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Zigeunerschnitzel

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Zigeunerschnitzel mit Pommes frites

Zigeunerschnitzel ist in der österreichischen und deutschen Küche ein Gericht aus kurzgebratenem Schnitzel vom Kalb mit einer Paprikasauce, das ursprünglich aus Ungarn stammt und zur gehobenen Küche der K. -und -K.-Monarchie gehörte.[1]

Zubereitung in der bürgerlichen Küche

Als Zigeunerschnitzel werden häufig neben dem klassischen panierten Kalbsschnitzel auch Schweineschnitzel mit Zigeunersauce oder Zigeunerrahmsauce angeboten. Klassische Sättigungsbeilagen sind Pommes frites, Nudeln oder Reis. In dieser Variante gehört zur Sauce kleingeschnittene Gemüsepaprika, die mit Champignons und Zwiebeln angereichert werden kann. Es folgen Tomatenmark oder auch Ketchup, Rotwein, Brühe und/oder Ajvar.[2]

Traditionelle Zubereitung in der gehobenen Küche

Zur traditionellen Zubereitung werden Schnitzel vom Kalb in Mehl gewendet, in Butter gebraten und warm gestellt. Für die Sauce wird der Bratensatz mit Weißwein abgelöscht. Feinstreifig geschnittene, gepökelte Kalbszunge, Kochschinken, frische, in Scheiben geschnittene Champignons sowie gehobelte Trüffeln werden dazugegeben und kurz gedünstet. Abschließend wird passierte Tomatensauce hinzugefügt und mit Rosenpaprika oder Cayennepfeffer abgeschmeckt.[3][4]

Begriff und Begriffskritik

Die Bezeichnung „Zigeuner“ erfährt im deutschen Sprachgebrauch zunehmende Ablehnung. Zumindest bis zur Jahrtausendwende hat diese Ablehnung der Verwendung des Begriffes der Verwendung als Wortbestandteil in Gastronomie wie Lebensmittelindustrie keinen Abbruch getan.[5] In der Verwendung des Begriffes wird in der Fachwelt ein unausgewiesener „Geschmack der Freiheit“ wie auch ein „Beigeschmack der Diskriminierung“ gesehen, im Gegensatz etwa zum „Negerkuss“ folgte aber keine umfassende Ächtung des Begriffs.[6][7] Als Alternativbezeichnung für das Gericht wurden bislang die Begriffe Paprikaschnitzel,[8] was in der kulinarischen Fachsprache aber bereits ein anderes Grundrezept bezeichnet, oder Balkanschnitzel[9] in die öffentliche Diskussion getragen.

Nachdem ein Forum der Sinti und Roma in Hannover die Hersteller von „Zigeunersoßen“ aufgefordert hatte, diese umzubenennen, weil der Begriff diskriminierend sei, entschied sich die Stadt Hannover im Spätsommer 2013, das Gericht künftig in ihren städtischen Kantinen nicht mehr unter der Bezeichnung Zigeunerschnitzel anzubieten,[10][11][12] sondern als „Schnitzel Balkan-Art“ oder „Schnitzel Budapester Art“.[13] Ein Jahr später nannte der Soziologe Wolfram Stender die zurückliegende öffentliche Berichterstattung „ein Lehrstück darüber, wie schäbig mit der Minderheit der Sinti und Roma auch heute noch umgegangen wird“.[14]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hannah Dingeldein, Eva Gredel: Diskurse des Alimentären: Essen und Trinken aus kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive. LIT Verlag Münster, 2017, ISBN 978-3-643-13562-9, S. 119 (google.de [abgerufen am 5. Juli 2020]).
  2. Siehe z. B.: [1].
  3. Herings Lexikon der Küche. 23. Auflage. Fachbuchverlag Pfannenberg, Haan-Gruiten 2001, ISBN 3-8057-0470-4.
  4. Erhard Gorys: Das neue Küchenlexikon. dtv, München 1994–2002, ISBN 3-423-36245-6.
  5. Rudolf Köster: Eigennamen im Deutschen Wortschatz. Ein Lexikon. Walter de Gruyter, Berlin 2003, S. 194.
  6. Dirk Gabler: Der Geschmack der Freiheit. Vom Igelbraten zum Zigeunerschnitzel. In: Wulf D. Hund (Hrsg.): Zigeunerbilder. Schnittmuster rassistischer Ideologie. Dissertation Duisburg 2000, S. 124–136, hier: S. 136.
  7. Christoph Hamann: „Zigeunerschnitzel“ und „Zigeunerstuben“. Die neue Online-Publikation „Deutsche Sinti und Roma“ für den Unterricht. In: Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.): Fachbrief Interkulturelle Bildung und Erziehung. Nr. 13 Nov 2011, S. 9.
  8. Petra Laible: Schokoküsse und Paprikaschnitzel schmecken besser. Südwest Presse. 25. Januar 2013, abgerufen am 18. April 2016.
  9. Matthias Heine: "Zigeunersauce": Schmeckt linguistisch gesäubertes Essen besser? WeltN24. 15. August 2013, abgerufen am 18. April 2016.
  10. Mareike Nieberding: Sprachkritik an Traditionsessen: Hannover verbannt das Zigeunerschnitzel. Süddeutsche.de. 8. Oktober 2013, abgerufen am 18. April 2016.
  11. Matthias Heinzel: Hannover verbannt Zigeunerschnitzel: Göttingen behält Namen bei. Göttinger Tageblatt. 7. Oktober 2013, abgerufen am 18. April 2016.
  12. Bertram Müller: Wie bestelle ich ein Zigeunerschnitzel?, RP Online, 18. Januar 2014
  13. Beschwerde von Sinti und Roma: Zigeunersoße bleibt Zigeunersoße. In: Spiegel Online. 8. Oktober 2013, abgerufen am 9. Juni 2018.
  14. Christian Bohnenkamp: Debatte: Was bleibt von der "Zigeunersauce"?, Neue Presse, 5. Januar 2015