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Verband der Kriegsdienstverweigerer

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Der Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK) – mit vollem Namen Verband der Kriegsdienstverweigerer in der War Resisters' International e. V. – war eine links-pazifistischer Organisation, deren Wurzeln einerseits auf die 1953 gegründete Gruppe Kölner Wehrdienstverweigerer (GKW), der späteren Gruppe der Wehrdienstgegner (GdW), zurückreichen, andererseits auf eine Abspaltung von der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK). Die sich von der IDK trennenden Gruppen und die GdW bildeten 1958 den Verband der Kriegsdienstverweigerer, der sich ausdrücklich zur Mitgliedschaft in der War Resisters’ International bekannte. IDK und VK fusionierten 1974 zur Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen.

Die Gruppe der Wehrdienstgegener

Mitte der 1950er Jahre regte sich in der Bundesrepublik heftiger Widerspruch gegen die Pläne zur Wiederbewaffnung. És entwickelte sich eine Kampagne, die sich „zum ersten großen politischen Aufbegehren in der jungen Republik aus[wuchs]“, und „die durchaus mit den Studentenunruhen der Jahre 1967 bis 1969 und den Demonstrationen gegen die Nato-Nachrüstung zu Beginn der 1980er Jahre vergleichbar ist“.[1] Fritz Rau ging gar soweit, zu sagen: „Es waren nicht „die 68er“, auf die man gebannt schauen sollte, wenn es darum geht, wer enen demokratischen Wind in unseren Nachkriegs-Staat gebracht hat. Es waren „die 55er“!“[2]

Dieser Widerstand gegen die Wiederbewaffnung war in sich nicht einheitlich. Es gab Differenzen zwischen jenen, die sich als radikale Pazifisten verstanden, und jenen, die einen Antimilitarismus propagierten, der zwar den Wehrdienst ablehnt, aber nicht grundsätzlich einen Waffeneinsatz in bestimmten politischen Umbruchsituationen; und es gab Differenzen in der Bewertung der parallel zur Wiederbewaffnung in der Bundesrepublik betriebenen Wiederbewaffnung in der DDR, „wo nach dem 17. Juni 1953 kein öffentlicher Protest geduldet wurde“.[1] Im Kontext dieser Wiederbewaffnungsdiskussionen im Zuge des Aufbaus von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee begannen um 1952 innerhalb der Kölner Jungsozialisten (Jusos) die Diskussion über eine Strategie gegenüber der Wiederbewaffnung, die von den Jusos auch in das 1953 gegründete Arbeiterjugendkartell Köln (AJK) getragen wurde, in dem die Jusos, die Falken und die Naturfreunde zusammenarbeiteten.

„Am Ende dieser Diskussion entstand die Idee, durch massenhafte Kriegsdienstverweigerung das Entstehen einer Bundeswehr zu verhindern. Aus diesem Grunde wurde am 25. September 1953 die Gruppe Kölner Wehrdienstverweigerer (GKW) durch den Studenten Albert Graf, den Drahtflechter Karl Jonas, den Elektromonteur Horst Keller, den Vertreter Anton Kolzen, den Journalisten Hans Hermann Köper, den Schlosser Heinz Wientgen und den IG-Metall-Jugendsekretär Hans-Jürgen Wischnewski gegründet. Zumindest Keller und Wischnewski waren damals in Juso-Führungsfunktionen, die anderen kamen zumeist aus dem Bereich der Falken.“

Fritz Bilz: Auferstanden aus Ruinen

Dass es zu dieser Gründung der GWK gekommen war und nicht etwa zu Beitritten zur IdK oder zur DFG, war jenseits politischer Differenzen zu diesen beiden Organisationen auch Ausdruck eines Generationenkonflikts und eines gewandelten kulturellen Selbstverständnisses.

„ln der DFG gab es nach unserer Auffassung zu viele Leute mit zu vielen langen, weißen Bärten. ldealisten, fundamentalistische Pazifisten, Ideologen, sehr ehrwürdige Damen und Herren, aber irgendwie nicht nach unserem Geschmack. Die DFG hatte in ihren Reihen fast keine jungen Leute. ln der Öffentlichkeitsarbeit beider Organisationen stand der Hinweis auf die Schrecken des Krieges im Vordergrund. Je düsterer uncl grauer, desto wirkungsvoller, so dachte man. Bekanntestes Plakat war das Bild des Malers Otto Pankok, auf dem Jesus dargestellt ist, der ein Gewehr über das Knie zerbricht. Als Gegenstück dazu entwickelte der spätere Verband der Kriegsdienstverweigerer den nach oben offenen Stahlhelm, aus dem eine Blume wächst. Wir wollten eine Werbung für Lebensbejahung, für Freude und Lust. So sollte auch unsere antimilitaristische Arbeit sein.“

Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 173

Geradezu als Beispiel für die Generation der langen weißen Bärte könnte der Theologe Fritz Wenzel gelten, der als Präsident der IdK und als Präsident der DFG sicherlich ein prominenter Wehrdienstgegner in der Bundesrepublik war und zusätzlich zu diesen beiden Präsidentenämtern auch noch als SPD-Abgeordneter dem Deutschen Bundestag angehörte – just zu der Zeit, als dort das Wehrpflichtgesetz beraten und verabschiedet wurde. „Aber er ging nur einmal während der Beratungen des Wehrpflichtgesetzes - in der zweiten Lesung - ans Rednerpult und trat dafür ein, den Wehrpflichtbegriff sogar noch weiter zu fassen, als die Bundesregierung vorgesehen hatte.“ Er setzte sich nämlich dafür ein, dass Pfarrer nicht von der Wehrpflicht ausgenommen werden sollten, und macht so deutlich, wie wenig es ihm darum ging, „als sozialdemokratischer Abgeordneter die Wehrpolitik der Bundesregierung durch die Aufweichung des Wehrpflichtgesetzes zu bekämpfen“.[3]

Die im September 1953 gegründete GWK[4] führte im Dezember des gleichen Jahres eine erste kleine öffentliche Demonstration durch, bei der die Demonstranten mit umgehängten Pappschildern mit Protestparolen durch die Kölner Schildergasse und die Hohestraße zogen. Ende des Jahres hatte die GWK 24 Mitglieder, und im Frühjahr 1954 wurde Hans Hermann Köper in der Nachfolge von Wischnewski deren Vorsitzender.[5] Die Gruppe, die sich rasch vergrösserte, verfolgte einen antikommunistischen Kurs, der sich aber von dem der SPD und dem der Gewerkschaften unterschied.

