Raúl Castro
Raúl Castro Ruz (* 3. Juni 1931 in Mayarí in der damaligen kubanischen Provinz Oriente) ist ein kubanischer Revolutionär und Politiker. Er ist der jüngste der drei Castro-Brüder Raúl, Fidel (*1926) und Ramón. Während und nach dem Triumph der Revolution 1959 war er einer der führenden Köpfe in Staat und Partei Kubas. Am 1. August 2006 wurden Raúl aufgrund einer Erkrankung Fidels vorübergehend die Präsidentenvollmachten übertragen, wie das kubanische Fernsehen meldete.
Anfang der 1950er Jahre war er Studentenführer in Havanna gegen das Batista-Regime. Er war Gründungsmitglied der "Bewegung des 26. Juli" (M-26-7) am 12. Juni 1955 und damit treibende Kraft der Revolution gegen den Diktator Batista auf Kuba. Seit Oktober 1959 ist er Minister der Revolutionären Streitkräfte (Fuerzas Armadas Revolucionarias (FAR)) (Verteidigungsminister). Von 1959 bis 1976 war er Vize-Premierminister, danach wurde er Vizepräsident des Staatsrates. Heute ist er zweiter Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas (PCC). Raúl Castro gilt als ideologischer Hardliner. Mit Che Guevara war Raúl Castro eng befreundet.
Die Nachfolge Fidel Castros in Kuba ist heute nicht offen geklärt. Raúl Castro galt lange Zeit als "Kronprinz". Jedoch scheint in Kuba - auch insbesondere innerhalb der jüngeren Garde der PCC - der Wunsch nach einem gemäßigten Neuanfang nach Fidel Castro unter der Führung jüngerer Leute zuzunehmen. Doch momentan sieht es so aus, dass Raúl Castro als erster Vizepräsident im Todesfall von Fidel automatisch die Nachfolge seines Bruders als Staatschef antreten würde. Die 'Straßenmeinung' auf Kuba (seriöse offizielle Umfragen zu dem Thema lässt die Regierung nicht zu) sieht allerdings in Raúl einen blassen Funktionär, der ohne die Protektion seines Bruders rasch von parteiinternen Konkurrenten entmachtet würde.
Als Verteidigungsminister kontrolliert Raúl Castro bedeutende Teile der kubanischen Wirtschaft, da wichtige Staatsunternehmen im Tourismus, dem Nickelbergbau und der Zuckerindustrie der Armee gehören. Militärs stehen an den Spitzen des Innenministeriums, des Zuckerministeriums, des Ministeriums für Hochschulerziehung, an der Spitze der Zivilluftfahrtbehörde, des Gesundheitsministeriums, des Hafens von Havanna und anderer wichtiger Institutionen.
Leben
Raúl Castro wurde als Sohn eines Großgrundbesitzers geboren. Seine Eltern waren Ángel Castro Argiz, Sohn armer spanischer Emigranten aus der galicischen Stadt Lugo, und Lina Ruz González, aus einer Bauernfamilie aus der Provinz Pinar del Río.
Er absolvierte seine Schulzeit in Santiago de Cuba und Havanna, wo er dann auch die Universität besuchte. Er studierte Sozialwissenschaften, erreichte allerdings keinen Abschluss, da er zuvor aus Kuba fliehen musste. Während seiner Studienzeit war Raúl als Studentenführer sehr aktiv. So nahm er 1953 an der Internationalen Konferenz zur Verteidigung der Jugendrechte in Wien als Delegierter teil. In Kuba beteiligte er sich am Kampf gegen das Batista-Regime.
Am 26. Juli 1953 nahm Raúl am Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba teil, der von seinem Bruder Fidel angeführt wurde. Raul stand an der Spitze einer Gruppe von sieben Männern, die den Justizpalast einnehmen sollte. Der gesamte Versuch scheiterte. Raúl Castro wurde zu 13 Jahren Zuchthaus auf der Isla de Pino (heute Isla de la Juventud) südlich von Havanna verurteilt, kam aber bereits nach zwei Jahren im Rahmen einer Generalamnestie im Mai 1955 frei.
Raúl heiratete Vilma Espín, die heute Vorsitzende des kubanischen Frauenverbandes ist und als überzeugte Kommunistin gilt. Wie sie gilt Raúl als Dogmatiker und war nach Angaben des ehemaligen Botschafters Wulffen in Havanna ein im sowjetischen Moskau gern gesehener Gast. Raúl Castro war 1959 daran beteiligt, den populären, aber gegenüber kommunistischen Strömungen sehr skeptischen Guerillaführer Commandante Huber Matos seines Amtes zu entheben und in einem fragwürdigem Prozeß zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilen zu lassen. Ferner soll er die Fäden beim Schauprozeß gegen den populären General Arnaldo Ochoa (dem so genannten Held von Angola) gezogen haben, der als Freund Fidel Castros, kurz vor Ernennung zum Oberkommandierenden der kubanischen Streikräfte zum Tode verurteilt wurde und 49jährig kurz nach Urteilsverkündung durch ein Erschießungskommando zusammen mit drei weiteren hohen Offizieren im Juli 1989 hingerichtet wurde. Ochoa hatte mit Unterstützung jüngerer Offiziere die Perestroika Gorbatschows gelobt und die Sklerose des eigenen Systems kritisiert.

