Dalai Lama
Dalai Lama (aus dem Mongolischen: Ozeangleicher Lehrer, von Dalai - mong. Ozean; tibetisch: Gyalpo Rinpoche) ist der Titel der höchsten weltlichen und einer bedeutenden religiösen Autorität des buddhistischen Tibet.
Der gegenwärtige vierzehnte Dalai Lama ist der Mönch Tenzin Gyatso.
Stellung des Dalai Lama
Allgemein
Dalai Lamas sind im tibetischen Buddhismus Menschen, (vgl. Nirmanakaya), die sich aus Mitgefühl entschlossen haben, durch Reinkarnation wieder in das Leben oder „in die gewöhnliche menschliche Existenz“ einzutreten, um anderen
Wesen zu dienen, obwohl sie als erleuchtete Wesen (Bodhisattva) den Kreislauf der Wiedergeburt hätten verlassen können. Die Dalai Lamas gelten als „Ausstrahlung“ Avalokiteshvaras (tib. Chen rezig) des Bodhisattva des Mitgefühls.
Ein Dalai Lama ist gemäß der Tradition in Tibet ein sogenannter Tulku. Es wird angenommen, dass der vorherige verstorbene Dalai Lama eine Wiedergeburt als Mensch annimmt und dieser dann aufgefunden werden kann. Oft geschieht dies durch eine hochrangige, oft von der Ordensführung autorisierte Findungskommission. Beispielsweise wurde der vierzehnte Dalai Lama von mehreren Mönchen gefunden, die Familien mit Kleinkindern im Land aufsuchten, bei deren Geburt sich besondere Zeichen gezeigt haben sollen (als besondere Zeichen gelten etwa ungewöhnliche Träume der Eltern, ungewöhnliche Fähigkeiten des Kindes oder Regenbögen). Die Mönche stellten den Kleinkindern mehrere Aufgaben, um herauszufinden, welches von ihnen der wiedergeborene Dalai Lama sei. Bei einer der Aufgaben ging es etwa um die Wiedererkennung von persönlichen Ritualgegenständen des Verstorbenen (vgl. Reinkarnationsforschung).
Nachdem die Entscheidung für einen der Kandidaten gefallen ist, wird das Kind offiziell zur Reinkarnation des vorigen Dalai Lama erklärt und erhält eine strenge klösterliche Ausbildung. Tenzin Gyatso wurde im Alter von 4½ Jahren in einer öffentlichen Zeremonie als 14. Dalai Lama inthronisiert.
Im Unterschied zur europäischen Monarchie wird der Titel „Dalai Lama“ nicht vererbt. Kritiker bemängeln aber die ebenfalls fehlende demokratische Legitimation.
Im Buddhismus gilt der Dalai Lama im Allgemeinen weder als ein Gottkönig noch als ein Alleinherrscher. Solche Vorstellungen sind nur in bestimmten Bereichen bzw. in bestimmten Bevölkerungskreisen verbreitet.
Der Titel „Dalai Lama“ wurde im Jahre 1578 vom mongolischen Fürsten Altan Khan erstmals an den 3. Dalai Lama, Sonam Gyatso, verliehen, seine beiden Vorgänger wurden nachträglich als Dalai Lamas anerkannt. Als eine besondere Autorität hat der Dalai Lama bei vielen Tibetern einen buddhagleichen Status.
Zeitgenössisch
Politisch ist der jetzige Dalai Lama Teil der tibetischen Exilregierung, die von der Volksrepublik China jedoch nicht anerkannt wird.
Demgegenüber hat die Person des vierzehnten Dalai Lama im Westen neben seiner moralischen Autorität auch den inoffiziellen Status eines Friedensbotschafters, was aus seinen Bemühungen herrührt, mit friedlichen Mitteln auf die Lage in seinem Heimatland Tibet aufmerksam zu machen und seine Politik der Gewaltlosigkeit zu propagieren. Seine Bemühungen um Frieden und Gewaltverzicht wurden mit der Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahr 1989 gewürdigt.