„[Er] hatte natürlich auch seine Ursache im Verhalten der kommunistischen Machthaber in der DDR. ln der Beurteilung der Frage gab es allerdings zwischen uns und der SPD einen Riesenunterschied. Die SPD blockierte massiv jegliche Kontakte, wir versuchten trotz des Kalten Krieges miteinander zu reden. Die SPD hat sehr lange gebraucht, um ihre Haltung in dieser Frage zu revidieren.“

Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 153

Diese kritische Haltung gegenüber der DDR war über Jahre hinweg ein bedeutender Hinterungsgrund für eine Zusammenarbeit oder gar Fusion mit der IdK beziehungsweise der DFG, verhinderte allerdings nicht das Wachsen der Organisation. Die Deutsche Friedensgesellschaft, in der etwa 20 Jahre später auch die GWK/GdW aufging, konstatierte rückblickend, dass die GdW „eher pragmatisch ausgerichtet war und sich die Bekämpfung der Wehrpflicht, die Propagierung der KDV und die Interessenvertretung der KDVer zur Aufgabe gemacht hatte. Die GdW stützte sich vor allem auf Arbeiter und Angestellte, die den Gewerkschaften und sozialdemokratischen Jugendverbänden nahestanden. Aufgrund unkonventioneller Werbemethoden (Autokorso, Spuckzettel) konnte sie bis 1957 ca. 5.000 Mitglieder gewinnen.“[6]

Was der Gruppe, die sich im Herbst 1954 im Zuge ihrer Ausbreitung über ganz Nordrhein-Westfalen in Gruppe der Wehrdienstgegner (GdW) umbenannte, Popularität und Aufmerksamkeit bescherte, waren ihre – vor allem für die frühen 1950er Jahre – oft unkonventionellen Parolen und Auftritte. Der SPIEGEL zitierte dazu 1957 Hans Hermann Köper mit dem Ausspruch "Wir sind weder tierisch ernst noch unsachlich. Wir versuchen die flotte Tour. Keine Grundsatzreferate in Veranstaltungen, kein Veranstaltungszeremoniell mit Eröffnung. Begrüßung, Rednervorstellung und so weiter."[3] und zählt dazu auch noch ein paar weitere Aktionen und Parolen auf:

  • Im Oktober 1954 führte die Gruppe einen dreistündigen Autokorso durch Köln durch, an dem sich drei PKWs und 15 Motorräder beteiligten.[5] Im SPIEGEL kommentierte das Köper mit dem Satz: "Autos sind eindrucksvoller als eine kleine Gruppe von hundert Demonstranten. Der Eindruck wird verstärkt durch die Polizeifahrzeuge."[3]
  • „Am Kapitulationstag 1955 veranstalteten Köpers Leute abends in einer zerstörten Kölner Kirche eine Feierstunde. Mitglieder von auswärts kamen in Sternfahrt, es gab Fackeln, rezitierende Schauspieler, und zum Schluß blies vom First der Kirche ein Trompeter, der vom Rundfunk ausgeliehen war, das amerikanische Zapfenstreichsignal aus dem Film "Verdammt in alle Ewigkeit".“[3]
  • Weit verbreitet waren Parolen wie:
    • "Kopf ab zum Gebet!"
    • "Der Weg ins Massengrab führt durchs Kasernentor."
    • "Nicht für Dollar, nicht für Rubel, fort mit dem Kasernentrubel."
    • "Der Feigling rückt zum Barras, ein, der Mutige sagt: Nein!".

Klassische Protestformen schloss das nicht aus. 1955/56 veranstaltete die GdW gemeinsam mit den Falken, den Jusos und den Naturfreunden Großkundgebungen und Demonstrationen gegen die Wiederaufrüstung. Ebenfalls 1955, im Oktober, fand in Duisburg der erste GdW-Bundeskongreß statt. Auf ihm wurde Heinz D. Stuckmann als Nachfolger Köpers zum Bundesvorsitzenden gewählt.[4] Grünewald konstatiert eine weitere pragmatische Wende in Bezug auf die Arbeitsschwerpunkte: „Die GdW kümmerte sich jetzt immer stärker um die Wehrdienstverweigerer, sie führte Beratungen für die jungen Menschen im DGB-Haus durch und vertrat diese auch juristisch. Aus Sicht vieler Jusos degenerierte diese Organisation immer mehr zu einer rein pazifistischen Vereinigung“[4], weil die Jusos nach der 1956 beschlossenen Einführung der allgemeinen Wehrpflicht andere politische Prioritäten setzten und sich in ihren Aktivitäten auf den Kampf gegen Atombombenversuche und die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen konzentrierten.[5]

Der Verband der Kriegsdienstverweigerer

Die Gründungsphase des VK

„Im Mai 1958 fusionierte die GdW mit Teilen der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK) zum Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK). Mitglied Nr.1 der neuen Organisation war Günter Schlatter, der spätere SPD-Bezirksvorsitzende.“[5] Nach Nils C. Nagel fand der Gründungsakt am 4. Mai 1958 auf dem Frankfurter Römerberg statt. Die Verbandsgündung basierte auf dem Zusammengehen der aus der GdW kommenden Mitglieder „einer nicht-pazifistischen Organisation politischer Kriegsdienstverweigerer“ mit Mitgliedern aus der IdK.[7] Vorausgegangen waren zunächst Verhandlungen mit der 1957 etwa 5.000 Mitglieder starken GdW und der etwa 4.000 Mitglieder zählenden IdK. Anlass dazu waren einerseits der Wahlsieg Konrad Adenauers 1957, und andererseits die nach der ein Jahr zuvor eingeführten Wehrpflicht noch sehr niedrige Zahl von Kriegsdienstverweigerungen in der Folge der ersten Musterungen.

„Die Verhandlungen scheiterten jedoch 1959 vor allem daran, dass die strikt antikommunistisch ausgerichtete GdW, die ihre Ziele durch Einflussnahme auf SPD und Gewerkschaft zu verwirklichen hoffte, die Einfügung einer antikommunistischen Unabhängigkeitsklausel in die Satzung verlangte. Nur wenige IdK-Gruppen bildeten daraufhin am 4. Mai 1958 mit der GdW den Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK), dessen Aktivitäten sich in den folgenden Jahren vor allem auf die KDV konzentrierten.“

DFG-VK: Unsere Geschichte

Diese „antikommunistische Unabhängigkeitsklausel“ bestand in einem von der GdW verlangten Zusatz in der für den neuen Verband zu beschließenden Satzung in der Nachfolge zu dem zwischen beiden Verbänden unstrittigen Passus „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg, weder direkt noch indirekt, zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Der von der GdW verlangte Zusatz lautete:

„Jedes Mitglied ist verpflichtet, den Verband lm Sinne dieser Erklärung bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und sich dafür einzusetzen, daß die Unabhängigkeit des Verbandes von allen im Kalten Krieg einseitig orientierten lnteressengruppen und politischen Parteien, wie kommunistischen oder militant antikommunlstlschen Kreisen und den entsprechenden Tarnorganisationen gewahrt bleibt.“

