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Kontaktschuld

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Kontaktschuld ist ein Begriff aus dem bundesdeutschen Recht der Nachkriegszeit und betrifft die Frage, ob einer Person eine mögliche Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen ist.

Der Vorwurf der Kontaktschuld stellt die äußerliche Tatsache eines „Kontaktes“ mit zu Recht oder zu Unrecht politisch verdächtigten Personen als solchen heraus, ohne dass es dabei eine Rolle spielt, von welcher Art die Beziehungen waren oder welchen Inhalt die bei Gelegenheit des „Kontaktes“ geführten Gespräche gehabt haben. Statt den Diffamierten selbst zu zitieren, sein Handeln zu charakterisieren, seine Beweggründe zu nennen, werden Orte, an denen er sich aufgehalten hat, oder Personen, mit denen er gesprochen hat, Publikationsorgane, in denen er geschrieben, Veranstaltungen, auf denen er gesprochen hat, Organisationen, in denen er mitwirkt, politisch verdächtigt und sodann ein Rückschluss auf die politische Einstellung des Angegriffenen selbst gezogen.[1][2]

Somit ist das Kontaktschuld-Konstrukt Teil des breiten Spektrums von argumentum ad hominem, das heißt, nicht die Sache wird angegriffen, sondern die Person. Es ist ein klassisches Pseudoargument und jedenfalls im Strafverfahren zur juristischen Beweisführung ungeeignet, weil es nicht auf Tatsachen beruht.

Der Begriff wurde insbesondere in den 1950er Jahren mit organisatorischen und personellen Verbindungen von nicht kommunistischen Gruppen oder Einzelpersonen der westdeutschen außerparlamentarischen Opposition zur KPD bzw. Nationalen Front und SED begründet.[3]

Oberbundesanwalt Carlo Wiechmann führte die Konstruktion der Kontaktschuld an zur Begründung der Verfassungsfeindlichkeit des Arbeitskreises für deutsche Verständigung unter Leitung von Wilhelm Elfes in der gegen Elfes und Friedrich Maase 1956 erhobenen Anklage wegen der Gründung und Förderung einer verfassungsfeindlichen Vereinigung bzw. einer kriminellen Vereinigung in staatsgefährdender Absicht. Der Begriff wurde jedoch erst später durch Heinrich Hannover geprägt.[4]

Der Begriff wird auch im Zusammenhang mit dem McCarthyismus verwendet (englisch: guilt by association).[5]

Die Einstellung in den öffentlichen Dienst war seit dem sog. Radikalenerlass von der Bereitschaft des Bewerbers abhängig, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.[6] Auch ohne eigene Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation wurde manchen Bewerbern diese Bereitschaft aufgrund ihres Kontakts zu vermeintlichen Verfassungsfeinden abgesprochen.[7]

Einzelnachweise

  1. Karl A. Otto: APO – Außerparlamentarische Opposition in Quellen und Dokumenten (1960–1970), Köln 1989, S. 91.
  2. Karl Heinz Ness: Das politische Strafrecht der Bundesrepublik und das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes, Hamburg 1969, S. 98.
  3. Gunther Rojahn: Elfes – Mehr als ein Urteil. Aufladung und Entladung eines Politikums Berlin, Univ.-Diss. 2009, S. 15, S. 89 ff.
  4. Heinrich Hannover: Politische Diffamierung der Opposition im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, Dortmund-Barop 1962
  5. Klaus Farin: Die Skins. Mythos und Realität. Christoph Links Verlag, Berlin, 1997
  6. Christoph Gunkel: Radikalenerlass: Der Feind im Klassenzimmer Der Spiegel, 27. Januar 2012
  7. Manfred Aschke, Michael Breitbach: Über Kontaktschuld und das konstitutionelle Gebot des rechten Feindbildes. Zugleich Anmerkung zum Häberlein-Urteil des VG Ansbach und Nieß-Urteil des Bayerischen VGH. Demokratie und Recht 1978, S. 3–14 (PDF)