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Weltraumtourismus

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Dennis Tito – der erste Weltraumtourist, der 2001 seinen Raumflug mit eigenen Finanzmitteln bezahlte

Als Weltraumtourismus werden Vergnügungs- oder Studienreisen in den Weltraum bezeichnet.

Bislang besuchten alle Weltraumtouristen für ein bis zwei Wochen die Internationale Raumstation (ISS). Geplant sind auch kurze suborbitale Flüge, mehrtägige Erdumkreisungen ohne ISS-Aufenthalt und eine Umrundung des Monds.

Geschichte

Nach Einschätzungen, Befragungen und Studien der Tourismuswirtschaft besteht grundsätzlich bei vielen Menschen ein ausgeprägter Wunsch, in den Weltraum zu fliegen. Nach Meinung von Raumfahrtexperten könnte dieser Wunsch mittelfristig zu einer wichtigen Triebfeder für die weitere Entwicklung der Raumfahrt werden.

1964 kam die damalige US-Fluglinie Pan American dem Wunsch des österreichischen Journalisten Gerhart Pistor nach, ein Ticket zum Mond zu buchen, und entwarf einen Plan zur Aufnahme von touristischen Weltraumflügen bis zum Jahr 2000. Sie eröffnete sogar eine Warteliste für potenzielle Passagiere, welche bis 1989 auf 93.000 Interessenten anwuchs.[1][2][3] Auch in dem Film 2001: Odyssee im Weltraum aus dem Jahre 1968 werden solche Weltraum-Linienflüge detailreich dargestellt. Doch 1991 wurde PanAm liquidiert und ihre Planungen zu Makulatur.

Auftrieb erhielt die Idee durch die am 25. Juli 1998 von der NASA erstellte Studie General Public Space Travel and Tourism.

Anousheh Ansari – die erste Weltraumtouristin

Allgemein wird die Reise von Dennis Tito zur ISS vom 28. April bis zum 6. Mai 2001 als die Geburtsstunde des Weltraumtourismus gewertet. Der zweite Weltraumtourist war Ubuntu-Erfinder Mark Shuttleworth, der am 25. April 2002 als erster Südafrikaner ins All startete und die ISS besuchte. Beide bezahlten für ihren Flug mit dem russischen Sojus-Raumschiff etwa 20 Millionen US-Dollar. Am 1. Oktober 2005 startete der US-Amerikaner Gregory Olsen, Unternehmer der Sensor Unlimited Inc., mit einem Sojus-Raumschiff zur ISS. Zuerst wurde er nach medizinischen Tests für den Flug nicht zugelassen, später aber erhielt er die Genehmigung. Als erste Weltraumtouristin startete die gebürtige Iranerin Anousheh Ansari am 18. September 2006 mit einem Sojus-Raumschiff zur ISS. Sie zahlte 2006 rund 16 Millionen Euro für ihren Raumflug.[4] Charles Simonyi ist der einzige Weltraumtourist, der zweimal geflogen ist (25 bzw. 35 Millionen US-Dollar). Auch der russische Unternehmer Sergei Jurjewitsch Polonski aus Sankt Petersburg plante einen Flug zur ISS.

Private Raumfahrtunternehmen, wie Virgin Galactic, bemühen sich außerdem seit Jahren, eigene Trägerraketen und Raumfahrzeuge zu entwickeln. Eine weitere Stimulation gab es durch die 1996 erfolgte Ausschreibung des Ansari X-Prize. Dieser belohnte den ersten von einem privaten Betreiber verwirklichten bemannten Raumflug mit zehn Millionen US-Dollar. Am 21. Juni 2004 fand mit dem Raumfahrzeug SpaceShipOne, das allein aus privaten Mitteln geplant und gebaut worden war, der erste bemannte Suborbitalflug statt. Erklärtes Ziel der Entwickler ist es, den Weltraum für Touristen zu einem einigermaßen erschwinglichen Preis zugänglich zu machen.

Trainingseinheiten für angehende Weltraumtouristen, beispielsweise Testflüge mit Raumschiffsimulatoren oder Parabelflüge, werden im Juri-Gagarin-Kosmonautentrainingszentrum im Sternenstädtchen bei Moskau sowie von verschiedenen Anbietern in den USA kommerziell angeboten. 2003/04 wurden solche Flüge auch von Deutschland und Österreich aus angeboten, doch mittlerweile aus juristischen Gründen eingestellt.

Im März 2004 beschloss das US-Repräsentantenhaus, dass Privatunternehmen künftig schneller Genehmigungen für Tests mit Raumschiffen für kommerzielle Flüge ins Weltall bekommen sollen. Die staatliche Flugaufsichtsbehörde FAA sollte den Weltraumtourismus künftig überwachen und Anforderungen für die Qualifikation der Raumfahrtcrews festlegen. Das Gesetz musste noch im US-Senat verabschiedet werden.

