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Jomo Kenyatta

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Jomo Kenyatta (* 20. Oktober 1893 in Ichaweri, † 22. August 1978 in Mombasa) wurde 1963 mit der Unabhängigkeit Kenias erster Ministerpräsident des Landes. 1964 wurde er nach der Proklamation Kenias zur Republik deren erster Staatspräsident.

Überblick: Taa ya Kenya (Licht Kenias)

Eine zufrieden stellende Übersetzung seines erst spät angenommenen Namens „Kenyatta“ existiert nicht. Da der Name „Kenya“ selbst eine Anglisierung des ursprünglichen Wortes "Kiri nijaga" (Mount Kenya, "Der strahlende Berg", kurz: "Kinja") ist, kann Kenyatta auch kein genuin afrikanischer Name sein. Am ehesten trägt der Name die Bedeutung „der Kenianer“. Die manchmal anzutreffende Ausweitung auf alle Bewohner von Kenia (Kenianer = Kenyatten) ist falsch.

Kenyattas Leben und Werk wird von der übergroßen Rolle und ehrenden Anerkennung durch sein Volk als „Vater der Nation“ überstrahlt. Manche Biographien oder Darstellungen sind eher als Hagiographie zu bezeichnen, z.B. in der englischen Wikipedia. So sind auch nicht alle Daten und Ereignisse immer zweifelsfrei zu belegen. Kenyatta war hoch respektiert, aber in manchen seiner Positionen und Handlungen auch höchst umstritten.

Seine Anrede war "Mzee" (sprich: Mseeh). In Kisuaheli ist „mzee“ die Anrede für jeden ehrwürdigen älteren Mann. Er aber war DER "MZEE". So wird er z.B. auch auf den alten Schilling-Münzen des Landes genannt. Kenyatta rief unter dem Slogan Harambee, was auf Kisuaheli etwa so viel heißt wie: „Lasst uns alle zusammen an einem Strick ziehen!“, eine noch heute wichtige gesellschaftliche Selbsthilfebewegung ins Leben.

Eine der immer wieder gestellten und letztlich wahrscheinlich nicht umfassend zu beantwortenden Fragen, ist die Frage nach seiner Rolle im Mau-Mau-Freiheitskampf. Dafür wurde er schließlich zu sieben Jahre Gefängnis und späterem Hausarrest verurteilt. Fest steht, dass er weder operativer noch heimlicher Führer dieses militärischen Kampfes war. Er war nicht mit den Methoden dieses Kampfes einverstanden, stand aber auch diesem Teil seines Volkes nahe, denn diese Kämpfer wollten ebenfalls die Kolonialherrschaft der Briten beenden. Insofern hatte man gemeinsame Ziele, aber nicht die gleichen Wege. Er verstand es, die Übergriffe der Mau-Mau-Kämpfer politisch zu nutzen, wodurch z.B. der Widerstandswille der Bevölkerung auch nach dem Zusammenbruch des Mau-Mau nicht erlahmte. Die Mau-Mau-Kämpfer wurden später jedoch nie in irgendeiner Form kompensiert oder von Kenyatta an der Macht beteiligt.

Ihm gelang es, durch eine maßvolle Landreform die weißen Siedler im Land zu behalten. Ökonomisch versuchte man sich mit einer ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, gemeinsam mit Milton Obote, Staatschef von Uganda, und Julius Nyerere, Präsident der Republik Tansania (die heute in einigen Bereichen zum Teil wieder hergestellt wird). Diese Gemeinschaft zerbrach aber bis zum Jahr 1978 an ideologischen Differenzen und führte zu langjährigen Drohgebärden und Abschottungen der Länder. Auch wenn Kenyatta offiziell eine blockfreie Politik verfolgte, entwickelte sich Kenia zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Afrikanischen staat, der auch ausländische Investoren anzog. Kenia wurde auch unter seiner Amtszeit Mitglied der United Nations.

