Hedwig Dohm
Marianne Adelaide Hedwig Dohm geb. Schlesinger (* 20. September 1831 in Berlin, † 1. Juni 1919 ebenda) war eine deutsche Schriftstellerin und Frauenrechtlerin. Sie war eine der ersten feministischen Theoretikerinnen, die geschlechtsspezifische Verhaltensweisen auf die kulturelle Prägung zurückführte statt auf biologische Determination. Ihre Enkelin Katia heiratete 1905 Thomas Mann.
Leben
Hedwig Dohm war das vierte von insgesamt 18 Kindern des Tabakfabrikanten Gustav Adolph Schlesinger und dessen Frau Henriette Wilhelmine Jülich. Die Eltern konvertierten 1817 vom jüdischen zum evangelischen Glauben, was Hedwigs Kindheit – neben der allgegenwärtigen Armut und der Gewalttätigkeit, der durch die vielen Kinder überforderten Mutter - stark beeinflusste. Als Mädchen gierte sie nach Bildung, die ihr jedoch nicht zugestanden wurde. Sie las heimlich alles, was ihr in die Finger geriet und ließ sich auch durch Schläge nicht davon abhalten.
Mit 15 Jahren musste sie die Schule verlassen und stattdessen im Haushalt der Familie helfen. Drei Jahre später wurde ihr endlich der Besuch eines Lehrerinnenseminars gestattet. Mit 19 Jahren, noch vor dem Abschluss, heiratete sie Ernst Dohm, den Chefredakteur der satirischen Zeitschrift Kladderadatsch, mit dem sie zwischen 1854 und 1860 fünf Kinder hatte. Der Sohn starb bereits mit elf Jahren und auf Hedwigs Initiative hin erhielten ihre vier Töchter eine fundierte Berufsausbildung. Das Ehepaar Dohm verkehrte in intellektuellen Kreisen Berlins und Hedwig Dohm eignete sich das Wissen, das sie für die Erstellung ihrer ersten Veröffentlichung – Die spanische Nationalliteratur in ihrer geschichtlichen Entwicklung – benötigte, autodidaktisch an.
In der ersten Hälfte der 1870er Jahre erschienen die ersten vier feministischen Bücher von Hedwig Dohm. Die Frauenbewegung steckte noch in den Kinderschuhen. Ihre Schriften fanden kaum Beachtung und wenn, dann wurden sie schärfstens kritisiert. Während mehr als einem Jahrzehnt erschienen keine neue Texte von Dohm. 1883 starb ihr Mann an einem Schlaganfall. Erst ab 1890 begann sie wieder, Bücher zu veröffentlichen, nun jedoch Romane, Theaterstücke und Erzählungen. Nach dem Tod ihres Mannes engagierte Dohm sich vermehrt politisch in der langsam erstarkenden deutschen Frauenbewegung. 1888 war sie eine der Gründerinnen des Vereins Reform. Die Erfahrungen der Blaustrümpfe veranlassten sie zum Schreiben von Die Antifeministen (1902) und Die Mütter (1903), ihre letzten beiden Bücher. Hedwig Dohm kämpfte publizistisch für Gleichberechtigung - öffentliche Auftritte scheute sie.
Als alte Frau lebte Hedwig Dohm bei ihrer Tochter Elsbeth Rosenberg. Zur Zeit des 1. Weltkriegs wendete sie sich vom Feminismus ab und einem glühenden Pazifismus zu. So konnte sie sich auch nicht recht darüber freuen, als 1918 in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Ihre sarkastischer Text Der Mißbrauch des Todes. Senile Impressionen zeugt von einem tiefen Pessimismus angesichts der erlebten Kriegsgräuel und des von ihr so genannten „Hurra-Patriotismus“.
Werk
Hedwig Dohm war mit ihrem Feminismus ihrer Zeit weit voraus, einige ihrer Forderungen sind auch Anfang des 21. Jahrhunderts noch nicht verwirklicht. Sie forderte gleiche Bildung und Ausbildung für Mädchen wie für Jungen. Sie war überzeugt davon, dass ökonomische Selbständigkeit der einzige Weg für Frauen sei, um nicht mehr zwangsläufig im „Ehegefängnis“ zu landen, sondern sich freiwillig für oder gegen eine – dank der ökonomischen Unabhängigkeit – gleichberechtigte Partnerschaft mit einem Mann entscheiden zu können.
Neben den Forderungen nach gleicher Ausbildung und weiblichen Erwerbstätigkeit sprach sie sich vehement für das Frauenwahlrecht aus.
In Die Antifeministen von 1902 deckt sie in humorvoller Sprache die Ideologien der Vordenker und Meinungsmacher ihrer eigenen Zeit auf und entlarvt deren Widersprüche und Furcht vor dem weiblichen Geschlecht als dümmliche Verteidigung von Machtansprüchen.
In Die Mütter von 1903 thematisiert sie die Mutterliebe, die ihr gemäss kein natürlicher Trieb ist, sondern anerzogen und – in Ermangelung anderer Betätigungsfelder für Frauen – kultiviert wird. Damit auch Mütter weiter ihrem Beruf nachgehen können, schlägt sie vor, Hausarbeit und Kinderziehung durch Institutionen erledigen zu lassen.
Wohnorte von Hedwig Dohm in Berlin
- 1831 - Friedrichstraße 235 (Nähe Hallesches Tor)
- um 1870 - Potsdamer Straße 27a (heute 72, DEGEWO-Haus)
- 1883 - Matthäikirchstraße 28 (heute Nr. 5)
- danach Matthäikirchstraße 13 (heute Neue Nationalgalerie)
- 1900-1919 - Tiergartenstraße 19 (letzte Wohnung)
Schriften
- Was die Pastoren von den Frauen denken, 1872
- Der Jesuitismus im Hausstande, 1873
- Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau, 1874
- Der Frauen Natur und Recht, 1876
- Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung, 1902
- Die Mütter. Ein Beitrag zur Erziehungsfrage, 1903
- Der Mißbrauch des Todes, 1915
Literarische Werke
- Werde die du bist. Wie Frauen werden, 2 Novellen 1894
- Sibilla Dalmar, 1896
- Schicksale einer Seele, 1899
- Christa Ruland, 1902
Literatur
Nikola Müller und Isabel Rohner (Hg.): Hedwig Dohm - Ausgewählte Texte. Berlin: trafo Verlag 2006. ISBN 3-89626-559-8
Nikola Müller und Isabel Rohner (Hg.): Hedwig Dohm - Sibilla Dalmar. Roman aus dem Ende unseres Jahrhunderts. Berlin. trafo Verlag 2006. ISBN 3-89626-560-1
Weblinks
- Eine Homepage rund um Hedwig Dohm
- Dohms Werke beim Projekt Gutenberg
- Hedwig Dohm. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
- Biografie in der Berlinischen Monatsschrift
- Satirische Auseinandersetzung mit Georg Groddecks These, dass Frauen keine Persönlichkeit hätten
Personendaten | |
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NAME | Dohm, Marianne Adelaide Hedwig |
ALTERNATIVNAMEN | Schlesinger, Marianne Adelaide Hedwig (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Schriftstellerin und Frauenrechtlerin |
GEBURTSDATUM | 20. September 1831 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 1. Juni 1919 |
STERBEORT | Berlin |