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Rudi Carrell

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Rudi Carrell (* 19. Dezember 1934 in Alkmaar, Niederlande; † 7. Juli 2006 in Bremen; eigentlich Rudolf Wijbrand Kesselaar) war ein niederländischer Showmaster. Nach ersten Erfolgen in den Niederlanden debütierte Carrell 1965 im deutschen Fernsehen. In den folgenden 35 Jahren war er mit zahlreichen selbst entwickelten und adaptierten Formaten einer der erfolgreichsten und prägendsten Köpfe der deutschen Fernsehunterhaltung.

Karriere

Wirken in den Niederlanden

Sowohl Rudi Carrells Vater als auch sein Großvater waren im Showgeschäft tätig – er selbst sprang mit siebzehn Jahren in einem Gastspiel für seinen Vater ein.

In den Niederlanden wurde er mit der Rudi Carrell Show, die 1959 startete, sehr schnell populär. Er gewann 1964 die Silberne Rose von Montreux für eine komödiantische Interpretation von Robinson Crusoe für das Fernsehen. Dabei praktizierte er seinen Humor in einem Studio auf wenigen Quadratmetern einer Sandinsel mit Palme, umgeben von einer größeren Menge Wasser, begleitet von einem selbst dressierten Affen, der die Rolle des Freitag hatte, sowie der Schauspielerin Esther Ofarim, die eine Nixe verkörperte. Dies sollte der Türöffner für seine späteren Engagements als Entertainer im deutschen Fernsehen werden.

Beim Grand Prix d'Eurovision de la Chanson 1960 trat er für die Niederlande an und erreichte mit dem Lied „Wat een geluk“ den zwölften und damit vorletzten Platz. Hinter ihm landete nur Camillo Felgen für Luxemburg.

Die Anfänge in Deutschland

1965 lief die Rudi Carrell Show bei Radio Bremen zum ersten Mal im deutschen Fernsehen. Seither prägte und beeinflusste er die deutsche Fernsehunterhaltung und stand neben Kollegen wie Peter Frankenfeld und Hans-Joachim Kulenkampff für die „Große Samstagabendshow“. Legendäre Auftritte sind unter anderem das Regen-Duett zusammen mit Heinz Erhardt sowie eine fast musicalreife Darbietung einer Variation von „Ein Loch ist im Eimer“ zu Füßen von Heidelinde Weis. Mit Gespür für das Außergewöhnliche ausgestattet, konnte Carrell gelegentlich auch herausragende Künstler aus dem Zirkusbereich mit ihren Darbietungen ins Studio einladen, die sonst der Nachwelt wohl niemals im TV-Format erhalten geblieben wären.

Am laufenden Band

1974 wurde die Rudi Carrell Show durch die Sendung Am laufenden Band ersetzt, bei der am Schluss der Gewinner diejenigen Gewinne mit nach Hause nehmen durfte, an die er sich noch erinnern konnte, nachdem sie auf einem Förderband an ihm vorbeitransportiert worden waren. Sein Ensemble wurde abgerundet durch den Opernsänger und Komödianten Heinz Eckner, den er zufällig in einer Kantine kennen gelernt hatte.

In 1971 und 1972 war Carrell ein guter Nachbar von Sänger-Gitarrist Bobbejaan Schoepen. Er spielte zwei Jahre lang in seiner Show im Varieté des Freizeitparks Bobbejaanland.

Auftritte in Filmen

Rudi Carrell trat Anfang der siebziger Jahre zusammen mit dem damals 18-jährigen Ilja Richter in verschiedenen deutschen Schlager- und Schnulzenfilmchen wie z. B. Tante Trude aus Buxtehude oder Wenn die tollen Tanten kommen auf. Carrell und Richter bildeten damals ein recht erfolgreiches Komikerduo.

Carrell als Sänger

Auch als Sänger war Carrell erfolgreich. In vielen seiner Shows sang er Titel und hatte mit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ 1975 (nach der Melodie von „The City of New Orleans“ von Arlo Guthrie) und „Goethe war gut“ 1978 zwei Single-Hits in Deutschland, anschließend noch den nachdenklich-komischen Nachfolgehit „Der Herr gab allen Tieren ihren Namen“. Daneben schuf Carrell mit „Du bist mein Hauptgewinn“ auch das (erfolglose) Lied der ARD-Fernsehlotterie 1977.

