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Psychiatrie

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Begriff

Der Begriff "Psychiatrie" wurde 1808 vom Arzt Johann Christian Reil in Halle geprägt (ursprünglich als "Psychiaterie", wurde später zu "Psychiatrie"). Etymologisch aus griechisch "Psyche" – "die Seele" und "iatrós" – "der Arzt" zusammengesetzt, bedeutet "Psychiatrie" wörtlich übersetzt etwa "Seelenheilkunde".


Literatur

  • Andreas Marneros, F. Pillmann: Das Wort Psychiatrie wurde in Halle geboren. Von den Anfängen der deutschen Psychiatrie. Schattauer Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7945-2413-6

Geschichte der Psychiatrie

Überblick über die Geschichte der Psychiatrie


Kontroverse Wahrnehmung der Psychiatrie

Die Wahrnehmung der Psychiatrie in der Öffentlichkeit ist häufig von extremen Gegensätzlichkeiten gekennzeichnet.


Je nach Standpunkt des Betrachters, werden höchst gegensätzlich Aspekte an der Psychiatrie wahrgenommen. Z.B.: *wissenschaftlich arbeitender Psychiater, oder

  • zwangseingewiesener und gegen seinen Willen behandelter Patient in einer geschlossenen Abteilung, oder
  • Opfer eines rückfälligen Sexualstraftäters, der aufgrund eines unzutreffenden psychiatrischen Gutachtens zu früh aus dem Maßregelvollzug entlassen wurde,


So imponiert die Psychiatrie völlig widersprüchlich als:*medizinische Erfolgsgeschichte (die es möglich macht, menschliches Leid auf biochemische Veränderungen zurückzuführen, und damit durch Medikamente heilen zu können);

  • Unterdrückungsinstrument, das es erlaubt, abweichendes Verhalten und Denken als "krank" zu definieren und zu unterdrücken;
  • als lebensgefährdenden Ansatz der Kuschelpädagogik.


Betrachtet man die Geschichte der Psychiatrie, so werden diese unterschiedlichen Aspekte immer wieder deutlich deutlich. Es lassen sich stets Belege für

  • Humanität und Fortschritt finden (z.B. die sog. "Irrenbefreiung" durch Pinel; Einführung sanfter Behandlungsmethoden [z.B. Psychotherapie]), als auch für
  • Menschenverachtung und Unterdrückung (z.B. Zusammenpferchen der "Alienierten" in Asylen; Rolle der Psychiatrie im Nationalsozialismus und in der UdSSR; verstümmelnde "Lobotomie" im Rahmen einer "Psychochirurgie" an Schizophreniekranken, Homosexuellen und Kommunisten in den USA der fünfziger Jahre)sowie der Vorwurf der
  • Exkulpation von Verbrechern und Perversen.

Auch heute, im Deutschland des 21.Jahrhunderts, wird "Psychiatrie" - trotz aller therapeutischen Fortschritte und trotz aller Anti-Stigmatisierung-Kampagnen - von nicht wenigen Menschen noch mit Repressionsmaßnahmen und Entrechtung in Verbindung gebracht (Zwangsunterbringung; Zwangsmedikation; Fixierung; geschlossene Abteilungen; Aberkennung der Geschäftsfähigkeit).

Berücksichtigt man die Herkunft der "Psychiatrie", die sich in Frankreich aus den "Asylen" für Landstreicher, Bettler, Ausgestoßene, sozial Geächtete, Auffällige etc. entwickelte, so wird eben auch die Janusköpfigkeit der "Psychiatrie" deutlich: Aussonderung und "Korrektur" (bzw. "Heilung"). Vgl. hierzu auch Michel Foucault, der eher auf die Aspekte der sozialen Absonderung abzielte.


Literatur

  • Michel Foucault: Histoire de la folie à l'âge classique - Folie et déraison; dt. Ausg.: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973. ISBN 3-518-27639-5
  • Michel Foucault: Maladie mentale et personnalité; reed.1995 Maladie mentale et psychologie; dt. Ausg.: Psychologie und Geisteskrankheit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1968. ISBN 3-518-10272-9.

