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Reduit

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Reduit des Forts Oberer Kuhberg der Bundesfestung Ulm

Das Réduit ist ein verstärkter Verteidigungsbau, der zum Rückzug für die Besatzung diente, falls der vorgelagerte Verteidigungswall vom Feind überwunden wurde. Das Réduit (das Kernwerk) liegt im Inneren eines Verteidigungswalls. Vermehrt zum Einsatz kamen sie bei den detachierten Werken der Neupreußischen/Neudeutschen Befestigungsmanier des 19. Jahrhunderts. Sie gehörten zu den stärksten Festungsanlagen und sollten eine hartnäckige Verteidigung gewährleisten. Die Zitadelle zum Beispiel ist das Reduit beziehungsweise Rückszugswerk innerhalb einer Festung.

Während des 2. Weltkriegs wurde das Réduit zum Begriff des Widerstandes der Schweiz gegen das Dritte Reich. Zum einen ihres geistigen Widerstands, zum anderen eines konkreten militärischen Widerstands der Schweizer Armee in der Alpenfestung.

Der Bau einer Festung am Alpenübergang über den Gotthard begann 1886, kurz nachdem die Gotthardbahn eröffnet worden war. Diese Alpenfestung nach den Plänen von Generalstabschef Max Alphons Pfyffer von Altishofen wurde bis 1920 erweitert in den Räumen Airolo, Andermatt, Oberalppass sowie Furka- und Grimselpass.

Getarnte Turmkanone einer Schweizer Festung
Getarnte Schiesscharten der Sperre Euschels (CH/FR) Zitat: Die Werke auf dem Euschels gehören zum Besten was im Raum der 1. Div. gebaut wurde. (Persönlicher Stab des Generals 19.6.1944)
Datei:Jaunbunker.jpg
Getarnte Schiesscharte (Pak) der verbunkerten Sperre Jaun (CH/FR)

General Henri Guisan hat diese Idee der Alpenfestung übernommen und erweitert. Bei dem Amtsantritt des Generals 1939 gab es keine aktualisierten Operationspläne. Der Schweizer Generalstab sah nach dem Ende des Ersten Weltkrieges keine Notwendigkeit mehr, sich auf einen großen Angriff vorzubereiten.

Nach der völligen Umzingelung der Schweiz nach dem Fall Frankreichs im Juni 1940 gab General Guisan am Rütlirapport vom 25. Juli 1940 den Plan bekannt, im Falle eines Angriffs der Achsenmächte die Verteidigung der Schweiz auf das Gebiet der Hochalpen mit den wichtigen Passübergängen, vor allem dem Gotthardmassiv zu konzentrieren und alle Zufahrten zu den Bergen notfalls zu zerstören.

Mit dem Operationsbefehl Nr. 13 vom 24. Mai 1941 wurde die Konzentration auf die Verteidigung des Réduit noch verstärkt. Mit diesem Befehl wurde die vorgeschobene Stellung (im Nordosten entlang Zürichsee und Limmat bis in den Raum Hauenstein von dort weiter westwärts über den Jura zum Jolimont zwischen Neuenburger See und Bielersee, weiter über den Wistenlacherberg und anschließend von Murten an die Saane) als operative Stellung aufgegeben, die endgültige Aufstellung praktisch der gesamten Schweizer Armee sollte fortan im Réduit erfolgen. Die Konzentration der Verteidigung auf das Réduit stand unter dem Eindruck des Balkanfeldzugs vom April 1941. Dabei hatte die deutsche Wehrmacht in nur 23 Tagen Jugoslawien und Griechenland überrannt; der Vorgang bestätigte einerseits die hochgradige Aggressivität des nationalsozialistischen Deutschlands, andererseits aber den geringen Verteidgungswert von Mittelgebirgen als Hindernisse gegen angreifende Panzertruppen. Die Schweizer Armeeführung, die noch über keine nennenswerte eigene Panzerwaffe verfügte, zog mit der weitestgehenden Konzentration der Landesverteidigung auf das Hochgebirge die logische Konsequenz.

Von der Grenze durchs Mittelland sollte im Kriegsfall also nur noch ein Verzögerungskampf geführt werden. Das dichtbevölkerte Mittelland und damit alle wirtschaftlichen Zentren des Landes wären notfalls rasch preisgegeben worden wären. Diese Konzentration der Verteidigung auf den Alpenraum war nicht unumstritten. Sie wurde in den folgenden Jahren nach weitgehender Fertigstellung der zentralen Befestigungen auch wieder abgeschwächt, indem auch im unmittelbaren Grenzgebiet und im Mittelland Tausende Sperren und Geländebestigungen aller Art und Größe erichtet wurden.

Die Zentralraumstellung umfasste im wesentlichen den Alpenraum ohne den größeren Teil Graubündens und weitgehend auch ohne das Tessin, wobei die nördliche Grenze im Berner Oberland durch den Hohgant, Heiligenschwendi und den Thunersee, sowie den Unterlauf der Kander und die Stockhornkette gebildet wurde. Entlang dieser Linie sind viele Geländebefestigungen, etwa Panzergräben und betonierte Höckersperren ("Toberlone-Sperren") noch heute zu sehen. Infolge des Befehls Nr. 13 wurde der eigentliche Festungsbau zunächst fast ganz auf den zentralen Alpenram konzentriert. Vor allem die Eingänge des Réduit im Westen (St. Maurice im Rhonetal) und im Osten (Sargans im Rheintal) wurden mit komplexen Festungssystemen massiv geschützt. Die Baukosten des Réduit bis zum Kriegsende 1945 beliefen sich laut einem Bericht der Luzerner Zeitung vom 10. Juni 2006 auf 657 Millionen Franken, das sind in heutiger Kaufkraft etwa acht Milliarden Franken. Ein großer Teil der dabei errichteten Bauten wurden im Zuge der Armeereformen seit 1995 aufgegeben und ihre Geheimhaltung aufgehoben, einige werden aber weiterhin militärisch genutzt.


