Zum Inhalt springen

Buch Ezechiel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. August 2006 um 22:53 Uhr durch Andrest (Diskussion | Beiträge) (Link angepasst (Redirectauflösung), Zitat-Baustein, Linkverkürzung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Vorlage:Linkbox Bücher der Propheten im Alten Testament

Das Buch Ezechiel (Hesekiel) ist eine im Zeitraum von ca. 600-560 v.Chr. in Babylonien entstandene Schrift des Alten Testaments der Bibel, die seit dem Mittelalter in 48 Kapitel unterteilt wird. Es schildert die Visionen und symbolischen Handlungen des Propheten Ezechiel, der zur ersten Gruppe der im Rahmen der babylonischen Gefangenschaft verschleppten Israeliten gehörte. Ezechiel war ein israelitischer Priester.

Das Buch gliedert sich in vier Teile.

  1. Im ersten Abschnitt (Kapitel 1-24) tadelt Ezechiel das Volk wegen Götzenanbetung und zahlreicher anderer Sünden. Da sich die gesamte Nation von Gott abgekehrt und den Bund mit Gott verlassen habe, prophezeit er, dass Juda fallen, Jerusalem zerstört und die Menschen in Gefangenschaft geraten würden.
  2. Im zweiten Abschnitt (Kapitel 25-32) prophezeit Ezechiel den Untergang der Feinde Judas: Moabiter, Edomiter, Philister, Ammoniter, Tyre, Sidon und Ägypter. In diesem Teil werden die Allmacht und Allgegenwart Gottes offenbart, der nicht bloß der Gott des Reiches Juda, sondern der Herr aller Nationen sei. Somit wird im zweiten Teil das im ersten Abschnitt entwickelte Thema wiederaufgegriffen und durch den Traum von Gottes Thronwagen weiter ausgeführt.
  3. Ezechiel spendet hingegen im dritten Abschnitt (Kapitel 33-39) denjenigen Trost, die sich im Exil befinden. Er weissagt den Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels und prophezeit die Rückkehr Gottes. Ezechiels Traum vom Tal der verdorrten Gebeine (37:1-14), einer der berühmtesten Abschnitte des Alten Testaments, veranschaulicht, dass die Gegenwart Gottes den entscheidenden Unterschied zwischen den Lebenden und den Toten ausmacht.
  4. Der letzte Abschnitt (Kapitel 40-48) enthält eine Ankündigung des Beginns der messianischen Zeit und eine detaillierte visionäre Beschreibung eines zukünftigen, überwiegend theokratischen Gemeinwesens der Juden. Dieser Abschnitt hat christlichen Auslegern oft Probleme bereitet, da er sich nur sehr schwer mit christlichen Zukunftsvisionen vereinbaren lässt.

Ezechiel zeigt viele Parallelen mit der Tora bzw. dem Pentateuch (z.B. Kap. 27; 28:13; 31:8; 36:11, 34; 47:13, usw.). Es besteht eine große Nähe zu den Büchern von Hosea (Kap. 37:22), Jesaja (Kap. 8:12; 29:6), mit Amos (u.a. Priesterkritik) und Jeremia (Kap. 24:7, 9; 48:37).

Die bilderreichen Prophezeiungen Ezechiels sind reich an Symbolen, Metaphern und Allegorien. Sie bieten viel Raum für fantastische Deutungen und Interpretationen bis hin zur Mystik. Da hier die Gefahr von Missinterpretation hoch ist, dürfen im Judentum nur Menschen über 30 Jahre dieses Buch lesen. Vielleicht, soweit eine etwas randständige theologische Deutung, erklärt sich damit der Umstand, dass der Rabbiner Jesus seine Verkündung erst nach seinem 30ten Lebensjahr begann, mit Kenntnis und Deutung der letzten Propheten.