Unterschiedliche Wahrnehmung der Psychiatrie

Im Folgenden sollen die verschiedenen Interpretationsansätze gleichberechtigt unter einer je eigenen Überschrift (z.B. "biologische Psychiatrie", "Antipsychiatrie" , "Labeling Approach", "Sozialpsychiatrie", "Psychiatrie aus Sicht von Betroffenen", "interkulturelle Psychiatrie", "Psychiatrie als Unterdrückungsinstrument", "Psychosomatik", "Psychotherapie", "Forensische Psychiatrie" usw.) mit jeweils eigenen Literaturangaben dargestellt werden.


Je nach Standpunkt des Betrachters (z.B. wissenschaftlich arbeitender Psychiater, oder zwangsbehandelter Patient in einer geschlossenen Abteilung) werden natürlich sehr gegensätzlich erlebte Aspekte an "der" Psychiatrie hervortreten.



Psychiatrie als Teil der Medizin

Begriff, Geschichte, Allgemeines

Begriff Die Psychiatrie (von griechisch ????at???? [ep?st?µ?], psichiatrikí [epistími][die Wissenschaft der] Seelenheilkunde, von Psyche – die Seele und iatrós – der Arzt) ist das Gebiet der Medizin, das sich mit der Diagnostik, Therapie und Prävention der psychischen Krankheiten befasst.

Geschichte


Hauptartikel: Geschichte der Psychiatrie

Allgemeines

Unter psychischen Krankheiten versteht man Erkrankungen, deren Symptome und Zeichen sich im psychischen Bereich (Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis, Affektivität, Antrieb, Verhalten) äußern. Es gibt psychische Krankheiten, welche eine diagnostizierbare körperliche Ursache haben. Ebenso gibt es psychische Krankheiten, deren Ursachen nur unvollständig bekannt sind. Ein Teil der psychischen Erkrankungen und Störungen ist vorwiegend biologisch bedingt, ein anderer Teil beruht auf komplexen Wechselwirkungen zwischen biologischen und psychosozialen Faktoren.

Der gemessen an der Zahl der Betroffenen größte Bereich der Psychiatrie befasst sich aber weniger mit den wahnhaften, als vielmehr mit den affektiven Störungen und als zweitgrößter Gruppe den Störungen durch Suchtmittel, etwas weniger auch mit den Erkrankungen des neurotischen Formenkreises.

Relation Psychiatrie – Neurologie
Die Neurologie ist das Fachgebiet von den organischen Erkrankungen des zentralen, peripheren und vegetativen Nervensystems, bei denen psychische Störungen nicht im Vordergrund stehen. Wissenschaftshistorisch hat sich in Deutschland die Neurologie aus der Psychiatrie entwickelt. Beide Gebiete wurden zur Nervenheilkunde zusammengefasst – entsprechend ist ein Nervenarzt ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Im angloamerikanischen Sprachraum ist dies anders: Dort hat sich die Neurologie als Teilgebiet der Inneren Medizin entwickelt. Heute wird die Psychiatrie in Deutschland als eigenständiges Fach von der Neurologie getrennt und an die Psychotherapie gekoppelt.
Relation Psychiatrie – Klinische Psychologie
Die Klinische Psychologie betrachtet psychische Störungen vornehmlich aus psychologischer Perspektive, sowohl was das Verständnis als auch die Therapie betrifft. Die Abgrenzungen zwischen beiden Disziplinen sind nicht klar zu ziehen. Während es in der Forschung durchaus zahlreiche Kooperationen zwischen Psychiatern und Psychologen gibt, besteht derzeit in Deutschland noch immer eine strikte institutionelle und rechtliche Trennung zwischen Psychiatern (die Ärzte sind) und Psychologischen Psychotherapeuten (die Klinische Psychologen sind). So ist es letzteren z. B. in Deutschland nicht erlaubt, Psychopharmaka zu verschreiben. Psychopharmaka haben eine Vielzahl von körperlichen Nebenwirkungen und Kontraindikationen, zu deren Erkennen und Abwägung Psychologen nicht ausgebildet sind. Die universitäre Ausbildung des Psychiaters ist in den Grundlagen medizinisch mit Fokus auf körperliche Erkrankungen ausgerichtet, während die des Psychologen überwiegend auf psychische Phänomene eingeht.
Relation Psychiatrie - Psychotherapie
Psychotherapie ist Gegenstand der Medizin und der Psychologie. In der Psychiatrie ist die Psychotherapie der letzte Bereich, der noch nicht naturwissenschaftlich fundiert ist.

