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Ökosteuer (Deutschland)

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Die Ökosteuer ist eine Steuer auf den Energieverbrauch bzw. auf umweltschädliches Verhalten. Das Steueraufkommen dient teilweise der Reduzierung der Beitragssätze für die Sozialversicherung (Lohnnebenkosten). Das Konzept wurde Anfang der 1980er Jahre vom Schweizer Ökonom Hans Christoph Binswanger, der dazu immernoch im Förderverein Ökologische Steuerreform aktiv ist, entwickelt und verbindet zwei Ansätze:

  1. Besteuerung des knappen Gutes Energie mit dem Ziel der Steigerung der Effizienz des Energieeinsatzes.
  2. Verbreiterung der Basis für die Finanzierung der sozialen Sicherung.

Ökosteuern nutzen also das Steuerrecht um Anliegen der Umweltpolitik mit steuerlichen Maßnahmen zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Ökologisierung des Steuerrechts gesprochen. Damit ist gemeint, dass neue Steuern beschlossen oder einzelne Vorschriften von bestehenden Steuergesetzen so umgestaltet werden, dass sie Lenkungswirkung im Sinne des Umweltschutzes entfalten.

Volkswirtschaftliche Vorüberlegungen

Die Ökosteuer entspringt der Überlegung, dass Märkte für Rohstoffe wie Erdöl sich nicht dauerhaft stabil verhalten, da die natürlichen Vorräte fossiler Energieträger begrenzt sind. Aus einer auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit orientierten Sicht wäre heutiges Mineralöl zu billig, zukünftiges Mineralöl zu teuer. Die Mineralölsteuer soll diesen Anstieg des Mineralölpreises vorwegnehmen, um ihn einerseits zu glätten und andererseits den Markt frühzeitig an eine solche Situation zu gewöhnen. So soll der Betrieb sparsamerer Kraftfahrzeuge im Verhältnis günstiger werden, was wiederum die Technologieentwicklung auf diesem Gebiet anregen soll. Manche meinen sogar, dadurch würde eine konkurrenzfähige Industrie geschaffen, deren energieeffizientere Produkte sich bei einem tatsächlichen Preis-Anstieg auf dem Ölmarkt als Exportschlager erweisen sollen.

Ökologische Steuerreform in Deutschland

Grundgedanke

Der ökologischen Steuerreform lag die Kritik zugrunde, dass das bisherige Steuerrecht ökologische Kriterien des Wirtschaftens nicht oder nur unzureichend berücksichtige und unbeabsichtigt ökologisch schädliche Wirkungen hervorrufe. Ein Beispiel dafür war die Orientierung der Kraftfahrzeugsteuer allein an der Hubraumgröße. Inzwischen orientiert die Kraftfahrzeugsteuer sich überwiegend daran, wie gut das jeweilige Fahrzeug seine Abgase filtert. Wie andere ökonomische Instrumente auch hat die Nutzung des Steuerrechts für den Umweltschutz den Vorteil gegenüber ordnungspolitischen Maßnahmen (gesetzlichen Verpflichtungen), dass der Einzelne in seiner Entscheidung frei bleibt, ein geringerer Kontrollaufwand verursacht wird und das Problem der Kontrolldefizite entfällt. Im Vordergrund eines ökologischen Steuersystems steht die Idee der „doppelte Dividende“. Hierunter ist die Internalisierung der externen Effekte in Form von Umweltverschmutzung einerseits und die Generierung von Steuereinnahmen andererseits zu verstehen. Eine Besteuerung umweltschädlichen Verhaltens schaffe demnach keine Zusatzlasten.

Ökosteuergesetze in Deutschland

In Deutschland sind seit 1998 mehrfach Gesetze mit Zielrichtung "Ökologisierung des Steuerrechts" erlassen worden.

  • Mit dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 378) wurde als neue Verbrauchsteuer eine Stromsteuer eingeführt. Strom aus regenerativen Energieträgern ist davon befreit. Für industrielle Großverbraucher wurde im Interesse ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit die Steuer ermäßigt. Die Mineralölsteuer wurde nach ökologischen Kriterien gestaffelt; dabei wurden bestimmte Verwendungszwecke begünstigt. Von 1999 bis 2003 wurde die Steuer mehrmals erhöht. Von der Erhöhung der Mineralölsteuer befreit sind Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. Strom erhalten diese Betriebe zu einem zu 40 % ermäßigten Steuersatz.
  • Das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2432) brachte eine befristete Mineralölsteuerbefreiung für Gas- und Dampfturbinenkraftwerke mit hohem Wirkungsgrad und einige Korrekturen des ersten Gesetzes, mit denen unerwünschte Auswirkungen vermieden werden sollten.
  • Als dritte Stufe wurde das Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4602) erlassen, das eine weitere - nach den Umweltauswirkungen gestaffelte - Erhöhung der Mineralölsteuer enthielt.
  • Die deutsche Ökosteuer dient auch der Generierung von Staatseinnahmen, die den Rentenkassen zufließen sollen. So wäre, selbst wenn die Ökosteuer abgeschafft werden sollte, die Abgabenlast nicht verringert, sondern nur anders verteilt.. Entweder als höhere Rentenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer, als niedrigere Renten oder als zu jüngeren Generationen mit Zinseszins verschobene Steuerzahlung in Form von Staatsschulden.
  • Aktuell steht eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zur Debatte (Stichwort: Feinstaub).
Jahr Einnahmen (in Mio. Euro) davon in die Rentenversicherung geflossen zur Förderung erneuerbarer Energien verwendet
2000 8800 8400 100
2001 11.800 11.200 200
2002 14.300 13.700 200
2003 18.700 16.100 100
2004 18.100 16.000 100

Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung würde ohne Ökosteuer um 1,7 Prozentpunkte höher liegen. Quelle: BT-Drs. 15/5212 vom 7. April 2005

Befreiung des Luftverkehrs

Obwohl Flugzeuge unter bestimmten Gesichtspunkten hohe spezifische Umweltbelastungen verursachen, ist der Luftverkehr von der Ökosteuer befreit.

Auswirkung in grenznahen Gebieten

In grenznahen Gebieten wird von den Autofahrern die Ökosteuer unterwandert, indem Tanktourismus in Nachbarländer betrieben wird. Die Folge ist, dass Tankstellen in grenznahen Gebieten auf deutscher Seite schließen müssen und somit Arbeitsplätze verloren gehen. Aus diesem Grund wurde bereits diskutiert, in grenznahen Gebieten Sonderregelungen einzuführen, was aber scheiterte.

Verfassungsgerichtliche Überprüfung

Am 20. April 2004 stellte der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Rechtmäßigkeit einzelner Ausnahmetatbestände der Ökosteuer fest. Verfassungsbeschwerden von Speditionen und Kühlhausbetreiber hatten gegen Regelungen des Stromsteuergesetzes und des Mineralölsteuergesetzes geklagt[1].

Kritik an der Ökosteuer in Deutschland

Konkurrenzfähigkeit

Die Wirksamkeit der bisherigen Reformschritte wird überwiegend zurückhaltend bis skeptisch beurteilt. Die vor allem von Wirtschaftsverbänden geäußerte Befürchtung, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft werde beeinträchtigt, scheint sich nicht bewahrheitet zu haben. Innerhalb des Binnenmarktes tragen alle nicht harmonisierten Steuern das Problem in sich, dass sie zur Verlagerung von Investitionen in andere Länder führen können und infolgedessen zu einem Wettbewerb der Länder um möglichst niedrige Steuern. Dies trifft auch für die Steuern zu, die durch die ökologische Steuerreform verändert wurden. Dieses Problem ließe sich nur durch eine gemeinschaftsweite Regelung beheben, die jedoch nicht geplant ist.

Lenkungswirkung

Eine deutliche Lenkungswirkung in Richtung auf die erwünschten Investitionen in neue, umweltverträgliche Technologien lässt sich bisher jedoch allenfalls in eng umgrenzten Teilbereichen beobachten, so zum Beispiel in Gestalt einer erhöhten Nachfrage nach verbrauchsreduzierten Pkw. Die weit reichenden Ausnahmeregelungen für energieintensive Industriezweige bewahren diese zwar vor Kostensteigerungen, bieten jedoch keinen Anreiz für Modernisierungsinvestitionen oder technische Neuentwicklung.

Zweckbindung

Eine weitere Problematik liegt darin, dass die Steuer politisch nicht allein mit ihrer ökologischen Lenkungswirkung begründet wurde, sondern ein Zusammenhang mit der gesetzlich verordneten Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen hergestellt wurde, deren erhoffte belebende Wirkung auf den Arbeitsmarkt ausgeblieben ist. Neben allgemeinen steuersystematischen Bedenken gegen derartige Zweckbindungen spricht gegen diese Verbindung der Umstand, dass das Steueraufkommen infolge der ökologischen Steuerreform tendenziell sinken muss, wenn die gewünschte Wirkung erzielt wird, während der Finanzbedarf der Sozialversicherungen tendenziell steigt und daher nicht dauerhaft aus diesem Teil des Steueraufkommens gedeckt werden kann.

Effizienz

In der ökonomischen Theorie geht man allgemein davon aus, dass steuerliche Lösungen zur Internalisierung externer Effekte im Bereich Umweltschutz Zertifikatlösungen unterlegen sind. So wird eine Emissionsrechtelösung auf Basis des Coase-Theorems zumeist als effizienter bewertet.

Soziale Gerechtigkeit

Indirekte Steuern wirken regressiv, dass heißt, sie treffen Personen mit kleinen Einkommen relativ stärker als Personen mit hohen Einkommen. Ein ökologisches Steuersystem wird daher häufig als sozial ungerecht aufgefasst.

Inflationsabhängigkeit

Anpassungen von Steuern an wechselnde Inflationsraten sind in der Realität häufig mit Problemen verbunden. Änderungen der Steuersätze sind häufig mit großem politischen Aufwand verbunden. Die Inflationsrate hingegen kann sich auch vergleichsweise schnell ändern.

Siehe auch

Umweltsteuer, Energiesteuer


  1. Entscheidung im Volltext