Zitiert nach: Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 173

Werner Böwing berichtete im Anschluss an das vorhergehende Zitat, dass trotz einer grundsätzlichen Fusionsbereitschaft seitens der IdK etwa 60 Prozent von deren Delegierten gegen diese Unabhängigkeitsklausel votierten und dadurch die Fusion platzen ließen. Zu den IdK-Gruppen, die danach die IdK verließen, gehörte der von Konrad Tempel und seiner Frau Helga Tempel in Hamburg gegründete Aktionskreis für Gewaltlosigkeit. Beide Tempels waren dann auch im Bundesvorstand des VK aktiv. Die aus dem IdK kommenden VK-Mitglieder waren zu dieser Zusammenarbeit mit der GdW nur bereit gewesen, nachdem festgeschrieben worden war, „daß der neu entstehende Verband eine pazifistische Organisation sein und deshalb Mitglied in der War Resisters' International (WRI) werden müsse. Der pazifistische Charakter der neuen Organisation müsse in Name und Satzung deutlich zum Ausdruck kommen.“[7] Im Gegenzug hatte die GdW darauf bestanden, dass in der Satzung die erwähnte Unabhängigkeitsklausel verankert werden müsse, die vor allem als Abgrenzung gegenüber der KPD gedacht war, da zumindest einige IdK-Gruppen gemeinsamen Aktionen mit kommunistisch beeinflussten Gruppen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstanden.[7] Dieses Verhältnis zu kommunistischen Gruppierungen und das Verhältnis zur Aufrüstung in den realsozialistischen Ländern war das Thema, das auch weiterhin das Verhältnis des VK zur IdK und später zur DFG belastete.[8]

Erster Bundesvorsitzender des VK wurde der aus der IdK gekommene Wilhelm Keller. Er verlor im Frühjahr 1960 „aufgrund seines pazifistischen Engagements seine Dozentenstelle an der Nordwestdeutschen Musikakademie in Detmold.“[8] Größere Aktivitäten sind für die Folgejahre nicht dokumentiert. Werner Böwing berichtete, dass die Solinger Gruppe, der er angehörte, sich gegen Ende des Algerienkriegs im Rückführungsdienst für Fremdenlegionäre engagiert und sich zunehmend in der Ostermarschbewegung engagiert habe.[9], und über die Situation in Köln berichtete Fritz Bilz: „Ende 1958 versandete die Bewegung “Kampf dem Atomtod” in Köln, so bemerkte es der Juso-Rechenschaftsbericht im März 1959. Einzig die Beratung der Wehrdienstverweigerer blieb Ende der 50er Jahre übrig. Im Oktober 1959 gab es noch einmal einen Autokorso der VK durch Köln, verbunden mit einem Aufruf an den Jahrgang 1922, den Kriegsdienst zu verweigern.“[5] Dass es insgesamt ruhiger um den Verband wurde, hatte wohl mit internen Problemen zu tun, nicht zuletzt finanziellen, wie Klaus Vack berichtete, der am 1. September 1961 in Offenbach am Main seine Stelle als hauptamtlicher VK-Bundesgeschäftsführer antrat, wohin die Geschäftsstelle des Verbandes von Köln aus verlegt worden war.

„Ich trete die Stelle des Bundesgeschäftsführers beim Verband der Kriegsdienstverweigerer an. Der Verband hat 7000 Mitglieder, ist hoch verschuldet und weiß nicht, wie er in der ersten Zeit mein Gehalt und eine Geschäftsstelle finanzieren soll. Wir bilden eine Bürogerneinschaft von hessischer Naturfreundejugend mit Fritz Amann als Jugendsekretär und Heidi Wandelt als Sekretärin und dem Verband der Kriegsdienstverweigerer, bei dem nun auch Hannelore [Vack] (ohne Bezahlung) halbtags tätig ist. Unsere erste Aufgabe müssen wir darin sehen, sozusagen Ordnung in den Verband zu bringen und die Finanzen zu sanieren. Bereits ein Jahr später ist der Verband der Kriegsdienstverweigerer wieder liquide.“

Klaus Vack: Klaus Vack: Versuch, Geschichte und Erfahrung darzustellen, S. 165

Der VK war zu dieser Zeit längst schon ein Teil der sich entwickelnden Ostermarschbewegung, zu deren Gründern ja auch die VK-Vorstandsmitglieder Helga und Konrad Tempel gehörten, und Vack trug dann als Sekretär des VK erheblich zum Erfolg der (west-)deutschen Ostermarschbewegung bei. Die Offenbacher Bürogemeinschaft, zu der später auch die Geschäftsstelle der Ostermarschbewegung hinzukam, entwickelte sich zur organisatorischen Zentrale der bundesweiten Protestbewegung in den 1960er Jahren, und der VK spielte innerhalb dieser Protestbewegung – nicht zuletzt aufgrund vielfältiger personeller Verflechtungen – eine wichtige Rolle in dieser Bewegung.

1961 wurde aus dem seit 1956 in Köln erscheinenden und ursprünglichen GdW-Verbandsorgan Informationen[10] die monatlich erscheinende Zeitschrift Zivil[11] Ihre redaktionelle Betreuung lag bei Klaus Vack und bald auch bei Herbert Stubenrauch, der auf dem VK-Bundeskongress im Mai 1962 als Bundesvorsitzender gewählt wurde. Sein Stellvertreter wurde Heinrich Hannover.[12]

Im Januar 1965 wurde Klaus Vack – als Nachfolger des bislang ehrenamtlich als Geschäftsführer tätigen Andreas Buro – vom Zentralen Ausschuss, dem zentralen Führungsgremium der Ostermarschbewegung, zu dessen hauptamtlichen Geschäftsführer gewählt.[13] Damit schied er aus den Diensten des VK aus, blieb aber zusammen mit seiner Frau Hannelore weiterhin Teil der Offenbacher Bürogemeinschaft. Sein Nachfolger als VK-Geschäftsführer wurde Alfred Riedel, der zuvor in Stuttgart Geschäftsführer des Ostermarsches Südwest gewesen war.[14]

