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Linke Opposition in der Sowjetunion

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Trotzki mit Lenin und Soldaten in Petrograd 1921

Die Linke Opposition bezeichnete diejenige Strömung in der Sowjetunion, die im Gegensatz zu Stalins Doktrin stand. Hierzu zählten die Trotzkisten unter der Führung von Leo Trotzki, die Sinowjewisten unter dem Vorsitzenden der Komintern G.E. Sinowjew und den Anhängern des Politbürovorsitzenden L.B. Kamenjew, später stieß noch T.W. Sapronows radikale Gruppe der "Demokratischen Zentralisten" hinzu.


Lenins Tod

Nach Lenins Tod am 21. Januar 1924 in Gorki spielte sich ein Kampf um die Macht im sowjetischen Staat ab. Die faktische Nachfolge Lenins ging an ein Männerkollegium aus Sinowjew, dem Vorsitzender der Exekutivkomitees der Komintern und Leiter des Petrograder Sowjets,

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Lenin ein halbes Jahr vor seinem Tod

Kamenew, einem engen Mitarbeiter Lenins, und Stalin, der sich bis dato immer im Hintergrund hielt. Schon bald hatte Stalin die beherrschende Rolle in diesem Triumvirat.


Stalins Macht

Stalins ansteigende Macht beruhte auf die Informationsfülle, die ihm sein Amt der Arbeiter - und Bauerninspektion gab. Stalin konnte so in sämtliche Dienststellen und Verwaltungszweige hineinblicken und Informationen sammeln, die er gegen seine Gegner verwendete. Hinzu kam der zunächst eher unbedeutende Posten als Generalsekretär, der auf dem XI. Parteikongress im Jahre 1922 geschaffen wurde, und der bald zu einem Bindeglied zwischen der Zentralkontrollkommission (ZKK) und dem Zentralkomitee beziehungsweise Politbüro (ZK) darstellte. Dies verschuf Stalin zudem Einfluss auf die - zunächst noch harmlosen und für die Parteimitglieder ungefährlichen - Parteisäuberungen.

Das Testament

Lenin hinterließ ein Testament, das im Mai 1924 verlesen wurde. In diesem warnte er vor Stalin und schlug eine Entfernung Stalins vom Posten des Generalsekrätars vor. Seitdem Genosse Stalin, hieß es wörtlich, Generalsekretär geworden ist, vereinigt er in seine Hand eine ungeheure Macht, und ich bin nicht davon überzeugt, dass er diese Macht immer mit der gebotenen Vorsicht zu nützen wissen wird. Zwar wurde kein unmittelbarer Nachfolger genannt, doch Leo Trotzki, der maßgeblich an der Oktoberrevolution von 1917 beteiligt war, wurde als Favorit gehandhabt.


Die Linke Opposition

Mit der weitern Entwicklung der Sowjetunion bildete sich die Linke Opposition, die konträr zu Stalins Wirtschafts- , Staats- und Außenpolitik standen. Sie traten für eine rasche Industrialisierung und für die Kollektivierung der Landwirtschaft ein, deren Kosten durch eine stärkere Belastung der wohlhabenderen Bauern gedeckt werden sollten. Die zunehmende Bürokratisierung des Staatsapperats beantworteten sie mit der Rückkehr zur Rätedemokratie. Die Fehlschläge in der Außenpolitik, zum Beispiel das Scheitern der ersten chinesischen Revolution, sprachen sie dem stalinistischen Wirken in der Komintern zu. Stalin sah in China trotz der immer wieder auflodernden Arbeiterkämpfe keine sozialistische Perspektive. Deswegen zwang er die Kommunistische Partei Chinas zu einem antiimperialistischen Bündnis mit der bürgerlichen, rechten Kuomintang. Im Laufe der Jahre benutzte die Koumitang dieses Bündnis um die Kommunisten auszurotten.

Auf einer Sitzung des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI), die in der zweiten Maihälfte 1927 in Moskau stattfand, kam dieser Mißerfolg in der sowjetischen China-Politik zur Öffentlichkeit. Das stalinistische Apparat stand dadurch zunehmend unter Bedrängnis. Eine am 26. Mai 1927 übergebene Erklärung, dem sich noch 83 oppositionelle Parteifunktionäre anschlossen,

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Massaker der Kuomintang an chinesischen Kommunisten und Arbeiter

verstärkte den Druck auf Stalins Apparat. Die oppositionelle Propaganda wurde immer intensiver; sie überschwemmte die Organisationen in Gestalt von Flugblättern, Broschüren und anderen Materialien und forderte den Abbau der Autorität des ZK. Nur noch die Furcht vor Sanktionen hinderten viele daran, ihre wahre Meinung auszusprechen.

Als Stimmen laut wurden, die eine neue Partei forderten, stellte sich Trotzki diesen Forderungen entgegen, da eine neue Partei, so Trotzki, keine Massenbasis hätte und die Bürokratie nur ein Übergangsregime sei.

Auf den Druck der Linken Opposition antworteten Stalin und seine Anhänger mit einem Linksruck, um sich Zeit zu verschaffen. Es folgten zudem Diffamierungen der Oppositionellen in Presse und Partei: Ende Juli 1927 bezeichnete Stalin sie sogar als "Führer der Faschisten".

In einer Sitzung des Vereinigten Plenums des ZK und ZKK in Moskau am im selben Jahr von Stalins Äußerung versuchte man, die Opposition zu einer Mitarbeit im Apparat und einer öffentlichen Entschuldigung zu zwingen. Die Oppositionellen lehnten ein Eingehen auf diese Forderung ab. Dem Plenum blieb somit nichts anderes übrig, als für den Ausschluss Trotzkis und Sinowjews aus dem ZK zu stimmen, wie viele Staatsbeamte schon vorher forderten.

Unterdrückung

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Trotzki im französischem Exil

Anfang September 1927 legte die Opposition der Parteiführung eine "Plattform der vereinigten Opposition" zur Diskussion vor. Unter anderem wurde eine Reform des schwerfälligen Parteiapparats und der Wirtschaftsverwaltung gefordert. Ab diesem Zeitpunkt folgten massive Repressalien des stalinistischen Regimes. Es fanden immer wieder Hausdurchsungen und Verhaftungen statt, man hetzte in der Presse gegen die Oppositionellen, oppositionelle Arbeiter wurden aus den Betrieben entlassen, es ereigneten sich Parteiausschlüsse. Die Verbreitung der Streitschrift vom September wurde verboten. Jeder Ansatz von oppositioneller Demonstration wurde im Keime erstickt.

Der XV. Parteitag am 2. Dezember 1927 wurde genutzt, um sämtliche Oppositionellen auszuschließen. Sie wurden schließlich verbannt. Die Sinowjewisten und Kamenewisten schlossen sich unter dem Druck massiver Repressalien den Stalinisten an. Das Ende der Opposition war somit besiegelt.

Nahezu alle Mitglieder der ehemaligen Linken Opposition wurden in den Moskauer Prozessen während der großen Parteisäuberung ermordet. Im Zuge der "Entstalinisierung" (nach Stalins Tod 1953) wurde keines der Mitglieder rehabilitiert.

Literatur

  • Wadim Sacharowitsch Rogowin - Gab es eine Alternative zum Stalinismus? ISBN 3-88634-068-6
  • Ulf Wolter - Die Linke Opposition in der Sowjetunion (leider vergriffen, nur noch gebraucht erhältlich)

Siehe auch: Stalinismus - Trotzkismus