Gottes Thronwagen

Das erste Kapitel beschreibt, wie Gott auf seinem Thronwagen, mit den Cherubim, dem Ezechiel erscheint; dies ist bei weitem die ausführlichste derartige Beschreibung in der Bibel. Dieser Text spielt eine herausragende Rolle in der jüdischen Kabbala, in der mündlichen jüdischen Überlieferung und in der christlichen Mystik.

Ezechiel 1:

4 Ich sah: Ein Sturmwind kam von Norden, eine große Wolke mit flackerndem Feuer, umgeben von einem hellen Schein. Aus dem Feuer strahlte es wie glänzendes Gold. 5 Mitten darin erschien etwas wie vier Lebewesen. Und das war ihre Gestalt: Sie sahen aus wie Menschen. [...] 15 Ich schaute auf die Lebewesen: Neben jedem der vier sah ich ein Rad auf dem Boden. 16 Die Räder sahen aus, als seien sie aus Chrysolith gemacht. Alle vier Räder hatten die gleiche Gestalt. Sie waren so gemacht, dass es aussah, als laufe ein Rad mitten im andern. 17 Sie konnten nach allen vier Seiten laufen und änderten beim Laufen ihre Richtung nicht. [...] 22 Über den Köpfen der Lebewesen war etwas wie eine gehämmerte Platte befestigt, furchtbar anzusehen, wie ein strahlender Kristall, oben über ihren Köpfen. [...] 26 Oberhalb der Platte über ihren Köpfen war etwas, das wie Saphir aussah und einem Thron glich. Auf dem, was einem Thron glich, saß eine Gestalt, die wie ein Mensch aussah. [...]“

Religiöse Weiterentwicklung

Das Babylonische Exil stellt in religiöser Hinsicht eine Phase der Weiterentwicklung und Reformation dar. Neu ist z.B. der ins Säkulare weisende Gedanke, dass Palast und Tempel, Politik und Religion nicht mehr eine strikte Einheit bilden sollen. Bemerkenswert ist auch, dass Ezechiel als Beispiel für Rechtschaffende allein auf Ijob, Jona und Daniel verweist.

Da der Tempelkult des Jerusalemer Tempels im Exil nicht mehr auszuüben ist, wird nunmehr gesagt, dass Gott seinem Volk in allen Ländern dient (34:11-16) und es heim führen wird:

„Denn so spricht Gott der Herr: Siehe, ich, ich selbst will nach meinen Schafen fragen, will nach ihnen sehen. (...) sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut worden sind (...) ich werde sie in ihre Heimat führen.“

Die Sippenhaftung wird endgültig abgeschafft (18:20):

„Ein Sohn soll nicht die Schuld des Vaters, noch ein Vater die Schuld des Sohnes mittragen. Nur dem Gerechtem kommt seine Gerechtigkeit zugute, und nur über den Gottlosen kommt seine Gottlosigkeit.“

Die Heilsverkündung bekommt ein humanistisches Ziel (18:23):

„Habe ich etwa Wohlgefallen am Tode des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich von seinem Wandel bekehre und am Leben bleibe?“

Aus diesem Grunde werden bestimmte Satzungen als Fehler kritisiert (20:25-26):

„So habe denn auch ich ihnen Satzungen gegeben, die nicht gut waren, und Gebote, durch die sie nicht am Leben bleiben konnten. Ich ließ sie unrein werden durch ihre Opfergaben, indem ich alle Erstgeburt durchs Feuer gehen ließen; ich wollte sie mit Grausen erfüllen, auf dass sie erkennten, dass ich der Herr bin.“

Engen Vorstellungen kultischer Abstammungsreinheit der Israeliten hält Ezechiel entgegen (16:3):

„So spricht Gott zu Jerusalem: Nach Herkunft und Geburt stammst du aus dem Lande der Kaaniter, dein Vater war ein Amoriter, deine Mutter eine Hethiterin.“

Er warnt vor Arroganz und Selbstzufriedenheit (16:15-62):