Die gescheiterte Fusion mit der DFG

Seit dem Februar 1966 kam es zwischen IdK und VK zu Fusionsverhandlungen. Auf dem Bundeskongress des VK am 30. April 1967 in Wuppertal hatte der damalige Bundesvorsitzende des VK, Reinhold Settele (1928–2017) in einem Grundsatzreferat auch zu diesen Verhandlungen mit der IdK Stellung genommen und sie als notwendig bezeichnet, da die Unterschiede zwischen den beiden Verbänden, „die vielleicht einmal vor 10 Jahren verständlich waren aus der verschiedenen Vorgeschichte dieser Verbände“, inzwischen „ein alter Zopf“ seien.[15] Doch im November 1967 heißt es aus Setteles Feder: „Um eine gute Hoffnung ärmer. IdK verhindert Fusion“.[16] Settele machte dafür den IdK-Vorstand verantwortlich, der parallel zu den Verhandlungen mit dem VK auch mit der DFG verhandelt habe. Auch zwei Vorstandsmitglieder der IdK, Fritz Hartnagel und der Vorwärts-Redakteur Nils C. Nagel[17], sahen in diesen Parallelverhandlungen eine bewusste Torpedierung einer Fusion mit dem VK und traten zu diesem über. In einer gemeinsamen Erklärung der beiden heißt es dazu: „Die Gesamtfusion mit dem VK ist an den gleichen Kräften gescheitert, die auf dem Schweinfurter IdK-Bundeskongreß gegen die von Dr. Michaltscheff ausgearbeiteten Grundsätze der partei- und machtpolitischen Neutralität stimmtern und damals nur knapp unterlegen sind. Ihre tatsächliche Absicht ist klar und in sich logisch: Während sie in der IdK einen maßgeblichen Einfluß ausüben – wie der Bundeskongreß in Hannover zeigte – wären sie in einem fusionierten Gesamtverband mit dem VK in die Minderheit gedrängt. Das mußte verheindert werden.“[18]

In der Tat kam es 1968 dann durch den Zusammenschluss von DFG und IdK zur Entstehung der Deutschen Friedensgesellschaft-Internationale der Kriegsdienstgegner (DFG-IdK). Auf der Homepage dieses Verbandes heißt es zur gescheiterten Fusion mit dem VK: „Verursacht wurde der neuerliche Fehlschlag vor allem durch die Artikulation linkssozialistischer Vorstellungen durch führende VK-Vorstandsmitglieder, die auf einen sozialistischen Verband abzielten, während die IdK am Bündnischarakter der Organisation festhielt.“[6] Dass die Beschwörung des „Bündnischarakter der Organisation“ allerdings eher auf ein traditionelles Organisationsverständnis seitens der DFG-IdK verweist, das unter dem Einfluss der Studentenbewegung vielfach in Frage gestellt wurde, macht der Bericht vom Bremer Bundeskongress 1968 deutlich. Dieser Kongress, so heißt es in dem Bericht, „stand unter dem Einfluß der Bewegungen und Spannungen, die durch die Unruhe der rebellischen Jugend in die bundesdeutsche Öffentlichkeit und nicht zuletzt in die hergebrachten oppositionellen Organisationen gekommen sind. Entsprechend heftig prallten in langen [..] Diskussionen die Meinungen aufeinander, wobei sich als ‚Flügel‘ die revolutionären ‚Linken‘ und die ‚traditionalistischen‘, bedingungslos für Gewaltlosigkeit eintretenden Pazifisten gegenüberstanden.“[19] Diese Debatte über politische und organisatorische Fragen begleitete den VK auch in den Folgejahren, und sie wurde zugespitzt durch die Fragen, ob und in welcher Weise der VK zur Überwindung des spätkapitalistischen Systems beitragen kann und welche Funktion prinzipielle Gewaltfreiheit in diesem Kontext spielt.[20]

Von der Krise zur Fusion

Den VK, der 1968 9.850 Mitglieder zählte[21], stellten diese Auseinandersetzungen 1969 vor eine harte Zerreissprobe, denn auf dem Bundeskongress im April 1969 in Stuttgart hatte sich eine zur bisherigen Vorstandspolitik oppositionelle Gruppierung durchgesetzt, die eine Satzungsänderung erwirkte, durch die unter anderem der ausdrückliche Verzicht auf Anwendung von Gewalt zur Erreichung der gestellten Aufgaben aufgegeben und ein in diesem Sinne agierender Vorstand gewählt wurde. Die Zeit interpretierte diese Auseienandersetzungen als eine zwischen „dogmatischen Pazifisten“ und „vom SDS inspirierten Friedenskämpfern“, wobei für letztere das Verhältnis zur Gewalt eine taktische sei, aber keine dogmatische. „Sie wollen die Kriegsdienstverweigerer nicht nur politisieren, sondern auch radikalisieren, um mittels ihrer Hilfe die Bundeswehr zu zersetzen. Ihr Vokabular klingt schlimrner, als es gemeint ist. Zwar träumen viele junge Menschen im VK von einer sozialistischen Gesellschaft (ohne Bundeswehr, versteht sich), aber niemand will gegen Kasernen und Panzer anders vorgehen als mit Flugblättern uncl Sprechchören. Den reinen Pazifisten aber geht schon der Wortkrieg zu weit – aus Angst vor der Reaktion.“[22]

Das VK-Mitglied Wilhelm Ude (1925 bis 2007)[23] erhob gegen die Stuttgarteer Beschlüsse Klage und erreichte vor Gericht, dass sowohl Satzungsänderung als auch Vorstandswahl für ungültig erklärt wurden. Damit war der 1968 in Bremen gewählte Bundesvorstand des VK unter Nils C. Nagel weiterhin im Amt und für die Verbandspolitik verantwortlich und schloß vier Inititatoren der Stuttgarter Beschlüsse – allesamt Mitglieder der Frankfurter VK-Gruppe – aus dem Verband aus.[24]

Der Vorstand versuchte 1970, die nach wie vor innerhalb des Verbandes existierenden unterschiedlichen Positionen zur Gewaltfrage durch eine Neuinterpretation WRI-Erklärung zu einer neuen Gemeinsamkeit zu führen. Kernpunkt war die von Nagel vertretene Auffassung, dass der „WRI-Pazifismus, an den der VK nach dem Willen seiner Gründer und dem Wortlaut seiner Satzung gebunden ist“, keineswegs ein „dogmatischer Pazifismus“ sei.[7], und daraus folgte dann im März 1970 eine Grundsatzerklärung führender VK-Mitglieder

„Ein wichtiger Schritt ist die Kriegsdienstverweigerung, aber sie genügt nicht, um Frieden zu schaffen und zu sichern. Soweit und solange dazu gewallfreie Mittel und Methoden ausreichen, sind sie jeder Gewaltanwendung vorzuziehen.
Wir wissen zu unterscheiden zwischen unterdrückende Gewalt und Gewalt, die aus der Abwehr gegen diese entsteht. Unbeschadet unserer grundsätzlichen Zielsetzung zur Beseitigung von Gewaltursachen und unserer Kriegsdienstverweigerung beurteilen wlr deshalb Gewaltandung unterdrückter Menschen als Reaktion auf ausbeutende und unterdrückende Gewalt anders als diese.“

