Zum Inhalt springen

Gerard Bunk

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Juni 2020 um 12:49 Uhr durch Rennrudi (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Gerard Bunk an der Walcker-Orgel von St. Reinoldi, Dortmund - Lithografie von Emil Stumpp, 1931

Gerard Bunk (* 4. März 1888 in Rotterdam; † 13. September 1958 in Kamen) war ein deutsch-niederländischer Organist, Pianist, Cembalist, Chorleiter und Komponist.

Leben und Wirken

Bunk war seit 1901 Schüler am Rotterdamer Konservatorium der Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst. Der Schwerpunkt seiner Ausbildung lag auf dem Klavierstudium bei Anton Verheij.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Hull und London (bei dem Pianisten Mark Hambourg[1]) kam er 1906 nach Bielefeld zu dem Klavierpädagogen Hans Hermanns, dem er ans Hamburger von Bernuthsche Konservatorium folgte. 1907 wurde Bunk Klavierlehrer am Konservatorium in Bielefeld.

An der Orgel bildete er sich vorwiegend autodidaktisch aus, wobei sich seine pianistischen Fähigkeiten bezahlt machten: „Das Orgelspiel in solcher beispiellos gedrängten Fülle wie in Bunks Leben war [...] u. a. nur möglich durch die vom Klavier her in jungen Jahren erworbene Perfektion auf der Tastatur. Er war einer der wenigen Organisten, die - gleichsam als Vorbereitung für das Spiel auf ihrem Instrument - auf dem Klavier ‚ausgelernt‘ haben. Und als die große Karriere des Organisten in Bielefeld begann, blieb die Garantie pianistische Virtuosität unvermindert erhalten.“[2] Am 20. Juni 1907 gab Bunk sein erstes Orgelkonzert in der Bielefelder Synagoge. Hier und in der Neustädter Marienkirche spielte er in den Folgejahren weitere zyklisch angelegte Konzertreihen.

Am 5. Mai 1910 sprang Bunk für Karl Straube beim ersten Konzert des Dortmunder Max-Reger-Fests ein und wechselte sich mit Reger an der im Vorjahr erbauten „Riesenorgel“ von St. Reinoldi ab.[3] Reger empfahl ihn anschließend an das Dortmunder Hüttner-Konservatorium, wo Bunk Klavier- und später auch Orgelspiel unterrichtete. Begeistert von der Klangpracht der Orgel in der Reinoldikirche erklärte es Bunk als sein Lebensziel Organist dieses Instruments zu werden. Zunächst wirkte er aber seit 1912 als Organist an der Altkatholischen Krimkapelle, seit 1920 an der St.-Petri-Kirche in Dortmund. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere sah sich Bunk, als er schließlich 1925 zum Organisten des als Referenzinstrument der Elsässischen Orgelreform geltenden „epochemachenden Orgelwerkes“ von St. Reinoldi und zum Dirigenten des Bach-Vereins gewählt wurde. Seit 1929 veranstaltete Bunk vierzehntägliche „Orgel-Feierstunden“, in denen er einen Großteil der damals bekannten Orgelliteratur aufführte. Durch die Orgel-Feierstunden erreichte Bunk das Renommee eines der führenden Orgelkünstler seiner Zeit; die Presse nannte ihn „die lebendige Orgelgeschichte“.[4]

