Eosinophile Ösophagitis
Klassifikation nach ICD-10 | |
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K20 | Ösophagitis |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die eosinophile Ösophagitis (EE oder EoE) ist eine immunvermittelte, chronisch-entzündliche Erkrankung der Speiseröhre (Ösophagus) mit dem typischen Symptom einer Dysphagie unterschiedlicher Ausprägung. 1977 wurde sie erstmals beschrieben,[1] und 1978 als eigenständiges Krankheitsbild erkannt.[2] Früher als Rarität angesehen, wird die eosinophile Ösophagitis seit Ende der 1990er Jahre in den industrialisierten Ländern vermehrt diagnostiziert und gilt heute nach der Refluxösophagitis (GERD) als zweithäufigste entzündliche Erkrankung der Speiseröhre. Dies ist einerseits einer besseren Wahrnehmung der Untersucher zuzuschreiben, andererseits einem Anstieg im Vorkommen der Krankheit. Seit 2017 existieren europäische Leitlinien zur Therapie und Behandlung,[3] eine deutsche Leitlinie steht noch aus.
Epidemiologie
Während nach der Erstbeschreibung der Erkrankung von Einzelfällen ausgegangen wurde, liegt die Prävalenz inzwischen bei 13–49 Fällen pro 100.000 Einwohnern, die Inzidenz bei 1–20 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr, wobei das männliche Geschlecht mit m : w = 7 : 3 bevorzugt betroffen ist. Die Erkrankung tritt sowohl im Kindesalter, als auch bei Jugendlichen und Erwachsenen auf. Die eosinophile Ösophagitis kann in jedem Alter auftreten, allerdings mit steigender Inzidenz bei Kindern und mit einem Altersgipfel bei Erwachsenen von 30–50 Jahren. Bei etwa 75 % der Patienten liegt gleichzeitig eine weitere atopische Erkrankung vor. In allen Industrienationen wird ein weiteres Ansteigen der Fallzahlen beobachtet, was nicht nur auf eine bessere Erkennung, sondern tatsächlich auch auf ansteigende Erkrankungsraten zurückzuführen ist.[4]
Ursachen
Während die eosinophile Entzündung das histologische Erkennungsmerkmal der eosinophilen Ösophagitis darstellt, ist diese Eosinophilie jedoch nur Folge eines bis jetzt nicht vollständig geklärten Entzündungsprozesses. Bei der Entstehung der Entzündung spielen einerseits verschiedene Nahrungsmittelbestandteile eine Rolle. Zum Anderen gibt es Hinweise auf eine familiäre Häufung, was eine (teilweise) genetisch bedingte Ursache wahrscheinlich macht. So wurde beispielsweise eine vermehrte Assoziation mit Varianten auf einer Region des Chromosoms 5q22 beschrieben.[5] Insgesamt gilt die EoE als fehlgeleitete Antwort des Immunsystems ("allergisches Asthma der Speiseröhre"), bei der zunächst Antigen-präsentierende T-Zellen durch Allergene aktiviert werden.[6] Diese triggern eine Entzündungskaskade, durch die aus dem Knochenmark stammende eosinophile Granulozyten unter dem Einfluss von Interleukin-5 und Eotaxin in die Speiseröhre einwandern.[7] Diese eingewanderten eosinophilen Granulozyten wiederum unterhalten die lokale Entzündung und sorgen so für Fibrose und Angiogenese, was wiederum ein Voranschreiten der Entzündung begünstigt. Die Ausschüttung von Histamin und anderen Mediatoren wird als Ursache der Ringbildung und Motilitätsstörung angesehen.[8] Ungeklärt ist der Einfluss von saurem Reflux bei der Erkrankung im Sinne einer Refluxkrankheit (Refluxösophagitis). Da zumindest ein Teil der Patienten auch langfristig auf eine Therapie mit Protonenpumpen-Inhibitoren anspricht, wird eine Rolle von saurem Reflux bei der Entstehung und/oder dem Fortdauern angenommen.