Diagnostik

Es stellt sich die für die Therapie wichtige Frage, auf welcher Bezugsebene (Gene, Zelle, Gewebe, Organ, Individuum, Gruppe) die Ursache einer Störung liegt („Schichtenregel nach Jaspers“). Die Ursachen können auch auf mehreren Ebenen zu finden sein (Es gibt z. B. genetische Disposition zu einer psychotischen Erkrankung [z. B. Schizophrenie, manisch-depressives Kranksein]. Sie kann bei einzelnen Personen, je nach genetischer Ausstattung, unter besonderen psychischen Belastungen oder/und Drogenkonsum - z. B. durch Ecstasy , LSD oder Haschisch - zum Ausbruch kommen). Im Sinne einer psychiatrischen Komorbidität sind z. T. auch mehrere Diagnosen zu stellen.

Fachbereiche der Psychiatrie

Allgemeinpsychiatrie Dies ist der klinische Teil des Faches, welcher sich mit den psychischen Erkrankungen und Störungen des Erwachsenenalters beschäftigt. Die Akutpsychiatrie behandelt psychiatrische Notfälle.

Suchtmedizin Die Suchtmedizin behandelt Patienten mit stoffgebundenem (Alkohol, Nikotin, Cannabis, Heroin etc.) oder stoffungebundenem (Spielsucht, Sexsucht etc.) Missbrauchs- oder Abhängigkeitsverhalten.

Gerontopsychiatrie Gerontopsychiatrie wird allgemein als Psychiatrie für Menschen im höheren Lebensalter verstanden, wobei das Lebensalter (60 Jahre) nur eine ungefähre Richtmarke ist. Dabei geht es zum einen um Menschen , die bereits in jüngeren Jahren psychisch erkrankt sind und deren Behandlung unter Berücksichtigung altersbedingter Besonderheiten fortgesetzt werden muss, und zum anderen um Menschen im höheren Lebensalter, deren psychische Erkrankung aus dem Alterungsprozess resultiert.

Forensische Psychiatrie Sie befasst sich mit der Behandlung und Begutachtung von psychisch kranken Straftätern (siehe auch Maßregelvollzug).

Kinder- und Jugendpsychiatrie Diese auch Pädopsychiatrie genannte Subdisziplin ist ein eigenständiges medizinisches Fachgebiet geworden. Sie befasst sich mit den psychischen Erkrankungen vom Säuglingsalter bis zur Volljährigkeit.

Psychosomatische Medizin Die psychosomatische Medizin ist aus der Psychiatrie hervorgegangen, stellt aber ein eigenes Fachgebiet dar. Sie beschäftigt sich mit Erkrankungen, bei denen Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Faktoren (Psychosomatik) wesentlich sind.

Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Um nach einem absolvierten Medizinstudium in Deutschland als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie tätig zu werden, bedarf es einer fünfjährigen Weiterbildungszeit, von der ein Jahr Pflichtweiterbildungszeit in der Neurologie ist.

Um sich zur Facharztprüfung anmelden zu können, müssen diagnostische Funktionen (wie etwa EEG) sowie Teilnahmen z. B. an Balint-Gruppen nachgewiesen werden.

Statistiken

  • Am 1. Januar 2001 waren 1.651 Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie registriert, von ihnen waren 587 niedergelassen. 75 übten keine ärztliche Tätigkeit aus.

Vergessen wird in der Statistik und der Graphik, dass es nach deutscher Tradition auch Nervenärzte gibt. Letztere sind Fachärzte für Psychiatrie und Neurologie, sie haben also beide Facharztausbildungen absolviert und stellen weiter die Mehrheit der psychiatrisch tätigen Ärzte.