Anbieter

Uneingeschränkter Marktführer für Weltraumtourismus ist bislang die Firma Space Adventures. Dieses Unternehmen vermittelte als Dienstleister alle bisherigen sieben Weltraumtouristen. Die Flüge wurden von der staatlichen russischen Raumfahrtagentur Roskosmos an Bord von Sojus-Raumschiffen durchgeführt. Für die Mission Sojus MS-20 von Dezember 2021[veraltet] bis Januar 2022[veraltet] hat Spaceflight Adventures mit Roskosmos den Transport zweier weiterer Touristen zur ISS vereinbart.[5][6] Außerdem plant das Unternehmen einen Flug in eine niedrige Erdumlaufbahn für bis zu vier Personen mit dem Raumschiff Crew Dragon von SpaceX.[7]

Die Firma Virgin Galactic des britischen Unternehmers Richard Branson wurde eigens zum Zwecke des Weltraumtourismus gegründet. Nach eigenen Angaben konnte das Unternehmen bereits 7000 Interessenten für einen Flug zum Preis von rund 200.000 US-Dollar und mehr als 500 Buchungen vorweisen. Branson kündigte 2006 an, ab 2008 Linienflüge ins Weltall anzubieten und durchzuführen,[8] was für einen späteren Zeitpunkt nach wie vor geplant ist. Vorerst sollen nur kurze Flüge mit dem Raumgleiter SpaceShipTwo an die Grenze zum Weltraum erfolgen.

Auch das US-Raumfahrtunternehmen Blue Origin wurde als Weltraumtourismusanbieter gegründet. Es entwickelte dafür die wiederverwendbare Rakete New Shepard, die eine Raumkapsel für kurze Zeit auf eine Höhe über 100 Kilometer bringt. Das System ist seit 2015 im Test; bemannte Flüge sind ab frühestens 2020[veraltet] geplant.

Die Firma Bigelow Aerospace arbeitete an der Entwicklung eines Weltraumhotels. Ein erster Testsatellit mit Namen Genesis 1 wurde am 12. Juli 2006 gestartet; außerdem ist das Modul BEAM seit April 2016 an der ISS im Test. Es waren auch touristische Flüge zur ISS zum Preis von 52 Millionen US-Dollar pro Person geplant; Bigelow wollte dafür bei SpaceX das Raumschiff Crew Dragon chartern.[9][10] Die Durchführung habe sich aber wegen der vielen an der ISS beteiligten Organisationen als zu kompliziert erwiesen.[11] Danach schloss die NASA einen entsprechenden Vertrag mit Axiom Space. Das Unternehmen möchte ab 2022[veraltet] Touristen zur ISS bringen und später eine eigene Raumstation an die ISS anbauen.[12]

Der Crew-Dragon-Hersteller SpaceX plant auch unter dem Projektnamen Dear Moon einen bemannten Flug zum Mond mit dem Raumschiff Starship, welches noch in Entwicklung ist. Als Startdatum wird 2023[veraltet] anvisiert. Im September 2018 präsentierte SpaceX den japanischen Unternehmer Yusaku Maezawa als Sponsor dieser Mission. Maezawa wird nicht nur selbst am Mondflug teilnehmen, sondern auch mehrere Künstler mit unterschiedlichen Hintergründen dazu einladen. Die Werke, die sie anschließend schaffen, sollen „den Träumer in uns allen wecken“.[13]

Aufgegebene Projekte

Die EADS-Tochter Astrium Space Transportation entwarf seit 2006 ein Business-Jet-ähnliches Raumschiff, das einen Piloten und vier Passagiere auf 100 km Höhe bringen sollte. Der Flug selber sollte etwa zwei Stunden dauern, bei mehreren Minuten Schwerelosigkeit. Astrium rechnete damit, dass die ersten kommerziellen Flüge etwa sieben Jahre nach Sicherung der Finanzierung möglich gewesen wären.[14] Kritiker warfen EADS vor, das Rocketplane-Konzept des Konkurrenten Rocketplane Limited, Inc. kopiert zu haben. Dieser baute bis Ende 2007 an einem sehr ähnlichen Raumschiff auf Basis eines Learjet, musste es jedoch wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgeben.[15]

Noch vor 2020[16] wollte das russische Unternehmen RKK Energija in Kooperation mit Space Adventures Flüge um den Erdmond mit einem modifizierten Sojus-Raumschiff für 150 Millionen US-Dollar anbieten. Das Projekt hieß DSE-Alpha. Die Besatzung sollte aus einem professionellen russischen Kosmonauten und zwei Touristen bestehen; der Flug eines einzelnen Touristen wäre laut RKK Energija nicht profitabel.[17] Im Jahr 2014 wurden Verträge mit zwei potentiellen Touristen abgeschlossen.[18]