Morphologie
Die endoskopisch sichtbaren Veränderungen der Speiseröhre sind vielgestaltig und hängen von der Dauer der Krankheit ab. Neben dem sogenannten Baumring-Aspekt und der hoch vulnerablen Krepp-Papier-Mukosa werden Längsfurchen und andere Veränderungen der Mukosa gesehen. Engstellen (Strikturen oder Stenosen) treten bei länger andauernder Krankheit auf. Da die erste Endoskopie oft im Rahmen einer Notfallsituation aufgrund der Bolusobstruktion erfolgt, werden die teils nur diskret ausgebildeten Veränderungen eventuell übersehen. Im endoskopischen Ultraschall sind gelegentlich Längsfurchen mit Verdickung der Mukosa darstellbar.
Diagnose
Die Endoskopie mit gleichzeitiger Probengewinnung hat in der Diagnose der Erkrankung den höchsten Stellenwert. Andere Verfahren, beispielsweise ein Barium-Breischluck oder der endoskopische Ultraschall ermöglichen die Darstellung von Komplikationen bei länger andauernder Krankheit. Die Diagnose wird anhand dreier Kriterien gestellt:[9]
- Mindestens 15 Eosinophile pro Hauptgesichtsfeld
- Klinische Symptomatik einer Dysphagie
- Ausschluss anderer Erkrankungen, die zu einer Eosinophilie oder Dysphagie führen können, beispielsweise Refluxkrankheit (GERD), eosinophile Gastroenteritis und Schatzki-Ring.
Die Definition des Hauptgesichtsfelds ist international und national nicht einheitlich geregelt. Als Standardgröße gilt, dass ein Hauptgesichtsfeld etwa 0,3mm" entspricht. Um eine hohe diagnostische Trefferquote in der Probenentnahme zu erreichen, muss eine ausreichende Anzahl von Gewebeproben während der Endoskopie entnommen werden. Dabei gilt ein Schema von je zwei Proben aus dem oberen, mittleren und unteren (3 cm oberhalb der Z-Linie) Ösophagus als ausreichend.[10] Zusätzlich erfolgt die Probenentnahme aus dem Magen und dem Duodenum zum Ausschluss einer eosinophilen Gastroenteritis, einer wichtigen Differentialdiagnose der eosinophilen Ösophagitis. Die allgemeine Austestung von Nahrungsmittel-Allergien über Labortests (RAST, IgE) oder andere Tests (epikutane und intrakutane Hauttests) hat bei der EoE aufgrund der niedrigen Aussagekraft gemäß europäischer Leitlinie keinen Stellenwert.
Symptome
Führendes Symptom der eosinophilen Ösophagitis ist die Dysphagie in unterschiedlicher Ausprägung. Bei Kindern steht zunächst ein Vermeidungsverhalten im Vordergrund, welches unbewusst gelernt wird. Familien berichten häufig von „Langsamessern“ oder „Nachtrinkern“. Oft kommt es durch die verzögerte und verminderte Nahrungsaufnahme zu Gedeihstörungen. Unbehandelt führt die eosinophile Ösophagitis aufgrund der anhaltenden entzündlichen Aktivität zur Ausbildung von Fibrose mit Elastizitätsverlust der Speiseröhre. Dadurch kommt es zur Ausbildung von Strikturen, was wiederum zur sogenannten Bolusobstruktion führt, bei der feste Nahrung „stecken“ bleibt. Häufig wird auf diese Weise ein Patient erstmalig als Notfall in einer Gesundheitseinrichtung vorstellig, nachdem es zu einem Bolusgeschehen gekommen ist. Unbehandelt führt das Voranschreiten der Entzündung schließlich zu einem Funktionsverlust der Speiseröhre und narbigen Stenosen. Diese müssen nicht selten endoskopisch aufgedehnt werden, um eine Nahrungsaufnahme überhaupt noch zu ermöglichen.