Kritik

Kritik an der Psychiatrie bezieht sich meist auf die Geschichte der Psychiatrie, speziell auf die Anstaltspsychiatrie, als deren Vater in Deutschland der hallische Professor Johann Christian Reil (1759-1813) gilt. Bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts bestand die "Therapie" praktisch nur aus der Verwahrung der Patienten in den Anstalten. Eine medikamentöse oder sonstige symptomatisch bessernde Herangehensweise stand nicht zur Verfügung. Die damaligen Zustände bestimmen auch heute noch das öffentliche Bild von Zwangstherapie und Entmündigung in der Psychiatrie. Heutzutage stehen verschiedene neue Behandlungsmöglichkeiten, Medikamente und die Psychotherapie dem Facharzt für Psychiatrie zur Verfügung. Der durchschnittliche Hausarzt weist etwa zwei Patienten pro Jahr unter Zwang ein; gesetzliche Vorschriften schreiben jedoch eine richterliche Anordnung für eine Zwangseinweisung vor.

Sigmund Freud bezeichnete Militärpsychiater als "Maschinengewehre hinter der Front", da sie gewaltsame Methoden anwendeten, um traumatisierte Soldaten möglichst rasch an die Front zurück zu bringen. Auf die Interessen ihrer Patienten nahmen sie dabei keine Rücksicht. Die Militärpsychiatrie beeinflusste dabei immer auch die zivile Psychiatrie, beispielsweise entstammt die posttraumatische Belastungsstörung der Militärpsychiatrie.

Der bedeutendste Kritiker in der Nachfolge war der Soziologe Erving Goffmann. Im Mittelpunkt seiner Kritik standen die großen psychiatrischen Anstalten in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie wurden von ihm als "totale Institutionen" kritisiert, die offene Gewalt ausübten und die Identität der Patienten beschädigten. Im Dritten Reich wurden systematisch psychisch Kranke getötet und in größerem Umfang sterilisiert. Dies fand unter der Bezeichnung „Euthanasie“ (Aktion T4) und Rassenhygiene statt.

Der portugiesische Neurologe Egas Moniz erhielt 1949 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin für die Erfindung der Lobotomie. Der amerikanische Arzt Dr. Walter Freeman führte diese als Behandlungsmethode in die Psychiatrie ein. Die heute nicht mehr praktizierte Lobotomie besitzt stark negative Nebenwirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Patienten. So erschreckte unter anderem die Patientengeschichten von Frances Farmer und Rosemary Kennedy die Öffentlichkeit. An beiden wurde eine Zwangslobotomie durchgeführt. Ken Keseys 1962 erschienener und später verfilmter Roman "Einer flog über das Kuckucksnest" war eine Reaktion auf diese Entwicklung in der Psychiatrie. Moderne Kritiker psychiatrischer Behandlungsweisen sehen in der medikamentöse Therapie die Fortsetzung dieser Entwicklung.

In den 1960er und 1970er Jahren entwickelten sich neue Behandlungsmöglichkeiten, Medikamente und die Psychotherapie. Gleichzeitig gab es Versuche, die Psychiatrie zu reformieren oder grundsätzlich in Frage zu stellen. Es gab erste Organisationen von Menschen mit Psychiatrieerfahrung. Die Reform der Gesellschaft in den 1960er Jahren führte in Westeuropa zu einer Reform der Definition von psychiatrischer Behandlungsbedürftigkeit. Stand historisch die Angleichung an ein subjektiv abgeleitetes "Normal" im Vordergrund, so wandelte sich der Begriff in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hin zum Ziel einer Abschwächung destruktiver Tendenzen. Destruktive Tendenzen können dabei nach außen gewendet, also schädlich für die Allgemeinheit sein. Destruktive Tendenzen können aber auch auto-destruktiv sein, also nach innen gewendet, wie bei einem Suizid. Dennoch sieht sich die Psychiatrie durchaus auch in der Lage subjektives Leidens zu vermindern. Menschen mit sozialer Phobie haben keine destruktiver Tendenzen, können aber von einem Psychiater erfolgreich behandelt werden.