Liste der Dalai Lamas
offizielle Transkription | Lebenszeit | Regentschaft | Wylie-Transliteration | andere Schreibweise(n) | |
---|---|---|---|---|---|
1. | Gêdün Chub | 1391-1474 | ¹ | dge ‘dun ‘grub | Gedun Drub, Gendun Drub, Gedun Drupa |
2. | Gêdün Gyaco | 1475-1541 | ¹ | dge ‘dun rgya mtsho | Gendun Gyatso |
3. | Soinam Gyaco | 1543-1588 | 1578–1588 | bsod nams rgya mtsho | Sonam Gyatso, Sönam Gyatso |
4. | Yoindain Gyaco | 1589-1616 | [?] | yon tan rgya mtsho | Yonten Gyatso, Yönten Gyatso |
5. | Lobsang Gyaco | 1617-1682 | 1642–1682 | blo bzang rgya mtsho | (Ngawang) Lobsang Gyatso |
6. | Cangjang Gyaco | 1683-1706 | — | tshang dbyangs rgya mtsho | Tsangyang Gyatso, Tshangyang Gyatso |
7. | Gaisang Gyaco | 1708-1757 | 1720–1757 | bskal bzang rgya mtsho | Kelzang Gyatso, Kelsang Gyatso |
8. | Qambê Gyaco | 1758-1804 | 1786–1804 | byams spel rgya mtsho | Jamphel Gyatso, Jampel Gyatso |
9. | Lungdog Gyaco | 1806-1815 | (1808–1815)² | lung rtogs rgya mtsho | Lungtok Gyatso, Lungtog Gyatso, Luntog Gyatso |
10. | Cüchim Gyaco | 1816-1837 | — | tshul khrim rgya mtsho | Tsultrim Gyatso, Tshultrim Gyatso |
11. | Khaichub Gyaco | 1838-1856 | 1855–1856 | mkhas grub rgya mtsho | Khendrup Gyatso, Khedrup Gyatso |
12. | Chinlai Gyaco | 1856-1875 | — | ‘phrin las rgya mtsho | Trinley Gyatso, Trinle Gyatso |
13. | Tubdain Gyaco | 1876-1933 | 1878–1933 | thub bstan rgya mtsho | Thubten Gyatso, Thupten Gyatso, Tubten Gyatso |
14. | Dainzin Gyaco | seit 1935 | ab 1950 | bstan ‘dzin rgya mtsho | Tenzin Gyatso |
¹ Dem 1. und dem 2. Dalai Lama wurde der Titel posthum verliehen.
² Der 9. Dalai Lama wurde zwar offiziell inthronisiert, regierte jedoch nicht wirklich selbst.
Verwandte Themen
- Der Panchen Lama steht zum Dalai Lama in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis der Gelug-Schule.
Siehe auch
Literatur
deutsch
- Roland Barraux: Die Geschichte der Dalai Lamas. Göttliches Mitleid und irdische Politik. Komet, Frechen 2000, ISBN 3-933366-62-3
- Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Martin Brauen (Hrsg.): Die Dalai Lamas: Tibets Reinkarnationen des Bodhisattva Avalokiteshvara. Arnold, Stuttgart 2005, ISBN 3897902192
- Michael von Brück: Religion und Politik im tibetischen Buddhismus. Kösel, München 1999, ISBN 3-466-20445-3
- Colin Goldner: Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs. Alibri Verlag, Aschaffenburg 1999, ISBN 3932710215
- Karl-Heinz Golzio, Pietro Bandini: Die vierzehn Wiedergeburten des Dalai Lama: Die Herrscher Tibets - wie sie wiederkommen, wie sie gefunden werden, was sie hinterlassen haben. O.W.Barth Verlag, Bern-München-Wien 1997, ISBN 3-502-61002-9
- Andreas Gruschke: Dalai Lama. Diederichs, Kreuzlingen - München 2003, ISBN 3-7205-2461-2
- Günther Schulemann: Die Geschichte der Dalai Lamas. Harrassowitz, Leipzig 1958, ASIN B0000BNKWH
- Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei (116ff) Konkret Literatur Verlag 1996
englisch
- Yá Hánzhāng 牙含章: The Biographies of the Dalai Lamas. Foreign Languages Press, Beijing 1993, ISBN 7-119-01267-3 (Originaltitel: Dálài Lǎmá chuán 达赖喇嘛传)
- Dung-Dkar Blo-Bzang Phrim-Las: The Merging of Religious and Secular Rule of Tibet. Foreign Languages Press, Beijing 1993, ISBN 711900672X
Filme
- Werner Herzog: Rad der Zeit, 2004
- Jochen Breitenstein: Der Ring des Buddha, 2001
- Martin Scorsese: Kundun, 1997
- Jean-Jacques Annaud: Sieben Jahre in Tibet, 1997
- Bernardo Bertolucci: Little Buddha, 1993