Bunk leitete seit 1912 verschiedene Musikvereine.[5] Unter den Kammermusik-Vereinigungen, denen er im Laufe seines Lebens angehörte, war das „Dortmunder Trio“ zwischen 1920 und 1929 mit dem niederländischen Geiger und späteren Dirigenten Paul van Kempen und dem Cellisten Carl Roser die wohl bedeutendste. Nach dem Krieg tat er sich mit Friedrich Enzen und Rudolf Evler in der „Triovereinigung Bunk-Enzen-Evler“ zusammen. Seit den Anfängen des Rundfunks war Bunk in Radiosendungen des Reichssender Köln, Reichssender Berlin und Radio Hilversum zu hören, in Übertragungen aus der Reinoldikirche, häufig auch mit dem Bielefelder Kinderchor. 1928 erlangte er die deutsche Staatsbürgerschaft. Im gleichen Jahr begegnete er Albert Schweitzer, mit dem er bereits seit 1910 korrespondierte, bei dessen Orgelkonzert in St. Reinoldi.[6] 1929 verzeichnet ihn das Riemann Musiklexikon als „gesuchter Begleiter“; tatsächlich assistierte Bunk am Klavier (oder seltener an der Orgel) zahlreichen Vokal- und Instrumentalsolisten wie: die Sopranistinnen Julia Culp, Elena Gerhardt, Lotte Leonard, Ilona Durigo, Karin Branzell, Lola Artôt de Padilla, Henny Wolff, Ria Ginster; die Altistinnen Adrienne Osborne, Emmi Leisner, Maria Olszewska; die Tenöre Hermann Jadlowker, Heinrich Knote, Karl Erb (der Bunk seinen „Flügelmann“ nannte); die Baritone Hans Joachim Moser, Heinrich Schlusnus[7], Heinrich Rehkemper, Emil Schipper, Hermann Weißenborn, Hermann Schey, Willi Domgraf-Fassbaender, Karl Schmitt-Walter; der Bassist Felix von Kraus; die Geiger Hans Benda, Willy Heß, Max Strub, Alma Moodie, Joseph Szigeti, Franz von Vecsey, Juan Manén, Marta Linz; die Cellisten Hermann Busch, Emanuel Feuermann, Gaspar Cassadó. Auch Tänzerinnen begleitet Bunk am Flügel, so 1908 Grete Wiesenthal und in den Zwanziger Jahren häufig Edith von Schrenck. 1930 wurde Bunk auch Organist an der ebenfalls von Walcker erbauten Orgel der Dortmunder Synagoge, ein Amt, das er am 11. Mai 1933 unter unbekannten Umständen niederlegte. In den 1930er Jahren dirigierte er das „Orchester der Berufsmusiker beim Arbeitsamt Dortmund“ aus erwerbslosen Musikern vorwiegend in Radiokonzerten des Reichssenders Köln. 1936 wurde er vom altpreußischen Evangelischen Oberkirchenrat zum Kirchenmusikdirektor ernannt. 1937 kaufte er sich ein Cembalo der Firma Neupert, auf dem er nun auch konzertierte.

Mit der Zerstörung St. Reinoldis am 23. Mai 1943 setzten die Orgel-Feierstunden aus. Den Bach-Verein dirigierte Bunk nun auf Konzertreisen durch Rheinland und Westfalen und in der weitgehend unbeschädigten Dortmunder Nikolaikirche. „Unsere Bachmission [...] kann nicht mit dem letzten herrlichen Singen [...] beendet gewesen sein. Wenn dieses Singen für immer verstummen sollte, so wäre das wohl der schwerste Verlust für einen Kirchenmusiker, den die vollendete Wiedergabe der Motetten ‚Jesu, meine Freude‘ [...] und ähnlicher Meisterwerke am ehesten über den schweren Verlust seiner geliebten Orgel hinwegzusetzen vermöchte.“[8]

1952 disponierte Bunk eine Orgel der Firma Walcker für den Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle. Zwei Jahre später nahm er die Orgel-Feierstunden an einer kleinen Interimsorgel in der zum Teil neu errichteten Reinoldikirche (Nordschiff) mit seiner Einrichtung von Bachs Kunst der Fuge für die Orgel wieder auf. 1958 wurde ihm von der Stadt Dortmund eine bronzene Reinoldusplakette verliehen; im Mai weihte er eine neue Walcker-Orgel in St. Reinoldi ein, die er anschließend noch einmal spielen konnte. Im Vorfeld ihres Abrisses für den Aufbau der jüngsten Orgel in St. Reinoldi 2020 wurde heftig diskutiert, ob es sich bei dem nach den Grundsätzen der Orgelbewegung disponierten Instrument von 1958 tatsächlich um eine Orgel nach den Vorstellungen Bunks gehandelt habe: „Rettet die Bunk-Orgel!“[9]

Grab auf dem Dortmunder Hauptfriedhof, Feld 147

Komponist

Bunk findet als Komponist die größte Beachtung mit seinen Orgelwerken. Schweitzer sieht bei der Legende op. 29 Einflüsse Felix Mendelssohn Bartholdys und César Francks vereinigt und hebt ihre „ruhige und plastische Anlage [...] im Vergleich zu der Formlosigkeit und Unruhe, die jetzt [1910] für Orgelcompositionen in Gebrauch ist“, hervor.[10] Nach Beendigung der Symphonie op. 75 im Jahr 1925 schränkte Bunk sein Komponieren zunächst ein, vermutlich wegen der starken Inanspruchnahme vom Kantorenamt an St. Reinoldi, aber auch wegen des allgemeinen stilistischen Umbruchs hin zu einer Neuen Musik.

