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RailCab

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das RailCab (auf deutsch in etwa Schienentaxi) ist ein Forschungsprojekt der Universität Paderborn für spurgeführten Individualverkehr.

Konzept

Nicht mehr starre Fahrpläne für komplette Züge regeln den Verkehr, sondern führerlose, autonome Einzelfahrzeuge sollen sowohl Personen als auch Güter mit gleicher Geschwindigkeit ohne Aufenthalt komfortabel zum gewünschten Ziel bringen. Zwischenstopps können auch während der Fahrt noch eingeplant werden.

Die Fahrzeuge werden durch wartungsarme Linearmotoren angetrieben. Der Fahrkomfort wird durch eine neuartige Feder- und Neigetechnik realisiert. Die Module können von jedermann über Telekommunikationsdienste oder Internet geordert und entsprechend den Transportanforderungen konfiguriert werden, z.B. klimatisierte Ausstattung für eine Fahrt zu einer geschäftlichen Besprechung mit der erforderlichen Infrastruktur. So kann bereits die Fahrzeit vielfältig genutzt werden.

Ein wesentliches Element des RailCab ist, dass sich Fahrzeuge auf höher frequentierten Strecken des Netzes treffen und berührungslose Konvois bilden. Das reduziert den Luftwiderstand und spart Energie.

Weichen der herkömmlichen Art werden durch starre Abzweigungen ersetzt. Ein neuartiges sensorgesteuertes Spurführungssystem, unterstützt von der Feder-/Neigetechnik, ermöglicht den lenkbaren Fahrzeugen das Ausscheren aus einem Konvoi bei voller Geschwindigkeit.

Falls das von der Universität Paderborn entworfene System von der Öffentlichkeit – und hier insbesondere vom immer stärker werdenden Frachtverkehr – angenommen wird, könnte es in naher Zukunft bereits Wirklichkeit werden und das vorhandene Schienennetz effizienter nutzen, und dadurch die Autobahnen und Straßen erheblich entlasten.

Einsatz

Das RailCab existiert bisher nicht in funktionsfähiger Form und wird noch auf keiner Strecke eingesetzt. Es gibt Ideen, es auf stillgelegten Strecken z.B. im Großraum London einzusetzen oder damit eine Anbindung des Flughafens Paderborn-Lippstadt zu realisieren.

Versuchsanlage

Ein Prototyp des RailCab im Maßstab 1:2,5 kann auf dem Versuchsgelände der Universität Paderborn nach vorheriger Anmeldung besichtigt werden. Das Fahrzeug fährt dort auf einer einige hundert Meter langen Schleife.

Kritik

Selbst wenn man der hauptsächlich als ein interdisziplinäres Forschungsprojekt für Ingenieurwissenschaftler aller Couleur geplanten Idee RailCab unterstellt, sie sei wirklich für eine flächendeckende Realisierung vorgesehen, stehen der Umsetzung gewichtige Probleme im Wege.

Alle genutzten Schienenwege müssen entlang der gesamten Strecke mit Linearmotoren ausgerüstet sowie alle genutzten Weichen müssen ausgetauscht werden und eine neue Ausstattung mit Leit- und Sicherungstechnik ist notwendig. Realistisch ist dies nicht unter einem achtstelligen Eurobetrag pro Streckenkilometer zu bewerkstelligen. Es bleibt fraglich, ob diese erheblichen Investitionen irgendwie volkswirtschaftlich zu amortisieren sind, da mit Straßen und Kraftfahrzeugen bereits ein Invidualverkehrssystem existiert und das RailCab gegenüber diesem ganz erhebliche Vorteile aufweisen müsste, um den notwendigen Grenznutzen zu erzeugen.

Energieverbrauch und Wartungsbedarf der Linearmotoren sind wie bei Magnetschwebebahnen ein Thema, wobei das RailCab den eventuellen Zusatzaufwand hierfür aber nicht durch Einsparung der Rad-Schiene-Technik ausgleichen kann.

Stellungnahme

Der oben stehende Kommentar (Kritik) greift meiner Meinung nach zu kurz:

Die Deutsche Bahn hat sich in den letzten Jahren vor allem auf den Hochgeschwindigkeitstransport von Personen konzentriert und dafür erhebliche Mittel aufgewendet. Nah- bzw. Regionalverkehr ist demgegenüber deutlich zurückgeschraubt worden. Viele Strecken werden selten befahren, nicht wenige wurden ganz stillgelegt, mit einem doppelten Negativeffekt: 1. Die Bevölkerung im Umland und in den ländlichen Regionen wird schlechter versorgt, aber auch 2. die Anbindung der Hochgeschwindigkeitsstrecken und damit die Versorgung der schnellen Züge wird verschlechtert. Auch hierdurch ist die verkehrstechnische Lücke zwischen Individualverkehr, also dem KFZ, und dem schienengebundenen Massenverkehr schlechter geworden, was sowohl für den Personen- als auch für den Frachttransport gilt. Hier könnte ein RailCab-System abhelfen. Allerdings müssen vorher noch einige Vorabbedingungen geklärt werden: Das RailCab-System war und ist nie als flächendeckender Ersatz für die konventionelle Bahn entwickelt worden. Die von Anfang an als modulare Baukastenstruktur angelegte Technik gestattet eine lokale Anwendung in kleinen, abgeschlossenen Bereichen, z. B. auf von der Bahn verlassenen Strecken, sowie eine schrittweise Erweiterung und ein Hineinwachsen in größere Regionen, wobei zunächst des RC-System allein betrieben wird. Unter bestimmten Bedingungen, die zusätzlichen Aufwand nötig machen, ist es möglich, auf ein- und derselben Strecke sowohl das konventionelle als auch das RailCab-System gemeinsam zu betreiben, auch bezeichnet als Migration beider Systeme. Durch diese Vorkehrungen wird eine stark verbesserte, durchgängige Verknüpfung der Verkehrsangebote möglich, wobei durch das RailCab-System ein Teil der individuellen Funktion des KFZ-Verkehrs auf die schienen-gebundene Bahn übertragen wird. Denn es darf schließlich nicht vergessen werden, dass der heutige, ständig zunehmende Individualverkehr speziell in den Ballungsräumen seine Grenze schon lange erreicht hat, und eine zukunftsträchtige Lösung bisher noch nicht existiert.

Zu den Kosten:

Obwohl bisher vom RailCab-System nur eine Teststrecke in verkleinertem Maßstab existiert, kann man doch gewisse Abschätzungen über entstehende Kosten für ein Normalspursystem machen, sowohl für eine Nachrüstung existierender Strecken als auch für eine Neubaustrecke. Die Ergebnisse sind durchaus ermutigend, wobei man darauf achten sollte, das gesamte System zu berücksichtigen und nicht nur z. B. die Streckenausstattung. Denn, zum Einen können bei niederfrequentierten Strecken die Linearmotoren durch passive Reaktionsschienen für einen Kurzstatorbetrieb ersetzt werden, zum Anderen entfällt gegenüber der Magnetschwebebahn der nicht unerhebliche Energieanteil für das Anheben und Schweben der Fahrzeuge. Der gravierendste Kostenvorteil gegenüber der Magnetschwebebahn ist aber wohl die Nutzung bestehender Schienentrassen durch das RailCab-System.

Paderborn, 9. August 2006 Joachim Lückel, Carsten Rustemeier