Rudis Tagesshow

1979 erschien seine Autobiografie „Gib mir mein Fahrrad wieder“. 1981 sendete der WDR Rudi kann’s nicht lassen, im Herbst des gleichen Jahres startete Rudis Tagesshow, eine bei Radio Bremen produzierte Persiflage auf die Tagesschau der ARD. Einen Skandal mit internationalem Ausmaß und Morddrohungen handelte er sich ein, als er in der Sendung vom 15. Februar 1987 Ayatollah Khomeini im Gegenschnitt mit Damenunterwäsche wühlen ließ. Der 6-sekündige Spot führte zu einer schweren diplomatischen Krise. Deutsche Diplomaten wurden ausgewiesen und das Goethe-Institut geschlossen. Mehrere Flüge nach Teheran wurden abgesagt. Rudi Carrell musste sich öffentlich entschuldigen.

Die verflixte Sieben

Ab 1984 lief Die verflixte Sieben, eine Show, die an den Erfolg des laufenden Bandes anknüpfen sollte. Jeder Kandidat erhielt und tauschte während der Sendung sieben symbolische Gegenstände. Jeder Gegenstand stand verschlüsselt für einen Gewinn oder eine Niete. Ziel war es, am Schluss das zurückbehaltene, vermeintlich wertvollste Symbol gegen einen Gewinn – der eben auch eine Niete sein konnte – einzutauschen. Zum geflügelten Wort entwickelte sich dabei der in jeder Folge mehrfach vorkommende Ausspruch „Das wäre Ihr Preis gewesen!“.

Herzblatt

Als eine weitere Sendung unter Carrells kreativer und moderierender Führung startete 1987 die Verkupplungs-Show Herzblatt. Trotz ihrer Ansiedlung im Vorabendprogramm der ARD, unter zeitweiliger Teilnahme des ORF, konnten das Konzept und der Moderator die Massen an die Fernsehschirme locken und dabei bestens unterhalten. Die Sendung lief im Konzept weitgehend unverändert bis Mitte 2006 und wurde zuletzt von Alexander Mazza, dem siebten Moderator, präsentiert. Mancherorts wurde sie sogar schon als „Kult“ bezeichnet.

Die Rudi Carrell Show / Lass dich überraschen

1988 bis 1992 moderierte Rudi Carrell eine wiederum als Die Rudi Carrell Show, mit dem Zusatz „Lass dich überraschen“, bezeichnete Sendung in der ARD (24 Folgen), in der Menschen aus dem Publikum überraschend ihre Herzenswünsche erfüllt wurden und Imitatoren von Musikstars auftraten. Letztere wurden nach einer kurzen Vorstellung immer mit den Worten „Eben noch in der Werkstatt (o. ä.) – jetzt auf unserer Showbühne!“ eingeleitet. Gelegentlich überraschte Carrell eine engagierte, regional bekannte Person mit einem eigens für sie geschriebenen „Rudigramm“, eine exklusive Videoproduktion, in der der Showmaster die Person zur Musik eines Evergreens vorstellt und würdigt. In jeder Folge gab es als Überraschung auch eine aufwändig recherchierte Wiederzusammenführung von Familienangehörigen, deren Verbindung schon vor langer Zeit ungewollt abgerissen war.

Das Format der Rudi-Carrell-Show wurde 1996 unter dem alten Zusatztitel „Lass dich überraschen“ von Thomas Ohrner fortgesetzt. Die Wortschöpfung Rudigramm übernahm Stefan Raab für seine Raabigramme.

Engagements im Privatfernsehen

Zur Einführung der neuen fünfstelligen deutschen Postleitzahlen 1993 moderierte Carrell auf RTL eine neue Show („Die Post geht ab!“), die diese Änderung den Bürgern näher bringen sollte. Bald wurde das Format eingestellt, u. a. auch weil es zu sehr an seine frühere Sendung „Am laufenden Band“ erinnerte. Weitere relativ kurzlebige Projekte Carrells waren in jenen Jahren „Rudis Tiershow“ (ARD, 1992–1994), „Rudis Urlaubsshow“ (RTL, 1994–1996) und „Rudis Hundeshow“ (RTL, 1996).

Seit 1996 produzierte er für den Privatsender RTL die Show 7 Tage, 7 Köpfe, in welcher er auch bis Ende 2002 zur Stammbesetzung zählte. Mit dabei auch Mike Krüger, mit dem ihn eine langjährige private Freundschaft verband. Der Mit-Komiker Kalle Pohl bezeichnet Carrell als einen Workaholic mit einem herausragenden humoristischen Talent.

Ende 2002 zog er sich vom aktiven Dienst vor der Kamera zurück und arbeitete seitdem – von Gastauftritten abgesehen – nur noch hinter den Kulissen.