Als seine besondere Reaktion auf die Kriegsereignisse, nach der Librettistin Martha Heinemann angeblich „unter dem Eindruck der Vernichtung seiner Heimatstadt Rotterdam“ am 14. Mai,[11] vor allem aber als Zeichen in einer kirchenfeindlichen Zeit, begann er 1940 das Oratorium Groß ist Gottes Herrlichkeit nach dem Alten Testament, in dem er in spätromantischen Klängen ein Bekenntnis seines Glaubens ablegte. Nach der Uraufführung 1948 schrieb er vorwiegend Bearbeitungen eigener und fremder Werke. Die bekannteste wurde seine Übertragung des Musikalischen Opfers von Johann Sebastian Bach auf die Orgel.

Werke (Auswahl)

Chorwerke

  • Der 1. Psalm für Sopransolo, Chor und Orgel, op. 47 (1912). Bärenreiter, Kassel 2013
  • Weihnachtslegende für drei Frauenstimmen, op. 72 (1921). Bärenreiter, Kassel 2013
  • Selig seid ihr Armen, Motette für achtstimmigen Chor a cappella, op. 77 (1930/57). Bärenreiter, Kassel 2013
  • Sollt ich meinem Gott nicht singen, Motette für vierstimmigen Chor a cappella, op. 83 (1947). Bärenreiter, Kassel 2013

Orgelwerke

Einzelausgaben

  • 7 Variaties op O Sanctissima op. 4a (1906). Butz (in: O Sanctissima! Romantische Orgelbearbeitungen des Weihnachtsliedes O du fröhliche), Sankt Augustin 1999
  • Einleitung, Variationen und Fuge über ein altniederländisches Volkslied d-Moll op. 31 (1908). Butz, Sankt Augustin 2000
  • Sonate für Orgel f-Moll, op. 32 (1909/10; revidiert 1930). Bärenreiter, Kassel 2002
  • Marche festivale A-Dur op. 43 / Pièce héroïque C-Dur op. 49 (1912/1914). Butz (als Zwei festliche Orgelstücke), Sankt Augustin 2004
  • 8 Charakterstücke für Orgel, op. 54 (1910–1919). Möseler, Wolfenbüttel 2003
  • 6 Orgelstücke, op. 65 (1919–1936). Möseler, Wolfenbüttel 2006
  • Choralimprovisationen (1956–1958). Butz, Sankt Augustin 2002

Gesamtausgabe

  • Sämtliche Orgelwerke. Bärenreiter, Kassel 2008–2015
I
  • 7 Variaties op O Sanctissima op. 4a (1906)
  • Preludium en Fuga over een thema uit de Eroica-Symphonie van Beethoven op. 8 (1906)
  • Sonatine d-Moll op. 10 (1906/07)
  • 4 Orgelstücke im polyphonen Styl op. 12 (1906/07)
  • 5 Orgelstücke op. 16 (1907)
II
  • Praeludium und Fuga d-Moll op. 17 (1907)
  • 5 Orgelstücke op. 18 (1907)
  • 5 Stücke op. 28 (1907–1912)
  • Legende g-moll op. 29 (1908)
III
  • Einleitung, Variationen und Fuge über ein altniederländisches Volkslied d-moll op. 31 (1908)
  • Sonate f-Moll op. 32 (1909/10; revidiert 1930)
  • Passacaglia a-Moll op. 40 (1911; revidiert 1929)
IV
  • Marche festivale A-Dur op. 43 (1912)
  • Pièce héroïque C-Dur op. 49 (1914)
  • 8 Charakterstücke op. 54 (1910–1919)
  • Fantasie c-Moll op. 57 (1915)
V
  • 6 Orgelstücke op. 65 (1916–1936)
  • Variationen und Fuge über das Altniederländische Volkslied Merck toch hoe sterck für Cembalo op. 80 (1937)
  • Musik für Orgel c-moll op. 81 (1939)
VI
  • Wilhelmus van Nassouwe en Choral Nun danket alle Gott (1907)
  • Kleine Fantasie über C.H.D.B. für Orgel oder Klavier (?)
  • Choralvorspiel Wachet auf, ruft uns die Stimme (1956?)
  • (37) Choralimprovisationen (1956–1958)
  • Gerard Bunk: Liebe zur Orgel. Erinnerungen aus einem Musikerleben (CD mit Faksimile der Erstauflage)
  • Ausgewählte Orgelwerke. Breitkopf, Wiesbaden 1996
  • Legende g-Moll op. 29 (1908)
  • Passacaglia a-Moll op. 40 (1911; revidiert 1929)
  • Fantasie c-Moll op. 57 (1915)