Therapie
Eine Heilung der eosinophilen Ösophagitis ist nach jetzigem Krankheitsverständnis nicht möglich. Nach Beendigung einer medikamentösen oder diätetischen Therapie kommt es häufig zu einem erneuten Auftreten der Erkrankung, so dass aktuell davon ausgegangen wird, dass eine langfristige Behandlung erfolgen muss. Die Erkrankung lässt sich aber gut behandeln, sodass häufig langfristige Symptomfreiheit erzielt werden kann. Die Behandlung umfasst dabei die medikamentöse, die diätetische und die endoskopische Therapie.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie umfasst vor allem Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) und topische Kortikosteroide. Ein Teil der Patienten gilt als sogenannte PPI-Responder, deren Krankheit gut auf die Behandlung mit Protonenpumpen-Inhibitoren anspricht. Die verwendete Dosis entspricht dabei 2× 20–40 mg Omeprazol (oder Äquivalent-Dosis eines anderen PPI). Mit dieser Therapie sind Ansprechraten von etwa 50 % erreichbar. Bei dauerhafter Einnahme verbleiben etwa 70 % der PPI-Responder in der Heilung. Höher ist die Ansprechrate bei der Anwendung von topischen Kortikosteroiden,[11] die seit 2018 durch die Einführung einer Budesonid-Schmelztablette erheblich vereinfacht wurde. Unter einer Dosis von 2 × 1 mg werden Ansprechraten von etwa 2/3 der Patienten erreicht, zum Teil höher bei länger fortdauernder Therapie. Eine Erhaltungstherapie mit halber Dosis (2 × 0,5 mg oder 1 mg zur Nacht) führt bei Nachbeobachtungszeiträumen über zwei Jahren zu einer fortdauernden Heilung bei etwa 3/4 der initial ansprechenden Patienten. Häufigste Nebenwirkung ist mit etwa 20 % ein Soorbefall der Speiseröhre, der in der Regel leicht ausfällt und ggf. mit Antimykotika behandelt werden kann. Andere anti-allergische Medikamente haben derzeit keinen Stellenwert in der Behandlung der Erkrankung.
Diätetische Therapie
Da die EoE als spezielle Forn einer Nahrungsmittelallergie gilt, kann mit Hilfe einer Eliminationsdiät versucht werden, das auslösende Allergen ausfindig zu machen. Bewährt hat sich dabei die sogenannte 6-Foods Elimination Diet. Dabei wird zunächst eine strenge Diät ohne Milch, Hühnerei, Weizen, Nüsse, Soja und Meeresfrüchte begonnen. Nach sechs Wochen wird der Effekt mittels Endoskopie mit Probenentnahme aus der Speiseröhre überprüft. Wird in der Gewebeprobe eine Heilung der Erkrankung festgestellt, kann das erste der sechs ausgelassenen Allergene wieder in den Speiseplan eingeführt werden. Nach weiteren sechs Wochen erfolgt eine erneute Kontrolle mittels Endoskopie und Probenentnahme. Bei bleibender Heilung in der Gewebeprobe kann das nächste Allergen in den Speiseplan aufgenommen werden, usw. Wird nach Zufuhr eines der sechs Allergene in der Gewebeprobe eine erneute eosinophile Entzündung festgestellt, so gilt dieses Allergen als Auslöser und muss dauerhaft vermieden werden. Wichtig ist bei der Eliminationsdiät, dass alle sechs Hauptallergene auf die beschriebene Weise ausgetestet werden, da eine Reaktion der Speiseröhre auf mehrere Allergene möglich ist. Dies bedeutet, dass neben der ersten Endoskopie, sechs weitere Endoskopien nötig sind. Dieser hohe Aufwand führt verbunden mit der aufwändigen Diät trotz der relativ hohen Erfolgsrate von 75 % zu einer schlechten Akzeptanz dieser Therapieform.
Endoskopische Therapie
Die Behandlung von Komplikationen der eosinophilen Ösophagitis ist das Gebiet der endoskopischen Therapie. Aufgrund der dauerhaften Entzündung kommt es zu Strikturen und Stenosen, die entweder mittels Bougies oder mittels Ballon-Dilatation aufgedehnt werden können.[12] Die endoskopische Therapie ersetzt jedoch nicht die dauerhafte Fortführung der Behandlung der zugrundeliegenden Entzündung mittels Medikamenten oder Diät.