Krebserkrankung

In einem Interview im November 2005 bestätigte der Showmaster gegenüber der Zeitschrift Bunte, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei. Krank fühle er sich aber trotzdem nicht: „Krank sein heißt Fieber, Schmerzen, Übelkeit“, so Carrell in dem Gespräch. Ihm seien „all diese typischen Krankheitssymptome bisher Gott sei Dank erspart“ geblieben, aber er habe sich nach 51 Jahren mit bis zu drei Packungen Zigaretten pro Tag endlich das Rauchen abgewöhnt.

Bei der Aufzeichnung der letzten Folge 7 Tage, 7 Köpfe wirkte Carrell noch einmal selbst mit. Stumm tritt er auf und gibt noch einmal den Running Gag der Show zum Besten: Er schüttet mit Hilfe eines Seiles ein Glas Wasser über die Hose von Harald Schmidt und verschwindet wortlos. Die Sendung wurde am 31. Dezember 2005, der Silvester-Show und letztmaligen Ausgabe von „7 Tage, 7 Köpfe“, ausgestrahlt. In einem Interview scherzte Carrell: „Gags, die wir für ,7 Tage, 7 Köpfe‘ nicht gebrauchen können, hebe ich auf. Und wenn ich in den Himmel komme, werde ich damit etwas nebenbei verdienen.“

Am 2. Februar 2006 freute sich der schwer erkrankte Rudi Carrell sichtlich über die Ehrung für sein Lebenswerk mit der Goldenen Kamera in Berlin. Ihm war seine Krankheit anzusehen, auch seine Stimme klang schwach und heiser. Dennoch konnte er sein Scherzen nicht lassen und sagte: „Die Tatsache, dass ich hier heute Abend sein kann, verdanke ich vor allem meiner Krankenversicherung, dem Klinikum Bremen-Ost und der deutschen Pharmaindustrie.“ Und er fügte hinzu: „Mit so einer Stimme kann man in Deutschland noch Superstar werden.“ Es sollte sein letzter Auftritt im TV sein.

Am 17. März 2006 erschien im Magazin der Süddeutschen Zeitung ein längeres Interview, in dem Rudi Carrell sehr offen über den Tod sprach.[1]

Rudi Carrell starb am 7. Juli 2006 gegen Mittag im Alter von 71 Jahren an Lungenkrebs. Carrell war den Menschen hinter der Bühne als starker Raucher bekannt. Zum Schluss lebte er zurückgezogen auf seinem Gutshof in Syke-Heiligenfelde (Ortsteil Wachendorf) bei Bremen. Am 9. Juli 2006 fand im engsten Familienkreis eine Trauerfeier statt. Die Beisetzung fand am 25. Juli auf dem Friedhof im niedersächsischen Heiligenfelde im engsten Familienkreis statt. Aufgrund seines letzten Wunsches wurde die Urne seiner zweiten Ehefrau umgebettet und ruht jetzt neben ihm auf dem Friedhof.

Familie

Aus Carrells erster Ehe (1957-1973) mit seiner Frau Truus de Vries (*1937) stammen die Töchter Annemieke (*1958) und Caroline (*1960). 1974 heiratete er die Bremerin Anke Bobbert (1940-2000), die Mutter seines Sohnes Alexander (* 1977). Von 1985 bis 2000 war er mit der Drehbuchautorin Susanne Hoffmann befreundet, doch erst 1999 trennte er sich von seiner an schwerem Rheuma leidenden Ehefrau. Bald nach dem Tod seiner Frau Anke am 23. Februar 2000 durch Herzversagen kam es zur Trennung von Susanne Hoffmann, die im Alter von 41 Jahren an einem Gehirntumor starb. Den Rechtsstreit mit ihren Erben konnte Carrell durch einen Vergleich beenden. Am 7. Februar 2001 heiratete er in Australien seine dritte Ehefrau, die damals 30-jährige Magdeburger Hotelfachfrau Simone Felischak.

Zitate

„Als ich nach Deutschland kam, sprach ich nur Englisch – aber weil die deutsche Sprache inzwischen so viele englische Wörter hat, spreche ich jetzt fließend Deutsch!“

„Deutschland hat mir zehn Mal mehr gegeben, als ich mir je erhofft habe. Ich verdanke diesem wunderbaren Land mein Leben.“

„Ich werde noch lange als Wiederholung weiterleben.“

„Witze kann man nur dann aus dem Ärmel schütteln, wenn man sie vorher hineingesteckt hat.“

„Nachrichtensprecher fangen stets mit ‚Guten Abend‘ an und brauchen dann 15 Minuten, um zu erklären, dass es kein guter Abend ist.“