Kenyatta gilt nach einem jahrelangen Freiheitskampf, in dem er die Nation wirklich einte, nach wissenschaftlicher und journalistischer Arbeit, nach persönlichem Leiden in Gefängnis bzw. Verbannung und überzeugender politischer Führerschaft vielen Menschen als „Taa ya Kenya“ (Kisuaheli = das Licht Kenias) und einer der großen Führer Afrikas in der Unabhängigkeitsphase.

Dieser großartigen Lebensleistung stehen aber auch Schattenseiten gegenüber, so sein immer autoritärer werdender Führungsstil und der immer wieder erhobene Vorwurf, sich an Land, Elfenbein und Bodenschätzen bereichert zu haben. Sein Sicherheitsapparat drangsalierte politische Opponenten. Dieser Apparat wurde auch mit Mordfällen an politischen Gegnern in Verbindung gebracht, z.B. im Mordfall Josiah Mwangi Kariuki .

Kenyatta war viermal verheiratet, hat aus allen Ehen Kinder. Mit seiner letzten Frau Ngina Kenyatta , genannt (Mama Ngina), die er 1951 heiratete, hatte er vier Kinder:

Der internationale Flughafen in Nairobi wurde nach dem „Vater der Nation“ „Jomo Kenyatta International Airport“ (JKIA) benannt, aber auch viele Schulen und andere Institutionen.

Sein Leben lässt sich gut anhand seiner verschiedenen Namen einteilen und betrachten. Seine Lebensgeschichte ist weitgehend deckungsgleich mit der Kolonial-Geschichte seines Landes.

Leben

Kindheit und Jugend: Kamau wa Ngengi

Kenyattas Geburtsjahr ist nicht sicher; es liegt zwischen 1889 und 1895. Der kleine Kamau wa Ngengi lebt bei seinem Vater Muigai und seiner Mutter Wambui in Ng'enda, einem Dörfchen in der Gatundu-Division des Kiambu-Distrikts. Dieser Heimatgegend bleibt er ein Leben lang treu verbunden und seine politischen Vertrauten wurden später gern als der “Kiambu-Clan” oder etwas stärker als die „Kiambu-Mafia“ bezeichnet.

Sein Vater Muigai stirbt und seine Mutter Wambui wird von Muigai's jüngerem Bruder Ngengi “übernommen”. Kurz darauf schenkt sie James Muigai das Leben, verlässt aber das Haus des neuen Ehemannes, um zu ihren Eltern zurückzukehren, wo sie bald stirbt. Kamau verlässt Ng'enda und zieht zu seinem Großvater Kongo wa Magana, der ein arathi (Seher oder weiser Mann) ist. Diese Seher hören die Botschaften Ngais (der Gott auf dem Mount Kenya) und geben sie an das Volk weiter.

Jomo wird 1909 Mitglied der „Church of Scotland Mission“ in Thogoto, wo er eine Grundschulausbildung erhält und die Schreinerei erlernt. Er beendet 1912 die Grundschule und wird Schreiner. Im Nyongara-Flüsschens bei der Thogoto-Mission wird er 1913 beschnitten und Mitglied der Kihiu Mwiri/Mebengi-Altersklasse.

Erwachsen: Johnstone Kamau

Im August 1914 lässt er sich christlich taufen und erhält den Namen John Peter Kamau, den er bald darauf in Johnstone Kamau ändert. Um Arbeit zu finden, reist er ins nahe Nairobi.

Auf einer Sisalfarm in Thika stellt ihn der Ingenieur John Cook 1915 ein, der ihn noch aus seiner Zeit in Thogoto kennt.

Von einer schweren Erkrankung heilen ihn 1916 ein Missionsarzt und sein Freund Charles Stokes, der ihn in sein Haus in Tumutumu aufnimmt.

Im Jahr 1917 entzieht er sich dem drohenden Einzug zum Militär durch die Absetzung ins Maassai-Land zu Verwandten nach Narok. Die britische Kolonialmacht zog etwa 200.000 Kenianer als Soldaten und Träger ein und schickte sie nach Tanganjika, um dort gegen die Deutschen zu kämpfen. Etwa 50.000 verloren dabei ihr Leben. Die Afrikaner hatten hier aber erstmals die Erfahrung gemacht, dass Weiße bekämpft werden und sterben können. In Narok arbeitet Kenyatta für einen indischen Bauunternehmer. Er trägt jetzt einen perlengeschmückten Maassai-Gürtel, auf den „Kinyata“ eingraviert ist.