Hans Hammer – Wilhelm Keller – Nikolaus Koch – Peter Langos – Nils C. Nagel – Alfred Riedel – Wilhelm Ude: Zur Diskussion über den politischen Standort des VK – Entwurf[25]

Ob dieser Spagat gelang, lässt sich mangels verlässlicher Quellen nicht nachvollziehen. Aus der Sicht der DFG aber scheint er gelungen zu sein, denn diese schreibt auf ihrer Homepage:

„1969 war der Gegensatz zwischen Pazifisten und militanten Sozialisten so stark geworden, dass der Verband faktisch lahmgelegt war. Erst Anfang der 70er Jahre gelang die Konsolidierung. Gemeinsam mit der DFG-IdK kämpfte der VK jetzt für die Ratifizierung der Ostverträge und für das Zustandekommen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Mit der Wahl eines neuen Vorstandes unter Klaus Mannhardt 1973 waren die Voraussetzungen für erneute Fusionsverhandlungen geschaffen, die am 24. November 1974 mit der Konstituierung der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) erfolgreich abgeschlossen wurden.“

DFG-VK: Unsere Geschichte[6]

Die Zeitschrift Zivil

Auf die seit 1961 erscheinende VK-Verbandszeitschrift Zivil in der Nachfolge des ursprünglichen GdW-Verbandsorgans Informationen wurde oben schon hingewiesen. Auf der Webseite Nikel! Kunst will erzählen, die dem 2018 verswtorbenen Hans A. Nikel gewidmet ist, finden sich gleich mehrere falsche Informationen – sowohl über Nikel selbst, als auch über die Entstehung von Zivil. Er wird dort unter Bezug auf das Jahr 1955 als „Mitinitator und Begründer des Verbandes des Kriegsdienstverweigerer“ genannt, und es wird weiter behauptet, dass auf der „ersten eigenen Druckmaschine [..] die Zeitschrift ZIVIL gedruckt [wurde], betreut von Willy Fleckhaus“.[26] Ohne Nikels vielfältigen Aktivitäten gegen den Kriegsdienst in Abrede zu stellen, die unter anderem auch Fritz Rau[2] bezeugte: den VK gab es 1955 noch nicht. Es gibt aber an anderer Stelle auf der Webseite den Hinweis, dass auch Jürgen Wischnewski „bei seinem [Nikels] Verband dabei“ dabei gewesen sei, und das legt nahe, dass Nikel in Verbindung zur Kölner GdW stand. Damit schlösse sich auch der Kreis zu Willy Fleckhaus, der 1950 Redakteur der vom Bund-Verlag herausgegeben und in Köln erscheinenden gewerkschaftlichen Jugendzeitschrift Aufwärts geworden war und 1953 deren gestalterische Leitung übernahm.[27] Fleckhaus gehörte zum Freundeskreis von Hans Hermann Köper (siehe oben)[28], und von daher ist es durchaus möglich, dass er auch das Layout des GdW-Verbandsorgans Informationen entworfen hat, dessen erste Ausgabe dann auf der „ersten eigenen Druckmaschine“ von Hans A. Nikel gedruckt wurde.

Das Nachfolgeorgan, Zivil, erschien von 1961 bis 1974, zu erst in Offenbach, dann in Stuttgart. Ihre Nachfolgerin war die Zeitschrift "Zivilcourage" der DFG-VK.[29]

In der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO) sind nur Ausgaben der Zivil aus den Jahren 1966 bis 1967 enthalten, und leider auch keine kompletten Jahrgänge (siehe Quellen). Sie zeigen, dass natürlich Themen rund um die Kriegsdienstverweigerung und um rechtliche Fragen in ihrem Umfeld einen breiten Platz einnehmen. Hinzu kommen aber – neben der Dokumentation der innerverbandlich strittigen Themen – viele Artikel, in denen die gesellschaftspolitischen Themen dieser Jahre thematisiert wurden: Ostermärsche, Notstandsgesetze, Wiedervereinigung, die Militärdiktatur in Griechenland, Vietnamkrieg, die Niederschlagung des Prager Frühlings. Das verdeutlicht, dass die Zeitschift "Zivil" nicht nur der Kampagne für Demokratie und Abrüstung nahestand, wie es auf der MAO-Seite heißt, sondern sie sich (wie der VK insgesamt) als Teil einer breiten Außerparlamentarischen Opposition verstand.