„Du aber verließest dich auf deine Schönheit (...) Und du nahmst deine Söhne und Töchter, die du mir geboren hattest, und schlachtest sie ihnen zum Fraße. (...) Siehe, das war die Schuld deiner Schwester Sodom: Pracht und Überfluss und sorglose Ruhe wurden ihr und ihren Töchtern zuteil, aber sie taten dem Elenden und Armen nicht Handreichung, sondern sie wurden übermütig und verübten Greuel vor mir. (...) Samaria hat nicht halb so viel gesündigt wie du. (...) du sollst erkennen, dass ich der Herr bin, damit du daran denkest und dich schämest und vor Scham den Mund nicht mehr auftust, wenn ich dir alles vergebe, was du getan hast, spricht Gott der Herr.“

Moral bei Ezechiel

Der Schwerpunkt der Gebote und Verbote verschob sich bei Ezechiel weg von den Tempelsatzungen und Reinheitsvorschriften hin zu gelebter Mitmenschlichkeit. Die Gebote der Mitmenschlichkeit sind bei Ezechiel:

  • Soziale Satzungen: Schonung von Frauen, Elenden und Armen; dem Hungrigen Brot geben; die Nackten bekleiden
  • Wirtschaftliche Satzungen: Verzicht auf Zins und Zuschlag; Fairness im Handel, d.h. Nutzung fairer und anerkannter Maßeinheiten
  • Allgemeine Regeln: Unrecht vermeiden, Gerechtigkeit suchen, Reue

Die Taten der Gottlosigkeit, vor denen Ezechiel warnt, sind:

  • Kultische Gottlosigkeiten: Götzendienst, z.B. das Essen von Götzenfleisch oder Verwendung von Zauberbinden für die Handgelenke; Verkehr mit Frauen im Zustand der kultischen Unreinheit; Starke Entweihungen des Sabbats, Ignorierung der Propheten ("verstocktes Herz"); Verunreinigung des Heiligtums mit Gräueln
  • Soziale Gottlosigkeiten: Ehebruch und Inzest; Bedrückung von Elenden und Armen, Schutzlosen und Fremden; Gewalt; Blutvergießen und Vernichten von Leben; Missachten von Geboten, die den Menschen am Leben erhalten; Vertreibung; Kinderopfer
  • Wirtschaftliche Gottlosigkeiten: Einbehaltung von Pfandsachen; Raub, Gier und Profitgier
  • Allgemeine Gottlosigkeiten: Vertragsbruch, Betrug und Bestechung; Schadenfreude und Rachsucht

Priesterkritik

Modern wirkt Ezechiel darin, dass er die Priesterkaste im Kapitel 34:1-5 deutlich zu kritisieren wagt:

„So spricht Gott der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Sollten die Hirten nicht die Schafe weiden? (...) Das Schwache habt ihr nicht gestärkt, das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden; ihr habt das Versprengte nicht heim geholt und das Verirrte nicht gesucht, und das Kräftige habt ihr gewalttätig niedergetreten. So zerstreuen sich denn meine Schafe, weil kein Hirte da war.“

Damit erklärt Ezechiel die Ursachen der Diaspora.

Die Kritik Jesu an den religiösen Führern seiner Zeit, wie sie etwa in Mt 23 anklingt, wirkt von Ezechiel beeinflusst.

Landverheißung auch an Fremde

Bemerkenswert am Buch Ezechiel ist neben den Gerechtigkeitsvorstellungen auch die von ihm aus den Satzungen Moses abgeleiteten Vorstellungen zur Landverheißung, die im Rahmen des Nahostkonfliktes eine gewisse religiöse Bedeutung haben. Im Kapitel 47 steht:

„Dieses Land sollt ihr nach den Stämmen Israels unter euch verteilen. Ihr sollt es als Erbbesitz verlosen unter euch und unter die Fremden, die unter euch weilen und unter euch Söhne gezeugt haben. Sie sollen euch gelten wie eingeborne Israeliten; mit euch sollen sie inmitten der Stämme Israels ihren Erbesitz durchs Los erhalten. In dem Stamme, bei dem der Fremdling weilt, dort sollt ihr ihm seinen Erbbesitz geben, spricht Gott der Herr.“

Mit dem "Fremden" ist hier der sogenannte Beisasse gemeint, ein nicht-jüdischer Einwohner, der sich im Herrschaftsbereich israelischer Stämme befindet. Das Losverfahren soll sicher stellen, dass niemand bevorzugt oder benachteiligt wird.