Er kehrt 1918 auf der Suche nach anderer Arbeit nach Nairobi zurück, wo er im Kramladen von Stephen Ellis Anstellung findet. Abends besucht er die christliche Abendschule.

Nach Kikuyu-Tradition heiratet er 1919 Grace Wahu.

1920 wird Kenia britische Kolonie. Man beruft Kenyatta zum Übersetzer an ein Gericht von Nairobi, wo eine Klage um das Land von Sub-Chief Kioi verhandelt wird. Am 22. Oktober wird er vor den christlichen Ältestenrat gerufen, weil er ohne christlichen Ritus geheiratet habe und Alkohol tränke. Man fordert ihn auf offiziell zu heiraten. Auch ohne kirchlichen Segen wird am 20. November sein erster Sohn Peter Muigai Kenyatta geboren.

Am 8. November 1922 heiratet er Grace Wahu in einer Ziviltrauung. Er verdient monatlich 250 Schillinge als Verkäufer, arbeitet aber gleichzeitig als Wasseruhren-Ableser für die Gemeinde Nairobi. Dafür kauft er sich ein Fahrrad. Harry Thuku, der Führer der Young Kikuyu Association wird verhaftet, verurteilt und für elf Jahre in Verbannung geschickt. Blutige Aufstände brechen aus. Kenytta wird Mitglied in der Kikuyu Central Association (KCA, der wichtigsten schwarzen Interessengruppe, die sich für die Reduzierung der Steuern, die Landrückgabe, aber auch für die weibliche Beschneidung kämpfte. Letzteres wurde als inakzeptabler Eingriff der Missionare und Briten in die Kikuyu-Kultur empfunden.

Nachdem er 1923 versprochen hat, dem Alkohol zu entsagen, wird er wieder in die Kirche aufgenommen. Einen Teil seines Hauses in Dagoretti baut er zum Kramladen namens „Kenyatta Store“ um, der bald darauf zu einem beliebten Anlaufpunkt für Schwarze aus allen Stämmen wird.

Die politischen Aktivitäten der KCA-Führer James Beauttah und Joseph Kang'ethe beginnen ihn 1924 zu interessieren.

Seine Englischkenntnisse erlauben es ihm 1926, Briefe für die KCA zu entwerfen und zu übersetzen. Zum Lohn wird er Geschäftsführer der KCA.

Am 28. Februar 1928 begleitet er KCA-Vertreter, die vor der britischen Hilton-Young-Commission aussagen müssen. Seine erste Tochter Margaret Wambui Kenyatta, später die Oberbürgermeisterin von Nairobi, wird geboren. Im Mai beginnt er das Kikuyu-Wochenmagazin „Muigwithania“ (Der Versöhner) herauszugeben, das in einer indischen Druckerei hergestellt wird:

1928 reist er auf seinem Motorrad landauf landab und gründet KCA-Stützpunkte.

1929 trifft er eine wichtige Entscheidung: Die KCA schickt ihn nach London, um vor dem Colonial Office Klage zu erheben. Der indische Politiker und Mitglied des Legco (Legislative Council) Isher Dass, in dem 11 Weiße, aber auch 5 Inder mit britischem Pass und ein Araber (jedoch keine Afrikaner) saßen, sammelt Geld für die Schiffsreise. Am 17. Februar starten Kenyatta und Isher Dass, der eine ähnliche Petition für die indische Gemeinde übergeben will von Mombasa aus und erreichen am 8. März London. Kenyatta beginnt sogleich in englischen Zeitungen wie The Times und The Manchester Guardian zu publizieren mit dem Tenor „Gebt uns unser Land zurück“. Und er reist auch nach Moskau.