Die Absetzung des Tourismusministers im Januar 2004, wegen eines Korruptionsskandals im staatlichen Tourismusunternehmens Cubanacán, soll die entscheidende Weichenstellung im Machtkampf des Raúl Castros in der Riege hinter Fidel Castros gewesen sein. Rául Castro soll seitdem selbst die Kontrolle über den Tourismussektor und andere wichtigen Wirtschaftszweige übernommen haben. Im Mai 2004 wurde der Gesundheitsminister entlassen und durch einen Mitkämpfer aus der Sierra Maestra und engen Vertrauten von Fidel und Raúl Castro ersetzt.
Im Dezember 2004 stand Raúl als Verteidigungsminister wochenlang im Scheinwerferlicht der Medien, als die militärische Großübung Bastion 04 über eine Million Menschen mobilisierte; im Herbst war Fidel Castro bei einem Auftritt gestürtzt und wurde monatelang durch seinen Bruder Raúl vertreten.
Politisches Wirken
Exil und Vertreibung Batistas
Raúl Castro ging mit seinem Bruder Fidel im Juli 1955 nach Mexiko ins Exil, wo sie die bewaffnete Expedition zurück nach Kuba planten und vorbereiteten. Dort trafen sie auch auf Ernesto Che Guevara. Am 25. November 1956 brachen Fidel und Raúl Castro zusammen mit weiteren 79 Revolutionären von Tuxpan (Mexiko) mit der Yacht "Granma" nach Kuba auf, wo sie am 2. Dezember 1956 ankamen. Nach über zwei Jahren Guerillakampf flüchtete der Diktator Batista schließlich am 1. Januar 1959 aus Kuba. Im Verlauf der Revolution wurde Raúl im Februar 1958 in den Rang eines comandante der Rebellenarmee M-26-7 erhoben und als Chef der II. östlichen Front eingesetzt. Ab Januar 1959 war er Militärchef in der Provinz Oriente.
Aufbau des neuen Kuba
Während Fidel Castro zunächst noch das Bindeglied zwischen der Revolution und den bürgerlich-liberalen Bewegungen blieb, forcierte Raúl schon früh zusammen mit Ernesto Che Guevara die Aufnahme von Beziehungen zu den sozialistischen Ländern. Nach dem Zusammenbruch des so genannten real existierenden Kommunismus in Osteuropa soll Raúl Castro zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Kuba zahlreiche, nach westlichem Vorbildung funktionierende Managementmethoden, u.a. unter dem Namen Sistema de Perfeccionamiento Empresarial, eingeführt haben. Unter Leitung eines älteren Dreisternegenerals entstanden landwirtschaftliche Musterbetrieb, in denen moderne Verfahren der Nutzpflanzenanbaus, der Betriebsführung und des Warenabsatzes erfolgreich erprobt wurden. In diesen Musterbetrieben arbeiten junge Soldaten (Ejercito Juvenil de Trabajo (EJT)) anders als in der restlichen kubanischen Wirtschaft nicht in einer Mangel- und Schlendrianswirtschaft (Wulffen).
Vorübergehende Übernahme der Staatstätigkeit
Fidel Castro unterzog sich am Montag dem 31. Juli 2006 einer komplizierten Magen-Darm-Operation. "Die Operation zwingt mich zu mehreren Wochen Ruhe, in denen ich meinen Verantwortungen und meinen Ämtern fernbleiben werde", teilte Fidel Castro in einer Botschaft mit. Die Darmerkrankung sei Folge von Überarbeitung und Stress in den vergangenen Wochen.
Der 75-jährige General Raúl Castro war bislang erster Vizepräsident der Regierung, zweiter Sekretär der Kommunistischen Partei (PCC) und zudem Oberkommandant der Streitkräfte. Er ist gemäß der kubanischen Verfassung im Notfall auch der rechtmäßige Nachfolger von Fidel Castro und übernimmt ab 1. August 2006 vorübergehend die Regierungsgeschäfte.
Siehe auch
Literatur
Bernd Wulffen: Eiszeit in den Tropen. Botschafter bei Fidel Castro, Ch. Links Verlag, 2006, ISBN 3-86153406-1
Weblinks
- „Raúl Castro. Der Radikale hinter Fidel“, Tagesschau, 1. August 2006
- „Raúl ist ein Übergangskandidat“, stern, 1. August 2006, Interview mit dem Castro-Biographen Volker Skierka
- „Aus dem Schatten“, Tagesspiegel, 2. August 2006, von Bernd Wulffen, deutscher Botschafter in Havanna von 2001 bis 2005
- „Zur Person: Raúl Castro. Der Antreiber im Schatten des Bruders“, Schwabmünchner Allgemeine, 2. August 2006
Personendaten | |
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NAME | Castro, Raúl |
ALTERNATIVNAMEN | Raúl Castro Ruz |
KURZBESCHREIBUNG | Revolutionär, kubanischer Politiker und Verteidigungsminister |
GEBURTSDATUM | 3. Juni 1931 |
GEBURTSORT | Mayarí in der Provinz Oriente, Kuba |