Orgel und Singstimme oder Instrumente

  • Bist du bei mir, Arie im alten Stile für Mezzosopran (oder Sopran) und Orgel, ad libitum Violoncello (1907) / Wo du hingehst, Arie im alten Stile für Mezzosopran und Orgel, ad libitum Violine, Viola oder Oboe (1908). Butz (als Zwei Arien), Sankt Augustin 2003
  • Legende fis-Moll op. 55b für Orgel und Streichorchester oder Streichquartett (1914; bearbeitet 1945). Butz, Sankt Augustin 1999
  • Andante sostenuto E-Dur für Orgel und Streichorchester op. 75IIIa (1923–1925; bearbeitet 1948). Butz, Sankt Augustin 2003

Autobiographie

Gerard Bunk: Liebe zur Orgel. Erinnerungen aus einem Musikerleben. Dortmund 1958

Literatur

  • Jan Boecker: „Die Orgel störrisch, aber gemeistert...“ – Die Konzertauftritte des niederländischen Organisten, Pianisten und Komponisten Gerard Bunk (1888–1958) in Deutschland in Kaiserreich, Weimarer Republik und 'Drittem Reich'. Mit einem Werkverzeichnis. Dissertation. Münster 1995.
  • Émile Rupp: Die Entwicklungsgeschichte der Orgelbaukunst. Einsiedeln 1929.
  • Rudolf Schroeder: Musik in St. Reinoldi zu Dortmund vom Mittelalter bis in unsere Zeit. Sonderdruck aus: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark. Bd. 63/1966.
  • Ders.: Das Dortmunder Konservatorium. Dortmund 1969.
  • Ders.: Gerard Bunk 1888–1958. Dortmund 1974.
  • Oscar Walcker: Dortmund, Reinoldikirche, 1909, in: Erinnerungen eines Orgelbauers. Kassel 1948, S. 73–79.
Commons: Gerard Bunk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Geïllustreerd muzieklexicon, onder redactie van Mr. G. Keller en Philip Kruseman, medewerking van Sem Dresden, Wouter Hutschenruijter (1859-1943), Willem Landré, Alexander Voormolen en Henri Zagwijn, uitgegeven in 1932/1949 bij J. Philips Kruseman, Den Haag, S. 86
  2. Schroeder 1974, S. 91 f.
  3. Gerard Bunk: Begegnung mit Max Reger, in: Mitteilungen des Max-Reger-Instituts, Bonn, 6/1957, S. 26-30
  4. Dortmunder General-Anzeiger
  5. Arthur Zywietz: Die Ära Gerard Bunk, in: Geschichte des Musikvereins Unna 1847-1996, Unna 1996, S. 49-80
  6. Gerard Bunk: Ontmoeting met Albert Schweitzer, in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 22. August 1953, S. 5
  7. vgl. Eckart von Naso (mit Annemay Schlusnus): Heinrich Schlusnus, Hamburg 1957, S. 134 f.
  8. Bunk an den Bach-Verein, in: Schroeder 1966, S. 78.
  9. https://walcker.com/orgelwerken/die-bunkorgel-in-dortmund-reinoldi.php (abgerufen am 13. Juni 2020)
  10. Boecker, S. 54.
  11. Schroeder 1974, S. 33.