich durch fundamentalistische Geistliche für denkbar.

Bekannte (Salafi/Wahhabi) Gelehrte

Syrien

Saudi Arabien

Palästina

Ägypten

Albanien

Bekannte Wahhabiten

Literatur

  • Craig Craig: Öl, Macht und Terror. Piper, München 2005. ISBN 3-492-24457-2
  • Michael Heim: Der tote Scheich im Hause Saud. Die verhängnisvolle Geschichte des Wahhabismus. in: Blätter für deutsche und internationale Politik. Bonn 10.2004, 1262-1269. ISSN 0006-4416
  • Joseph Kostiner: The Making of Saudi Arabia. From Chieftaincy to Monarchical State. Oxford University Press, New York 1993. ISBN 0-19-507440-8
  • Alexei Vassiliev: The History of Saudi Arabia. University Press, New York 2000. ISBN 0-8147-8809-2
  • Encclopaedia Islamica
  • The Oxford Dictionary of Islam, Oxford University Press Inc, USA 2004.