Corpus Christi (2019)
Film | |
Titel | Corpus Christi |
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Produktionsland | Polen |
Originalsprache | Polnisch |
Erscheinungsjahr | 2019 |
Länge | 115 Minuten |
Stab | |
Regie | Jan Komasa |
Drehbuch | Mateusz Pacewicz |
Produktion | Leszek Bodzak, Aneta Cebula |
Musik | Evgueni Galperine, Sacha Galperine |
Kamera | Piotr Sobocinski Jr. |
Schnitt | Przemyslaw Chruscielewski |
Besetzung | |
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Corpus Christi (in Polen auch Boże Ciało) ist ein Filmdrama von Jan Komasa, das am 2. September 2019 im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig seine Weltpremiere feierte und am 11. Oktober 2019 in die polnischen Kinos kam. Der Film geht auf wahre Begebenheiten zurück. Im Rahmen der Verleihung des Polnischen Filmpreises 2020 erhielt Corpus Christi elf von 15 möglichen Auszeichnungen.
Handlung
Kurz vor seinem 21. Geburtstag wird Daniel aus der Haft entlassen. In seiner Zeit in einer Jugendstrafanstalt diente er dem Gefängnispriester Pater Tomasz als Messdiener, schnappte dabei die eine oder andere Gebetsformel auf, fand Gefallen an den Predigten und erlebte eine spirituelle Transformation. Er wollte nach der Haftstrafe selbst gerne in ein Priesterseminar eintreten, doch das Verbrechen, das er begangen hat, hindert ihn daran. Statt sich im Zuge einer Wiedereingliederung in einem Sägewerk als Arbeiter zu melden, gibt er sich in einem nahegelegenen Dorf, entsprechend verkleidet, als Priester aus.
Der neue Seelsorger kann nach anfänglichen Vorbehalten die äußerst konservativen Kirchengemeinde mit der Zeit für sich gewinnen. Bei seiner ersten Messe muss er improvisieren, weil ihm die richtigen Worte fehlen, und erklärt, auch Stille könne ein Gebet sein. Auch die erste Bewährungsprobe im Beichtstuhl absolviert er dank einer passenden App auf seinem Smartphone problemlos und kann so der besorgten Mutter raten, die ihr Kind beim Rauchen erwischt und geschlagen hat, ihm einfach stärkere Zigaretten zu kaufen.
Insbesondere bei den jungen Gemeindemitgliedern kommt der coole Gottesmann mit seiner ungewohnt lässigen Art gut an. Dem Bürgermeister, der zugleich Besitzer des Sägewerkes ist, sind die radikalen Predigten jedoch ein Dorn im Auge. Zudem will er unbedingt verhindern, dass ein tragischer Unfall aus der Vergangenheit neu untersucht wird.[1]
Produktion
Corpus Christi geht auf wahre Begebenheiten zurück.[2] Im Jahr 2011 hatte die Geschichte von den Machenschaften Patryk Błędowskis in Polen für Schlagzeilen sorgte: Der damals 19-Jahre junger Mann gab drei Monate lang vor, Priester zu sein und hielt Messen. Im Jahr 2014 erzählt Mateusz Pacewicz, der Drehbuchautor des Films, diese Geschichte im „Dużym Formacie“, einer Beilage der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Zudem hatte Pacewicz das Buch Kazanie na dole (auch Sermon at the bottom) über Błędowskis Geschichte veröffentlicht.[3]

Regie führte Jan Komasa. Er baut den Film auf den wahren Ereignissen der Geschichte rund um den falschen Priester auf und reichert diese mit fiktiven Elementen an. Beispielsweise haben die Geschehnisse in der Jugendstrafanstalt und die Tragödie, die das Dorf heimgesucht hat, nicht stattgefunden.[4] Wie auch bei seinem Nachfolgefilm The Hater, in der Maciej Musiałowski die Hauptrolle von Tomasz übernahm, sei Komasa bei beiden Filmen daran interessiert gewesen zu zeigen, wie die Gruppe einen Einzelnen beeinflusst und wie die auserwählten Prügelknaben plötzlich zu jemandem werden, vor dem man Angst hat. Sie seien jedoch irgendwie auch Helden. Die Heldentat von Daniel in Corpus Christi sei in gewisser Weise, die Gemeinschaft zu versöhnen, indem er vorgibt, jemand zu sein, der er nicht ist.[5] Ralf Schenk vom Filmdienst bemerkt, Komasas Hauptfigur sei keiner von jenen tatsächlichen kirchlichen Würdenträgern, die wie in dem vieldiskutierten Erfolgsfilm Klerus von Wojciech Smarzowski aus dem Jahr 2018 alkoholsüchtig sind, Kinder missbrauchen und streng verbotene Kontakte zu homosexuellen Seilschaften unterhalten, sondern ganz im Gegenteil: "Daniel versieht seinen selbsterwählten Dienst ohne Arg, unorthodox und verantwortungsvoll, sehr nahe an denen, die seines Zuspruchs und seines Trostes bedürfen."[6]
Der Film- und Theaterschauspieler Bartosz Bielenia übernahm die Rolle von Daniel, der sich als falscher Priester ausgibt. Łukasz Simlat spielt den echten Gefängnispriester Pater Tomasz. Eliza Rycembel übernahm die Rolle von Marta, Aleksandra Konieczna spielt deren Mutter Lydia, Anna Biernacik Martas Freundin. In weiteren Rollen sind Tomasz Zietek als einer der Mithäftlinge Daniels und Mateusz Czwartosz in der Rolle als Bonus zu sehen.
Über die Besetzung der Hauptrolle mit Bartosz Bielenia sagte der Regisseur: „Als er zum Vorsprechen kam, hatte er lange Haare, er war sehr dünn, er trug einen langen Pullover, eine Mütze. Er ist mit seinem Hund gekommen.“ Doch weil sein Vater ebenfalls Schauspieler ist, sei er seiner Intuition gefolgt, diese Rolle mit einem jungen Schauspieler zu besetzen, die keine Angst davor haben, ihre Komfortzone zu verlassen.[7]
Die Dreharbeiten fanden in dem polnischen Dorf Jaśliska im Powiat Krośnieński statt.[5][8]
Die Filmmusik komponierten Evgueni und Sacha Galperine. Der Soundtrack, der insgesamt fünf Musikstücke umfasst, wurde Anfang November 2019 von Les Contes Modernes als EP veröffentlicht.[9]
Eine erste Vorstellung erfolgte am 2. September 2019 bei den Filmfestspielen von Venedig. Ab 10. September 2019 wurde er beim Toronto International Film Festival gezeigt. Nach einer Vorstellung im September 2019 beim Polnischen Filmfestival Gdynia kam er am 11. Oktober 2019 in die polnischen Kinos. Ab Ende Oktober 2019 wurde er beim Chicago International Film Festival vorgestellt.[10] Im November 2019 wurde er beim Minsk International Film Festival „Listapad“ im offiziellen Hauptwettbewerb und beim Filmfestival Cottbus in der Sektion Polskie Horyzonty gezeigt.[11][12] Ebenfalls im November 2019 wurde er beim AFI Film Festival in der World Cinema Section vorgestellt.[13] Im Januar 2020 wurde er beim Palm Springs International Film Festival gezeigt.[14] Der Kinostart in Deutschland soll am 3. September 2020 erfolgen.[15]
Rezeption
Kritiken
Der Film konnte bislang 98 Prozent der Kritiker bei Rotten Tomatoes überzeugen und erhielt hierbei eine durchschnittliche Bewertung von 7,7 der möglichen 10 Punkte.[16]
Dieter Oßwald, Filmkorrespondent der Gilde deutscher Filmkunsttheater, schreibt, mit seinem erst dritten Spielfilm präsentiere sich Jan Komasa als eindrucksvolles Regie-Talent, dessen Stilsicherheit überzeugt. Mit dramaturgischem Minimalismus und maximaler psychologischer Präzision entwickele sich diese schlichte Story zum vielschichtigen Drama über existenzielle Fragen von Macht, Moral und Vergebung. Komasa gelinge es mit einem raffiniert konstruierten Drehbuch, seinen Helden mit zwingender Logik ständig in neue Zwickmühlen und Zwangslagen zu stürzen. Fast unmerklich werde der Zuschauer vom bloßen Betrachter zum mitfühlenden Komplizen dieser Figur. Der dramaturgische Coup gelinge, weil Hauptdarsteller Bartosz Bielenia sich als perfekte Besetzung erweist, so Oßwald: „Mit umwerfender Intensität und doch völlig unangestrengt, verleiht er diesem David eine Glaubhaftigkeit und Empathie, der man sich kaum entziehen kann.“ In seinen komischen Momenten funktioniere dieses beklemmende Drama ebenso makellos wie in den spannenden Szenen, die wie ein Thriller wirkten.[1]
Auszeichnungen (Auswahl)
Corpus Christi wurde von Polen als Beitrag für die Oscarverleihung 2020 in der Kategorie Bester Internationaler Film eingereicht[17] und Mitte Januar 2020 von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in dieser Kategorie nominiert. Beim 44. Polnischen Filmfestival in Gdynia wurde er mit zehn Preisen ausgezeichnet. Im Rahmen der Verleihung des Polnischen Filmpreises Anfang März 2020 konnte der Film elf von 15 möglichen Auszeichnungen holen, was einen Rekord in der 22-jährigen Geschichte des Filmpreises darstellte. Im Folgenden eine Auswahl an weiteren Auszeichnungen und Nominierungen.
Chicago International Film Festival 2019
- Nominierung als Bester Spielfilm im internationalen Wettbewerb (Jan Komasa)
- Auszeichnung als Bester Schauspieler mit dem Silver Hugo (Bartosz Bielenia)[18][19]
Filmfest Hamburg 2019
- Nominierung für den Preis der Filmkritik (Jan Komasa)[20]
Internationales Filmfestival von Stockholm 2019
- Auszeichnung als Bester Schauspieler im Stockholm XXX Competition (Bartosz Bielenia)[21]
Minsk International Film Festival „Listapad“ 2019
- Auszeichnung für die Beste Regie (Jan Komasa)
- Auszeichnung mit dem Publikumspreis
- Auszeichnung mit dem Special Jury Award – Regie (Jan Komasa)[22][23][24]
- Nominierung als Bester Internationaler Film
Palm Springs International Film Festival 2020
- Nominierung als Bester fremdsprachiger Film für den FIPRESCI-Preis (Jan Komasa)
- Auszeichnung als Bester Schauspieler in einem internationalen Spielfilm mit dem FIPRESCI-Preis (Bartosz Bielenia)
- Auszeichnung mit dem Young Cineastes Award (Jan Komasa)[25][26]
Polnischer Filmpreis 2020
- Auszeichnung als Bester Film (Jan Komasa)
- Auszeichnung für die Beste Regie (Jan Komasa)
- Auszeichnung für das Beste Drehbuch (Mateusz Pacewicz)
- Auszeichnung als Beste Hauptdarstellerin (Aleksandra Konieczna)
- Auszeichnung als Bester Hauptdarsteller (Bartosz Bielenia)
- Auszeichnung als Beste Nebendarstellerin (Eliza Rycembel)
- Auszeichnung als Bester Nebendarsteller (Łukasz Simlat)
- Auszeichnung für die Beste Kamera (Piotr Sobociński Jr.)
- Auszeichnung für den Besten Schnitt (Przemysław Chruścielewski)
- Auszeichnung als Entdeckung des Jahres (Mateusz Pacewicz für sein Drehbuch)
- Auszeichnung mit dem Publikumspreis[27][28]
Polnisches Filmfestival Gdynia 2019
- Auszeichnung mit dem Publikumspreis (Jan Komasa)
- Auszeichnung für die Beste Regie (Jan Komasa)
- Auszeichnung für das Beste Drehbuch (Mateusz Pacewicz)
- Auszeichnung als Beste Nebendarstellerin (Eliza Rycembel)
- Auszeichnung als Bester Film mit dem Journalistenpreis (Jan Komasa)
- Auszeichnung als Discovery of the Festival – Nagrodę Onetu (Bartosz Bielenia)
- Auszeichnung mit der Kristallstern Elle (Bartosz Bielenia)
- Auszeichnung als Bester Spielfilm mit dem Award of Festivals and Reviews of the Polish Film Abroad (Jan Komasa)
- Auszeichnung als Bester Film mit dem Don Kichot der Polish Federation of Film Discussion Clubs (Jan Komasa)
- Auszeichnung als Bester Film mit dem Award of the Network of Studio and Local Cinemas (Jan Komasa)[29][30][31]
Literatur
- Mateusz Pacewicz: Kamil, który księdza udawał. In: Gazeta Wyborcza, Artikel vom 22. Januar 2014 mit Illustrationen von Mateusz Kołek.[32]
- Mateusz Pacewicz: Kazanie na dole. Agora, 2014. (E-Book)[33]
Weblinks
- Corpus Christi bei IMDb
- Corpus Christi im Programm des Filmfest Hamburg
- Jan Komasa über Corpus Christi im Interview mit Cineuropa (Video, englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b Dieter Oßwald: Corpus Christi. In: programmkino.de. Abgerufen am 3. April 2020.
- ↑ The priest who was no priest. In: iffr.com, 1. Februar 2020.
- ↑ Piotr Halicki: To jego historią inspirowali się twórcy „Bożego Ciała“. Patryk Błędowski: powiedziałem „dość“, kiedy miałem udzielić ślubu. In: kultura.onet.pl, 4. Februar 2020. (Polnisch)
- ↑ Michelle Knoblauch: Der grösste polnische Arthaus-Erfolg 2019: Zu recht. In: cineman.ch. Abgerufen am 3. April 2020.
- ↑ a b Daria Porycka: Jan Komasa: „Hejter“ ma sprowokować widza, żeby zaczął się bać.. In: Gazeta Prawna, 9. März 2020. (Polnisch)
- ↑ https://www.filmdienst.de/film/details/614794/corpus-christi-2019#kritik
- ↑ https://www.latimes.com/entertainment-arts/movies/story/2020-01-01/corpus-christi-delves-into-fake-priest-trend-in-poland
- ↑ https://jawagabunda.pl/podroze/jasliska/
- ↑ 'Corpus Christi' Soundtrack EP Released. In: filmmusicreporter.com, 5. November 2019.
- ↑ Jeremy Kay: Oscar submissions 'Corpus Christi', 'Instinct' among Chicago festival international line-up. In: screendaily.com, 16. September 2019.
- ↑ http://listapad.com/en/programm/osnovnoy-konkurs-igrovogo-kino/corpus-christi/
- ↑ Sektion Polskie Horyzonty. In: filmfestivalcottbus.de. Abgerufen am 27. Oktober 2019.
- ↑ https://awardswatch.com/afi-fest-announces-world-cinema-and-documentary-sections/
- ↑ Programmheft des Palm Springs International Film Festivals 2020. In: psfilmfest.org. Abgerufen am 3. Januar 2020. (PDF; 331 KB)
- ↑ Starttermine Deutschland. In: insidekino.com. Abgerufen am 16. Mai 2020.
- ↑ Corpus Christi. In: Rotten Tomatoes. Abgerufen am 4. März 2020.
- ↑ Leo Barraclough: Toronto Title 'Corpus Christi' Picked as Poland’s Candidate in Oscar Race. In: Variety, 13. September 2019.
- ↑ Announcing Competitions for the 55th Chicago International Film Festival. In: chicagofilmfestival.com. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- ↑ Portrait of a Lady on Fire and Vitalina Varela Win Top Awards At The 55th Chicago International Film Festival. In: chicagofilmfestival.com. Abgerufen am 26. Oktober 2019.
- ↑ Corpus Christi. In: filmfesthamburg.de. Abgerufen am 3. April 2020.
- ↑ Winners at Stockholm International Film Festival 2019. In: cision.com, 15. November 2019.
- ↑ Audience Awards of the 26th MIFF „Listapad“. In: listapad.com, 8. November 2019.
- ↑ Awards of the Main Feature Film Competition of the 26th MIFF „Listapad“ . In: listapad.com, 8. November 2019.
- ↑ https://polandin.com/45253930/success-for-polish-movie-corpus-christi-at-the-film-festival-november-in-minsk
- ↑ Pete Hammond: Palm Springs Film Festival Sets Lineup; 'An Almost Ordinary Summer' & 'Military Wives' Are Opening- And Closing-Night Movies. In: deadline.com, 10. Dezember 2019.
- ↑ Pat Saperstein: 'Beanpole', 'Talking About Trees' Among Palm Springs Film Festival Winners. In: Variety, 11. Januar 2020.
- ↑ Orły 2020: Nagrodzone filmy. Wyniki i zdjęcia z czerwonego dywanu. Lista laureatów Polskich Nagród Filmowych. „Boże ciało“ z 11 statuetkami. In: polskatimes.pl, 5. März 2020. (Polnisch)
- ↑ Ola Salwa: 11 Polish Eagles have landed for Corpus Christi. In: cineuropa.org, 3. März 2020.
- ↑ Agnieszka Holland’s movie wins Golden Lions at Gdynia Film Festival. In: polandin.com, 22. September 2019.
- ↑ Ola Salwa. Mr. Jones tames the Golden Lions at the Polish Film Festival in Gdynia. In: cineuropa.org, 23. September 2019.
- ↑ Gewinner des 44. polnischen Filmfestivals. In: festiwalgdynia.pl. Abgerufen am 5. April 2020.
- ↑ Mateusz Pacewicz: Kamil, który księdza udawał. In: Gazeta Wyborcza (Duży Format), 22. Januar 2014. (Polnisch)
- ↑ Kazanie na dole. In: publio.pl. Abgerufen am 5. April 2020.