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Swissness

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SIGG-Flasche mit Schweizerkreuz
Schweizer Schokolade mit Schweizer Flagge (rechts)
Fondue-Caquelon mit Schweizerkreuz

Der Begriff Swissness (Marke Schweiz, in der Romandie auch suissitude genannt) ist ein zum Ende der 1990er Jahre in der Schweiz aufgekommener scheinanglizistischer Neologismus. Der Modebegriff postuliert die Dachmarkenstrategie, die Schweiz wirtschaftlich als trendige Marke zu positionieren. Die positiv konnotierten Attribute Fairness, Präzision, Zuverlässigkeit, politische Stabilität, Natürlichkeit und Sauberkeit sollen in einem Begriff zusammengefasst und als typisch schweizerisch insbesondere auch im Ausland vermarktet werden.

Geschichte

Für das Corporate Design der Swissness wird grafisch das Schweizerkreuz in verschiedenen Variationen verwendet, das im Design neue Beliebtheit errungen hat und heute T-Shirts, Handtaschen und weitere Accessoires ziert. Auf ähnliche Weise lehnten bereits seit längerem Schweizer Unternehmen wie Swissair, Swatch, SIGG und Victorinox ihre Firmennamen und Unternehmenslogos an Namen und Symbole der Schweiz an.

Die Herkunftsbezeichnung Made in Switzerland resp. Swiss made hatte sich bereits u. a. in der Uhrenbranche etabliert. Um generell Missbräuche bei der Verwendung des Schweizerkreuzes und des Namens Schweiz im Ausland und in der Schweiz mit energischeren Massnahmen zu bekämpfen, unterstützte der Bundesrat das Projekt Suissitude/Swissness. Wie einem am 15. November 2006 veröffentlichten Bericht über den Schutz der Bezeichnung Schweiz und des Schweizerkreuzes zu entnehmen war, sollte mit der Gesetzesänderung mehr Klarheit und rechtliche Sicherheit bei der Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes für Produkte und Dienstleistungen geschaffen werden.[1]

Bedeutung

Der Begriff Swissness findet nicht nur in Wirtschaft und Tourismus Verwendung, sondern auch in gesellschaftlichen Fragen und als politisches Schlagwort. Die Swissness kann als Pendant zur Italianità gesehen werden, so soll sie an das durch die Globalisierung scheinbar angeschlagene Selbstvertrauen der Schweizer appellieren – also eine marktwirtschaftlich geprägte Identität schaffen. Andererseits soll sie die Kauffreude an Produkten aus Schweizer Herstellung sowie an Designobjekten mit dem Schweizerkreuz verbreiten.

Nach Ansicht des Zürcher Historikers Jakob Tanner habe eine Person, die den Ausdruck «Swissness» verwende, die nationalen Schweizer Symbole im Sinn. Diese seien losgelöst von der staatlichen Autorität zu Logos geworden und hätten sich auf diesem Wege in den globalen Wettbewerb integriert. Tanner beschreibt Swissness als Gegenbegriff zum politischen Schlagwort des Sonderfalles Schweiz, der geprägt sei von einem Bedrohungskomplex und von Überfremdungsangst. Gemäss Tanner handelt es sich dabei um einen gelassenen, gemäss dem Zürcher Soziologen Kurt Imhof um einen leichtfüssigen Patriotismus.[2] Der Schweizer Schriftsteller Hugo Loetscher sah darin die Gefahr eines reaktionären Konservatismus.[3]

Verwendung und Markenrechte

Das Schweizer Fernsehen kommentierte am 1. Februar 2007 die Markteinführung eines neuen, in der Schweiz hergestellten Milchproduktes mit: «Mehr ‹Swissness› bei Coop».[4] Aktuell wird insbesondere ein stärkerer Markenschutz für die Schweiz und für Schweizer Symbole diskutiert.[5]

Am 21. Juni 2013 hat das Parlament mit der Änderung des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG)[6] und jener des Bundesgesetzes über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen (Wappenschutzgesetz, WSchG)[7] die so genannte „Swissness-Vorlage“ angenommen. Die Swissness-Vorlage hat zum Ziel, den wirtschaftlichen Wert der schweizerischen Herkunft eines Produktes nachhaltig und langfristig zu sichern.

Seit dem 1. Januar 2017 gilt die neue Swissness-Verordnung[8]

Im Februar 2020 wurde die Kritik geäussert, dass Gerichte in Coop-Restaurants mit einem grossen Schweizerkreuz angepriesen werden, obschon weite Teile der verwendeten Zutaten (in jenem Fall Poulet aus Slowenien) importiert sind. Da jedoch auf dem selben Plakat jeweils die Herkunft des Fleisches in kleiner und leicht zu übersehender Schrift deklariert ist, sieht Coop keinen Handlungsbedarf. Die Schweizerfahne stehe für «typische Schweizer Rezepte».[9] Im selben Monat wurde bekannt, dass Otto’s die Schweizer Kreuze auf Schuhen entfernen lassen muss, da weniger als 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz angefallen waren.[10]

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Amtliches Bulletin der Bundesversammlung. (PDF; 3,4 MB) Sommersession 2006. Abgerufen am 17. Mai 2011.
  2. Hannes Nussbaumer: Den Sonderfall wiederbeleben oder entsorgen? Tages-Anzeiger, 6. Dezember 2007, S. 53, archiviert vom Original am 10. Oktober 2012; abgerufen am 17. Mai 2011.
  3. Hugo Loetscher: Identität: Schweizstunde. Sind wir die «Dorftrottel Europas»? Oder sind wir «Niemandskinder»? Was ist eigentlich ein Schweizer? Ein Essay über unsere Identität. In: Die Zeit. 16. April 2009, abgerufen am 6. Juli 2011.
  4. sda/sprm: Mehr «Swissness» bei Coop. Grossverteiler setzt auf Berg-Produkte. SF Tagesschau, 1. Februar 2007, abgerufen am 17. Mai 2011.
  5. Swissness: Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes. Eidgenössisches Institut für geistiges Eigentum, archiviert vom Original am 21. April 2009; abgerufen am 17. Mai 2011.
  6. Änderungen Markenschutzgesetz. Abgerufen am 1. April 2014.
  7. Änderungen Wappenschutzgesetz. Abgerufen am 1. April 2014.
  8. Matthias Schmid: Swissness-Verordnung: Ab 1. Januar gibt es weniger Schweizer Kreuze in den Läden In: srf.ch, 29. Dezember 2016, abgerufen am 12. September 2018.
  9. Stefan Wüthrich: Swissness im Restaurant - Coop macht aus slowenischem Poulet Schweizer Rahmschnitzel. In: srf.ch. 7. Februar 2020, abgerufen am 7. Februar 2020.
  10. Otto's macht bei On-Schuh Schweizer Kreuz weg. In: 20min.ch. 12. Februar 2020, abgerufen am 12. Februar 2020.