Zu den wichtigsten Festungen des Réduits gehörten die genannten Festungswerke Sargans und St-Maurice sowie der Sankt Gotthard als Zentrum des Réduits. Diese Anlagen waren mit aller notwendigen Infrastruktur ausgerüstet, auch mehrere Flughäfen gehörten zur Ausstattung des Réduit. Neben den Waffensystemen wurden auch die Unterkünfte, Küchen, Operationsstellen, Krankenzimmer und Bäckereien in die Festungen mit eingebaut. Diese großen Werke hatten Besatzungen von 100 bis 600 Mann. Diese große Zahl der für den Betrieb notwendigen Leute stand ab ca. 1990 in keiner Relation mehr zur Waffenwirkung aus den Anlagen. Viele der Anlagen wurden zurückgebaut. Einige wenige wurden in Museen umgewandelt und können besichtigt werden. Neben jenen Werken, in denen Waffen platziert waren, wurden auch Anlagen gebaut, um Verbrauchsgüter aufzunehmen. In diesen Werken wurden und werden zum Teil noch heute Waren und Einrichtungen wie

  • Lebensmittel
  • Ersatzteile für die Armee
  • Treibstoff
  • Reparaturwerkstätten
  • Produktionsanlagen für Medikamente
  • Anlagen für die Erstellung von Zeitungen

eingelagert oder eingebaut.

Als eine Auswirkung der strengen Geheimhaltung sind viele Gerüchte und Legenden entstanden. Einem der Gerüchte zufolge existiere auch ein getarnter Flughafen in den Schweizer Bergen. Angeblich gibt es ein riesiges Tor im Gestein, durch das die Kampfflugzeuge heraus- und wieder hineinfliegen können. Eine weitere solche Legende besagt dass der Gotthard so durchlöchert sei dass man hinter dem Zeughaus Erstfeld hereinfahren und bei Bodio wieder ans Tageslicht kommen könne.

Nachwirken: Das Réduit als Mythos

Das Bild der von allen Seiten eingeschlossenen, aber sich tapfer verteidigenden Schweiz, wie es durch das Réduit symbolisiert wird, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum nationalen, insbesondere von der Aktivdienstgeneration gepflegten Mythos. Dies geschah im Rahmen der geistigen Landesverteidigung, die nunmehr auch gegen die kommunistische Bedrohung angewendet wurde. So diente bei der Schweizerischen Landesausstellung 1964 in Lausanne ein riesiger Igel aus Beton als Sinnbild für die Schweiz im fortdauernden Réduit. Dieses Geschichtsbild wurde spätestens mit der Veröffentlichung des Berichts der Bergier-Kommission 1999 in Frage gestellt.

In seiner deutlichsten Ausformung, die alle anderen Bemühungen, die Unabhängigkeit während der Kriegsjahre zu erhalten, geringer schätzt, ist das Réduitdenken ein wichtiger Bestandteil der Ideologie der Schweizerische Volkspartei (SVP) und wird bis in die Gegenwart als nachahmenswertes Vorbild - zum Beispiel gegenüber supranationalen Vereinigungen wie der Europäischen Union, der Überfremdung durch die Aufnahme zu vieler Ausländer, aber auch gegenüber dem internationalen Terrorismus - empfohlen.

weitere Reduits

Das auf der hessischen Rheinseite (Mainz-Kastel (zu Wiesbaden))direkt neben der Theodor-Heuss-Brücke gelegene, Reduit genannte Gebäude beherbergt heute zahlreiche Vereinsheime und Jugendpflege-Einrichtungen. Der Innenhof wird im Sommer für Open-Air-Kinos, -Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt. Außerdem ist auch das Kasteler Heimatkundemuseum, das Museum Castelanum, in der Reduit untergebracht.

  • Komárno (Slowakei)

Literatur

  • Der zweite Weltkrieg Band 1 ISBN 3-7166-0048-2
  • Walter A. Gieringer (Hrsg.): Erinnerungen an die Festungsbrigade 13. Bündner Buchvertrieb, Chur 2003
  • Matthias Halter und Stefan Wyer (Hrsg.): Auf hoher Bastion : Festungsbrigade 23 : Geschichte und Geschichten der Gotthardbrigade. Aktiv Verlag, Stans 2003, ISBN 3-909191-29-0
  • Adolf Grossert, Hans Gut, Peter Ziegler: Über dem Nebel : aus der Geschichte des Festungsregimentes 23, 1948-1994. Neue Kirschgarten AG, Basel 1995.
  • Th. Geiger, S. Läuchli (Hrsg.): 50 Jahre FWK : Fest Wachtkorps. Bundesamt für Genie und Festungen, Bern 1992
  • Hans-Rudolf Maurer (Hrsg.): Geheime Kommandoposten der Armeeführung im Zweiten Weltkrieg : Projekte, Bauten und der Mobile Kommandoposten. Verlag Merker im Effingerhof, Lenzburg 2001, ISBN 3-85648-120-6
  • Bundesarchiv Bern