Komplikationen und Verlauf
Durch die andauernde Entzündung kommt es zur Fibrose und zunehmendem Verlust der Peristaltik der Speiseröhre. Dadurch werden Bolusereignissse („Stecken bleiben“ von festen Speisen) begünstigt. Langfristig besteht ein Risiko, Strikturen und Stenosen zu entwickeln, die dann die oben genannte endoskopische Therapie notwendig machen. Bisher gibt es keine Hinweise, dass die eosinophile Ösophagitis eine Krebsentwicklung begünstigt.[13]
Einzelnachweise
- ↑ JW Dobbins, D Sheahan, J Behar: Eosinophilic gastroenteritis with esophageal involvement. In: AGA (Hrsg.): Gastroenterology. Nr. 72. Elsevier Verlag, 1977, S. 1312–1316, PMID 870380.
- ↑ RT Landres, GR Kuster, W Strum: Eosinophilic esophagitis in a patient with vigorous achalasia. In: AGA (Hrsg.): Gastroenterology. Band 74. Elsevier Verlag, 1978, S. 1298–1301, PMID 648822.
- ↑ AJ Lucendo: Guidelines on eosinophilic esophagitis: evidence-based statements and recommendations for diagnosis and management in children and adults. In: United European Gastroenterology Journal. Vol 5, Nr. (3). SAGE, 2017, S. 335–358, doi:10.1177/2050640616689525, PMID 28507746.
- ↑ JW Potter, K Saeian, D Staff et al.: Eosinophilic esophagitis in adults: an emerging problem with unique esophageal features. In: Gastrointestinal Endoscopy. Nr. 59. Elsevier Verlag, 2004, S. 355–361, doi:10.1016/s0016-5107(03)02713-5, PMID 14997131.
- ↑ ME Rothenberg et al.: Common variants at 5q22 associate with pediatric eosinophilic esophagitis. In: Nature genetics. Nr. 42. Nature Publishing Group, 2010, S. 289–291, doi:10.1038/ng.547, PMID 20208534.
- ↑ A Mishra, S Hogan, E Brandt, M Rothenberg: An etiological role for aeroallergens and eosinophilia in experimental esophagitis. In: Journal of Clinical Investigation. Nr. 107. American Society for Clinical Investigation, 2001, S. 83–90, doi:10.1172/JCI10224.
- ↑ A Mishra, SP Hogan, EB Brandt, ME Rothenberg: IL-5 promotes eosinophil trafficking to the esophagus. In: Journal of Immunology. Band 168, Nr. (5). American Association of Immunologists, 2002, S. 2464–2469, doi:10.4049/jimmunol.168.5.2464, PMID 11859139.
- ↑ JW Leung, NS Mann: Pathogenesis of esophageal rings in eosinophilic esophagitis. In: Medical Hypotheses. Nr. 640. Elsevier Verlag, 2005, S. 520–523, doi:10.1016/j.mehy.2004.08.021, PMID 15617859.
- ↑ VL Fox, S Nurko, GT Furuta: Eosinophilic esophagitis: it's not just kid's stuff. In: Gastrointestinal Endoscopy. Nr. 56. Elsevier, 2002, S. 260–270, doi:10.1016/s0016-5107(02)70188-0, PMID 12145607.
- ↑ AR Gupte, PV Draganov: Eosinophilic esophagitis. In: World Journal of Gastroenterology. Nr. 15. Baishideng Publishing Group, 2009, S. 17–24, doi:10.3748/wjg.15.17, PMID 19115464.
- ↑ AS Arora, J Perrault, TC Smyrk.: Topical corticosteroid treatment of dysphagia due to eosinophilic esophagitis in adults. In: Mayo Clinic Proceedings. Band 78, Nr. (7). Elsevier Verlag, 2003, S. 830–835, doi:10.4065/78.7.830.
- ↑ DE Langdon: "Congenital" esophageal stenosis, corrugated ringed esophagus, and eosinophilic esophagitis. In: American Journal of Gastroenterology. Band 95, Nr. (8). Nature, 2000, S. 2123–2124, doi:10.1111/j.1572-0241.2000.02200.x, PMID 10950073.
- ↑ KL Denning, A Al-Subu, Y Elitsur: Immunoreactivity of p53 and Ki-67 for dysplastic changes in children with eosinophilic esophagitis. In: Pediatric and Developmental Pathology. Nr. 16. Springer Verlag, 2013, S. 331–336, doi:10.2350/13-03-1306-OA.1, PMID 23718721.