In der Folgezeit löste man in den USA und in Italien psychiatrische Anstalten aus Kostengründen auf, dies hatte sehr unterschiedliche Effekte. Patientinnen und Patienten wurden entlassen und in Pensionen ohne Betreuung untergebracht. In Italien bemühte man sich, den Entlassenen zu helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Auch in Deutschland wurden schnelle Entlassungen aus der Psychiatrie angestrebt. Psychiatrische Krankenhäuser versuchen neuerdings den Bettenabbau durch vermehrte Wilderung im Bereich der ambulanten Psychiatrie zu begegnen. Institusambulanzen mit überfüllten Wartezimmern und ständig wechselndem Berufsanfänger als Ansprechpartner für den Patienten erhalten pro Patient in der Regel in drei Monaten 300 Euro, ein niedergelassener Psychiater für die selbe Arbeit 50 Euro. Da auch die Betten gefüllt werden müssen weisen Krankenhauspsychiater in Institutsambulanzen ihre Patienten auch häufiger stationär ein.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die angeblich unzureichende Handhabung von Fällen sexueller Straftaten. Entlassene sind wieder straffällig geworden, obwohl psychiatrische Gutachten von einer Heilung ausgingen. Forensische oder sozialmedizinische Gutachten werden durch das Abfragen von Symptomen erstellt, nachdem eine organische Ursache der Beschwerden ausgeschlossen wurde. Die Simulation einer psychischen Störung oder psychischer Gesundheit ist einfacher, als die Simulation einer organischen Erkrankung, der definierte Laborwerte oder Röntgenbefunde zugrunde liegen.

Bis zum Zusammenbruch des Ostblocks wurde die Psychiatrie in diesen Staaten oft instrumentalisiert und zur Maßregelung unliebsamer Personen benutzt. Eine Aufarbeitung dieser Geschehnisse hat kaum stattgefunden.

Kritik an der Diagnostik

Kritikern erscheint die Wissenschaftlichkeit psychiatrischer Diagnosen vielfach zweifelhaft, da diese oftmals nicht verifizierbar sind und folglich Fehldiagnosen bzw. willkürliche Diagnosen drohen. Diese Kritik triff allerdings auf Diagnosen nicht bzw. vermindert zu, welche auf nachweisbaren physischen (neurologischen) Veränderungen basieren. Kontroverser Auffassung ist man über die Frage, ob es überhaupt vertretbar ist, Aussagen über das menschliche Innenleben zu treffen, welches sich, aus Sicht von Kritikern, dem Erkenntnisbereich des Psychiaters entzieht. Auf erkenntnistheoretischer Ebene ergibt sich die Problematik, dass Diagnosen die sich nicht auf physische und konkret messbare Äquivalente gründen (zum Beispiel neurologische Veränderungen bzw tomografische Befunde (Hirnverletzungen, Tumore etc.) oder genetische Defekte), nicht dem Falsifikationsprinzip genügen und somit per Definition unwissenschaftlich sind. Erstellt der Psychiater beispielsweise eine Diagnose über eine Person nur unter Bezugnahme auf Gesprächsergebnisse und impliziert diese Diagnose, dass der Patient kein Krankheitsbewusstsein besitzt (u. A. Psychose), existiert kein Szenario, indem die Diagnose des Psychiaters eindeutig falsifiziert werden könnte (Einwände des Patienten könnten als Krankheitssymptome gedeutet werden); über die Richtigkeit der Diagnose sagt dies nichts aus.

Siehe auch

Geschichte der Psychiatrie,

Wiktionary: Psychiatrie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Dilling, H., et al.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Berlin. ISBN 3540008748
  • Dilling, H., et al.: Internationale Klassifikation psychischer Störungen: Klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern. ISBN 3456841248
  • Klaus Dörner, Ursula Plog, Christine Teller: Irren ist menschlich – Lehrbuch der Psychiatrie und Psychotherapie. Psychiatrie-Verlag, ISBN 3884144006
  • Andreas Marneros, F. Pillmann: Das Wort Psychiatrie wurde in Halle geboren. Von den Anfängen der deutschen Psychiatrie. Schattauer Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7945-2413-6
  • Möller, Hans-Jürgen et al.: Psychiatrie und Psychotherapie. Springer-Verlag 2005 ISBN 3540250743. (Die zur Zeit umfangreichste Darstellung der "Mainstream" Psychiatrie)
  • Ewald Rahn, Angela Mahnkopf. Lehrbuch Psychiatrie für Studium und Beruf. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005, ISBN 3884143786.