Bekannte Mitglieder

  • Egon Becker. Obwohl als 1936 geborener Angehöriger eines Weißen Jahrgangs und somit vom Dienst in der Bundeswehr befreit, war er lange Jahre im VK aktiv. 1964 wurde er Mitglied des Bundesvorstandes und Redaktionsmitglied der Verbandszeitschrift Zivil, für die zu dieser Zeit Herbert Stubenrauch (siehe unten) presserechtlich verantwortlich war. Becker veröffentlichte in Zivil zahlreiche Aufsätze, in denen er die Idee eines politischen Pazifismus mit radikaler Kritik an restaurativen politischen Tendenzen und kapitalistischen Herrschaftsformen verknüpfte.[30]
    Alfred Riedel verabschiedete Egon Becker zusammen mit Herbert Stubenrauch in der Oktober-Ausgabe 1967 von Zivil und verband dies mit der Hoffnung, in ihm den ersten Auslandskorrespondenten der Zeitschrift zu haben.[31] Becker befand sich zum Zeitpunkt des Erscheinens von Riedels offenem Brief bereits als Postdoc an der Yale University und erfüllte in der Folgezeit Riedels Hoffnungen. Er schrieb für Zivil über Entwicklungen und Konflikte in den USA, übersetzte und kommentierte aber auch für die Blätter für deutsche und internationale Politik und schrieb über Amerikas Linke in der Wochenzeitung Die Tat, dem Organ der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
  • Heinz Brandt[19]
  • Werner Böwing (15. Oktober 1928 in Güldengossa; † 2016)[32] und verbrachte seine Kindheit und Schulzeit, bedingt durch die häufig wechselnden Arbeitsstätten seines Vaters, an mehreren Orten zwischen Sachsen und Schleswig-Holstein, bevor die Familie 1938 in Retzow in der Nähe von Templin sesshaft wurde. Nach dem Besuch der Volksschule begann Böwing 1943 eine Ausbildung als Zimmermann. Im Juli 1944 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, wurde zum Reichsarbeitsdienst verpflichtet und im März 1945 noch zum Fronteinsatz in Niedersachsen. Er geriet in britische Kriegsgefangenschaft und wurde in Lagern in Schottland und England interniert.
    Im Juni 1948 wurde Böwing aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und kehrte zu seinen in der Sowjetischen Besatzungszone lebenden Eltern zurück. Er setzte seine Ausbildung zum Zimmermann fort und wurde Mitglied der FDJ, befand sich aber bald in Opposition zur offiziellen Politik der Organisation. Als er und ein paar Freunde aus dem RIAS von der F-Aktion der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit erfuhren, bei der heimlich der Buchstaben F als Symbol für die Wörter Freiheit und Feindschaft an Häuserwände in der SBZ gemalt wurde, adaptierten sie diese Aktion auch für ihre Heimatstadt Lychen. Um den nachfolgenden Verfolgungen durch die Volkspolizei zu entgehen, flüchtete Böwing Anfang September 1949 nach West-Berlin.[33]
    Böwing, der inzwischen den Falken beigetreten war, beendete seine Ausbildung und legte am 27. Februar 1950 die Gesellenprüfung ab. Danach übersiedelte er nach Bonn, engagierte sich auch dort bei den Falken und bei den Jusos und heiratete im Oktober 1951 die Bad Godesberger Genossin Maria Kirchner. Beide werden im Herbst 1954 Mitglieder der GdW.
    Nach dem Besuch der Akademie der Arbeit beginnt Böwings hauptamtliche Gewerkschaftskarriere bei der IG Bau-Steine-Erden. Er engagierte sich aber weiterhin in den Protestbewegungen der damaligen Zeit und wurde nach der Gründung des VK in dessen Bundesvorstand gewählt. 1960 nahm er am Ostermarsch von Hamburg nach Bergen-Hohne teil und wurde auf dem Detmolder Bundeskongress des VK zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. „Auch auf internationaler Ebene war er für die Friedensbewegung und gegen atomare Aufrüstung tätig“[34], verzichtete allerdings 1968 auf dem Bremer Bundeskongress auf eine weitere Mitarbeit im Bundesvorstand. Er begründete dies damit, dass seiner Meinung nach die „Studentenbewegung begann, den VK für ihre Zwecke zu unterwandern, ideologisch zu politisieren, ohne weiteres Engagement für die praktische Hilfsarbeit, die oft hinter den Kulissen stattgefunden hatte“.[34] „Ich merkte, daß Bundesvorstandsmitglieder mehr und mehr auf die neue Linie einschwenkten. Man wollte wohl den 'revolutionären Zug' nicht verpassen. Andere Bundesvorstandsmitglieder resignierten und zogen sich diskret zurück. Auch ich hatte Zweifel, ob die neuen Leute nicht doch vielleicht etwas einbrachten, was uns bisher fehlte. Andererseits war das nicht meine Sache, aber ich wollte auch nicht als 'Bremser' in die Geschichte des VK eingehen. Und ärgern wollte ich mich auch nicht über 'diesen' VK. lch kandidierte nicht mehr für den Bundesvorstand.“[35]
    Werner Böwings Ausscheiden aus dem VK-Bundesvorstand war kein Abschied von der außerparlamentarischen Opposition. Er engagierte sich weiter gegen die Notstandsgesetze, in der Ostermarschbewegung und in der späteren Friedensbewegung. Im Oktober 1987 beendete er seine hauptamtliche Gewerkschaftstätigkeit, sein politisches Engagement dauerte fort. „Werner Böwing hat keine ­politischen Ämter bekleidet. Er hat haupt- und nebenberuflich und privat Menschen geholfen, Netzwerke aufgebaut und gepflegt, Begegnungen und Bildungsarbeit ermöglicht, politische und berufsständische Mandatsträger aktiviert, mal mit, mal ohne Erfolg. Er hat es zu schätzen gewusst, dass es in unserer Demokratie möglich ist, für ein menschenwürdiges Leben, für gerechtere Verhältnisse zu streiten, auch wenn es keine Erfolgsgarantie gibt.“[34]
    Anfang der 2000er Jahre trat Werner Böwing aus der SPD aus. Er gründete in Solingen die WASG, über die er dann Mitglied in der Partei Die Linke wurde. 2008 gehörte er deren Ältestenrat an.[36]
  • Theodor Ebert[19]
  • Wieland Giebel war von 1971 bis 1973 Bundesgeschäftsführer des Verbandes.
  • Heinrich Hannover wurde 1962 zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden des VK gewählt.[12]
  • Fritz Hartnagel wurde nach seinem Übertritt aus der IdK 1968 in den Bundesvorstand des VK gewählt.
  • Wilhelm Keller
  • Nikolaus Koch
  • Hans Hermann Köper (1925–1977)[37] war der Sohn eines Studiendirektors und meldete sich 1943 nach der Reifeverprüfung freiwillig zum Dienst bei der Luftwaffe. Er erkrankte an Scharlach und zog sich in der Folge weitere schwere Erkrankungen zu. Trotzdem wurde er an die Flugzeugführerschule in Stettin beordert meldete sich abermals freiwillig zu den Fallschirmjägern. Als Gefreiter in einem in Stettin kämpfenden Bataillon wurde er 1945 verwundet, konnte aber der sowjetischen Gefangenschaft entgehen und ins Ruhrgebiet gelangen.
    Nach dem Krieg schlug sich Köper als Cellist in Varietés durch, bevor er 1949/50 eine Ausbildung an der Kölner Musikhochschule und am Schumann-Konservatorium in Düsseldorf absolvieren konnte. In dieser Zeit war er auch Mitglied in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ), die in den Falken aufging. Diese wiederum gehörten, wie oben schon ausgeführt, in Köln zu den Initiatoren der GWK.
    Der SPIEGEL sah 1957 in Köpers privat eher prekären Situation die Voraussetzung für dessen Engagement in der GWK/GdW: „Heute wohnt Köper mit seiner Frau, die gleich ihm an der Musikhochschule Köln studierte, in einer kleinen Wohnung des Sozialen Wohnungsbaus in Köln. Seit 1952 ist sein Kriegsleiden - Herzerweiterung und chronische Nierenentzündung - als hundertprozentige Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Kriegsbeschädigung anerkannt, und so macht es ihm seine Rente leichter, sich gänzlich der Wehrdienstverweigerung zu widmen; er hat keinen Beruf.“[3]
    Aus den Erinnerungen der Schriftstellerin Ingrid Zwerenz ergibt sich ein anderes Bild: „Ein sehr guter Freund war Hans Hermann Köper, ein entschiedener Pazifist, der ganz früh in den 50er, 60er Jahren den ersten Band über zurückgekehrte Juden herausgegeben und als Journalist die Texte in Twen betreut hat. Er war auch ein hochbegabter Cellist. Er war der erste, der Günter Wallraff für seine frühen Reportagen ein Forum geboten hatte. Mit all diesen Leuten hatten wir ein besonderes Standing. Köpers hatten eine schöne Wohnung auf halber Höhe vor dem Kölner Dom gegenüber dem Wallrafplatz, wo der Rundfunk residierte. Dort fanden oft sehr gute Gesellschaften statt, mit Wolfgang Leonhard und anderen.“[28] Der Filmproduzent Gerhard Schmidt, der ab 1964 zusammen mit Köper die Produktionsfirma Köper+Schmidt, books and films bezeichnet Köper gar als damaligen Chefredakteur der TWEN, der über gute Kontakte zum WDR verfügt habe.[38] Über die Arbeiten für den WDR kam auch der Kontakt zu Marius Müller-Westernhagen zustande, an dessen Song Gebt Bayern zurück an die Bayern (in Anlehnung an Paul McCartneys Give Ireland Back to the Irish) Köper als Texter ebenso beteiligt war wie an Jürgen von Mangers Song Bottroper Bier.[39]
    Darüber, dass und wie Köper auch Anteil am Zustandekommen des Kokoschka-Porträts von Konrad Adenauer hatte, beschreibt Nina Grunenberg ausführlich in einem ZEIT-Artikel.[40] Auch bei der Schülerzeitschrift Underground, die seit November 1968 im Verlag Bärmeier & Nikel erschien, waren die beiden Blattmacher Hans Hermann Köper und Gerhard Schmidt als Chefredakteure beteiligt.[41] Nach dem Tod von Hans Hermann Köper 1977 führte Gerhard Schmidt die Firma Köper+Schmidt alleine weiter; aus ihr gingen später die die Produktionsfirmen Cologne und Gemini hervor.[38]
  • Nils C. Nagel (* 1940 in Berlin) trat 1967 nach den gescheiterten Fusionsverhandlungen zwischen VK und IdK vom IdK zum VK über und wurde 1968 zu dessen Vorsitzenden gewählt.[19] Der ehemalig Vorwärts-Redakteur gehörte später der Redaktion der IG Metall-Zeitung Metall an, der heutigen metallzeitung.
  • Hans A. Nikel
  • Armin Prinz zur Lippe. Er trat zusammen mit seiner Frau Traute 1959 in Detmold dem VK bei.[42]
  • Johannes Rau war 1957 in Wuppertal Mitglied der GdW.[43]
  • Alfred Riedel, von 1965 bis 31. Dezember 1969 VK-Geschäftsführer und Mitherausgeber des juristischen Ratgebers das Recht der Kriegsdienstverweigerer. Handbuch für die gesamte Praxis der Kriegsdienstverweigerung und des zivilen Ersatzdienstes.[44]
  • Günter Rixe
  • Helmut Schauer
  • Reinhold Settele (1928–2017) war Mitte der 1960er Jahre Bundesvorsitzender und als Ulmer Schüler bereits im „Dritten Reich“ im Widerstand aktiv.[45]
  • Gangolf Stocker
  • Herbert Stubenrauch (1938–2010). Herbert Stubenrauch war für einige Jahre Bundesvorsitzender und verantwortlicher Redakteur von Zivil. Beim Bundeskongress 1968 verabschiedete er sich zusammen mit seinem langjährigen Redaktionskollegen Egon Becker aus der Arbeit für die Verbandszeitschrift – aus beruflichen Gründen, wie Alfred Riedel schrieb, denn er wöllte seine Dissertation fertigstellen.[31] Er war zu dieser Zeit bereits Lehrer an der Ernst-Reuter-Schule (Frankfurt am Main), einer der ersten integrierten Gesamtschulen in Hessen. Einige knappe Hinweise über ihn finden sich in der Deutschen Digitalen Bibliothek, und in der Sondersammlung Protest, Widerstand und Utopie in der Bundesrepublik Deutschland des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS) heißt es über ihn: „Herbert Stubenrauch (Pädagoge und Therapeut, 1938-2010): Er gehörte zu den frühen Aktivisten der Ostermarsch-Bewegung, war 1968 Mitbegründer des Sozialistischen Lehrerbundes (SLB) und beteiligte sich 1969 an der Gründung des Sozialistischen Büros (SB). Gemeinsam gaben SLB und SB den "Informationsdienst des Sozialistischen Lehrerbundes" , später "Informationsdienst Arbeitsfeld Schule" heraus. Er unterrichtete als Lehrer an einer Frankfurter Gesamtschule und war als Therapeut tätig.“[46][47]
  • Helga Tempel
  • Konrad Tempel
  • Hanne und Klaus Vack
  • Willi van Ooyen gehörte in den 1970er Jahren dem Bundesvorstand an.
  • Fritz Vilmar, „Funktionär der IG Metall und Vorsitzender der Frankfurter Kriegsdienstverweigerer“[21]
  • Peter-Paul Zahl
  • Wolfgang Zucht