Er wendet sich 1930 an das Colonial Office, weil er fürchtet, nach seiner Rückkehr nach Kenia verhaftet zu werden. Am 24. September ist er wieder in Mombasa und wird von Beauttah und seiner Frau Wahu willkommen geheißen. Er arbeitet nun für die „Kikuyu Independent School“ in Githunguri. Diese unabhängigen Schulen versuchten ihren schwarzen Kindern auch Englisch zu lehren, woran die weißen Siedler - im Gegensatz zum Colonial Office in London - nicht sonderlich interessiert waren. Öffentlich wendet er sich gegen die weibliche Beschneidung, bzw. Genitalverstümmelung.

Am 2. Mai 1931 beginnt seine zweite Reise nach London, wo er eine Petition der KCA vor einer Parlamentskommission vortragen will. Da die ihn nicht vorlässt, schreibt er sich im Quäker-Kolleg Woodbrooke in Birmingham als Student ein.

Zu Ostern 1932 beendet er sein Studium in Woodbrooke, sagt vor der Carter Land Commission aus und besucht im August erneut die UdSSR. Diesmal belegt er auf Einladung von George Padmore, eines radikalen Westinders aus Trinidad, Ökonomie an der Universität von Moskau.

Padmore überwirft sich 1933 mit den Russen, woraufhin auch Kenyatta nach Großbritannien zurückkehren muss.

Von 1934 bis 1938 widmet er sich dem Studium am University College, London. Er arbeitet am „ Barlow's Kikuyu Dictionary“ (Barlows Kikuyu-Wörterbuch). Studium an der London School of Economics and Political Science bei Professor Bronislaw Malinowski, bei dem er Anthropologie hört. Er arbeitet über sein Volk, die Kikuyus. Publiziert und hält überall Vorträge im Land.

Im reifen Mannesalter: Jomo Kenyatta

Sein berühmte Magisterarbeit wird 1938 unter dem Titel „Facing Mount Kenya“ – und unter seinem neuen Namen Jomo Kenyatta publiziert. Er ist jetzt 49 Jahre alt.

1940 lebt er von Gelegenheitsjobs als Filmschauspieler in Sanders of the River (mit Paul Robeson) und als Farmarbeiter.

Die Liebe hat ihn 1942 eingeholt und er heiratet am 11. Mai in West Sussex die Engländerin Edna Clarke, die er später wieder verließ.

Am 11. August 1943 wird Sohn Peter Mugaria Kenyatta geboren.

Der erste Afrikaner Peter Mathu wird Mitglied 1944 im Legco. Die Kenya African Union, KAU, wird gegründet und Harry Thuku ihr erster Präsident.

Im Februar 1945 organisiert Kenyatta den Weltgewerkschaftskongress in London. Im Oktober organisiert er auch den 5. Panafrikanischen Kongress in Manchester, Kwame Nkrumah nimmt teil. Die Slogans lauten: „Freiheit jetzt“ und „Afrika den Afrikanern“.

1946 gründet er mit Kwame Nkrumah die Pan-African Federation. Im September kehrt er nach Kenia zurück und heiratet zum dritten Mal Grace Wanjiku Koinange, die Schwester seines politischen Weggefährten Mbiyu Koinange und Tochter des verstorbenen Senior Chief Koinange. Er wird Principal (Leiter) des Kenya Teachers College in Githunguri.

Er wird am 1. Juni 1947 Präsident der Kenya African Union, nachdem Juntas Gichuru zurückgetreten war. Kenyatta erhält Morddrohungen von weißen Siedlern. In der KAU stehen sich Radikale (wie Dedan Kimathi) und Realos scharf gegenüber. Kenyatta gehört zu den moderaten Realos, aber die Siedler und die Briten trauen ihm nicht. Man hält ihn aufgrund seines Aufenthalts in Moskau für einen Kommunisten. Im Hintergrund formieren sich die Vorläufer der Mau-Mau-Bewegung.

Von 1948 bis 1950 bereist Kenyatta Kenia und fordert auf zahllosen Versammlungen von den weißen Siedlern das Land zurück. Er fordert das Unerhörte, die Unabhängigkeit für sein Land innerhalb von drei Jahren. Gleichzeitig ruft er seine Landsleute auf hart zu arbeiten und verdammt Tribalismus, Nichtstun und Kriminalität.