Anekdote

Ezechiel ist auch nicht Bibelkundigen häufig ein Begriff. Dies ist einem größtenteils fiktiven Zitat in Quentin Tarantinos Kultfilm Pulp Fiction zu verdanken. Näheres im entsprechenden Artikel.

Siehe auch

Literatur

  • Walther Zimmerli: Ezechiel/Ezechielbuch. In: Theologische Realenzyklopädie 10 (1982), S. 766-781 (Forschungsüberblick)
  • Moshe Greenberg: Ezechiel 1-20. Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament. Herder, Freiburg i. Br. 2001 ISBN 3-451-26842-6 Inhaltsverzeichnis
  • Moshe Greenberg: Ezechiel 21-37. Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament. Herder, Freiburg i. Br. 2005 ISBN 3-451-26843-4
  • Daniel I. Block: The Book of Ezekiel. 2 Bde. 1997-1998. - Bd. 1: Chapters 1-24, Bd. 2: Chapters 25-48 (887+826 S.) (Kommentar)
  • Franz Sedlmeier: Das Buch Ezechiel. Teil 1: Kapitel 1-24. Neuer Stuttgarter Kommentar. Altes Testament 21,1. 2002. ISBN 3-460-07211-3
  • Karl-Friedrich Pohlmann: Das Buch des Propheten Hesekiel (Ezechiel). Kapitel 1-19. Das Alte Testament Deutsch 22,1. 6. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996 ISBN 3-525-51210-4 (allgemeinverständlich)
  • Gerhard Maier: Der Prophet Hesekiel. Wuppertaler Studienbibel 33. 1998 (allgemeinverständlich, anwendungsorientiert)
  • Christopher J. H. Wright: The Message of Ezekiel. A New Heart and a New Spirit. The Bible Speaks Today Old Testament Series. Inter-Varsity Press, Leicester 2001. ISBN 0-85111-548-9 (allgemeinverständlicher, anwendungsorientierter Kommentar)

Einzelstudien

  • Udo Feist: Ezechiel. Das literarische Problem des Buches, forschungsgeschichtlich betrachtet. Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 138 (= Folge 7, H. 18). Kohlhammer, Stuttgart u.a. 1995 ISBN 3-17-013696-8
  • Margaret S. Odell u.a. (Hrsg.): The Book of Ezekiel. Theological and Anthropological Perspectives SBL Symposium Series 9. Society of Biblical Literature, Atlanta 2000 ISBN 0-88414-024-5
  • Karin Schöpflin: Theologie als Biographie im Ezechielbuch. Ein Beitrag zur Konzeption alttestamentlicher Prophetie. Forschungen zum Alten Testament 36. Mohr Siebeck, Tübingen 2002. ISBN 3-16-147869-X
  • Volkmar Premstaller: Fremdvölkersprüche des Ezechielbuches. Forschung zur Bibel 104. Echter, Würzburg 2005 ISBN 3-429-02687-3
  • Angela Russell Christman: What did Ezekiel see? Christian Exegesis of Ezekiel's Vision of the Chariot from Irenaeus to Gregory the Great. Bible in Ancient Christianity 4. Brill, Leiden u.a. 2005 ISBN 90-04-14537-0
  • Dieter Sänger (Hrsg.): Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung. Hans Hübner zum 75. Geburtstag. Biblisch-theologische Studien 76. Neukirchener-Verl., Neukirchener 2006 (c2004) ISBN 3-7887-2143-X