Quellen

Literatur

  • Guido Grünewald: Die Friedensbewegung in Köln nach dem Zweiten Weltkrieg, in Reinhold Billstein: Das andere Köln. Demokratische Traditionen seit der Französischen Revolution, Pahl-Rugenstein, Köln 1979, ISBN 3-7609-0467-X, S. 446 ff.
  • Guido Grünewald (Hg.): Nieder die Waffen! Hundert Jahre Deutsche Friedensgesellschaft (1892-1992), Donat Verlag, Bremen 1992, ISBN 3-924444-59-5.
  • Klaus Vack: Versuch, Geschichte und Erfahrung darzustellen. Mehr als bibliographische Daten, weniger als eine Lebensgeschichte, in: Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.): „Tradition heisst nicht, Asche aufheben, sondern die Flamme am Brennen erhalten!“. Für und über Klaus Vack. Eigenverlag, Sensbachtal 1985, ISBN 3-88906-015-3, S. 151 ff.
  • Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, Selbstverlag Solinger Geschichtswerkstatt e.V., Solingen 1997, ISBN 3-9805443-2-X.
  • Maria Klein, Gerhard Müller, Rüdiger Schlaga: Politische Strömungen in der Friedensbewegung 1966-1974. Diskussionen, Auseinandersetzungen und Veränderungen in der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG), der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK) und dem Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK) bis zu deren Vereinheitlichung zur Deutschen Friedensgesllschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG/VK), Verein zur Förderung friedenspolitischer Ideen und Initiativen e. V. (Antiimperialistischer Buchverlag Ffm), Frankfurt 1978, ISBN 3-922103-00-6.