Kenyatta nimmt 1950 an einem gemeinsamen Treffen von KAU und dem Kenya Indian Congress teil, auf der eine Resolution des Gewerkschafters Makhan Singh zur Freiheit Ostafrikas angenommen wird. Die junge Ehefrau Grace Wanjiku stirbt im Kindbett, die Tochter Jane Wambui Kenyatta überlebt.

Im Mai 1951 trifft Kenyatta James Griffiths, den Britischen Staatssekretär für Kolonialangelegenheiten und fordert eine Verfassungskonferenz noch vor Mai 1953. Die KAU wird verboten. Der Mau-Mau-Freiheitskampf beginnt. Im September heiratet er Ngina Muhoho, die Tochter von Chief Muhoho und dessen Frau Nyokabi.

In Kiambu hat sich 1952 auf Aufruf der KAU hin eine große Menge versammelt, zu der Kenyatta spricht. Im September schenkt Mama Ngina ihrer Tochter Christine Wambui Kenyatta das Leben. Gouverneur Baring nimmt am 7. Oktober gemeinsam mit Kenyatta an den Begräbnisfeierlichkeiten für Chief Waruhiu teil, trotz wiederholter Morddrohungen durch weiße Siedler. Der im Untergrund operierende Mau-Mau gibt sich ein Zentral-Komitee, um fortan alle Aktivitäten organisieren zu können. Am 20. Oktober erklärt die Kolonialregierung den Ausnahmezustand. Kenyatta wird sofort mit 182 anderen schwarzen Führungspersönlichkeiten verhaftet und am 18. November Kapenguria wegen Anstiftung zum Mau-Mau-Aufstand angeklagt. Mehrere Anwälte verteidigen ihn.

Am 8. April 1953 wird er – er ist 60 Jahre alt! – wegen Führung des Mau-Mau-Aufstands zu sieben Jahre schwerer Arbeit und anschließend unbegrenzter Verwahrung verurteilt. Er wird ins Gefängnis von Lokitaung verbracht, einem staubigen Nest im Nordwesten Kenias. Alle Rechtsmittel, die sein Anwalt bis 1954 dagegen einlegt, bleiben ohne Wirkung.

Am 14. April 1959 kann er das Gefängnis zwar verlassen, wird aber nach Lodwar in die Verbannung geschickt. Hierhin folgt ihm seine Frau Ngina Kenyatta.

Ein Gefolgsmann Mahatma Gandhis, der Inder Ambu Patel, gründet 1960 ein Komitee zur Befreiung der politischen Gefangenen, das große Demonstrationen organisiert. In einer Petition mit mehr als einer Million Unterschriften wird die Freilassung Kenyattas gefordert. Am 14. Mai wählt in die KANU in Abwesenheit zum Präsidenten. Im Dezember wird der Ausnahmezustand aufgehoben. Die Kenya African National Union (KANU) wird gegründet, kurz darauf die moderate Kenya African Democratic Union (KADU) von Daniel arap Moi, die Partei der kleinen Ethnien gegen die Kikuyu-Luo-Dominanz.

Die Nachfolgeorganisationen der KAU, die KANU und die KADU, fordern 1961 Kenyattas Freilassung. Am 23. März erhält er in Lodwar Besuch von kenianischen Politikern, unter ihnen auch Daniel arap Moi. Er zieht am 11. April um nach Maralal, seine Tochter Margaret stößt zu ihm. Er gibt erstmals seit acht Jahren wieder eine Pressekonferenz. Am 14. August wir er endlich freigelassen. Er geht nach Gatundu und anderen Orten, wo ihm überall ein jubelnder Empfang bereitet wird. Am 26. Oktober wird Sohn Uhuru Kenyatta geboren. Am 28. Oktober wird er offiziell KANU-Präsident. Er führt die KANU-Delegation zur wichtigen ersten Lancaster-Konferenz nach London, auf der die Mehrheit von Schwarzen im Legco beschlossen wird. Mitglieder im Legco werden der junge Gewerkschafter Tom Mboya und der radikale Ogiga Odinga, beides Luos sowie Ronald Ngala und Daniel arap Moi. Eine neue Verfassung wird entworfen, in der Kenia als Land bezeichnet wird, das den Afrikanern gehören wird. Der Zugang für Schwarze zu den White Highlands wird garantiert. Viele Siedler verkaufen daraufhin ihre Farmen und verlassen Kenia.

Kenyatta wird 1962 ebenfalls Mitglied des Legislative Council und in einer Koalitionsregierung aus Weißen, Indern und Schwarzen (KANU/KADU) Minister mit weitem Portfolio – Verfassung und Wirtschaft. Er führt die KANU-Delegation zur zweiten Lancaster-Konferenz nach London. Der Wunsch nach einer föderativen Verfassung, den die KADU vorträgt, wird dort verschoben.

Im Mai 1963 erringt die KANU einen grandiosen Wahlsieg. 83 der 124 Wahlkreise gehen an Kenyattas Partei.

Präsident im Rentenalter: Mzee

Am 1. Juni 1963 wird Kenyatta Premier-Minister. Er beruft sein Kabinett ein; dieser Tag wird zum Nationalfeiertag, dem Madaraka-Day, d.h. auf Kisuaheli „Selbstverwaltung“. Er spricht öfter versöhnlich und vertrauensbildend vor weißen Siedlern. Am 12. August überzeugt er in seiner berühmten Rede in Nakuru die Weißen Siedler im Lande zu bleiben. Beide Seiten sollten vergeben und vergessen. In der Folge stützt sich Kenyatta tatsächlich weiterhin auf weiße Beamten und Richter. Er enteignet kein weißes Land. Siedler, die ihr Land aufgeben, werden mit Hilfe der britischen Regierung kompensiert. Die Landreform lässt viele landlos, macht sie zu Landlosen auf jetzt schwarzem Besitz. Viele von ihnen ziehen in die Städte, bevorzugt in die Slums von Nairobi. Das Land geht an schwarze Großgrundbesitzer und Kenyatta gehört zu ihnen. Diese Gruppe der Reichen nennt der Volksmund treffend „Wabenzi“, ist es doch die schwäbische Nobelkarosse die ihr Statussymbol geworden ist. Bis auf den heutigen Tag sind einige britische Truppen in Kenia stationiert. In der Nähe von Nanyuki unterhalten sie ein großes Trainingslager.

Sein Sohn Muhoho Kenyatta wird 1964 geboren. Mit Hilfe britischer Truppen wird sowohl eine somalische Attacke als auch eine eigene Armee-Revolte niedergeschlagen. KADU und KANU gehen am 10. November zusammen und das Land wird praktisch Einparteienstaat. Am 12. Dezember wird Jomo Kenyatta der erste Präsident der Republik Kenia. Er ist jetzt 71 Jahre alt. Nun ist nicht mehr die englische Königin Souverän, sondern ein Schwarzer.

1966 erleidet er einen Herzinfarkt. Weitere Grenzzwischenfälle mit Somalia. Das Landprogramm wird offiziell für beendet erklärt. Die KANU spaltet sich. Ihr Vizepräsident Oginga Odinga gründet mit 29 Abgeordneten eine sozialistische Partei, die Kenya People´s Union, die KPU. Kenyatta versucht dieser Bewegung, die vorgab für die arme Masse zu sprechen, durch Gesetzes- und Verfassungsänderungen Herr zu werden. Die Mitglieder der KPU werden von Kenyattas Sicherheitsdienst immer wieder verfolgt. In den Zeiten des Kalten Kriegs ist dies vom Westen mehr oder weniger toleriert. Der smarte Tom Mboya, dem allgemein zugetraut wird, einmal Kenyattas Nachfolger zu werden, steht fest an der Seite Kenyatta und des Westens. Odinga gibt seinen Posten als Vizepräsident auf, ihm folgt für kurze Zeit der schöngeistige Joseph Murumbi, der aber bald enttäuscht vom Politikergeschäft zurücktritt und auf diesem Posten Platz für Daniel arap Moi macht.

Kenyatta versucht 1967 in einer ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAU) mit Milton Obote, Uganda, und Julius Nyerere, Tansania, z.B. Bahn, Post und Fluggesellschaften gemeinsam zu führen.

Seine Biographie erscheint 1968 und trägt den Titel Suffering Without Bitterness.

Am 5. Juli 1969 wird Tom Mboya in Nairobi auf offener Straße von einem Kikuyu nieder gestochen. Der Mörder Mboyas kommt vor ein Gericht und wird später (angeblich?) gehängt. Bisher lässt sich keinerlei Verwicklung von höheren Stellen nachweisen, aber der Tod Mboyas bringt die Luos, die sich so von den Fleischtöpfen der Macht ferngehalten sehen, auf Jahre in Rage und bitteren Zwist mit den Kikuyus. Als Kenyatta einen Versöhnungsbesuch in Kisumu abstattet – die gesamte Luo-Führung ist anwesend – droht die Situation aufgrund der wütenden Menge zu eskalieren, so dass die Polizei scharf schießt: mindestens 10 Tote sind zu beklagen. Die KPU wird verboten, obwohl die Verfassung Oppositionsparteien erlaubt. Odinga wird ohne Gerichtsurteil verbannt. Paramilitärische Polizeitruppen aus Kikuyus und loyalen verwandten Stämmen, General Service Unit, GSU, wurden zum Schutz der Regierungsinteressen geformt.

Am 29. Januar 1970 wird Kenyatta für die zweite Amtszeit als Präsident vereidigt. Die Tourismus-Industrie blüht auf.

In Uganda putscht Idi Amin im Jahr 1971 und seine Tochter Jane (Jeni) heiratet 1973 Udi Gecaga. Kenia scheint gegen andere afrikanische Staaten ein Hort der Sicherheit.

Am 5. November 1974 wird er für die dritte Amtszeit als Präsident vereidigt. Das Leben der einfachen Menschen verändert sich nur langsam zum besseren, für mache in den Slums auch gar nicht.

Es kommt 1975 zu einem weiteren Mord an Josiah Mwangi Kariuki, einem Kikuyu, Ex-Mau-Mau und Abgeordneten des Nyandarua North Wahlbezirks. Dagegen erhebt sich Protest. Kritiker wurden unter Hausarrest gestellt. Die Landfrage verstummt unter dem Druck auf Jahre. In Nairobi explodieren Bomben einer radikalen Gruppe (Poor´s People Liberation Group).

Kenyatta erleidet im April 1977 erneut einen Herzinfarkt. Die EAU ist am Ende, handstreichartig werden die Flugzeuge, Güter und andere Transportmittel wie Schiffe und Lastwagen der Gemeinschaft konfisziert. Kenia sichert sich den Löwenanteil. Die Spannungen zwischen den Länder bleiben über Jahre bestehen. Es kommt immer wieder zu Übergriffen und Scharmützeln an der Grenze.

Am 14. August 1978 versammelt er in seinem Haus in Mombasa seine ganze Familie um sich. Auch sein Sohn aus zweiter Ehe, Peter Mugaria samt Familie, aus Großbritannien fliegt dazu ein. Am 22. August stirbt der „Vater der Nation“ in Anwesenheit seiner Frau Ngina und Sohn Peter Muigai friedlich im Schlaf, für die meisten Kenianer ein großer Schock, bei einigen aber keimt Hoffnung auf ein demokratischeres Morgen. Das Staatsbegräbnis findet am 31. August statt. Mzee Jomo Kenyatta wird in einem eigenen Mausoleum vor dem Parlamentsgebäude von Nairobi beigesetzt.

Jomo Kenyattas Bücher

  • Facing Mount Kenya - The Tribal Life of the Gikuyu (1938), Vintage Books USA, 1962, ISBN: 0394702107
  • My People of Kikuyu and the Life of Chief Wangombe. Oxford University Press, 1967, ISBN: 0196805422
  • Suffering Without Bitterness. The Founding of the Kenya Nation. (Biographie, 1968)

Siehe auch

Weblinka

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