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Manga

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Manga (japanische Schreibweise 漫画 oder マンガ) ist das japanische Wort für Comics. Der Begriff man-ga lässt sich in etwa mit zwangloses/ungezügeltes Bild übersetzen. Mangas in animierter Form, in anderen Worten Zeichentrickfilme, nennt man auch Anime. Viele Fans bestehen auf eine strenge Trennung dieser beiden Begriffe, und verwenden Manga nur für Comics im engeren Sinne, also in Buchform, während Anime sowieso nur Filme bezeichnet.

In Japan werden diese Begriffe für alle Comics verwendet, unabhängig von ihrer Herkunft, im Westen benutzt man sie zur Unterscheidung von herkömmlichen Comics und Zeichentrickfilmen ausschließlich für Werke aus Japan.

Geschichtliches

In Japan zeichneten buddhistische Mönche schon ab dem 6. und 7. Jahrhundert Bildergeschichten auf Papierrollen. Das bekannteste dieser Werke ist die erste Chôjûgiga (Tierrolle) von Sôjô Toba (1053-1140), eine Satire, in der sich Tiere wie Mönche benehmen ([1], nachgezeichnete Skizze des Originals). Im 13. Jahrhundert begann man, Tempelwände mit Zeichnungen von Tieren und vom Leben nach dem Tod zu bemalen. Diese Darstellungsform wurde im 16. Jahrhundert auf Holzschnitte übertragen, wobei auch Zeichnungen aus dem Alltagsleben bis hin zu erotischen Bildern hinzukamen.

Aus solchen einzelnen Holzschnitten entstanden im frühen 18. Jahrhundert die so genannten Toba-e: Bücher, in denen schwarz-weiße Holzschnittdrucke mit integriertem Text fortlaufende Geschichten bildeten und die hauptsächlich satirischen oder lustigen Inhalt hatten. Im 19. Jahrhundert waren Toba-e die beliebteste Lektüre in Japan.

Eine andere Form der Holzschnittkunst waren Ukiyo-e, die sich im späten 17. Jahrhundert entwickelten und die in Einzelbildern das unbeschwerte Leben bis hin zu sexuellen Ausschweifungen zum Inhalt hatten. Der Begriff "Manga" wurde erstmals vom Ukiyo-e-Meister Hokusai (1760-1849) verwendet. Die Hokusai-Manga sind Skizzen, die in insgesamt 15 Bänden veröffentlicht wurden und keine zusammenhängende Geschichte erzählen, sondern Momentaufnahmen der japanischen Gesellschaft und Kultur zur Zeit der späten Edo-Periode (1603-1867) darstellen.

Mit der zunehmenden Öffnung Japans nach außen gewann gegen Ende des 19. Jahrhunderts das amerikanische Verlagswesen an Einfluss: Neben neuen, verbesserten Drucktechniken ließ man sich von US-Karikaturen und den gerade neu entstehenden amerikanischen comic strips inspirieren (z. B. zu dem ab 1887 erscheinenden japanischen Satiremagazin Tôbaé [2]). Trotz zunehmender Einschränkungsversuche durch die japanische Regierung konnten sich solche graphischen Veröffentlichungen in Japan bis zum Zweiten Weltkrieg halten.

Schon bald nach dem Krieg gründeten sich zahlreiche neue Kleinverlage. Der einflussreichste Wegbereiter des modernen Manga war der Arzt Osamu Tezuka (1928-1989), der nebenher als Zeichner für einen dieser Kleinverlage arbeitete. Beeinflusst vom Stil der frühen Disney-Zeichentrickfilme und von deutschen und französischen Filmen, gab er Anfang der 50er-Jahre seinen Beruf auf und entwickelte nicht nur die Grundlagen des heutigen Manga-Stils, sondern auch die Basis für die moderne Anime-Industrie. Von den Manga-Fans hat er deshalb für seine Verdienste den Ehrentitel Manga no Kamisama (Gott des Manga) verliehen bekommen.

Moderne Manga

Die meisten modernen Manga sind eher bild- als textlastig (es gibt natürlich auch Ausnahmen). Sie sind vor allem in schwarz-weiß gehalten und werden entsprechend der traditionellen japanischen Leserichtung von "hinten" nach "vorne" und von rechts nach links gelesen. In Japan erscheinen Manga in folgenden Formen:

  • yon koma manga ("Vier-Bilder-Manga"), die den amerikanischen Comic strips entsprechen und wie diese in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht werden.
  • Wöchentlich bis monatlich erscheinen telefonbuchdicke Manga-Magazine, in denen auf 200-900 Seiten die neuesten Kapitel mehrerer Serien zusammengefasst werden. Sie sind für umgerechnet 2-3 Euro an jedem Zeitungsstand erhältlich, haben eine schlechte Papier- und Druckqualität und werden normalerweise nach dem Lesen weggeworfen. Zu den bekanntesten japanischen Manga-Magazinen gehören u. a. Big Comics, Sh■nen Jump, Sh■nen Magazine und Sh■nen Sunday.
  • Jeweils im Abstand von mehreren Monaten erscheinen Taschenbücher mit Schutzumschlag (tankobon), in denen mehrere, vorher in den Magazinen erschienene Kapitel einer Serie in sehr guter Druckqualität zum Sammeln und Aufbewahren neu aufgelegt werden. Oft werden von diesen Taschenbüchern neben der normalen Auflage auch limitierte Sonderausgaben veröffentlicht, denen exklusive Figuren oder Merchandising-Artikel zur jeweiligen Serie beiliegen.

Zur Klassifizierung von Mangas sind im Westen viele japanische Fachwörter gebräuchlich, darunter:

  • Doujinshi bzw. Doujin für von Fans gezeichnete unoffizielle Fortsetzungen von bekannten Animes/Mangas oder Spielen. Jedoch werden sie veröffentlicht und sind in Japan sehr gefragt.
  • Jidaigeki für Mangas, die sich mit Japanischer Geschichte oder Religion beschäftigen.
  • Shoujo für Mangas (meistens romantische) für Mädchen. Bedeutet aber auch auf jap. Mädchen.
  • Shounen für Mangas (meistens Action) für Jungen, bedeutet aber auch auf japanisch Junge.
  • Yaoi befasst sich mit der Liebe zwischen Jungs, Emotionen stehen jedoch im Vordergrund.
  • Yuri Mit Yuri-zoku (Stamm der Lilien) nennt man in Japan euphemstisch Lesben, entsprechend ist Yuri das gleiche wie Yaoi, aber mit Mädchen/Frauen.
  • Hentai Nur im Westen gebräuchliche Bezeichnung für Manga mit expliziten sexuellen Darstellungen.

Verbreitung in Japan

Mit der Zeit haben sich verschiedenste Untergruppen für nahezu jede Zielgruppe herausgebildet, unterteilt z. B. nach Alter (von Kleinkind-Manga bis zu "Silver Manga" für Senioren), sexueller Orientierung oder Hobbys. Bei heranwachsenden Jugendlichen wird beispielsweise zwischen Themen für Mädchen (Sh■jo) und für Jungen (Sh■nen) unterschieden, diese Abgrenzungen sind außerhalb Japans allerdings weniger scharf. Manga-Stilmittel finden auch jenseits des reinen Geschichtenerzählens breite Anwendung, z. B. in Form von Kochbüchern oder Bedienungsanleitungen mit bildlichen Darstellungen.

Manga als Wirtschaftsfaktor

Manga sind eine der Hauptsäulen des japanischen Verlagswesens. Im Jahr 2002 machten sie 38,1 % aller Drucksachen in Japan aus, wovon knapp 28 % auf Manga-Magazine und knapp 11 % auf Manga-Taschenbücher entfielen (in Deutschland umfassen Comics nur ca. 3 % aller Drucksachen).

Die Gesamtauflage aller Manga in Japan wird auf über hundert Millionen Exemplare pro Monat geschätzt - während durchschnittliche Serien mit einer Startauflage von 300.000-500.000 Exemplaren pro Taschenbuch in den Handel kommen, erreichen die erfolgreichsten Einzelbände teilweise Erstauflagen im Millionenbereich (z. B. wurde im Juli 2002 von Band 24 der Serie One Piece die Rekordzahl von 2,52 Millionen Exemplaren gedruckt). Sh■nen Jump, das erfolgreichste Manga-Magazin, erlebte 2002 mit durchschnittlich 3,2 Millionen verkauften Exemplaren pro Woche sogar einen Rückgang gegenüber den vorhergehenden Jahren.

Statistisch gesehen kauft jeder Japaner pro Jahr 15 Manga (Deutschland: 0,25 Comics pro Kopf und Jahr). Dies spiegelt sich in den Umsatzzahlen wider: 2002 lagen die Gesamteinnahmen bei Manga-Magazinen bei ca. 275 Milliarden Yen und bei Manga-Taschenbüchern bei ca. 250 Milliarden Yen (zusammen etwa 4 Milliarden Euro).

Manga-Zeichner

Professionelle Autoren von Manga werden Mangaka genannt. Neben dem bereits erwähnten Osamu Tezuka sind z. B. CLAMP, Rumiko Takahashi, Akira Toriyama und Masamune Shirow weitere international bekannte Mangaka.

Manga in Deutschland

Die ersten in Deutschland veröffentlichten Manga waren die Einzelbände Barfuß durch Hiroshima - Eine Bildergeschichte gegen den Krieg von Keiji Nakazawa (Rowohlt Verlag, 1982) und Japan GmbH von Shotaro Ishinomori (Verlag Norman Rentrop, 1989).

Während in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien Manga bereits seit Anfang der 1980er-Jahre in immer größeren Stückzahlen veröffentlicht wurden und sich rasch große Fangemeinden bildeten, etablierte sich das Genre in Deutschland erst ab den 1990er-Jahren dauerhaft. Die erste Manga-Serie in Deutschland war Akira im Jahr 1991, und die Manga wurden zunächst nach amerikanischem und französischem Vorbild auf "westliche" Leserichtung gespiegelt, auf Albenformat vergrößert und auf mehr Bände aufgeteilt. 1997 veröffentlichte der Carlsen-Verlag dann mit Dragonball die erste in original japanischer Leserichtung belassene Manga-Serie.

Mittlerweile erscheinen bei Carlsen, EMA (Egmont Manga & Anime) und Planet Manga (Manga-Label von Panini Comics) monatlich über 60 Manga-Bände. Die Entwicklung des Manga-Booms in Deutschland lässt sich z. B. an den Umsatzzahlen des Carlsen-Verlags ablesen: Während der Verlag 1995 Manga für knapp 400.000 Euro verkaufte, lag sein Manga-Umsatz im Jahr 2000 bei über 4 Millionen Euro und im Jahr 2002 bei über 16 Millionen Euro.

Klischees

Der unsinnige Vergleich, dass in Japan mehr Papier für Manga verbraucht wird als für die Herstellung von Toilettenpapier, beruht auf einem Zitat aus dem Buch "Manga! Manga! The World of Japanese Comics" von Frederik L. Schodt: "As some enterprising reporters have discovered, Japan now uses more paper for its comics than it does for its toilet paper." (2. Auflage 1986, Vorwort "A thousand million manga", S. 12). Obwohl Schodt damit nur eine satirische Bemerkung in einem japanischen Zeitungsartikel kommentiert hatte, wurde die Bemerkung wegen ihrer Einprägsamkeit offensichtlich als Tatsache angesehen und ist seither in unzähligen Artikeln und Berichten über Manga zu finden.

Siehe auch

Manhwa, Liste der Manga-Titel, Hentai, Comiket/Comic Market, Superheld

Literatur

  • Jacqueline Berndt (1995): Phänomen Manga. Quintessenz Verlag. ISBN 3-861-24289-3
  • Osamu Tezuka (Vorwort), Frederik L. Schodt (1983): Manga! Manga! The World of Japanese Comics. Kodansha America. ISBN 0-870-11752-1 (englisch)
  • Frederik L. Schodt (1996): Dreamland Japan: Writings on Modern Manga. Diane Pub Co. ISBN 0-756-75168-3 (englisch)