Einzelnachweise

  1. a b Herfried Münkler: Die Deutschen und ihre Mythen, Rowohlt, Reinbek 2010, ISBN 978-3-499-62394-3, S. 414
  2. a b Nikel! Kunst will erzählen: Über Nikle
  3. a b c d e WEHRDIENST / VERWEIGERER: Macht es wie Adenauer
  4. a b c Guido Grünewald: 1945 – 1989: Kriegsdienstverweigerung und Kalter Krieg in Köln
  5. a b c d e Fritz Bilz: Auferstanden aus Ruinen
  6. a b c DFG-VK: Unsere Geschichte
  7. a b c d Nils C. Nagel: Die Bedeutung der WRI-Mitgliedschaft des VK. Über die Gründung des Verbandes und seine pazifistische Position, Zivil, 16. Jg., Nr. 2, Februar 1970, S. 15–17
  8. a b Guido Grünewald: Pazifisten im Kalten Krieg: Einstellungen, Reaktionen und Verhaltensweisen westdeutscher pazifistischer Akteure in den 1950er und frühen 1960er Jahren, Vortrag im Januar 2017 auf der Jahrestagung des Archivs der Arbeiterjugendbewegung in Oer-Erkenschwick
  9. Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 175 ff.
  10. Zeitschriftendatenbank (ZDB): Informationen. Monatsschrift für Kriegsdienstverweigerer
  11. Zeitschriftendatenbank (ZDB): Zivil. Zeitschrift für Kriegsdienstverweigerer
  12. a b Klaus Vack: Versuch, Geschichte und Erfahrung darzustellen, S. 170
  13. Karl A. Otto: Vom Ostermarsch zur APO. Geschichte der ausserparlamentarischen Opposition in der Bundesrepublik 1960–70, Campus Verlag, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-593-32192-0, S. 81
  14. Ostermarsch 1963: Beteiligung gegenüber Vorjahr verdoppelt, Neues Deutschland, 10. April 1963
  15. Reinhold Settele: Der politische Standort des Kriegsdienstverweigerers heute, in: Zivil, 12. Jg., Nr. 5, Mai 1967, S. 55
  16. Reinhold Settele: Um eine gute Hoffnung ärmer. IdK verhindert Fusion, in: Zivil, 12. Jg., Nr. 11, November 1967, S. 119
  17. Hans-Werner Conen: Kongreß der Kriegsdienstverweigerer. Nicht Speerspitze, ZEIT, Nr. 23/1970 vom 5. Juni 1970
  18. Erklärung von Nils C. Nagel und Fritz Hartnagel, in: Zivil, 12. Jg., Nr. 11, November 1967, S. 119
  19. a b c d Der Bundeskongreß 1968" & Nils C. Nagel neuer Bundesvorsitzender, in: Zivil, 13. Jg., Nr. 6, Juni 1968, S. 63
  20. Siehe hierzu den Beitrag von Ursula Ossenberg: Gewaltloser Widerstand und soziale Verteidigung. Eine Stellungnahme zu Theodor Eberts Konzeption, Zivil, 14. Jg., N1. 1, Januar 1969, S. 8–9
  21. a b WEHRDIENSTVERWEIGERER: Enteignet Schröder
  22. Militante Pazifisten. Spaltung im Verband der Kriegsdienstverweigerer, Die Zeit, Nr. 19/1969 vom 9. Mai 1969
  23. Nachruf auf Wilhelm Ude, Nordwest-Zeitung, 19. Oktober 2007
  24. Zu dieser Auseinandersetzung siehe: Zur Situation im VK, Zivil, 15. Jg., Nr. 8/9, Juli/August 1969
  25. Zur Diskussion über den politischen Standort des VK – Entwurf –, Zivil, 16. Jg., Nr. 3, März 1970, S. 26. Die Identitäten von Hans Hammer und Peter Langos ließen sich nicht klären, wobei im Falle von Peter Langos vieles dafür spricht, dass es sich bei ihm um den ehemaligen Tübinger SDS-Vorsitzenden handelt. Siehe hierzu: Peter Langos ist tot, Nachruf vom 15. Dezember 2015.
  26. Nikel! Kunst will erzählen: Leben und Werke
  27. Haus der Pressefreiheit: Willy Fleckhaus
  28. a b ZEITZEUGEN LINKS/002: Quergedacht und schwergemacht - Der aufrechte Geist ... Ingrid Zwerenz im Gespräch, Schattenblick - eine elektronische Zeitung, 2016
  29. ZivilCourage – Unsere Zeitschrift
  30. Siehe hierzu die in der Datenbank Materialien zur Analyse von Opposition (MAO) verfügbaren Aufsätze von Egon Becker.
  31. a b Alfred Riedel: Lieber Herbert, lieber Egon! Ein Abschiedsbrief an zwei Redaktionsmitglieder, ZIVIL, 12. Jg., Nr. 10, Oktober 1967, S. 102
  32. Soweit keine anderen Quellen benannt werden, basiert die nachfolgende Darstellung der Zeittafel im Anhang zu Böwings Buch Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 353–361
  33. Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 95
  34. a b c Christian Fischer: Die Bedeutung der Persönlichkeit beim öffentlichen Engagement, Teil 5 der Serie Direktere Demokratie in Deutschland, Genossenschaft Zeit-Fragen, Zürich 2020.
  35. Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 188
  36. Der kann’s nicht lassen. Gespräch zwischen Stefan Richter und Werner Böwing anlässlich dessen 80. Geburtstag im Jahre 2008
  37. Die nachfolgenden Ausführungen bis zu seiner Mitgliedschaft in der SAJ basieren auf dem SPIEGEL-Artikel VERWEIGERER: Macht es wie Adenauer (siehe Weblinks)
  38. a b Köln im Film: Interview mit Gerhard Schmidt, Filmproduzent, Januar 2008
  39. Diskografie Hans Hermann (HH) Köper
  40. Nina Grunenberg: Der alte Mann und sein Bild. 'Eine sehr geschickte Idee': Kokoschka malte Adenauer, ZEIT NR. 20/1966 vom 13. Mai 1966
  41. „UNDERGROUND“ – Zwischen A und U, DER SPIEGEL, 17. November 1969
  42. Dr. Armin zur Lippe. In: Der Spiegel 7/1959, 11. Februar 1959
  43. Werner Böwing: Erinnerungen an den Versuch, mit einer Luftpumpe die Windrichtung zu ändern, S. 147, sowie ein Brief Raus an Werner Böwing vom 21. Oktober 1997 im Vorspann des Buches.
  44. Recht der Kriegsdienstverweigerer. Handbuch für die gesamte Praxis der Kriegsdienstverweigerung und des zivilen Ersatzdienstes. Das als Loseblattsammlung angelegte Grundwerk erschien erstmals 1966 und dann 1967 in einer überarbeiteten Auflage, ab 1969 folgten Ergänzungslieferungen.
  45. Oliver Helmstädter: Strahlende Helden einer dunklen Zeit, Augsburger Allgemeine, 30. November 2013
  46. (Herbert Stubenrauch auf HIS-online)
  47. Siehe auch: Herbert Stubenrauch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek