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Fernspäher

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Datei:Barett.JPG
Barettabzeichen Fernspähtruppe

Die Fernspäher sind die infanteristischen Aufklärer der Bundeswehr. Sie gehören zu den spezialisierten Kräften der Division Spezielle Operationen. Im Zuge der Reform des deutschen Heeres sollen die Fernspäher Teil der Heeresaufklärungstruppe werden.

Fernspäher operieren auf sich allein gestellt hinter den feindlichen Linien und sammeln dort Informationen über feindliche Kräfte. Fernspähkräfte erreichen Ihren Einsatzraum mit Luftfahrzeugen, aber auch im Fallschirmabsprung. Sie beobachten und melden mit modernster Kommunikationstechnik und geben der Führung so frühzeitig Hinweise auf die Absichten eines Gegners. Der Hauptauftrag ist das Gewinnen von Schlüsselinformationen in Krisen- und Konfliktgebieten für die strategische und operative Führungsebene. Auch das "Forward Air Controlling" (FAC) - das Lenken von Lufteinsätzen per Funk oder Laser-Designator vom Boden aus - gehört zu den neueren Fernspäh-Konzepten.

Dabei liegt das Hauptaugenmerk eines vier Mann starken Fernspähtrupps unentdeckt zu bleiben. Die Fernspäher sind bei ihrer Auftragserfüllung recht unabhängig und vermeiden den Kampf. Unsichtbare Infiltration und Exfiltration aus dem Einsatzgebiet sind für die "Augen des Heeres" (Wahlspruch: oculus exercitus) oberste Maxime.

Fernspähaufklärung erfolgt stationär und beweglich und beinhaltet ein weites Spektrum an unkonventionellen Verfahren und Methoden. Dabei können optische und optronische Mittel sowie unterschiedliche Sensoren eingesetzt werden.

Aufstellung

In der alten Struktur der Bundeswehr hatte jedes der drei deutschen Korps eine Fernspähkompanie. (FeSpähKp 100 in Braunschweig/Celle, FeSpähLehrKp 200 in Weingarten/Pfullendorf, FeSpähKp 300 in Fritzlar) Mittlerweile gibt es nur noch die Fernspählehrkompanie 200 und die Fernspähausbildungskompanie 209. Diese Kompanien sind stationiert am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf. Letztgenannte führt u.a. die 18-monatige Vorausbildung für Mannschaftssoldaten und zivile Bewerber für das Kommando Spezialkräfte (KSK) durch. Außerdem existierte eine Fernspähkommandokompanie beim Kommando Spezialkräfte (KSK). Diese wurde jedoch im Jahr 2005 in eine normale Kommandokompanie umgewandelt.

Geschichte

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Fernspäher bei Übung

Die Fernspähtruppe wurde im Jahre 1962 völlig neu aufgestellt. Sie hatte sowohl in der Bundeswehr als auch in der Wehrmacht keine vergleichbare Vorgängerin.

Grund für die Neuaufstellung war die unzureichende Möglichkeit der Dauerbeobachtung in feindbesetztem Gebiet durch andere Aufklärungskräfte. So erhielt Major Konrad Rittmeyer, ein kriegserfahrener Panzeraufklärer, am 1. November 1961 vom Heeresamt den Auftrag eine Truppe aufzustellen, deren Soldaten Einzelkämpfer und Fallschirmspringer sein mussten und ledig waren.

Der Standort dieser Lehrgruppe R (für Rittmeyer) war die Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt/Schongau in Oberbayern. Die zukünftigen Fernspähsoldaten waren Fallschirmjäger, Gebirgsjäger sowie einige Grenadiere.

Zu diesem Zeitpunkt waren sie der Panzeraufklärungstruppe zugeordnet. Erst 1977 erfolgte nach vielen Wechseln (zwischenzeitlich zur Infanterie) die Unterstellung zu den Führungstruppen. Von der Verbundenheit mit der Panzeraufklärungstruppe kündet heute noch die gemeinsame goldgelbe Waffenfarbe und die gekreuzten Lanzen im Barettabzeichen. Das Zugehörigkeitsgefühl der Fernspäher zu den Luftlandetruppen ist gekennzeichnet durch das bordeauxrote Barett mit dem stürzenden Adler der Fallschirmjägertruppe.

1962 begann Major Rittmeyer mit der Ausbildung des Ausbildungskaders. Nach zehn Monaten war der Kader einsatzfähig und die Lehrgruppe R wurde in Fernspählehrkompanie 200 umbenannt. Kurze Zeit später waren auch die Kader für die beiden neu gegründeten Fernspähkompanien 100 und 300 gebildet.

Das Fernspähausbildungszentrum 900 in Neuhausen ob Eck, die spätere Internationale Fernspähschule in Weingarten und das heutige Ausbildungszentrum Spezielle Operationen, wurde 1973 durch Personal der drei Fernspähkompanien ins Leben gerufen. Der Grundgedanke der NATO-Schule war die Vereinheitlichung von Ausbildung und Ausrüstung der Fernspäheinheiten der NATO.

Im Zuge weiterer Umstrukturierungen im Heer wurden die Fernspähkompanien 100 und 300 im Jahre 1996 aufgelöst; erstere nach 34 Jahren wechselvoller und ereignisreicher Geschichte.

Gliederung

Die derzeit noch verbliebene Fernspählehrkompanie 200 gliedert sich bei einer Sollstärke von 226 Soldaten in:

  • Zwei Fernspähzüge
  • Fernmeldezug
  • Führungs- und Unterstützungsbereich

Die Fernspähzüge beinhalten als taktisches und operatives Element die Spähtrupps mit jeweils vier Mann. Der Fernmeldezug teilt sich in mehrere Trupps auf, die den Spähtrupps im Einsatz als Übertragungselement zur Führung dienen.

Ausbildung

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Die Ausbildung zum Fernspähsoldaten ist aufgrund des besonderen Auftrages intensiv und fordernd. Die ständig hohen physischen und psychischen Anforderungen im Einsatz können nur durch körperliche Belastbarkeit, gepaart mit hoher Stressstabilität kompensiert werden. Für den Einsatz in den Spähzügen kommen daher fast ausschließlich länger dienende Zeitsoldaten in Frage. Fernspäher werden im Rahmen ihrer mehrjährigen Ausbildung u.a. zum Fallschirmspringer, Einzelkämpferund Funker ausgebildet. Auf Überlebensfähigkeit, Widerstand bei Verhören und überdurchschnittliche körperliche Fitness wird während der Ausbildung besonderen Wert gelegt. Schwerpunkte der Ausbildung liegen weiterhin in der Nachrichtengewinnung, dem Identifizieren von gegnerischem Gerät wie Fahrzeugen oder Raketenstellungen.

Zum umfangreichen Ausbildungsprogramm gehören neben speziellen Überlebenslehrgängen wie dem Combat Survival Course (CSC), Reaktionsschießlehrgänge (CQB), Navigation, Nahkampf, Freifalltechniken, Verhörausbildung und eine Combat Medic Ausbildung, die Soldaten befähigen soll, innerhalb eines autark operierenden Spähtrupps die eigene medizinische Versorgung unter Einsatzbedingungen zu gewährleisten.

Einen fertig ausgebildeten Fernspäher gibt es nicht. Vielmehr wird durch ständiges Inübunghalten und Weiterbildung der hohe Ausbildungsstandard in der Fernspähtruppe aufrechterhalten und vertieft. Hierzu fanden in der Vergangenheit immer wieder große internationale Fernspähübungen statt, die jeweils von unterschiedlichen Nationen durchgeführt wurden. Dabei wurden die Fernspähtrupps unter realen Einsatzbedingungen von Jagdkommandos verfolgt. Oftmals erbrachten die Spähtrupps im Laufe einer Woche mehr als 160 km Marschleistung.

Des weiteren werden Erfahrungen und Weiterentwicklungen in Taktik und Ausrüstung zwischen den beteiligten Nationen am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen ausgetauscht.

Ausrüstung

Die Ausrüstung der Fernspähtruppe beinhaltet neben der standardisierten persönlichen Ausrüstung in der Bundeswehr, spezielle Waffen und Fernmeldegeräte, die der Geheimhaltung unterliegen. Exemplarisch seien verschlüsselungsfähige HF-Funkgeräte, verschiedene Nachtsichtoptiken und schallgedämpfte Kurz- und Langwaffen genannt. Ebenfalls an die besonderen Anforderungen angepasst sind die Zusatzausstattungen, wie Einsatzwesten und Rucksäcke, Schlafsäcke, dehydrierte Einsatzverpflegung, spez. Sanitätsausrüstung mit Infusionen usw.

Die Traglast für einen vierzehntägigen Einsatz kann dabei schnell zwischen 40-50 Kg pro Soldat liegen.

Taktiken

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Fernspäher im Beobachtungsstand

Das Einsatzgebiet eines Fernspähtrupps kann bis zu 150 Km von der eigenen Truppe entfernt im feindlichen Hinterland liegen. Die Verbringung der Soldaten in das Operationsgebiet kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen:

  • Fallschirmabsprung
  • Einsickern zu Fuß
  • Überrolleinsatz
  • Anlandung mit Hubschraubern
  • Anlandung mit Booten
  • Verbringung mit Panzeraufklärern

Im Einsatzgebiet angekommen bewegt sich der Fernspähtrupp hauptsächlich nachts. Dabei kann unter gefechtsmäßigen Bedingungen ein Kilometer durchaus eine Stunde benötigen.

Am Einsatzort wird ein Beobachtungsstand oder Versteck eingerichtet, von dem aus Aufklärungsergebnisse über einen längeren Zeitraum zu gewinnen sind. Der Beobachtungsstand bietet vier Fernspähern Platz und dient als Schlaf-, Funk-, Beobachtungs- und Verpflegungsstätte. Für den kompletten Bau benötigt ein Trupp, inkl. Abtarnung und Wegtransport der ausgehobenen Erde, zwei volle Nächte. Der Bunker ist i.d.R. 130-140 cm tief und hat eine Grundfläche von neun Quadratmetern. Durch eine Luke oder einen Viewport wird beobachtet. Im Ernstfall muss ein Trupp bis zu 14 Tagen in diesem Bunker aushalten können.

Sobald als möglich wird Funkverbindung mit dem Fernmeldezug aufgenommen, um Aufklärungsergebnisse weiterzugeben. Das Funkgerät wird von zwei Soldaten des Spähtrupps im Schichtbetrieb bedient, während Truppführer und Stellvertreter sich bei der Beobachtung abwechseln. Entsprechend der Lage wird direkt vom Versteck aus beobachtet oder ein abgesetzter Beobachter, der gleichzeitig den Trupp sichert, übernimmt diese Aufgabe.

Der Trupp muss ständig in der Lage sein, bei Feindberührung auszuweichen und lebt daher aus dem Rucksack. Die Exfiltration, d.h. die Rückführung zu den eigenen Kräften, nimmt meist genauso viel Zeit in Anspruch wie die Infiltration und wird mit derselben Sorgfalt und Vorsicht durchgeführt.

Sonstiges

Datei:Spaehtrupp.jpg
Spähtrupp

Die ersten Soldaten für das Kommando Spezialkräfte (KSK) wurden u.a. aus den beiden aufgelösten Fernspähkompanien rekrutiert. Die Fernspähkommandokompanie wurde 2005 in eine normale Kommandokompanie umgewandelt.

Durch das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen wird weiterhin jährlich der internationale Fernspähwettkampf Para Cross durchgeführt, der meist mit einem Tag der offenen Tür verbunden ist und der Öffentlichkeit einen der seltenen Einblicke in die Tätigkeit des Ausbildungszentrums ermöglicht.

Die international gebräuchliche Bezeichnung für die Fernspähtruppe ist Long Range Reconnaissance Patrol - LRRP (gesprochen Lörp).

Einsätze

Einsätze der Fernspäher unterliegen - ähnlich denen der Kampfschwimmer und des KSK - strenger Geheimhaltung, um die Auftragserfüllung nicht zu gefährden. Bekannt geworden sind Einsätze u.a. in Bosnien und im Kosovo. In Afghanistan unterstützten deutsche Fernspähkräfte mehrmals die internationale Allianz bei der Suche nach Taliban- und Al-Qaida-Kämpfern.

Zukunft

Im Rahmen der Transformation der Streitkräfte wird aus Panzeraufklärungstruppe zusammen mit Fernspähern, Feldnachrichtenkräften und Drohnenaufklärern die neue Truppengattung Heeresaufklärungstruppe.

Die Heeresaufklärungstruppe umfasst zukünftig (ab 2007) die Panzeraufklärungstruppe einschließlich der Luftlandeaufklärungseinheiten, die Fernspähkräfte, die Feldnachrichtenkräfte sowie Kräfte der luftgestützten unbemannten abbildenden Aufklärung, die den Aufklärungsverbänden und -einheiten zugeordnet sind. Die Heeresaufklärungstruppe wirkt durch bodengebundene und luftgestützte Lageaufklärung und ist ein wesentlicher Träger der Nachrichtengewinnung und Aufklärung im Heer.

Literatur