Liste der ISS-Weltraumtouristen

Name Land Startdatum Hinflug mit Rückflug mit Flugdauer
Dennis Tito Vereinigte StaatenVereinigte Staaten
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TM-32 Sojus TM-31 7d 22h 4min
Mark Shuttleworth Sudafrika Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TM-34 Sojus TM-33 9d 21h 25min
Gregory Olsen Vereinigte StaatenVereinigte Staaten
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TMA-7 Sojus TMA-6 9d 21h 7min
Anousheh Ansari Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Iran
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TMA-9 Sojus TMA-8 10d 21h 4min
Charles Simonyi Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Ungarn
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TMA-10 Sojus TMA-9 13d 19h 0min
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TMA-14 Sojus TMA-13 12d 19h 27min
Richard Garriott Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TMA-13 Sojus TMA-12 11d 20h 36min
Guy Laliberté Kanada
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Sojus TMA-16 Sojus TMA-14 10d 21h 18min
Geplante Flüge:
≤ 4 Personen 1 ≥ 2021[veraltet][19] Crew Dragon Crew Dragon ≥ 8d
2 Personen Dez. 2021[veraltet][20] Sojus MS-20 Sojus MS-20 bis Jan. 2022[veraltet]
2 Personen Okt. 2022[veraltet][21] Sojus MS-23 Sojus MS-23 bis April 2023[veraltet]Bitte nutze in Fällen, in denen die Jahreszahl bereits in der Vergangenheit liegt, {{Veraltet}} anstatt {{Zukunft}}
1 
Die Crew Dragon bietet Platz für bis zu vier Personen. Wie viele der vier Sitze für Touristen zur Verfügung stehen, wurde zunächst nicht bekanntgegeben. Weitere Flüge im Abstand von mindestens zwei Jahren sind angedacht.[19]
Commons: Weltraumtourismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Mufson, Steven: Pan Am Still Plans Moon Flight, And 93,000 Are on Waiting List. Artikel aus der Washington Post vom 21. Juli 1989
  2. PressReader.com - Zeitungen aus der ganzen Welt. In: pressreader.com. Abgerufen am 3. August 2019.
  3. Sam Blum: When Pan Am Promised to Fly Us to the Moon. In: Popular Mechanics. 28. Februar 2019, abgerufen am 3. August 2019.
  4. Anousheh Ansari wird erste Iranerin im All. In: Planet Persia: „Das außerirdische Vergnügen kostet sie etwa 20 Millionen Dollar (15,7 Millionen Euro).“
  5. Roskosmos bringt zwei Weltraumtouristen auf die ISS. Golem.de, 21. Februar 2019.
  6. Космические туристы смогут встретить Новый год на орбите. RIA Novosti, 20. April 2020.
  7. Space Adventures Announces Agreement with SpaceX to Launch Private Citizens on the Crew Dragon Spacecraft. Pressemeldung von Space Adventures, 18. Februar 2020.
  8. Space travel will take off in five years, travel boss says, 9. August 2006
  9. Bigelow Space Operations Announces it has Reserved up to Four Dedicated SpaceX Launches to the International Space Station. Bigelow Space Operatioons, 7. Juni 2019, abgerufen am 11. Juni 2019.
  10. Jeff Foust: NASA releases ISS commercialization plan. In: Spacenews. 7. Juni 2019, abgerufen am 11. Juni 2019.
  11. Loren Grush: Bigelow’s next-generation inflatable space habitat is shooting for the Moon. The Verge, 13. September 2019.
  12. Twitter-Nachricht von Axiom Space, 31. Januar 2020.
  13. Chris Gebhardt: SpaceX announces BFR lunar passenger, mission for Earth’s artists. nasaspaceflight.com, 17. September 2018, abgerufen am 18. September 2018 (englisch).
  14. Spaceplane – Rocketing into the future. Astrium, archiviert vom Original am 7. August 2011; abgerufen am 5. Februar 2013 (englisch).
  15. Michael Belfiore: It's a Rocket! It's a Plane! It's...Rocket Plane! Popular Science, 8. Januar 2006, abgerufen am 5. Februar 2013 (englisch).
  16. Space Adventures: Circumlunar Mission. Archiviert vom Original am 18. Oktober 2017; abgerufen am 16. Oktober 2017 (englisch): „We expect our first mission to launch before the end of the decade.“
  17. „Nowosti Kosmonawtiki“: News (Memento vom 22. August 2006 im Internet Archive) (russisch), 10. August 2006
  18. RKK Energia can fly tourists around Moon in about three years – Lopota. Interfax, 2. Juni 2014, abgerufen am 3. Juni 2014 (englisch).
  19. a b Stephen Clark: Axiom strikes deal with SpaceX to ferry private astronauts to space station. Spaceflight Now, 5. März 2020.
  20. Космические туристы смогут встретить Новый год на орбите. RIA Novosti, 20. April 2020.
  21. Коммерческий полет "Союза" на МКС планируется в 2022-2023 годах. RIA Novosti, 27. April 2020.