„In 22 Toiletten im Bundestag wurde Koks gefunden. Die Putzfrau ist sofort zurückgetreten.“

„Durch die hohen Benzinpreise ändert sich so manches. Jetzt kann man Frauen nicht mehr mit dem Satz beeindrucken: ,Ich habe einen Ferrari.‘, sondern mit: ,Ich habe meinen Ferrari vollgetankt.‘“

„Im stern stand: ‚Rudi Carrell: Ich glaube, ich bin einmalig.‘ Dieses habe ich nie behauptet, aber statistisch stimmt es.“

„Wenn ich mich an jemandem rächen will, dann nehme ich ihm die Radkappe ab und tue ein Steinchen hinein.“

„Mit dieser Stimme kann man in Deutschland immer noch Superstar werden.” (Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt Anfang Februar 2006 anlässlich der Verleihung der Goldenen Kamera für sein Lebenswerk. Seine Stimme war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr geschwächt.)

Auszeichnungen

  • 1964 – Rose von Montreux: Silberne Rose für „Die Rudi Carrell-Show“
  • 1974 – Goldene Kamera: Publikumspreis – Bester Quizmaster
  • 1975 – Löwe von Radio Luxemburg: Ehrenlöwe
  • 1975 – Bambi
  • 1979 – Bambi
  • 1980 – Bambi
  • 1982 – Goldene Kamera
  • 1984 – Preis für den besten europäischen Show-Moderator
  • 1985 – Bundesverdienstkreuz für die deutsch-holländische Verständigung
  • 1987 – Ehrenpreis des WDR
  • 1988 – Karl-Valentin-Orden
  • 1991 – Goldene Kamera: Publikumspreis – Bester Show-Gastgeber für „Die Rudi Carrell Show“
  • 1998 – Bambi: Beste TV-Comedy für „7 Tage, 7 Köpfe“
  • 1998 – Goldener Löwe von RTL: Beste TV-Comedy für „7 Tage, 7 Köpfe“
  • 1998 – Bambi: Leserpreis – Beliebteste Comedy-Sendung
  • 1999 – Goldener Gong: Beste TV-Comedy für „7 Tage, 7 Köpfe“
  • 2001 – Deutscher Comedypreis: Ehrenpreis für sein Lebenswerk
  • 2001 – Rose von Montreux: Ehrenrose
  • 2001 – Ridder in de Orde van de Nederlandse Leeuw: königliche Auszeichnung der Niederlande
  • 2001 – Alexander-Graham-Bell-Medaille: wird von der Fördergemeinschaft Gutes Hören und dem Forum Besser Hören gemeinsam vergeben, weil sich Rudi Carrell nach Angaben der Jury aktiv für die Akzeptanz von Hörgeräten für die tägliche Kommunikation eingesetzt hat
  • 2003 – Deutscher Fernsehpreis: Ehrenpreis der Stifter
  • 2003 – Romy für sein Lebenswerk
  • 2004 – Deutscher Comedypreis: Sonderpreis für Ausdauer und Popularität für „7 Tage, 7 Köpfe“
  • 2005 – Münchhausen-Preis
  • 2006 – Goldene Kamera für sein Lebenswerk

Diskografie

  • 1960 – Wat een Geluk (Single)
  • 1968 – Ein kleines Kompliment (Single)
  • 1975 – Wann wird's mal wieder richtig Sommer? (Single)
  • 1978 – Rudi, Rudi, noch einmal (Album)
  • 1978 – Goethe war gut (Single)
  • 1978 – Mein Dorf (Single)

Literatur

  • Rudi Carrell: Gib mir mein Fahrrad wieder. Wien/München/Zürich/Innsbruck 1979
  • Ingo Schiweck (Hrsg.): „Laß dich überraschen ...“ Niederländische Unterhaltungskünstler in Deutschland nach 1945. Münster 2005
  • Susanne Schult: Rudi Carrell. Das Image eines Stars in der Geschichte des deutschen Fernsehens. Osnabrück 2000
  • Jürgen Trimborn: Rudi Carrell. Ein Leben für die Show. C. Bertelsmann, München - Aug. 2006

Filmografie

Trivia

Rudi Carrell erklärte einmal, dass sein bürgerlicher Name sich von Kassel ableitet, da seine Vorfahren aus der nordhessischen Stadt stammten.

Artikel
Referenzen
  1. http://www.sueddeutsche.de/,tt2m2/kultur/artikel/230/72158/ "Ein Leben danach? Nein. Dann ist es eben aus" Rudi Carrell im Interview mit dem SZ Magazin